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Szenen einer Ehe

von uena

In guten wie in schlechten Zeiten

„Verdammt, Jim, ich bin Arzt und kein Kuschelkissen! Du kannst dich nicht jedes Mal an mir festklammern, wenn ich dein Fieber messe!“ Doktor McCoy zog seine Hand mit einem ungeduldigen Ruck von seinem Patienten zurück. Jim murmelte einen schwachen Protest und wurschtelte sich tiefer in seine Bettdecken. „Is’so kalt …“

McCoy seufzte und verdrehte die Augen. „Ich mach dir eine Wärmflasche.“

Er wandte sich von dem Bett ab, in dem Jim unter mehreren Decken lag, und so heftig zitterte, dass ihm die Zähne klapperten, und Jim blickte ihm aus fiebrig glänzenden blauen Augen nach. „Wo gehst du hin?“

McCoy warf ihm über die Schulter einen beruhigenden Blick zu. „Nirgendwo, Jim. Ich bin gleich wieder da.“

Jim seufzte und schloss die Augen, und Bones hoffte, dass das Fieber seines Freundes nicht noch weiter steigen würde. Jim war gegen so ziemlich alles allergisch, was ihm seine Krankheit hätte erleichtern können, reagierte extrem empfindlich auf laute Geräusche und die Gefahr, allein gelassen zu werden, und war alles in allem der anstrengendste Patient, den Doktor McCoy je gehabt hatte.

Bones hatte sich unter Vortäuschung eines familiären Notfalls vom Unterricht und seinem Dienst auf der Krankenstation frei genommen, um sich anständig um den Jammerlappen kümmern zu können. Er pflegte ihn in seinem eigenen Quartier, weil Jims Mitbewohner erstens ein Idiot und zweitens nicht sonderlich hilfreich war, wenn es darum ging, still zu sein und Jim in Ruhe schlafen zu lassen. Nein, der Penner musste unbedingt dann diese grauenvolle Lärmbelästigung abspielen, die er als Musik bezeichnete, wenn James T. Kirk gerade eingeschlafen war.

McCoy würde eine Ewigkeit brauchen, um den ganzen Stoff nachzuholen, den er im Unterricht verpasste. Aber er versuchte sich einzureden, dass Jim zu pflegen der Härtetest für den Ernstfall einer schleichenden Epidemie war. Nach dieser Tortur würde ihn nichts so schnell aus dem Gleichgewicht bringen.

Es dauerte keine drei Minuten, bevor Jim begann, sich unruhig in dem schmalen Bett hin und her zu wälzen, und hätte Bones die ganze Angelegenheit nicht schon seit drei Tagen mitgemacht, wäre er sofort an Jims Seite geeilt – so begnügte er sich mit einem gemütlichen Trott. Er drehte Jim auf den Rücken, suchte das feuchte Tuch, das bestimmt schon zum Dreimilliardsten Mal von Kirks glühender Stirn gerutscht war, und tauchte es in die Schüssel mit Eiswasser, die auf dem Nachttisch stand.

„Jim“, murmelte er beruhigend, und Jim tastete nach seiner Hand. „Es ist alles in Ordnung.“

Jim schlug die Augen auf und blickte ihn aus verklärten blauen Augen an. „Bones?“

„Ich bin hier“, erwiderte Bones sanft, weil er entdeckt hatte, dass das so ziemlich die einzigen Worte waren, die tatsächlich zu Jims fiebergeschwächtem Verstand durchdrangen. „Ich bin hier.“

Bones fischte das Tuch aus dem Eiswasser, wrang es aus und legte es auf Jims Stirn, und Jim hob sich ihm leicht entgegen und seufzte ekstatisch.

„Bleib auf dem Rücken liegen“, wies McCoy ihn ruhig an, obwohl er wusste, dass es sinnlos war. „Ich bin gleich wieder da.“

Er wandte sich vom Bett ab und holte die Wärmflasche, wickelte sie in ein Handtuch und hob Kirks Deckensammlung an, um ihm das altmodische Ding in die Arme zu drücken, und Jim klammerte sich auch prompt daran, wie sonst nur an Damen mit fragwürdigen Moralvorstellungen.

Bones dachte inzwischen ernsthaft darüber nach, ihm einen Teddy zu besorgen.

„Besser?“ erkundigte er sich bei seinem Patienten, maß ihn mit einem prüfenden Blick und runzelte die Stirn, als keine Antwort kam. Sicher, Jims Fieber war unwahrscheinlich hoch, aber das hatte ihn bisher auch nicht davon abgehalten, unaufhörlich vor sich hin zu brabbeln.

„Jim?“ Er setzte sich zu Kirk an die Bettkante und legte ihm die Hand an die Wange, um ihn auf seine Anwesenheit aufmerksam zu machen. Kirks schweißverklebte Wimpern flatterten in die Höhe. „Hm?

Seine Pupillenreaktion war gleich Null. Bones fluchte leise aber kreativ, und Jims Lippen verzogen sich zu einem angedeuteten Grinsen. „Den kannte ich noch nicht.“

Bones nahm ihm seine Decken weg. Kirk japste wie ein an Land geworfener Karpfen.

„Stell dich nicht so an, dir kann überhaupt nicht kalt sein“, knurrte Bones ihn ungeduldig an. „Gib die Wärmflasche wieder her! Du hast doch überhaupt keinen Schüttelfrost mehr! Willst du einen Hitzschlag bekommen?“

Jim blubberte etwas Unverständliches und rollte sich mit unerwartetem sportlichen Elan auf den Bauch, um seine Wärmflasche zu beschützen. Bones rollte äußerst ausdrucksvoll mit den Augen. „Was bist du – fünf Jahre alt? Gib das Ding her!“

Bones beugte sich über ihn und packte ihn ein wenig zu grob an beiden Schultern, um ihn wieder auf den Rücken zu rollen, und als Jim sich mit einem Mal in Fötushaltung unter ihm wand und leise wimmerte, musste Bones einen spontanen Brechreiz unterdrücken. Wie hatte er das nur vergessen können?

„Jim“, murmelte er beruhigend und lockerte seinen Griff an Kirks Schultern. „Beruhige dich. Ich bin’s.“

Er rieb mit den Daumen über Jims verschwitzte Haut, bis sein Freund aufhörte zu zittern, und drehte ihn dann vorsichtig auf den Rücken. „Gib mir die Wärmflasche.“

Diesmal leistete Jim keinerlei Widerstand, blickte aus hilflosen Augen zu ihm auf und zuckte leicht zusammen, als McCoy ihn berührte. Der Doktor biss die Zähne zusammen und fuhr Jim so lange mit den Fingerspitzen durch die verschwitzten Stirnfransen, bis er sich wieder einigermaßen entspannt hatte. Erst dann wickelte Bones die Wärmflasche aus dem Handtuch und benutzte es, um damit über Jims verschwitzte Haut zu reiben, bevor er ihm Wadenwickel machte und das Tuch zum Dreimilliardsten und einem Mal auf seiner Stirn arrangierte.

„Jim?“ Bones’ Stimme war leise und klang, als würde er mit einem Kind reden. Was er in gewisser Hinsicht auch tat. Bones nahm ein Wasserglas vom Nachttisch und hielt Jim den darin befindlichen Strohalm an die Lippen. „Trink.“

Jim trank, und unter anderen Umständen hätte Bones sich über die prompte Ausführung seines Befehls wahrscheinlich gefreut. Unter diesen Umständen musste er für einen Moment die Augen schließen und sich sammeln.

„Was hast du?“ riss ihn Jims Stimme aus seinen alles andere als angenehmen Gedanken, und als Bones die Augen wieder aufschlug, stellte er fest, dass Jim das Wasserglas bis auf den letzten Tropfen geleert hatte und ihn besorgt musterte.

So langsam machte ihm dieses ständige Hin und Her zwischen Delirium und bemerkenswertem Scharfblick zu schaffen.

„Kopfschmerzen“, log er also, und über Jims Gesicht zog ein Schatten. „Wann hast du zuletzt geschlafen?“ Bones konnte sich nicht daran erinnern.

„Ist noch nicht lange her“, log er also ein weiteres Mal, und Jim runzelte die Stirn. „Wie lange bin ich schon krank?“

„Zu lange“, antwortete Bones knapp. „Ich hätte wissen müssen, dass du es so lange wie nur möglich hinauszögern würdest, wieder gesund zu werden.“

Jim erwiderte nichts auf diesen leichthin ausgesprochenen Vorwurf, und Bones musterte ihn prüfend. „Hast du Hunger?“

Jim schüttelte den Kopf. Bones forderte den Replikator trotzdem dazu auf, Jim eine Hühnerbrühe zu kredenzen.



~*~



„Bones …“ Jims Stimme hatte einen distinktiven Unterton von Nörgelei, und Doktor McCoy runzelte die Stirn und konzentrierte sich mit aller Macht auf die medizinische Fachzeitschrift, in der er seit einer halben Stunde verzweifelt zu lesen versuchte.

„Mir ist langweilig!“ beschwerte Jim sich zum bestimmt zwanzigsten Mal seit Beginn dieser halben Stunde bei ihm, und Bones rollte mit den Augen. „Ich habe zu tun!“

„Du hast immer zu tun“, warf Jim ihm vor – beinahe klang es, als würde er schmollen – und Bones hielt es nicht für notwendig, diesen Punkt zu bestreiten. Im Prinzip hatte Jim Recht damit. Aber das hieß noch lange nicht, dass er dem Doktor damit ein schlechtes Gewissen verursachen konnte. Schließlich konnte nicht jeder als verkapptes Genie geboren werden, das, wenn überhaupt, erst zehn Minuten vorher für Prüfungen zu lernen begann, und trotzdem einen Notendurchschnitt hatte, der ambitionierteren Mitschülern an der Akademie Tränen der Eifersucht in die Augen trieb.

„Komm schon Bones, lass uns was unternehmen! Es ist Freitagabend!“

„Niemand hält dich auf“, war die automatische Erwiderung auf solch eine Forderung, und Jim, der sich auf das Bett seines Freundes geworfen hatte, rollte sich auf die Seite und starrte Bones vorwurfsvoll an. „Ich kann doch nicht allein in eine Bar gehen!“

Bones ließ kurz von seiner Zeitschrift ab. „Seit wann das? Ich bin mir ziemlich sicher, dass du das früher so gemacht hast.“

„Früher“, erwiderte Jim halsstarrig, „hatte ich dich noch nicht! Jetzt habe ich dich aber – und da will ich dich auch rumzeigen!“

Bones zog steil die linke Augenbraue in die Höhe. „Ich finde deine Art der Formulierung ein wenig gewagt.“

Jim grinste ihn jungenhaft an. „Gut, dann formuliere ich es anders: Ich hab mich dran gewöhnt, dein ewiges Gegrummel zu ertragen und jetzt brauche ich es als Geräuschkulisse!“

Bones nahm ohne ein Wort seine Zeitschrift wieder zur Hand, um sich in selbige zu vertiefen, und Jim plusterte empört die Wangen auf. „Das war ein Kompliment!“

Bones fand nicht, dass er auf sowas antworten musste.

„Komm schon, Bones … bitte! Was soll ich denn sonst machen, anstatt in eine Bar zu gehen?“

„Guck dir ’nen Film an“, war die Antwort seines Freundes, dessen antiquierte Vorstellung von Unterhaltung einen in den Wahnsinn treiben konnte.

„Einen Film?“ lautete also die angewiderte Entgegnung. „Wo soll ich denn hier einen Film herbekommen?“

„Die Datenbank der Akademie hat mehr als genug für dich zu bieten. Such dir einen aus.“

Das war das Letzte, das Doktor McCoy für den Zeitraum einer weiteren halben Stunde zu äußern bereit war, und wenn Jim auch das immense Bedürfnis verspürte, seinen Freund durch Zuhilfenahme eines Eimers kalten Wassers auf sich aufmerksam zu machen, hatte ihn die Erfahrung doch gelehrt, dass Bones bei weitem kräftiger war, als man bei einem Mann seiner Profession annehmen mochte – außerdem schreckte er keineswegs vor unfairen Tricks zurück und wurde alles in allem ziemlich grob, wenn man ihn solcherart beim Lernen unterbrach.

Nicht, dass es sich nicht gelohnt hatte, aber einmal war dann auch genug.

Jim schmollte. Nach weiteren zehn Minuten war ihm schließlich so langweilig, dass er den Computer in Bones’ Zimmer nutzte, um sich die Film-Datenbank der Akademie zu Gemüte zu führen, konnte sich jedoch beim besten Willen für keinen entscheiden. Er hatte keine Ahnung von Filmen und keine der Inhaltsangaben reizte ihn sonderlich.

„Star Wars“, brummte Bones unerwartet, als er um seine Meinung befragt wurde, und zwei ungeduldige Knopfdrücke weiter setzte er Jim auf eine dahingehende Frage darüber in Kenntnis, dass dieser die ersten drei Teile dieser Filmreihe getrost ignorieren konnte und mit dem Vierten zu beginnen hatte. Jim fand das ein wenig merkwürdig, tat jedoch, wie ihm geheißen war.

Er war natürlich unfähig, seine Beobachtungen zu diesem filmischen Meisterwerk für sich zu behalten, und als Bones schließlich seine Zeitschrift beiseite warf und sich auf seinem Stuhl mehr oder weniger schwungvoll zu ihm umdrehte, zog er ahnungsvoll den Kopf ein. Anstatt ihm eine zu verpassen, stand Bones jedoch auf, verlangte vom Replikator Popkorn, Chips und Bier, und gesellte sich zu ihm aufs Bett. Jim starb beinahe vor Entzücken.

Nicht nur streckte sich Bones in selten erreichter Entspannung neben ihm auf der Matratze aus, nein, er gab ihm Chips und Popcorn und Bier, und genoss den Film so sichtlich aus vollen Zügen, dass Jim beinahe mehr Spaß daran hatte, Bones als den Bildschirm zu beobachten. Es war offensichtlich, dass sein Freund den Film bereits mehr als nur einmal gesehen hatte, und obwohl sonst eher der Typ, der schweigend auf sich wirken ließ, was ihm geboten wurde, überraschte er Jim damit, leidenschaftlich mit ihm über jede von Jim dreist geäußerte Kritik zu diskutieren.

„Die Raumschiffe sehen merkwürdig aus“, stellte Jim beispielsweise mittig während „Eine neue Hoffnung“ fest, und Bones zog seine linke Augenbraue in die Höhe. „Merkwürdig?“

„Na“, setzte Jim zu einer detaillierteren Erklärung an, „dieser Sternenzerstörer da – warum sieht der aus wie ein Pfeil?“

Bones grunzte leise. „Warum nicht? Mir gefällt das Design der Raumschiffe. Klare Linien, anspruchslose Formen. Es muss nicht immer alles rund sein, wenn du mich fragst …“

Jim fand diese Äußerung amüsant und stellte die gewagte Theorie auf, dass die Verantwortlichen bei der Sternenflotte sich von weiblichen Formen hatten leiten lassen.

„Außer bei der Enterprise“, überlegte Jim versunken. „Die sieht aus wie ein riesiger Dödel.“

Bones spuckte beinahe sein Bier über’s Bett. Dann begann er zu lachen. Jim starrte ihn an.

Er hatte Bones gelegentlich lächeln sehen – selten, aber es war passiert – aber dieses offene, glückliche Lachen war etwas völlig Neues für ihn. Er hatte es hingenommen, hatte angenommen, dass Bones einfach so war – ernsthaft, streng, miesepetrig, mit einem Hang zu teurem Bourbon, und der beste Freund, den man sich vorstellen konnte. Jetzt zu sehen, wie falsch er gelegen hatte, machte Jim gleichzeitig nervös und … glücklich. Es war vermutlich die Scheidung, die Bones noch immer schwer im Magen lag, und über die würde er mit der Zeit hinwegkommen und vielleicht ein wenig häufiger so lachen.

Jim würde sich definitiv Mühe geben, Bones dabei zu helfen.

„Ich bin mal total Han Solo“, stellte er fest, sobald dieser Entschluss gefasst war, „und so, wie sie die ganze Zeit rumnörgelt, bist du mal total Prinzessin Leia.“

Bones boxte ihm in den Bauch, wies ihn streng darauf hin, dass Han und Leia eine romantische Beziehung verband, und Jim blinzelte unschuldig zu ihm auf. „Und uns etwa nicht? Oh, Bones – du brichst mir das Herz!“



~*~



Sein Kommunikator klingelte zum dritten Mal innerhalb einer dreiviertel Stunde, und Doktor McCoy stieß einen leisen und absolut nicht jugendfreien Fluch aus. Er nahm das Gespräch an – immerhin war es möglich, dass es sich um einen medizinischen Notfall handelte – aber als zum dritten Mal innerhalb einer dreiviertel Stunde Jims Stimme am anderen Ende der Leitung erklang, riss ihm endgültig der Geduldsfaden.

„Ich habe dir gesagt, dass ich verdammt noch mal keine Zeit habe!“ explodierte er durch die Leitung. „Geh verdammt noch mal allein und lass mich endlich in Ruhe lernen!“

„Bones“, sagte Jim ein wenig undeutlich, aber McCoy unterbrach ihn grob. „Nein, Jim! Diese Prüfung ist wichtig! Ich werde nicht mit dir einen trinken gehen, wenn sich morgen möglicherweise der weitere Verlauf meiner Karriere als Arzt entscheidet. Und jetzt lass mich endlich in Ruhe!“

„Bones“, sagte Jim ein weiteres Mal, „du musst sofort herkommen.“

Doktor McCoy atmete tief durch, und sein Hals fühlte sich mit einem Mal trocken an. Jim klang merkwürdig.

„Was ist los?“ fragte er seinen Freund, und war plötzlich derartig besorgt, dass ihm ganz schlecht wurde. „Wo bist du?“

„Ich … ich weiß nicht …“ Jim klang wie ein kleiner Junge, der sich verlaufen hatte. „Ich … alles fühlt sich so komisch an, Bones. Ich hab mich im Bad eingeschlossen.“

Bones sprang von seinem Schreibtischstuhl auf und packte den Kommunikator ein wenig fester. „Wo bist du?“ wiederholte er drängend, rannte aus seinem Quartier in den Flur und verfluchte sich selbst dafür, Jim nicht gleich angehört zu haben, dass etwas nicht in Ordnung war. „Die Einrichtung der Bar – beschreib sie mir.“

„Schwarzes Leder“, sagte Jim langsam, so als habe er Mühe zu sprechen, „und Chrom. Dir würde es nicht gefallen – zu hell. Zu dunkel.“

Großer Gott, dachte Bones, verließ den Gebäudekomplex, in dem die Schlafsäle für die Medizinstudenten lagen, und sprintete über das Akademiegelände, Jim sitzt in einer zwielichtigen Spelunke fest, und irgendein Arschloch hat ihm etwas in seinen Drink getan.

„Bist du auf der falschen Seite des Flusses?“ fragte er ihn gehetzt – womit er die Seite meinte, auf der die Bars dunkler, die Gepflogenheiten gröber und die Gesellschaft gewaltbereiter war – und Jim bejahte, leise und viel zu undeutlich. Bones biss die Zähne zusammen. Er hatte seine eigene Meinung über Leute, die sich in gefährliche Gegenden begaben, dort unsaubere Lokale aufsuchten und sich dann beschwerten, wenn sie ausgeraubt oder auf andere Art und Weise belästigt wurden, aber Jim war sein Freund, und er würde sich eher hängen lassen als … nun ja, Jim hängen zu lassen. Sicher, Jim war ein großer Junge und behauptete ständig, auf sich selbst aufpassen zu können – aber er war wirklich nur das, ein großer Junge, und manchmal so unfassbar gedankenlos, dass Bones ihm ohne Ende Kopfnüsse verpassen wollte.

„Die Musik“, grollte er in seinen Kommunikator, „was für Musik spielen sie?“

Jim antwortete nicht, und McCoys Herzschlag setzte kurz aus. „Jim?!“

„Mh-hm?“

Bones versuchte zu atmen. „Was für Musik spielen sie in deiner dreckigen Kaschemme?“

Jim kicherte leise. „Kaschemme …“

„Verdammt noch mal, Jim, konzentrier dich! Was für Musik?!“

„Laut“, antwortete Jim, und McCoy konnte kurz nicht sagen, ob er sich über ihn beschwerte, oder endlich begriffen hatte, was er von ihm wollte. „Viel zu viel Bass. Viel zu laut. Und der Barkeeper ist grün – wie die Flecken in deinen Augen.“

Bones stieß einen Laut irgendwo zwischen einem Bellen und Donnergrollen aus, und war zum ersten Mal von Herzen froh, dass das Akademiegelände direkten Anschluss an einen Shuttle-Dienst hatte. Er warf sich in ein freies Fahrzeug, wies den Piloten an, ihn auf die falsche Seite des Flusses zu bringen, und informierte Jim darüber, dass er high war.

„Wie die Flecken in meinen Augen“, wiederholte er bissig. „So ein Dreck fällt auch nur dir ein!“

„Hey, das ist nicht nett“, beschwerte Jim sich bei ihm, und er klang mehr und mehr, als habe er entweder zu viel getrunken, oder zu wenig geschlafen – oder beides. „Du hast tolle Augen Bones – tolle Augen. Sehen fabelhaft aus, wenn du mich anschreist.“

„Also praktisch immer“, erwiderte Bones trocken, und schnauzte den Piloten an, sich gefälligst zu beeilen.

„Ja“, stimmte Jim ihm zufrieden zu, „praktisch immer. Bones, ich glaube, es war einer von den Orionoranern … Orionoriten … Orio-“

„Einer von den Grünlingen“, unterbrach McCoy ihn geduldig, und Jim bejahte ein weiteres Mal. „Ich glaube“, sagte er ernsthaft und mit einem leichten Lallen, „ich habe aus Versehen mit einem von denen geflirtet.“

Bones atmete tief durch. Sowas passierte auch nur Jim Kirk, dass er aus Versehen mit einem von diesen Ogern flirtete und in der Konsequenz eine Vergewaltigungsdroge in seinen Drink gemischt bekam.

„Ich verstehe“, sagte Bones also ruhig – und er verstand wirklich, irgendwie – und stieg aus dem Shuttle aus, nachdem er den Piloten angewiesen hatte, auf ihn zu warten, bis er zurückkam. Er ging ein paar Meter – in dieser Gegend gab es viele dunkle Bars in vielen dunklen Gassen, aber er kannte Jim inzwischen gut genug, um einigermaßen nachvollziehen zu können, welchen Weg er am wahrscheinlichsten genommen hatte. Es war die Musik, die ihn schließlich zur richtigen Spelunke führte – zu laut, zu viel Bass – der Oger hinter dem Tresen war ein deutliches Indiz, ebenso die widerwärtige Inneneinrichtung, und Bones steuerte zielsicher und ohne Umweg das Badezimmer an. „Ich komme jetzt rein“, teilte er seinem Kommunikator mit, erhielt keine Antwort und stieß die schwarz gestrichene Tür auf.

„Jim?“

Wieder keine Antwort. Bones grollte ungeduldig – und, wie er sich selbst nur ungern eingestand, höchstgradig besorgt. „JIM!“

Hinter einer der Türen des kleinen, weißgekachelten Badezimmers entstand Bewegung, das Schloss wurde zurückgeschoben – und dann war es wieder still.

Bones schritt entschlossen auf die Tür zu, stieß sie auf und fand Jim auf dem Toilettendeckel, halb weggetreten, kaum fähig, sich zu rühren, aber eindeutig hocherfreut, ihn zu sehen.

McCoy ließ ihn großzügig darin gewähren, sich an ihn zu hängen und nachdrücklich zu umarmen – obwohl Jim nicht wirklich genug Kraft hatte, um ihn anständig zu drücken – zog ihn vom geschlossenen Toilettendeckel und enger an sich heran und führte ihn mit sanfter Gewalt aus dem Badezimmer.

Keiner der Anwesenden in der Bar schenkte ihm besondere Aufmerksamkeit, und Bones war unwillkürlich erleichtert, dass die Spelunke zwar zwielichtig genug war, dass niemand aufmerksam wurde, wenn Drogen in Drinks gemischt wurden, aber dann doch nicht so sehr, dass man in Badezimmerkabinen einbrechen konnte, um sich über sein unwilliges Opfer herzumachen.

Vor der Bar angekommen lehnte Bones seine Last für einen Moment an die nächste Wand, und Jim beobachtete ihn durch seine Wimpern, während er zu Atem zu kommen versuchte.

„Du bist gekommen“, sagte er dann gedehnt, als habe er ernsthaft an dieser Möglichkeit gezweifelt, und Bones zog die linke Augenbraue in die Höhe. „Natürlich bin ich gekommen, du Idiot. Wenn nicht“, fügte er beißend hinzu, „hätte ich dich schließlich wieder zusammenflicken und von den ominösen Geschlechtskrankheiten heilen müssen, die du ganz zweifellos bekommen hättest.“

Jims Mund verzog sich langsam zu einem Lächeln, breit und ehrlich und viel zu zufrieden. „Du magst mich“, schnurrte er selbstzufrieden, stieß sich von der Wand in seinem Rücken ab und ließ sich von Bones auffangen. Bones knurrte nur. Jim rubbelte hingebungsvoll mit seiner Nase über Bones’ angespannte Nackenmuskulatur. „Ich mag dich auch.“

„Wie mich das freut“, war die gereizte Antwort, und Bones machte sich an die anstrengende Aufgabe, einen halb bewusstlosen, pausenlos vor sich hinbrabbelnden Kadetten zurück zum Shuttle zu befördern.

Zwanzig Minuten später hatte er Jim auf der Krankenstation der Akademie, und dieser unverschämte Kerl war noch immer bei Bewusstsein und quatschte ihm ein drittes Ohr.

Bones steckte ihm kurzerhand einen Lolli aus dem Glas, das er für seine minderjährigen – wenn auch nur im Geiste – Patienten angeschafft hatte, in den Mund. Während Jim entzückt an seiner Süßigkeit lutschte, überprüfte Doktor McCoy äußerst gewissenhaft, was genau durch den Körper seines Freundes zirkulierte.

„Es wird dich freuen zu hören“, teilte er Jim nach zehn Minuten mit, „dass du keine bleibenden Schäden davon tragen wirst.“

Jim, der mit dem Lolli kurzen Prozess gemacht hatte und jetzt am übrig gebliebenen Plastikstiel herumkaute, blinzelte ein paar Mal. „Bringst du mich jetzt ins Bett?“ fragte er dann undeutlich, und McCoy nahm ihm den Stiel aus dem Mund. „Hab ich eine andere Wahl?“

Jim grinste sonnig, hüpfte von der Krankenliege, auf der er die letzten Minuten gesessen hatte – und ließ sich von Bones auffangen. Der Doktor begann, den sich abzeichnenden Trend mit Unwillen zu betrachten.

Da er es auch diesmal für keine gute Idee hielt, Jim der Obsorge seines idiotischen Mitbewohners zu überlassen, nahm McCoy seinen strapaziösen Freund mit auf sein eigenes Quartier, ließ ihn wie einen Sack Kartoffeln ins Bett fallen und machte sich nicht die Mühe, ihm mehr als die Schuhe auszuziehen, bevor er ihn zudeckte. Jim schlief zwar nicht sofort ein, war jedoch erfreulich still, während McCoy seinen so abrupt abgebrochenen Versuch zu lernen wieder aufnahm. Eins war nach diesem Abend zumindest sicher. Er würde Jim nie wieder allein in eine Bar gehen lassen.



~*~



„Ich sollte dich töten, hier und jetzt, dann würden mir solche Sachen in Zukunft erspart bleiben.“

Jim schob anklagend die Unterlippe vor. „Bones, du bist Arzt. Du wirst sowas noch viel öfter zu Gesicht bekommen. Und jetzt tu endlich was – das juckt ganz schrecklich!“

Jim zog sein Uniformoberteil noch ein Stückchen höher und entblößte den Ausschlag, der sich über seine Brust und seinen Bauch erstreckte, noch ein paar weitere Zentimeter. Doktor McCoy zog die Nase kraus und verfluchte sein Schicksal, dass er ausgerechnet dann Dienst auf der Krankenstation hatte, wenn es Jim einfiel, dort aufzutauchen. „Ich hätte auf meine Mutter hören und Pilot werden sollen.“

„Du hast Flugangst“, erinnerte Kirk ihn geduldig.

„Schlimmer als das hier kann das auch nicht sein“, gab McCoy trocken zurück. „Was hast du gegessen?“

Jim blinzelte ihn verwirrt an. „Wann?“

McCoy rieb sich die Stirn. „Gut, ich formuliere die Frage anders: Was hast du zu dir genommen, das diese abartige Reaktion ausgelöst hat?“

Jim zuckte mit den Schultern. „Woher soll ich das wissen – du bist der Arzt!“

„Das erwähntest du bereits“, erwiderte Bones grummelnd und zückte eine Spritze mit extra langer Nadel, um Kirk Blut abzunehmen, bevor er sich den Ausschlag näher ansah, der seinem Freund das Dasein vergällte. Er prokelte ein kleinwenig unprofessionell daran herum, dehnte die ohnehin strapazierte Haut, um sich an Jims Reaktion zu weiden, runzelte aber schließlich höchst profund die Stirn.

„Jim, wie lange hast du das schon? Die Haut hier ist mehrfach aufgekratzt worden und wieder verheilt!“

Jim zog leicht die Schultern in die Höhe und lieferte den klassischen Anblick eines reumütigen Fünfjährigen. „Seit drei Tagen? Ungefähr?“

Bones grollte wütend und begann in dem Regal hinter seinem Patienten nach einer Salbe zu suchen, auf die Jim hoffentlich nicht allergisch reagieren würde.

„Ich wollte dich nicht damit belästigen“, versuchte Jim, sein dusseliges Benehmen zu erklären. „Ich hatte gehofft, es geht vielleicht von alleine weg.“

„Drei Tage lang?“ schnaubte Bones ungläubig, und forderte Jim ungeduldig auf, sein Uniformoberteil endlich ganz auszuziehen. Sobald das geschafft war, war Doktor McCoy willens und bereit, James T. Kirk so lange zu würgen, bis der entweder Intelligenz entwickelte, oder röchelnd dahinschied. „DEIN RÜCKEN!“

Jim verrenkte sich den Hals, um einen Blick darauf werfen zu können. „Ja, da hab ich’s auch.“

McCoy warf ihm die Tube mit der Heilsalbe an den Kopf. „Das nächste Mal, wenn dir auch nur das Geringste fehlt, du Vollidiot, dann kommst du sofort zu mir, verstanden?!“

Jim nickte folgsam – das tat er immer – und hielt artig still, während Bones damit begann, ihn mit einer großzügigen Portion der Salbe einzureiben. Er zuckte zusammen, als mit einem Mal die Tür zur bis eben märchenhaft stillen Krankenstation aufflog und eine Horde von Menschen wie eine Heuschreckenplage in diesen Hafen des Friedens einfiel.

„Doktor McCoy, Gott sei Dank, Sie sind hier“, platzte eine zierliche Blonde in Schwesterntracht heraus. „Shuttle-Absturz – Verbrennungen und Knochenbrüche, möglicherweise innere Blutungen.“

Jim hatte nicht gewusst, dass Bones dazu in der Lage war, seine Uniform zum Rauschen zu bringen, wenn er sich in Bewegung setzte.

Das Shuttle war glücklicherweise nicht allzu voll besetzt gewesen, als es sich entschlossen hatte, den Dienst zu verweigern. Aber es waren trotzdem nicht weniger als fünfzehn Schwerverletzte, um die Doktor McCoy sich mit Hilfe des Unfallteams kümmern musste, bevor der Rest der auf Bereitschaft stehenden Ärzte nach und nach in höchster Eile eintraf.

Jim sah ihn Druckverbände anlegen und Blutungen stillen, hörte ihn heisere Befehle bellen, bevor er mit unerwartet sanfter Stimme zu seinen Patienten sprach, und Jim blieb in seiner Ecke der Krankenstation auf seiner Liege sitzen und hielt mit unbewusst verkrampftem Griff sein Uniformoberteil fest.

Er hatte gewusst, dass Bones ein guter Arzt war – Himmel noch eins, der Mann bewahrte den Überblick über die Liste seiner zahllosen Allergien – aber ihn in dieser Notfallsituation zu erleben, war doch ganz anders, als sich von ihm über die Unabdingbarkeit von extra reißfesten Kondomen belehren zu lassen.

„Schwester Chapel – Defibrillator, schnell!“ donnerte Bones am anderen Ende des Raumes, riss einem jungen Kadetten mit einem einzigen, festen Ruck das Uniformoberteil auf und verteilte Gel auf der gewaltsam freigelegten Brust, bevor er von der blonden Krankenschwester, die sich zuvor so gefreut hatte, ihn zu sehen, das angeforderte medizinische Gerät entgegen nahm, es auf die Brust des Bewusstlosen presste, und sich der gesamte Oberkörper des jungen Mannes unter dem Stromschlag in die Höhe hob.

Jim durchfuhr unwillkürlich ein leichter Schauer.

Doktor McCoy überwachte mit gerunzelter Stirn den Kardiographen und atmete nach einer Weile erleichtert auf. „Wir haben ihn zurück – Schwester, überwachen Sie seinen Zustand.“

Damit ging er zum nächsten Bett, schiente einen Bein- und einen Armbruch und stellte sicher, dass die junge Frau, die ab und an leise stöhnte, ansonsten aber bemerkenswert zäh dreiblickte und alle seine Fragen mit klarer, fester Stimme beantwortete, keine ernsteren Verletzungen hatte.

Drei Stunden später kehrte er, durchgeschwitzt und mit dem ein oder anderen Blutfleck auf seiner Uniform, an Jims Seite zurück. Jim musterte ihn mit einem Ausdruck in den blauen Augen, der ihm einigermaßen neu war, aber Doktor McCoy war zu erschöpft, um auch nur die Augenbraue in die Höhe zu ziehen.
„Ich wasch mir nur eben die Hände“, sagte er leise und ohne das gewohnte Grollen in der Stimme, „dann kümmere ich mich um dich.“

Im Hintergrund huschten Krankenschwestern und Ärzte hin und her, emsig und ruhelos, und Bones sah so müde aus, dass Jim die Hand nach ihm ausstreckte, ihn an sich heranzog und beide Arme um ihn legte. „Das eilt nicht.“

Bones stellte einigermaßen erleichtert fest, dass Jims Schultern frei von Ausschlag waren, und lehnte seine Stirn an die linke, um einen Moment lang die Augen zu schließen. „In Ordnung.“

Jim musste sich schwer zusammenreißen, ihn nicht im Nacken zu kraulen. Einer der Verletzten hatte es nicht geschafft.

Jim hielt Bones einen Moment lang fest, ließ eine seiner Hände über den angespannten Rücken seines Freundes streichen, bevor er ihn sanft von sich drückte und eine angedeutete Grimasse zog. „Es juckt wirklich ganz fürchterlich.“

McCoy lächelte schwach, und es tat Jim in der Seele weh. Er wollte ihn jetzt nicht lächeln sehen – nicht so – er wollte ihn jetzt schimpfen und grollen hören. Aber dazu war Bones wohl wirklich zu erschöpft.

Jim ließ sich also von seinem Freund so gut es ging versorgen, und sobald das geschafft war, eskortierte er Bones zu dessen Quartier, schickte ihn unter die Dusche und eilte zu seinem eigenen Quartier, um die Flasche Qualitäts-Bourbon zu holen, die er Bones eigentlich zum Geburtstag hatte schenken wollen.

Er kam rechtzeitig zurück, um Bones mit einem Handtuch um die Hüften aus dem Bad kommen zu sehen und schwenkte stolz die Flasche in dessen Gesicht. „Guck, was ich Feines habe!“

Bones grollte erfreut. Jim grinste über das ganze Gesicht.



fin
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