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Aggressive Verhandlungen

von Harald Latus

Kapitel 1

Resigniert legte Captain Roger van Dyke das Padd zur Seite, auf dem ein Teil der Schadensberichte aufgeführt war. In dieser Aufstellung ging es alleine um die Gegenstände, die bei dem zurückliegenden Angriff zu Bruch gegangen waren.
Von einfachen trivialen Dingen wie Vasen über Teller, Gläser und Einrichtungsgegenständen bis hin zu wertvollen und teilweise unersetzlichen Schätzen, die schlecht oder ungesichert in irgendwelchen Quartieren lagerten. Auf dem Display stand in großen Lettern: Liste #003. Aber es war nicht der Inhalt der Aufstellung, der ihm Sorge bereitete, sondern die Tatsache, dass sich 14 weitere dieser Padds auf seinem Schreibtisch stapelten. Ihm wurde schlecht bei dem Gedanken, was er noch alles in den anderen Padds finden würde, wenn er erst einmal eines der technischen Abteilung in die Hand genommen hatte.

Der Angriff der Delgari hatte sie wirklich kalt erwischt und nicht nur das, er hatte dabei nicht einmal annähernd eine gute Figur gemacht. Ihm, dem Captain der inzwischen ein Schiff der Akira Klasse befehligte und der in seinem Dienst auf der Alexandria als Commander immer mit verblüffenden Ideen und durch gute Vorbereitung glänzen konnte. Ausgerechnet ihm musste das passieren.

Obwohl die fünf Schiffe der Delgari zusammen nicht einmal annähernd genug Feuerkraft hatten, um ein Schiff der Akira Klasse kampfunfähig zu machen, war seine Taktik schon bei der ersten Begegnung wie ein Kartenhaus haltlos in sich zusammengebrochen. Sie hatten genau gewusst, wie man ihn hatte treffen können und man hatte ausgenutzt, was normalerweise nur die Klingonen taten; nämlich erst schießen und dann Fragen zu stellen.
Das alles hatte bewirkt, dass seine mühevoll und unter enormen Zeitdruck ausgewählte Taktik nicht aufgegangen war. Da die Delgari nicht als Feinde der Föderation eingestuft waren, hatte er als Zeichen guten Willens die Schilde nicht aufbauen lassen. Ein Fehler, der sich im Laufe der geplanten Verhandlungen als fatale Katastrophe herausgestellt hatte. Nach allem, was er über diese Rasse wusste, war dies ein völlig atypisches Verhalten. In der Datenbank waren sie als friedliebendes und besonnenes Volk beschrieben.

Vom Föderationsrat war ihm durch Admiral Winters eingeschärft worden, dass man die Delgari aufgrund umfassender Ressourcen ihrer Heimatwelten gerne in der Familie der Föderation sehen würde, und dass eine sehr diplomatische Vorgehensweise erwartet wurde.
Ob dies eine Fehleinschätzung oder eine Fehlinformation war, wusste Captain van Dyke nicht mehr zu sagen. Den Auftrag würde Roger viel mehr als eine „Hau Ruck“ Aktion einstufen. Da er für seinen Geschmack reichlich überhastet erteilt worden war. Üblicherweise gingen solchen Ideen umfassende Gespräche voraus. Die Föderation war ein überaus geduldiger und verständnisvoller Verhandlungspartner.

Noch heute Morgen war er von einer Grenzpatrouille zurückgekommen und entgegen der typischen Vorgehensweise ein Schiff des diplomatischen Corps mit dieser Aufgabe zu betrauen, hatte Admiral Winters auf sein Mitwirken bestanden.
„Familie“ dachte sich Captain van Dyke. Die Föderation bemühte oft solche Analogien die Roger aus privater Sicht nicht nachvollziehen konnte. In seiner Jugend hatte er eine solche Verbindung zwischen Bruder und Schwester wie auch zwischen seinen Eltern nie empfunden. Seine Geschwister wurden immer in den Himmel gehoben während er immer den Groll seines Vaters abbekam. Keine Note war dem Familienoberhaupt gut genug, keine Leistung seines Sohnes konnte ihm ein Lob abringen. Roger hatte das Gefühl überhaupt nicht zu dieser Lebensgemeinschaft zu zählen.
Mit 14 hatte er Reißaus genommen und auf einem Lastenpendler angeheuert. Der Rest hatte sich ergeben und inzwischen befehligte er nach einer soliden Ausbildung in der Sternenflottenakademie und langen Dienstjahren als Erstem Offizier ein Schiff der Akira Klasse. Roger schüttelte den Kopf und wischte seine Gedanken beiseite.

Er konnte sich überhaupt nicht erklären, warum seine Taktik heute nicht aufgegangen war.
Sicher war nur, dass bereits bei der Ankunft im Delgariraum ohne jegliche Provokation auf sein Schiff geschossen wurde und dabei empfindliche Stellen wie die Shuttlerampen, der Antrieb und die Bewaffnung getroffen wurden. Die Angriffe mit Raumladungen konnten dem Schiff nicht wirklich etwas anhaben, aber sie wurden ganz schön durchgeschüttelt und neben der eben durchforsteten Liste, war es an vielen Stellen aufgrund der fehlenden Schilde zu Überspannungsschäden gekommen, die Relais und Energiekupplungen platzen ließen wie Seifenblasen.

Eigentlich hatte Roger sich an diesem besonderen Tag, an dem er genau ein Jahr dieses Schiff befehligte, vorgenommen, besonders erfolgreich zu sein. Eine regelrechte Angst zu versagen hatte er bislang noch nie verspürt und doch fühlte es sich im Nachhinein genau so schal an, wie ein abgestandenes Bier. Es beschlich ihn ein Gefühl des Versagens, welches ihm wohlbekannt war. Weniger ein Erlebnis aus seiner Kindheit sondern ein Vorfall nach Abschluss der Akademiezeit, hatte tiefe Wunden in ihm hinterlassen. Es war weniger Furcht als mehr Versagensangst, die ihn quälte. Seine Fehlentscheidung hatte einen Kameraden das Leben gekostet und ja, es war eine Form von Angst, die ihn immer und immer wieder überlegen und recherchieren ließ, ob er für die vor ihm liegende Aufgabe die richtige Entscheidung treffen würde.

Roger biss sich auf die Lippe und drehte sich zum Fenster, durch welches er die Schiffe der Delgari sehen konnte. Wie drohende Gewitterwolken hingen sie rings um das Schiff der Akira Klasse im Raum. Momentan war Ruhe eingekehrt, aber es gab auch keine Kommunikation. Wahrscheinlich wollten sie ihn schmoren lassen, aus welchem Grund auch immer. Er hatte nicht einmal sein Anliegen vorbringen können.
Aber er musste sich den Tugenden der Föderation unterwerfen und konnte nicht einfach und ohne Vorwarnung eine Gegenaktion starten.

Wenn auch die Bewaffnung der Delgari nicht dem Stand der Föderation entsprach, auf eine Flucht und eine anschließende Verfolgung würde er sich nicht einlassen. Die Schiffe der Delgari waren bekanntermaßen schnell und ausdauernd, bei dieser Gelegenheit würde er sicher den Kürzeren ziehen.
Gut, im Moment stand kein weiterer Angriff zu befürchten und Roger hatte in knappen präzisen Anweisungen erklärt, was er nun von seiner Mannschaft erwartete. Aber noch nie hatte sich ein solcher Stapel an Schadensberichten auf seinem Schreibtisch eingefunden. Er konnte es noch immer nicht fassen, dass er heute so versagt haben sollte.

Auf seinem Terminal blinkte ein Signal auf, welches ihn aufblicken ließ. Er aktivierte den Bildschirm und sein Erster Offizier blickte mit ernster Mine in die Kamera. Seine Gesichtszüge waren verhärtet und zeugten von einer verbitterten Erfahrung.
„Captain van Dyke, wir haben ein weiteres ernstes Problem in Frachtraum zwei. Könnten Sie bitte sofort zu uns stoßen?“
Roger sah im Hintergrund ein heilloses Durcheinander von Waren, Frachtcontainern, Pflanzen und Verpackungsmaterialien, die scheinbar ebenfalls nach den heftigen Erschütterungen entstanden sein mussten, aber er wusste auch, dass in diesem Frachtraum hochgefährliche Güter lagerten.

Erneut ließ er für einen Augenblick die Schultern sinken. 364 Tage lang hatte alles hervorragend geklappt. Es war ihm geglückt fast fünfhundert zusammen gewürfelte Personen in den Wirren des Dominion-Krieges zu einer Crew, ja sogar zu einer Einheit zusammen zu schweißen. Die Abläufe auf dem Schiff waren harmonisch und es war ihm gelungen einen regelrechten Familienzusammenhalt, ein echtes WIR-Gefühl zu etablieren, um das ihn viele in der Flotte beneideten. Aber ausgerechnet heute eine solch herbe Enttäuschung, war ein harter Schlag für sein Ego.

„Ich bin unterwegs“, murmelte er leise und deaktivierte das Terminal. Mit einem Ruck stand er auf. Es hatte ja keinen Sinn sich hier im Bereitschaftsraum zu verstecken, er musste sich den Problemen stellen, die mit dieser Situation einhergingen. Auf dem Weg zum Turbolift überlegte er, ob er noch irgendetwas tun konnte, um die gescheiterten Verhandlungen wieder in Gang zu bringen, um damit wenigstens eine positive Wendung in die Wege zu leiten. Doch sein Kopf war irgendwie leer, denn ein solcher Misserfolg auf ganzer Linie war ihm bislang noch nie widerfahren.

Der Lift hielt auf Deck Acht und Captain van Dyke straffte sich, damit er seinen Leuten wenigstens ein gutes Beispiel geben konnte, auch wenn ihm momentan ganz anders zumute war. Gemäßigten Schrittes ging er durch den menschenleeren Flur zu der großen Laderaumtür, die sich unter dem üblichen Geräusch der Hydraulikpumpen öffnete.
Aufs Schlimmste gefasst, mit all den Erfahrungen des Tages im Kopf, trat Captain van Dyke in den großen Lagerraum und konnte kaum fassen was er vorfand.

Die gesamte Führungsriege der U.S.S. Aviator hatte sich im Raum versammelt, ein Buffet war an der Wand aufgebaut und jeder hatte ein Glas mit perlendem Dom Perignon Jahrgang 2265 in der Hand. Während ein Crewman dem Captain ebenfalls ein Glas in die Hand drückte hob der Erste Offizier, Commander Thomas Catterfield, sein Glas.

„Ein Hoch auf den Jahrestag unseres Captains und unseres stolzen Schiffes, mögen uns alle Götter des Universums auch weiterhin wohlgesonnen bleiben und uns und unser Schiff immer wieder wohlbehalten zurückkehren lassen. Lasst uns anstoßen…“

Erst jetzt wurde Roger van Dyke bewusst, dass die „Familie“ seines Schiffes selbstverständlich erkannt hatte, was dies für ein Tag war und in ihm keimte erstmals der Verdacht einer gut vertuschten Verschwörung auf, denn diese ganze Aktion, dieser ganze Tag, das alles hatte man wohl nur für ihn organisiert. Admiral Winters hatte da sicher die Finger im Spiel und auch sein ehemaliger Captain der Alexandria, Jan Erik Wikland war sicher daran beteiligt gewesen. Das würde er sich gut merken, denn auch diese alten Haudegen hatten in den nächsten Jahren das ein oder andere Jubiläum zu feiern.
Als ihm klar wurde, dass all dies eine gut geplante Finte war, fiel all die Anspannung des Tages von ihm ab. Er hatte sich sicher völlig umsonst Sorgen gemacht, wahrscheinlich war nicht nur mit dem Schiff alles in Ordnung, auch der immense Stapel an Schadensberichten auf seinem Schreibtisch war sicherlich nur Teil der Scharade.
Entspannt hob er sein Glas und prostete seinen Offizierskollegen zu. So konnte dieser Tag doch noch einen positiven Abschluss finden und er wusste nun ganz genau, dass er sich auf jeden Einzelnen seines Teams verlassen konnte.


ENDE
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