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Verschreibungspflichtig

von uena

Verschreibungspflichtig

Bones fühlte sich unwohl, sobald er die Schwelle zur Bar betreten hatte.
Zugegeben, er hatte sich schon vorher nicht unbedingt gut gefühlt. Erschöpft, körperlich befriedigt, ja – aber nicht gut. Der vertraute Anblick ausgerechnet der Bar, in der er mit Kirk quasi die Hälfte ihrer gemeinsamen Akademiezeit verbracht hatte, machte die Sache nicht besser.

Es war ein kleines Lokal, einigermaßen abgelegen von der üblichen Party-Szene der Akademie, mit vielen lauschigen, privaten Winkeln, und es war Bones gewesen, der es durch den simplen Fakt, dass er sich geweigert hatte, woanders hinzugehen, zu ihrer Stammkneipe gemacht hatte.

Ihm war nach wie vor nicht ganz klar, wieso Jim, der Trubel und Menschenmassen liebte wie kein Zweiter, ihm sooft hierher gefolgt war, versucht hatte, ihn zu einer lebhafteren Lokalität zu überreden – und schließlich bei ihm geblieben war.

Jim konnte sich schließlich kaum von Beginn ihrer Bekanntschaft an zu ihm hingezogen gefühlt haben. Der Gedanke allein war lächerlich.

Bones straffte die Schultern, folgte Kirk an den Tisch, um den herum längst die zukünftige Kern-Besatzung der Enterprise versammelt saß, nahm stumm zur Kenntnis, wie sämtliche Anwesenden ganz selbstverständlich ihrem künftigen Captain die Schuld für ihrer beider Zuspätkommen gaben, und fragte sich unwillkürlich, was er hier überhaupt verloren hatte.

Er gehörte nicht hierher, Stammkneipe oder nicht.

Jim schubste ihn auf die mit Leder bezogene Sitzbank, direkt neben das Fenster mit Blick auf den Fluss, setzte sich hastig neben ihn, wie um ihn an einer Flucht zu hindern, und wedelte mit ausgestrecktem Arm und leuchtenden blauen Augen nach der Kellnerin. Manchmal, dachte Bones, war Jim gar kein so schlechter Schauspieler.

Und dann gehörte Jim, im Gegensatz zu ihm, ja auch hierher.

Er würde mit diesen Gestalten an Bord der Enterprise gehen, würde ihr verdammter Captain sein, während Bones selbst vermutlich noch in zehn Jahren auf der Erde hocken und langsam aber sicher so alt werden würde, wie er sich fühlte. Nicht, dass etwas dagegen einzuwenden war, auf der Erde seiner Berufung nachzugehen, ohne mögliche Shuttle-Abstürze, abstruse extra-terrestrische Krankheiten und natürlich Beamen, das Teufelswerk schlechthin.

Aber auf der Erde zu versauern, während Jim allein den Weltraum erforschte und sich wahrscheinlich bereits in der ersten Woche seiner Amtsausübung umbringen ließ, war keine besonders rosige Aussicht. Bones bestellte sich einen doppelten Whisky, als die Kellnerin endlich Kirks Winken Folge leistete und an ihren Tisch kam.

Er war sich darüber bewusst, dass Jim ihm einen prüfenden Blick aus dem Augenwinkel zuwarf und beschloss, ihn zu ignorieren. Zwar wollte er seinem Freund keineswegs seine Feier verderben, aber ohne Alkohol wäre diese Zusammenkunft ganz sicher nicht zu ertragen.

Denn nicht nur sollte er an diesem Abend trotz allem den Umstand feiern, dass sein bester Freund zum Captain der Enterprise ernannt worden war, ihm direkt gegenüber saß außerdem Spock, und der sah aus, als bereite ihm dieser Kaffeeklatsch noch weniger Vergnügen als Bones selbst, und hatte die linke Augenbraue in stummer Geringschätzung in die Höhe gezogen.

Bei dem Anblick musste man sich ja betrinken.

Bones bekam seinen Whisky, verlor keine Zeit und leerte das Glas, bevor er am Ende noch auf die Idee kam, es sich anders zu überlegen. Es war ja nun nicht so, dass irgendjemand von dem Notiz nehmen würde, was er tat. Nicht nur ließ die Anzahl der Gläser auf dem Tisch darauf schließen, dass man mit dem Feiern nicht auf sie gewartet hatte, aller Augen ruhten außerdem auf Jim, der eben mit weit ausladenden Gesten seine fraglose Eignung zum Captain untermalte.



Mister Spock war, in Ermangelung eines passenderen Ausdrucks, verwirrt.
Doktor McCoy, ohnehin kaum jemals bei guter Laune anzutreffen, war an diesem Abend ein derartiger Ausbund an negativen menschlichen Gemütsbewegungen, dass Spock beinahe Mühe hatte, eine gleichgültig-kontrollierte Miene beizubehalten.

Menschliche Emotionen waren ihm zwar nach wie vor ein Rätsel – waren sie doch zumeinst viel zu offen zur Schau gestellt, um einigermaßen nachvollziehbar zu sein – aber Spock war sich relativ sicher, dass den Doktor etwas vergrämte.

Starker Alkoholkonsum war bei vielen Menschen ein Zeichen von Kummer, und da Doktor McCoy soeben ein weiteres Glas Whisky von der unmotivierten Kellnerin forderte, zog Spock unwillkürlich die linke Augenbraue noch einen halben Millimeter mehr in die Höhe.

Wenn seine Beobachtungen ihn nicht fehlgeleitet hatten, dann existierte zwischen dem Doktor und seinem zukünftigen Captain, eine – für menschliche Verhältnisse – ungewöhnlich enge Bindung. Wäre es da nicht angebracht gewesen, dass der Doktor dieser Feierlichkeit etwas enthusiastischer begegnete?

Ein prüfender Blick aus dem Augenwinkel setzte Mister Spock darüber in Kenntnis, dass auch der Captain keineswegs so gut gelaunt war, wie er vorgab zu sein. Die Bierflasche in seiner Hand war unangetastet, und während Doktor McCoy ein Mensch war, der trank, wenn er sich nicht wohl fühlte, war bei Captain Kirk das Gegenteil der Fall.

Spock begann, in Ermangelung einer passenderen Bezeichnung, sich zu sorgen. Im Gegensatz zum Rest der zukünftigen Besatzung hatte er eine gesicherte Ahnung, dass der Doktor und der Captain einander in den letzten Wochen näher gekommen waren – es war so gut wie unmöglich gewesen, den Geruch in Doktor McCoys Quartier an diesem gewissen Morgen zu ignorieren – und da Menschen zu übereilten und ungenügend durchdachten Handlungen neigten, war es durchaus möglich, dass diese beiden Männer miteinander in Disput geraten waren.

Sollte das der Fall sein, dann war es unvernünftig und unbesonnen von ihnen gewesen, sich so dicht nebeneinander zu setzen. Spock beschloss, die Beiden zu ignorieren.

„Doktor McCoy“, machte Montgomery Scott diesen Entschluss in höchst liebenswürdigem Tonfall zunichte, „stimmt es, dass Sie Angst vorm Beamen haben?“

Der Maschinen-Offizier war bereits leicht angetrunken und somit keineswegs gewappnet für den Blick puren Abscheus, den Bones ihm zuwarf.

„Angst würde ich es nicht nennen“, grollte Bones irritiert. „Eher eine gesunde Scheu. Wenn ich will, dass meine Moleküle sich in ihre Bestandteile auflösen, dann binde ich meinen Arsch an einen Photonen-Torpedo und warte darauf, dass die Klingonen angreifen.“

Scotty beschloss, den Arzt für den Rest des Abends in Ruhe zu lassen.

„Ich finde es völlig normal, dass das Beamen jemanden nervös machen kann“, mischte Uhura sich vernünftig ein. „Die möglichen Folgeerscheinungen sind noch immer nicht völlig erforscht, und Unfälle können nach wie vor auftreten!“

„Erklären Sie das Admiral Archers Beagle“, grinste Sulu und rammte Scotty seinen Ellenbogen in die Rippen. „Wie kommt es eigentlich, dass er Ihre Verbannung aufgehoben, und Ihnen tatsächlich erlaubt hat, dauerhaft an Bord der Enterprise zu gehen?“

„Ich bin mir nicht sicher, was sich da abgespielt hat“, antwortete Scotty, ebenfalls grinsend, rieb sich die malträtierten Rippen und zuckte schließlich mit den Schultern. „Ich nehme an, dass ich rehabilitiert bin, nachdem ich … naja … geholfen habe, die Erde zu retten.“

„Doktor McCoy?“, ertönte Chekovs schüchterne Stimme, und Bones wandte dem Jungen geduldig und einigermaßen aufmerksam den Blick zu. Nur ein Unmensch wäre dazu in der Lage, gemein zu Chekov zu sein.

„Wenn Sie Arzt an Bord der Enterprise werden – wird das dann nicht schrecklich … anstrengend für Sie werden? Schiffsarzt zu sein, wenn man Angst vorm Fliegen und vorm Beamen hat, ist doch -“ „Ich werde nicht Arzt an Bord der Enterprise“, unterbrach Bones ihn grollend, alle Geduld und Nachsicht mit siebzehnjährigen Wunderkindern vergessen. „Die Sternenflotte ist völlig einer Meinung mit Ihnen und bevorzugt es, in Anbetracht meiner Phobien, einen Arzt mit mehr Erfahrung auf ihr Flagschiff zu setzen.“

Sämtliche um den Tisch geführten Unterhaltungen brachen ab und aller Augen richteten sich unwillkürlich auf Bones. Er nahm aus dem Augenwinkel wahr, wie Jims Finger sich in den Lederbezug ihrer Sitzbank gruben, und wünschte sich unwillkürlich, er hätte es ihm gesagt.

Aber er hatte die Nachricht bekommen, während Jim nach ihrer gemeinsamen Dusche zu seinem eigenen Quartier gesprintet war, um sich frische Kleidung anzuziehen, und er hatte es nicht übers Herz gebracht, ihm den Abend zu verderben.

Soviel also dazu.

„Wann?“, fragte Jim ihn zwischen zusammengebissenen Zähnen, und Bones drehte sein Whisky-Glas zwischen seinen Händen. „Gerade eben erst. Ich wollte es dir morgen sagen.“

Jim fluchte leise, und Bones trank den Rest seines Whiskys, hob sofort den Arm, um sich einen neuen zu bestellen, und starrte in sein leeres Glas hinab, um niemanden ansehen zu müssen.

Wieso zum Teufel starrten die ihn noch immer an, als sei es mindestens der Weltuntergang, dass er nicht mit an Bord kommen würde? Mit Ausnahme von Jim hatte er während seiner Akademiezeit keine Freundschaften geschlossen – im Prinzip sollte es also keinen von ihnen interessieren, ob er jetzt mit ihnen auf Mission ging oder nicht. Es gab andere Ärzte, vielleicht nicht unbedingt bessere, aber bestimmt welche, die etwas freundlicher zu ihren Patienten waren. Bones ließ ein wenig die Schultern hängen. Interessanter Weise war seine ruppige Art im Umgang mit Patienten in dem Schreiben der Sternenflotte nicht erwähnt worden. Seine Befähigung zum Arzt war also die eine Sache, die nicht in Frage gestellt wurde. Bones fand das ein wenig absurd.



Die Gespräche rund um den Tisch wurden nach und nach wieder aufgenommen, aber die gute Stimmung an diesem Abend war dahin. Wie sollte man auch anständig feiern, wenn der zukünftige Captain ein Gesicht machte, als sei jemand gestorben, während sein bester Freund neben ihm saß und sich still betrank.

Uhura tauschte einen flüchtigen Blick mit Spock, der neben ihr saß und über den ganzen Abend verteilt vielleicht drei Worte geäußert hatte, und sie lächelte etwas gezwungen. Ihre Bekanntschaft mit James T. Kirk war eine lange und facettenreiche, und sie ahnte, was es für ihn bedeutete, seinen besten Freund auf der Erde zurücklassen zu müssen, während er selbst den Weltraum erforschen durfte.

Ohne Doktor McCoys unorthodoxen Einsatz wäre Kirk niemals an Bord der Enterprise gelangt, hätte seine Befähigung zum Captain niemals so überaus eindrucksvoll beweisen können – ohne Doktor McCoy wäre James T. Kirk nicht zu dem Mann geworden, der er war.

Uhura seufzte leise. Die Sternenflotte hatte sicher ihre Gründe, den Arzt auf der Erde zu belassen, aber es war ja nun nicht unbedingt so, dass der Rest der Besatzung über jeden Zweifel erhaben war – Kirk mochte sich bewiesen haben, aber er war nach wie vor ein junger Hitzkopf, unbesonnen und leichtsinnig, und es reichte ihrer Meinung nach nicht aus, ihm einen Vulkanier als Gegenpol auf die Brücke zu setzen, um ihn ein wenig zu dämpfen.

Doktor McCoy war der Einzige, dem sie einen gewissen Einfluss auf Captain Kirk zubilligte, und außerdem war er ein absolut fabelhafter Arzt. Es wäre sicherlich falsch, ihn nur auf die Enterprise zu beordern, weil er der beste Freund des Captains war, aber es nur deswegen nicht zu tun, wäre Wahnsinn.

Uhura runzelte einen Moment die Brauen, nickte sich selbst schließlich entschlossen zu und leerte ihr Weinglas. Vielleicht gab es nichts, was sie tun konnte, aber sie musste es zumindest versuchen.

Es dauerte nicht lange, bevor die Gesellschaft begann, sich aufzulösen. Chekov war der Erste, der ging. Er nickte der Runde schüchtern zu, wurde tatsächlich rot, als Kirk ihm zum Abschied die Hand reichte, und wieselte sich seinen Weg aus der kleinen Bar. Der arme Junge hatte sich den ganzen Abend an einem einzigen Glas Wasser festgehalten, und Kirk drückte laut sein Entsetzen über das mangelnde Mitgefühl seiner Besatzung aus, die scheinbar nicht daran gedacht hatte, dem bedauernswerten Minderjährigen ein Bier zu kaufen. Bones, der inzwischen vier leere Gläser vor sich stehen hatte und mit dem fünften beschäftigt war, zählte etwas undeutlich die Gefahren des Alkohols für unbescholtene Jugendliche auf, und Kirk biss die Zähne zusammen. „Ein Bier hätte ihm wohl kaum geschadet!“

Bones drehte sich auf der Sitzbank ein wenig zu Kirk herum und sah ihm zum ersten Mal an diesem Abend direkt in die Augen. Sulu, der das Unglück hatte, diesen Blick aufzufangen, hustete und starrte hastig an Doktor McCoy vorbei aus dem Fenster. Kein Arzt sollte dazu in der Lage sein, so zu gucken. Da gefror einem ja das Blut in den Adern.

„Jaja, ich weiß, er ist zu jung“, murmelte Kirk – zur Überraschung aller Anwesenden – nachdem er diesen Blick einige Sekunden lang ertragen hatte, und er klang erstaunlich sanft. Vielleicht wollte er einfach nur nicht mit Doktor McCoy streiten. Nicht an diesem Abend.

„Ich verspreche dir, ihn nicht in Versuchung zu führen“, setzte Kirk kaum hörbar hinzu, klopfte McCoy in einer scheinbar unbedeutenden Geste auf den Oberschenkel, und Sulus Augenbraue schoss in die Höhe. Er hätte nicht gedacht, dass der Captain so … einfühlsam sein konnte.

Sulu wandte seinen überraschten Blick erst von diesem unerwarteten Anblick ab, als Scotty ihn unterm Tisch vors Schienbein trat, fluchte unterdrückt und stand auf. Scotty schloss sich ihm an, als er sich verabschiedete, und auf dem Weg aus der Bar vertraute er ihm mit vor Empörung dickem schottischen Akzent an, dass er es für eine Sauerei sondergleichen halte, Doktor McCoy nicht mit an Bord zu bekommen.

„Er liebt das Schiff und die Raumfahrt vielleicht nicht ganz so, wie man erwarten könnte, aber er ist ein verdammt guter Arzt!“, grummelte Scotty ungehalten, während er in die Dunkelheit entschwand, und Sulu nickte stumm und machte sich auf den Weg zu seinem eigenen Quartier. Der Abend war erschreckend anders verlaufen, als er es sich ausgemalt hatte.



Uhura atmete tief durch, sammelte sich innerlich und hob die Hand, um anzuklopfen. Es war nicht schwer gewesen, Professor Sato davon zu überzeugen, ihr eine Audienz mit Admiral Archer zu verschaffen – sie war die Beste in ihrer Klasse gewesen und alles in allem ihre erfolgreichste Schülerin – aber Admiral Archer war ein völlig anderes Kaliber als die Professorin für Xenolinguistik, und Uhura war tatsächlich ein wenig aufgeregt.

Dieser Mann war verdammt noch mal Gründungsmitglied der intergalaktischen Föderation!

Sie klopfte zögerlich an, wurde hinein gebeten, und zog voller Überraschung die fein geschwungenen Augenbrauen in die Höhe, als sie sah, dass der Admiral keineswegs allein war. Spock stand vor seinem Schreibtisch, ein Muster an Ausgeglichenheit und Selbstkontrolle, und Uhura lächelte innerlich, denn sie wusste es besser.

„Ah, Leutnant Uhura, kommen Sie herein“, begrüßte Archer sie freundlich, erhob sich hinter seinem Schreibtisch und kam ihr entgegen, um ihr die Hand zu reichen. Er war ein alter Mann, aber die Spannung in seinen Schultern und die Schärfe in seinem Blick erinnerten daran, dass er einmal der Captain der allerersten Enterprise gewesen war – der erste Mann, der an Bord eines warpbetriebenen Raumschiffs den Weltraum erforschen durfte, und Uhura lächelte ihm zaghaft zu. Professor Sato sprach mit Respekt und Liebe von diesem Mann, und das war auch der Grund, warum Uhura um eine Unterredung mit ihm gebeten hatte.

Sie warf Spock einen fragenden Blick zu, während Archer sich wieder hinter seinem Schreibtisch niederließ, und er nickte ihr kaum merklich zu, verschränkte die Arme hinter dem Rücken und wandte sich an den Admiral.

„Sir, wenn ich Ihnen mein Anliegen vortragen dürfte, bevor Sie sich Leutnant Uhura widmen?“, fragte er höflich, und Archer warf Uhura einen kurzen Blick zu. „Wenn es die Dame nicht stört?“

Uhura konnte es nicht grade noch verkneifen, mit den Schultern zu zucken. „Natürlich nicht, Sir. Ziehen Sie es vor, wenn ich draußen warte, Mister Spock?“ Spock wandte ihr den Blick zu. „Das wird nicht nötig sein. Mein Anliegen ist keineswegs privater Natur.“ Und war das nicht überraschend? Uhura blinzelte verwirrt.

„Mein Anliegen wird Ihnen möglicherweise ungewöhnlich vorkommen“, begann Spock ruhig und stellte sich noch ein wenig aufrechter hin. „Es geht um Doktor Leonard McCoy.“

Archer verzog keine Miene. „Bitte, fahren Sie fort.“

Spock schien durch den Gleichmut des Admirals ein wenig aus dem Gleichgewicht gebracht, verlagerte leicht sein Gewicht und senkte das Kinn. „Mir ist zu Ohren gekommen, dass die Sternenflotte es nicht für angebracht hält, ihn an Bord der Enterprise seinen Dienst verrichten zu lassen?“

Archer faltete seine Hände auf seinem Schreibtisch. „Ich bin nicht mit den Einzelheiten der Besetzungsfragen auf jedem Raumschiff der Flotte vertraut, aber ja, dieser Umstand ist mir bekannt. Gibt es diesbezüglich ein Problem?“

Uhura registrierte, wie Spock einen Muskel in seinem Nacken anspannte. Sie wäre nicht einmal im Traum darauf gekommen, dass der Vulkanier bei der Feierlichkeit vor zwei Tagen sonderlichen Anteil an Doktor McCoys Dilemma genommen hatte. Auch das, dachte sie leicht verärgert, hätte sie eigentlich besser wissen sollen.

„Nun“, setzte Spock seine Ausführungen fort, „die Sternenflotte hat mir im Vertrauen mitgeteilt, dass von mir erwartet wird, einen, ich zitiere, moderierenden Einfluss auf das kommandierende Verhalten James T. Kirks auszuüben. Ich bin mir durchaus bewusst, dass dies ein bemerkenswerter Vertrauensbeweis seitens der Sternenflotte ist, möchte mich hier aber entschieden gegen dieses Arrangement aussprechen. Ich bin nicht zur Sternenflotte gegangen, um Kindermädchen für einen unreifen Menschen zu spielen.“

Admiral Archer schien diese Bemerkung amüsant zu finden, während Uhura im Hintergrund vor Überraschung die Augen aufriss. Was zum Teufel war denn mit einem Mal in Spock gefahren?

„Ich muss sagen, dass ich Ihre diesbezüglichen Gefühle nachvollziehen kann“, erwiderte Admiral Archer mit bewunderungswürdiger Liebenswürdigkeit. „Aber mir ist nicht ganz klar, was das alles mit Doktor McCoy zu tun hat.“

„Doktor McCoy“, antwortete Spock sofort, „hat in den Jahren, die er mit dem Captain bekannt ist, eine bewundernswerte Fähigkeit demonstriert, einen gewissen Einfluss auf diesen auszuüben. Ich empfehle der Sternenflotte also, ihn als Arzt auf die Enterprise zu berufen, wenn sie glaubt, dass der Captain kontrolliert werden muss.“

Archer zog leicht die Augenbraue in die Höhe, erwiderte einen Moment lang nichts, und Uhura biss sich auf die Unterlippe, um sich selbst davon abzuhalten, in das Gespräch einzugreifen. Sicher, sie war mit haargenau demselben Anliegen wie Spock hierher gekommen, aber sie hatte das Gefühl, dass noch nicht alles gesagt war.

Admiral Archer erhob sich hinter seinem Schreibtisch, trat an das Panoramafenster dahinter heran, verschränkte die Hände hinter dem Rücken und blickte einen Moment lang stumm hinaus. „Ihnen ist klar, dass auch ich einen Vulkanier zum ersten Offizier hatte, als ich Captain der Enterprise war – und das zunächst keineswegs freiwillig?“ bemerkte er schließlich ruhig, und der Muskel in Spocks Nacken trat deutlicher hervor. „Ja, Sir, dessen bin ich mir bewusst. Es ist einer der Gründe, warum ich Sie in diesem Fall aufgesucht habe.“

Archer drehte sich vom Fenster weg und musterte ihn nachdenklich. „Ohne die Erfahrungen, die ich auf diese Art mit vulkanischen Verhaltensweisen gewonnen habe, hätten Sie mich vielleicht täuschen können, Mister Spock, aber ich sollte Ihnen vielleicht anvertrauen, dass Sie nicht der Erste sind, der ungewöhnlich viel Wert darauf legt, dass Doktor McCoy auf die Enterprise versetzt wird.“

Spocks Blick fixierte sich hastig auf das Gesicht des Admirals und dieser lächelte amüsiert. „Mir sind im Laufe des vergangenen Tages nicht weniger als drei Bittschreiben übermittelt worden, die sich allesamt mit dieser Thematik beschäftigen. Interessanter Weise sind die einzigen Besatzungsmitglieder der Brücke, die sich bisher nicht dazu geäußert haben, der Captain und Doktor McCoy selbst.“

Der Admiral drückte einen Knopf auf dem Computer auf seinem Schreibtisch und fixierte seinen Blick auf den Bildschirm. „Aus dem Schreiben eines gewissen Pavel Chekov entnehme ich, dass Captain Kirk und Doktor McCoy eine enge Freundschaft verbindet, und es an seelische Grausamkeit grenzt, sie zu trennen. Hikaru Sulu wirft der Sternenflotte Engstirnigkeit und sogar grobe Fahrlässigkeit vor, sollte sie Captain Kirk dem Einfluss seines Arztes entziehen, da dieser der Einzige sei, der einen Überblick über die zahlreichen Allergien des Captains habe, und Mister Scott ist sogar so leichtsinnig, mich in seiner Notiz darauf hinzuweisen, dass mein Beagle noch unter uns weilen könnte, wäre Doktor McCoy damals anwesend gewesen, um ihn von seinem Versuch abzuhalten, und er als menschliche Stimme der Vernunft – in Ergänzung zu Ihrer vulkanischen – somit unentbehrlich für die Besatzung der Enterprise sei.“

Admiral Archer wandte seinen Blick vom Computerbildschirm ab und hob beide Augenbrauen. „Ich nehme jetzt einfach mal an, dass auch Leutnant Uhura aus einem verwandten Grund heute Morgen mit mir sprechen möchte?“

Uhura konnte nur nicken, als der Admiral sie fragend anblinzelte, und dieser wandte sich sofort wieder Spock zu.

„Sie sehen also, Mister Spock, dass ich Sie durchschaut habe.“ Admiral Archer grinste mit einem Mal ein wenig, und Spock durchfuhr ein leiser Ruck. Es sah ein wenig aus, als stellten sich ihm die Haare im Nacken auf – ein durchaus faszinierender Anblick. Archer grinste noch ein wenig mehr und fuhr gutgelaunt fort. „Und ich freue mich ehrlich gesagt darüber, dass die Beziehung zu Ihrem Captain schon vor Beginn Ihrer gemeinsamen Dienstzeit derartig freundschaftlicher Natur ist.“

Spock sah aus, als neige er sehr dazu, dieser Schlussfolgerung zu widersprechen, riss sich jedoch zusammen und nickte schließlich. „Sie werden sich also dafür einsetzen, dass Doktor McCoy auf die Enterprise versetzt wird?“, fragte er geduldig, und Admiral Archer nahm mit ernstem Gesicht wieder hinter seinem Schreibtisch Platz. „Ich werde sehen, was ich tun kann. Sie sind entlassen.“

Spock neigte leicht den Kopf, wandte sich ab und verließ das Zimmer, und Uhura zögerte einen Moment lang, ihm zu folgen – bis Archer sie freundlich anlächelte, eine amüsierte Bemerkung über ränkeschmiedende Vulkanier machte, und sie ebenfalls hinaus winkte.



„Bones?“ Kirk luscherte vorsichtig in das Quartier des Doktors, und war erleichtert, diesen nüchtern und vor allen Dingen in einigermaßen friedlicher Stimmung vorzufinden.

Er hatte ihn zuletzt bei der Feier vor zwei Tagen gesehen, hatte ihn unter Aufbringung all seiner Geduld und Sanftmut – zwei Eigenschaften für die er nicht unbedingt berühmt war – in sein Quartier befördert, und obwohl Bones nichts tun konnte, um seine bedingungslose Loyalität zu verspielen, hatte das Verhalten des Doktors in dieser Nacht ihm eine Heidenangst eingejagt.

Bones war so betrunken gewesen, dass er kaum hatte laufen können, und als Kirk es endlich geschafft hatte, ihn ins Bett zu bringen, hatte Bones tatsächlich versucht, ihn zum Bleiben zu bewegen. Nun, Kirk war niemand, der Sex abschlug, wenn er ihm angeboten wurde, aber selbst er wusste es besser, als mit Bones zu schlafen, wenn dieser zu betrunken war, um die Folgen seiner Handlungen absehen zu können.

„Komm rein“, brummte Bones müde, wälzte sich auf seinem Bett von der linken auf die rechte Seite, und Kirk kam seiner Aufforderung sofort nach und schloss die Tür hinter sich. Bones hatte ihn quasi hinausgeworfen, als er nicht hatte mit ihm schlafen wollen, und Kirk hatte die irrationale Angst gehegt, es sich mit ihm verdorben zu haben. Dabei war Bones so ziemlich der einzige Mensch in seinem Leben, der nicht deswegen seine Zeit mit ihm verbrachte.

Kirk zog seine Schuhe aus, legte sich neben Bones auf das schmale Bett und schloss die Augen. Er wusste nicht, wie er ohne dieses Gefühl weitermachen sollte. Bones war der Einzige, der ihn zur Ruhe kommen ließ.

„Wo warst du gestern den ganzen Tag?“, erkundigte Bones sich leise bei ihm, legte einen Arm über seine Brust, und Kirk war froh, dass seine Augen geschlossen waren. Er drehte Bones den Rücken zu, drückte sich enger an ihn und atmete tief durch, als Bones seinen Arm enger um ihn zog.

„Ich dachte, du willst, dass ich mich von dir fern halte“, antwortete er wahrheitsgetreu. „Mit deinem Kater und allem …“ Kirk verfluchte sich im Stillen dafür, wie verräterisch belegt seine Stimme klang und umklammerte Bones’ Handgelenk, presste dessen Hand an seine Brust und blinzelte ein paar Mal. Das war doch lächerlich!

Bones grollte leise – Gott, Kirk liebte dieses Geräusch – und rieb ihm vorwurfsvoll über die Brust. „Unsinn“, sagte er, drückte sein Gesicht in Kirks Nacken und atmete tief durch.

„Verdammt, Jim“, knurrte er dann kaum hörbar, und sein warmer Atem streichelte über Kirks Haut. „Entschuldige wegen vorgestern Nacht. Ich hätte nicht so viel trinken sollen.“

Kirk erwiderte nichts, lächelte lediglich gequält, und Bones zog ihn enger an sich heran und streichelte sanft über den weichen Stoff seines Uniformoberteils. Kirk schluckte hilflos, als alles Blinzeln nichts mehr half und eine einzelne Träne über seine Wange kullerte. Ganz großartig. Wie sollte er denn so ein ganzes Raumschiff kommandieren – er hatte ja nichtmal volle Kontrolle über seine Tränendrüsen!

Kirk unterdrückte ein Schniefen, versuchte, einigermaßen ruhig zu atmen und zog dabei nicht wenig Energie aus Bones’ Umarmung. Sicher, sie hatten ihre Beziehung erst vor wenigen Wochen auf diesen Level gehoben, aber Bones’ Anwesenheit war schon immer etwas gewesen, aus dem er Kraft gewonnen hatte. Es gab einfach niemand anderen, der ihm so ehrlich die Meinung geigte und trotzdem immer für ihn da war.

„Ich will, dass du mit mir kommst“, gestand er nach einer Weile leise – sich selbst genau so wie Bones – und Bones drückte ihm einen Kuss in den Nacken und erwiderte nichts. Kirk atmete tief durch. „Ich glaube, ich werde mit Captain Pike darüber sprechen.“

Das forderte jetzt doch eine Reaktion Bones’ heraus, er drehte Kirk zu sich um und sah ihm ernst in die Augen. „Ich verbiete dir, das zu tun, Jim.“ Kirk starrte ihn entgeistert an. „Was?!“

„Ich will ganz sicher nicht in dem Wissen auf der Enterprise arbeiten, dass ich den Posten nur bekommen habe, weil ich dem Captain sexuell zu Diensten bin“, knurrte er heiser, und Kirk fiel beinahe rückwärts aus dem Bett. „Aber es ist doch nicht deswegen!“

Bones zog die Augenbraue in die Höhe. „Und weswegen dann?“

Kirk biss sich auf die Unterlippe. Sicher, er wollte Bones unter anderem auch deswegen bei sich haben, aber das war nicht wirklich der Grund, warum Bones’ Anwesenheit auf dem Raumschiff für ihn so unverzichtbar war. Erklären konnte er es seinem Freund aber trotzdem nicht – und das nicht nur, weil ihm die Worte fehlten.

„Siehst du“, schlussfolgerte Bones stur, als Jim aus reiner Verzweiflung still blieb. „Und unter solchen Umständen will ich nicht für dich arbeiten.“

„Aber“, fragte Jim leise, und er klang erstaunlich jung, „willst du denn nicht bei mir sein?“ Bones starrte ihn einen Moment lang sprachlos an, dann zog er ihn so fest in seine Arme, dass Kirk ein schmerzerfülltes Ächzen entkam. „Bones, meine Rippen!“

Doktor McCoy ließ keineswegs locker, hielt Kirk weiterhin mit hilfloser Kraft an sich gepresst, und Kirk erschauderte, als er spürte, wie hastig Bones’ Brustkorb sich unter mühsam kontrollierten Atemzügen gegen seinen eigenen presste. Das Klingeln des Intercom-Systems kam in diesem Moment höchstgradig ungelegen.

Bones ließ ihn fluchend los, wühlte sich etwas umständlich aus dem Bett und drückte auf den Knopf neben der Tür, um sich grummelig wie eh und je zu melden. „McCoy?“

„Doktor McCoy“, ertönte eine unbekannte weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung, „Admiral Archer wünscht ein Gespräch mit Ihnen. Wenn Sie so freundlich wären, anzunehmen?“ McCoy starrte verdutzt ins Leere. „Äh, ja. Danke. Sofort.“

Er wankte zu seinem Schreibtisch, setzte sich und ignorierte Jim, der sich aufgesetzt hatte und Weltuntergangstheorien über den möglichen Grund dafür verlauten ließ, warum der Admiral mit einem popeligen Arzt wie Bones zu sprechen wünschte.

„Halt den Rand!“, raunte Bones ihm also zu, im gleichen Augenblick, da er das Gespräch annahm, und die Nase Admiral Archers auf dem Bildschirm erschien. „Guten Morgen, Sir!“, begrüßte er den ergrauten Admiral, und dieser grinste ein wenig einschüchternd. Bones rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her.

„Guten Morgen, Doktor McCoy. Es freut mich, Sie endlich persönlich zu Gesicht zu bekommen, nachdem ich bereits aus so vielen unterschiedlichen Quellen von Ihren einmaligen Qualitäten gehört habe“, erklärte der Admiral einleitend und höchstgradig kryptisch, und Bones zog die Augenbraue in die Höhe. „Sir?“

„Unwichtig“, schmetterte der Admiral seine Unsicherheit ab. „Doktor McCoy, ich habe in Ihrer Akte gelesen, dass Sie Flugangst haben und dem Beamen höchst skeptisch gegenüber stehen – entspricht das den Tatsachen?“ Bones nickte stumm. „Und doch haben Sie bewiesen, selbst im Kampfeinsatz auf einem Schiff, das unter feindlichem Beschuss steht, sehr wohl Ihren Dienst leisten zu können?“, fuhr Archer sichtlich beeindruckt fort, und Bones nickte ein weiteres Mal. „Ja, Sir. Darf ich fragen, was -“ „Ich bin noch nicht fertig“, fiel Archer ihm ins Wort, und Bones presste verschreckt die Lippen zusammen. Wenn er sich nicht verhört hatte, hatte Jim gerade seinen Kopf ins Kopfkissen gepresst, damit er ihn nicht lachen hörte. Das würde dieser Verräter noch bereuen.

„Doktor McCoy, ich muss Ihnen an dieser Stelle eine sehr wichtige Frage stellen und ich bitte Sie darum, ehrlich zu antworten: Wie stehen Sie zu James T. Kirk?“, unterbrach Admiral Archer ihn beim Schmieden seiner Rachepläne, und Bones erstarrte am ganzen Körper, während aus dem Bett zu seiner Rechten ein ersticktes Ächzen kam.

„Sir?“, fragte er fassungslos, und Archer hob geduldig die linke Augenbraue. „Bitte beantworten Sie die Frage, Doktor McCoy.“

„Er … ehm“, begann Bones unsicher und beschloss, ruhig zu bleiben, „… er ist mein bester Freund, Sir.“ Archer nickte zufrieden, und Bones nahm aus dem Augenwinkel wahr, wie Jim sich in seinem Bett wieder aufsetzte. War ja klar, dass den das interessierte.

„Und hätten Sie Probleme damit, unter seinem Kommando zu arbeiten?“, fragte Archer jetzt mit höchst professionellem Unterton, und Bones konnte sich nicht helfen, er musste ein bisschen grollen. „Nur, wenn seine Befehle höchst unsinniger und frevelhafter Natur wären, Sir. Da wäre ich gezwungen, ihm Stubenarrest zu geben.“

Kirk schnaubte empört. Admiral Archer wirkte geradezu ekstatisch. „Fabelhaft. Darf ich Ihnen sagen, Doktor McCoy, dass es höchstgradig unvernünftig von Ihnen war, keinen Einspruch gegen den Entschluss der Sternenflotte zu erheben, Sie nicht auf die Enterprise zu versetzen? Mir scheint, dass es kaum jemanden gibt, der besser für den Posten des Schiffsarztes geeignet ist, als Sie es sind.“

Bones war sprachlos. Der Admiral zwinkerte ein bisschen. „Ich habe noch nie von derartig vielen Empfehlungen von der Besatzung eines Raumschiffes für den Posten ihres behandelnden Arztes gehört. Sie können stolz auf sich sein, Ihr Umfeld so nachdrücklich von Ihren Qualitäten überzeugt zu haben, Doktor McCoy. Bereiten Sie sich darauf vor, in wenigen Tagen Ihre Abberufung zu erhalten. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.“

Der Computerbildschirm wurde dunkel, und Bones blinzelte mehrfach. Was war hier bitte soeben passiert?



Ende
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