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Desert Crossroads

von Jimaine

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«In der Wüste besitzen die Worte klare Umrisse.»

— Thomas Edward Lawrence

Wenn er bloß auf sich selbst gehört hätte! Er hätte die Essenseinladung ausschlagen und Zobral unter "gute Tat des Tages" ablegen sollen. Ihn mit seinem reparierten Schiff nach Hause schicken sollen, um nie wieder von ihm zu hören. Schließlich hatte er seiner Crew Landurlaub auf Risa versprochen und wenn er entlang des Weges noch weitere Zwischenstops und Umwege machte, würden sie ihre Verärgerung in unmißverständlicher Art und Weise kundtun.

Selten hatte Captain Jonathan Archer Dr. Phlox dermaßen aufgeregt gesehen. Der für gewöhnlich sehr gutmütige und stets gutgelaunte Mediziner gab sich die allergrößte Mühe, noch ein gewisses Maß an Respekt und Beherrschung zu wahren, doch so ganz gelang es ihm nicht. Wenn er Flügel statt Arme gehabt hätte, wäre er vor lauter Herumfuchteln schon längst in die Luft gegangen. Wie seine Fledermaus. Ein gedankliches Bild, das Archer unwillkürlich lächeln ließ.

"Finden Sie das etwa amüsant, Captain?" Phlox bemerkte es und fixierte ihn mit einem tadelnden Blick, der so kalt war wie flüssiger Stickstoff.

Warum fühlte er sich wie ein Schuljunge, der von seinem Lehrer dafür gerügt wurde, daß er einem Mitschüler Juckpulver ins Hemd gestreut hatte? Es wäre leichter zu ertragen gewesen, wenn Phlox nicht im Recht gewesen wäre. Denn er war kein Schuljunge, sondern ein Starfleet-Captain und es ging nicht um Juckpulver, sondern um die Gesundheit – um das Leben – eines Kollegen und Freundes, den er durch eine Fehlentscheidung in ernste Gefahr gebracht hatte. "Nein, Doktor, ganz im Gegenteil", antwortete er und vermied es, dem verärgerten Blick des Denobulaners zu begegnen.

"Sie haben, nach eigener Aussage mehrere Überlebenstrainingskurse absolviert, in verschiedenen Klimazonen, nicht zuletzt der Wüste?"

Er nickte, denn er wußte, worauf Phlox mit der Frage hinauswollte. _Ich habe einfach... Alles war wie eingefroren in meinem Kopf..._

"Davon sogar einen zweiwöchigen Kurs gemeinsam mit Commander Tucker?"

+++

Tanami Wüste, Nördliches Territorium, Unabhängiger Freistaat von Australien, Januar 2145

Erschöpft ließ sich Lieutenant-Commander Charles Tucker III neben dem munter flackernden Feuer in den Sand sinken und zog sein Kopftuch herunter, schüttelte es gründlich aus. Dann begann er, seine Arme auf Zecken zu untersuchen. Er fand keine und die Sandfliegen hatten ihn heute auch weitgehend in Ruhe gelassen, dank der regelmäßigen Vitamin-B-Injektionen. "Was macht das Abendessen, Johnny? Gegrillter Gecko?" Mit dem Zipfel des hellen Stofftuches, das er tagsüber um Kopf und Hals geschlungen trug, wischte er die dicken Aschespuren unter seinen Augen fort; nicht besonders ästhetisch, aber diese einfache Maßnahme half, das grelle Sonnenlicht abzuschwächen.

"Fast fertig", antworte Archer und warf einen Blick hinüber zu dem eben von Tucker vollendeten Kunstwerk, ihrem Biwak. Kein großzügiges Nachtquartier, aber Holz war Mangelware hier im Outback und wurde besser für das Feuer verwendet. Daher mußte das Skelett eines Biwak mit einem darübergeworfenen Moskitonetz als nächtliche Behausung für zwei Personen in ihren Schlafsäcken genügen. Bei Nachttemperaturen von –5°C kam es sowieso auf den Schlafsack an. "Und nein, kein Gecko. Resteessen. Mulga-Schlange, du erinnerst dich?"

"Johnny, wenn das hier vorbei ist, gönnen wir uns noch ein paar Tage in Cairns, ja?" Was Trip vorschwebte war der Ozean. Kühle Fluten, die seinen ganzen Körper umgaben. Ein Traum, mit dem er sich in dieser infernalischen Hitze selbst bei Laune hielt... manchmal glaubte er schon, das Wellenrauschen hören zu können...und mußte sich dann doch nur mit einem Schluck schalem Wasser begnügen.

Archer unterstützte die Idee. "Viel Grün, feucht und mit Blick aufs Meer? Tauchen am Riff?"

Trip nickte und setzte noch einen drauf, "Hotelsuite. Mit Zimmerservice. Und Fächersklaven..."

"Übertreib's nicht, Trip", mahnte er, mußte jedoch lächeln. Langsam wendete er sein handlanges Stück Schlange im Feuer

Kritisch inspizierte Trip das Objekt am Ende des dürren, halbverkohlten Stocks und verzog das Gesicht, positionierte ihn wieder auf der aufrecht in den Sand gesteckten Astgabel. "Scheißüberlebenstraining. Ich weiß nicht, was schlimmer ist. Der recycelte Schweiß...oder das Schlangenfleisch."

"Ist Vorschrift. Alle paar Jahre, alle Ökosysteme. Und Commander Dubois sagte mir, daß du von der Kälte in den Anden noch weniger angetan warst."

"Das war hauptsächlich die dünne Luft", verteidigte sich Trip, der Patagonien, Gletscher und Schneestürme noch in zu guter Erinnerung hatte. Ebenso den furchtbaren Dschungel am Amazonas mit seinen Schlangen und Insekten und der Luft, die man schneiden konnte. "Extreme Klimaverhältnisse sind nun mal nichts für Charles Tucker III, ich hab's lieber gemäßigt..."

Nach einigen Minuten des Schweigens entschied Archer, daß genug genug war und hob sein Schlangenmittelstück aus dem Feuer. Als es etwas abgekühlt war, nahm er es in die Hand und pellte vorsichtig die schuppige Haut ab, um schließlich mit mehr Gusto als er tatsächlich verspürte hinein zu beißen. Das weiße Fleisch war bedeutend zäher als angenommen. "Uuuuh...findest du auch, daß die Otter von vorgestern besser war als dieses Exemplar hier?"

Tucker honorierte die Frage mit keiner Silbe.

"Trip..."

"Du erwartest doch nicht, daß ich mich vor Begeisterung überschlage?"

"Zumindest mangelt es nicht an Nachschub."

"Da gefielen mir sogar die ekeligen Wurzeln von letzter Woche besser", steigerte sich Tucker in seine Laune hinein, "wo ich zwei Tage brauchte, um die letzten Fasern zwischen meinen Zähnen herauszupulen! Wie lange ist eigentlich die ideale Garzeit für, ahm, was war das hier gleich? Rest von gestern?"

"So eine Mulga von zwei Metern gibt einiges her." Durch die tanzenden Flammen hindurch warf er seinem Freund ein aufmunterndes Lächeln zu.

"Ich verzichte und hätte dann lieber gleich das Dessert, Herr Ober."

Gutmütig ertrug Archer die Kritik und ließ die Beschwerden über sich ergehen. Niemand, den er in all den Jahren im Überlebenstraining in der Wüste unterwiesen hatte – egal ob in Australien, der Kalahari oder New Mexico, war vom Speiseplan sonderlich angetan gewesen, da bildete sein Freund keine Ausnahme, und bislang war Trips Nörgeln noch einfache Äußerung von Unmut und keine Insubordination (das klang bei Trip *ganz* anders!) "Schmeckt aber doch ganz passabel...ich hatte heute nachmittag aus der Salzpfanne, die wir durchquert haben, einen Beutel voll mitgenommen. Salz...wichtig...genau wie Wasser."

"Is' schon klar. Falls du mal auf die Idee kommst, die Sternenflotte zu verlassen und *nicht* Profi-Wasserballer werden willst", er salutierte Archer mit seiner unangerührten Schlange, "kannst du immer noch ein Kochbuch herausgeben. *Schlange am Stock, 40 ausgesuchte Rezepte für den Fan des Exotischen, gesammelt und perfektioniert von Jonathan Archer*..."

Archer lachte. "Ach, Trip. Du hast mein Wort, daß ich dir so schnell keine Schlange mehr zumuten werde..."

"Jedenfalls nicht, wenn du mich in Zukunft weiterhin zu deinen Freunden zählen willst, Commander Archer, Sir."

"Meine positive Beurteilung für diese zwei Wochen hast du ja schon sicher, Lieutenant-Commander, also kein Grund, dich in Zukunft mit Schlangen zu quälen. Doch fünf Tage brauchen wir noch bis zum Abholpunkt. Was sollen wir uns morgen gönnen, hm? Geringelte Wüstenschlange oder Bandy-Bandy?"

Trip Tucker würgte verstohlen und spülte den Mundvoll gegarter Schlange mit einem kleinen Schluck kostbaren Wassers aus seiner Feldflasche hinunter. Die Verpflegungssituation war grauenhaft, aber die Gesellschaft dafür umso besser. Johnny Archer mochte sein Vorgesetzter sein und auf diesem Ausflug sein Lehrer in neutral-beurteilender Funktion, doch machte allein ihre Freundschaft diesen Wüstenmarathon erträglich; jeden anderen hätte er vermutlich schon im Affekt erstochen und zerlegt, um eine Alternative im Menü zu haben. "Experimentier' du ruhig, Jon, ich hol' mir jetzt lieber meine vier Stunden Schlaf, damit wir noch etwas vorankommen, bevor die Nacht zu Ende ist..."

+++

Nur hatten sie dieses Mal keine Wahl gehabt, zu welcher Tageszeit sie marschierten. Als Zobrals Siedlung angegriffen wurde und sie sich zur Flucht über den Sand entschlossen, war es Nacht gewesen und sie hatten noch eine längere Strecke im kühlen Dunkel zurücklegen können, doch als dann der Tag anbrach und die Sonne rasch aufstieg – und mit ihr die Temperaturen – hatten sie sich schutzlos im endlosen Sandmeer befunden. Leise preßte er die Antwort hervor, "Ja." Trip hatte seinerzeit jede Minute gehaßt, jedes Sandkorn und jeden Insektenstich, aber sie waren ein eingespieltes Team gewesen und hatten aufeinander aufgepaßt. Jeder Handgriff hatte gesessen, jede Entscheidung. Was war also jetzt schiefgegangen?

Kritisch beäugte ihn Phlox und seine Stimme wurde geringfügig milder, als er sah, wie hart Archer mit sich ins Gericht ging. "Diese Kurse schlossen, soweit ich informiert bin, Erste Hilfe mit ein, ja?" hakte er nach.

+++

Tanami Wüste, Nördliches Territorium, Unabhängiger Freistaat von Australien, Januar 2145

Archers Finger ergriffen Tuckers Handgelenk, hielten den ausgestreckten Arm fest und unbeweglich. "Langsam, langsam, Trip, das ist ein Kompaß und keine EM-33. Nicht so rumwedeln, mit ruhiger Hand...es besteht ein Unterschied zwischen dem *Norden* laut den Planquadraten der Karte und dem magnetischen Norden, den dein Kompaß angibt. Du muß die Winkeldifferenz richtig berechnen, sonst unterläuft dir ein Fehler und du marschierst in die falsche Richtung. Und schon die geringste Abweichung, ein Grad zuviel oder zuwenig –"

"— könnte mich mein Ziel um Meilen verfehlen lassen", nickte Trip mit einem Seufzer und blinzelte in die tiefrote Sonne, die schon halb hinter dem Horizont verschwunden war. "Ich werde es schon irgendwann kapieren."

"Nicht irgendwann, Mr. Tucker, sondern *jetzt* und *hier*." Ihre Blicke trafen sich. Er brauchte es nicht auszusprechen, doch Trip verstand. Sie mochten befreundet sein, aber dies war immer noch eine offizielle Trainingsmission und er war hier um zu lernen. "Verstanden?"

"Ja, Sir." Einmal tief durchatmend, wischte er sich Staub und feine Salzkristalle getrockneten Schweißes aus den Augenwinkeln und fixierte dann erneut Kompaß und Karte. Während er sich langsam auf der Stelle drehte, den Blick immer auf der roten Nadel, merkte er an, "Du weißt, wir könnten es viel einfacher haben. Scanner und Peilsender...Sonnenbrillen und isolierte Schutzkleidung..."

Archer grinste und stellte zufrieden fest, um wieviel ruhiger Tuckers Hand nun den Kompaß führte, die Nadel einnordete und nach weiteren Messungen und dem Ablesen der Zahlen ihre Position mit Bleistift auf der Karte markierte. Noch zwei gute Tagesmärsche – beziehungsweise Nachtmärsche – bis Tennant Creek, laut Karte etwas mehr als siebzig Meilen. Das sollte zu schaffen sein. "Sicher", antwortete er auf Trips Bemerkung, "aber das würde auch nur halb soviel Spaß machen." Auf das gequälte Stöhnen seines Freundes reagierte er mit einem verhaltenen Lachen und fragte, "Was machen die Kratzer?" Vor zwei Tagen war Trip einen Felshang heruntergestürzt, nichts Dramatisches, aber er hatte sich an einem Dornbusch mehrere häßliche Wunden an Armen und Rücken zugezogen. Gegen die harten Dornen hatten alle Stoffschichten der losen Wüstenkleidung nichts genützt; zumindest hatten sie die Fetzen zum Reinigen und Verbinden der tiefen Kratzer verwenden können, denn in der Wüste bestand auch für kleinste Verletzungen ein hohes Infektionsrisiko.

Nachdem er die Karte in seiner Gürteltasche verstaut und dann auch seinen Rucksack geschultert hatte, ihn so zurechtrückte, daß es nicht allzu weh tat, erwiderte Trip, "Ich werde es überleben, Jon. Die Schwellung ist minimal und alles scheint gut zu heilen...denke ich...an dir ist ein Krankenpfleger verlorengegangen."

Wie immer mußte Trip bei seinem Lob gleich übertreiben. "Nah, mein Interesse gilt eher Physik und Warptechnologie als der Feinmechanik des menschlichen Organismus. Mein Können hört bei Erster Hilfe auf. Kleine Kratzer, Schnitte und Schlangenbisse...das reicht mir."

"Auf daß es dabei bleibt, Johnny-boy. Auf jeden Fall nochmals danke für dein Hemd."

"Wollen ja nicht, daß du als menschlicher Hummer zurück zum Stützpunkt kommst, oder?"

"Har-de-har-har...hier geht's lang, Jon. Komm' jetzt, die Sonne ist fast unten und wir müssen heute nacht mindestens dreißig Meilen schaffen."

+++

_Ich konnte mich nicht mehr erinnern. An nichts. Mein Hirn war...wie leergefegt. Aus Panik?_ Er konnte in den größten Krisensituationen einen kühlen Kopf bewahren, unter Feindbeschuß seine Nervenstärke und Schläue gegen einen überlegenen Gegner beweisen, auch dann, wenn er nur noch fünfzehn Sekunden zu leben hatte. Kein Problem für Johnny Archer. Doch als Trips Leben auf dem Spiel stand, hatte er versagt. Selbst seine eigenen Hände waren ihm im Weg gewesen. Er hatte nicht gewußt, was als nächstes zu tun war, nicht einmal, was er als nächstes denken sollte. "Ja, Doktor", antwortete er widerstrebend auf Phlox' Frage. "Ich weiß nicht, wie mir das passieren konnte."

Die Diagnose war korrekt gewesen, nur seine Behandlung völlig falsch. Im Nachhinein wußte er genau, daß er nichts hätte tun können. Wenn aus Überhitzung erst einmal Hitzschlag wurde, war Austrocknung nicht länger relevant – der menschliche Körper konnte pro Viertelstunde sowieso nur 200ml aufnehmen, jeder zusätzliche Tropfen wurde ungenutzt ausgeschieden – sondern primär die Körpertemperatur, die es zu senken galt. Eine Wanne mit Eiswasser hatte ihm aber nicht zur Verfügung gestanden. Und doch hatte er nicht tatenlos zusehen können, wie Trip vor seinen Augen litt, hatte sich so *verflucht* hilflos gefühlt in seiner Überzeugung, *irgend* etwas für seinen Freund tun zu müssen. Egal was. Also hatte er ihn zum Trinken gezwungen, jeder Schluck von einem Befehl begleitet, obwohl ihm klar war, daß es eigentlich keinen Nutzen hatte. "Alles, was ich gelernt hatte, alles, was ich wußte und jahrelang an andere weitergegeben habe...es war einfach weg. Nur eine große Leere in meinem Kopf, und Trip...Gott, ich hätte ihn fast umgebracht."

Phlox blinzelte überrascht. "Captain, das ist eine etwas harsche Aussage. Nein, so pauschal läßt sich der Vorfall nun wirklich nicht formulieren –"

"Aber es ist wahr!" wiederholte Archer, nun lauter, und in seiner Stimme brodelte unterschwelliger Zorn. Auf sich selbst. "Es ist meine Schuld, daß Trip fast gestorben wäre, weil ich VERSAGT habe! Einen totalen Aussetzer hatte..."

"Commander Tucker hat zugegebenermaßen ziemliches Glück gehabt", lenkte Phlox ein, "aber Ihr, um, *Aussetzer* hat die Lage für ihn nicht so weit verschlimmert, daß Sie sich an seinem Gesamtbefinden die Schuld geben müssen."

Archer hörte ihm gar nicht zu, fuhr stattdessen unbeirrt fort, "Ich mußte doch irgend etwas tun...es war meine Idee, Zobrals Einladung anzunehmen. Er wollte nicht. Ich habe ihn so lange bearbeitet, bis er eingewilligt hat. Er wollte gar nicht mitkommen, hat's nur für mich getan...und dann endeten wir auf diesem Marsch quer durch die Wüste – Trip verabscheut die Wüste – weil wir zur allgemeinen Zielscheibe wurden und uns nichts anderes übrigblieb. Das Risiko schien akzeptabel, doch dann geht er fast dabei drauf...wegen mir..."

+++

Die Ruine bot ihnen spärlichen Schutz vor der sengenden Sonne und erhöhte ihre Überlebenschancen nicht in nennenswertem Maße. Der Schaden war bereits angerichtet. Zitternd und frierend, jeder sichtbare Zentimeter sonnenverbrannter Haut sand- und schweißverklebt, lehnte Trip an der halbzerfallenen Mauer, kaum bei Bewußtsein. Jede Minute konnte er seinen Halt an das Hier und Jetzt verlieren und dann bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit, daß er nie wieder aufwachen würde. Und Jonathan Archer hatte Angst. Eine eiskalte Angst, die alle Hitze auslöschte, seinen jeden Gedanken lähmte...

+++

Die Verärgerung des Arztes verschwand als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Das Zittern in Archers Stimme, die deutliche innere Anspannung, waren Indikatoren für eine viel tiefer liegende Wahrheit. Eine Belehrung war, wie er sehen konnte, wirklich das Letzte, was der Captain brauchte. Es ging nicht mehr um vergessene Erste-Hilfe-Lektionen, nein, sondern darum, wie sich dieser Zwischenfall auf die bestehende Freundschaft zwischen Archer und Tucker auswirken mochte. Beziehungsweise, so seine sich erhärtende Theorie, wie diese langjährige Freundschaft überhaupt zu diesem Zwischenfall geführt hatte. Alle paar Sekunden flog Archers Blick nach rechts zu dem schlafenden Mann auf dem Biobett, fast ängstlich, als ob die Gefahr bestand, daß er beim nächsten Hinsehen nicht mehr dasein könnte. Daß gleich ein Alarm verkünden würde, daß Trip es doch nicht geschafft und er ihn trotz aller Bemühungen verloren hatte.

Phlox begann zu verstehen. Die Frage war: wie konnte er es Archer selbst verständlich machen? Etwas sagte ihm, daß es der Captain längst wußte, der Wahrheit und den damit verbundenen Konsequenzen jedoch nicht ins Auge sehen wollte. Oder konnte. "Sie haben getan, was Sie konnten, Captain", wählte er den Ansatz des verständnisvollen Zuhörers und nicht mehr des aufgebrachten Mediziners. "Die Bedingungen waren alles andere als ideal und Sie haben ihn bei Bewußtsein gehalten." Jonathan Archer machte sich gleich auf zwei Ebenen Vorwürfe, in seiner Verantwortung als Captain wie als Freund, und beide Elemente würden ihn noch lange beschäftigen. Sehr lange. "Captain...Jon...Sie und Commander Tucker kennen sich schon lange. Sie haben zu ihm eine engere Verbindung als zu, sagen wir mal, Lieutenant Reed oder meiner Person. Es ist mehr als kollegiale Sorge, was Sie für ihn empfinden."

"Weswegen mein Verhalten höchst unprofessionell war." _Und uncharakteristisch für mich._ "Ich bin für jedes Mitglied meiner Crew gleichermaßen verantwortlich, Doktor. Und sollte bei jedem die gleiche Expertise und Professionalität zeigen. Auch meinem besten Freund gegenüber. Mein Handeln in Trips Fall war...emotional."

"In der Tat", nickte der denobulanische Arzt und bedeutete Archer Platz zu nehmen. "Wollen Sie darüber reden?"

Automatisch folgte Archer der Aufforderung und ließ sich auf den Rollhocker neben dem Biobett sinken. Überrascht von dem Angebot blickte er dann auf und begegnete den klaren hellblauen Augen des Arztes. "Mit Ihnen?"

Phlox hob die Schultern und 'hmmte' kurz und doppeldeutig vor sich hin, bevor er Archer antwortete, "Nun, das wäre eine Möglichkeit. Aber die Person, mit der Sie reden sollten – mit der Sie reden müssen, wenn es in Zukunft nicht zu weiteren...Aussetzern kommen soll – ist Commander Tucker. Und das tunlichst bald." _Je eher Sie sich Ihre Gefühle eingestehen, desto besser für alle._ "Ich gehe meine pyrithianische Fledermaus füttern. Ihre Abendmahlzeit ist schon längst überfällig...und, wenn ich genau darüber nachdenke, die meine ebenfalls. Habe gehört, der Koch hat heute etwas gemacht, das sich Rattatouille nennt...sehr kurios. Ich frage mich, ob er zur Zubereitung tatsächlich Ratten verwendet..." Damit zog er den Vorhang halb zu und gab dem anderen Mann eine Illusion von Privatsphäre in dem großen Raum ohne Trennwände.

Ob es das Rascheln des Vorhangs war, das ihn weckte, oder einfach die Tatsache, daß er ausgeschlafen hatte, egal, jedenfalls schlug Trip Tucker die Augen auf, blinzelte angestrengt und versuchte, der näheren Umgebung klare Konturen zu geben. Wo war er? Oh...Krankenstation. Enterprise. Die brennende Sonne existierte also nur in seiner Erinnerung.

"Jon..."

Archer drückte ihn auf die Liege zurück, als er sich aufrichten wollte. "Ssh, Trip, bleib' liegen. Du bist noch längst nicht wieder in Topform."

Selbst ein Lächeln für Jon schmerzte; die Haut seines Gesichts spannte und kam ihm so heiß vor als wäre sein Kopf in Nebenfunktion ein Tauchsieder, aber der Rest seines Körpers unter der Thermodecke war angenehm kühl. So geschwächt, wie er sich fühlte, klang auch seine Stimme, als er heiser krächzte, "Die Beurteilung überläßt du bitte mir, Cap'n. Ich könnte jetzt ohne weiteres noch ein, zwei Runden Geskana spielen...hey, ich könnte es alleine mit Zobral und seiner ganzen Truppe aufnehmen."

Am anderen Ende des Raumes gab Dr. Phlox ein belustigtes Glucksen von sich, das klar signalisierte, was er von der Eigendiagnose seines Patienten hielt.

Tadelnd wandte Archer den Kopf und räusperte sich. "Hey, Doc...Ihre Fledermaus. Nicht die Unterhaltungen anderer Leute!"

"Verstanden, Captain", tönte es hinter dem Vorhang und die Fledermaus gab ein hochfrequentes Quieken von sich.

Trip legte eine Hand auf Archers Arm, wollte zugreifen, doch seine Finger versagten ihm den Dienst. Die Schmerzmittel wirkten noch zu stark nach, seine Muskeln waren noch zu entspannt, um seinem Willen zu gehorchen. Der Kontrast seiner roten, sich an vielen Stellen pellenden Haut gegen das Blau von Jons Uniform schien ihm furchtbar extrem und beunruhigte ihn mehr als nur ein wenig, allerdings zeigte er es nicht, ließ Jon bloß seine Erschöpfung sehen. "Wir haben's also geschafft...wir sind hier...danke."

Trip dachte natürlich, es wäre sein Verdienst gewesen. Aber er mußte ihm widersprechen. "Der Dank gebührt nicht mir, sondern T'Pol...und Malcolm."

Dem blonden Mann entwich ein verhaltener Seufzer. "Die letzten Personen, bei denen ich in der Schuld stehen möchte...aber ich denke, es könnte noch schlimmer sein. Ich könnte bei dir in der Schuld stehen."

"Genau. Und du weißt, daß ich nicht lange warte, bis ich mir geschuldete Gefallen wieder einfordere..." Ohne es zu merken, legte sich Archers Rechte auf die lose auf seinem Arm ruhende Hand, umschloß die verbrannten Finger mit den seinen. "Aber du schuldest mir gar nichts. Dich da rauszuholen war das Mindeste, was ich tun konnte, und ich bin verhältnismäßig leicht davongekommen...wenn man bedenkt, wie treudoof ich mich verhalten habe!" Trip wollte Einwände erheben, doch er redete weiter, ließ sich nicht unterbrechen. "Ich war ein Idiot, Trip. Ich habe Zobral zugesagt, ohne alle Fakten zu kennen, uns glattweg zwischen die Fronten eines politischen Konflikts manövriert – ich kann den entsprechenden Absatz in Malcolms wöchentlichem taktischen Bericht schon vor mir sehen – und dabei meinen Chefingenieur und mich selbst in Lebensgefahr gebracht. Es tut mir so schrecklich leid, Trip." Betreten sah er zu Boden, schluckte hart, bevor er stockend fortfuhr, "Das letzte, was ich wollte, war dir solche Schmerzen zuzufügen. Ich hatte furchtbare Angst um dich...du hättest sterben können...und das hätte ich mir nie verziehen. Kannst du es denn? Kannst du mir verzeihen?"

"Wofür denn bitte?" murmelte Trip, etwas verständnislos. Er war noch nicht wieder ganz da und die vielen Worte mit mehr als zwei Silben in Archers Entschuldigungsrede wollten sich nur mit Mühe verarbeiten lassen. "Jon, bitte, laß das lange Gesicht...ich werd' schon wieder..."

Der Captain beharrte aber auf seinem Standpunkt, "Du hättest das alles nicht durchmachen müssen, wenn ich dich nicht mitgeschleift hätte...trotz deiner wiederholten Einwände..."

Trip nickte. "Stimmt. Du drohtest sogar damit, Malcolm mitzunehmen, wenn ich mich richtig erinnere."

"Ich dachte mir, ich appelliere mal an deine gottgegebene Eifersucht."

"Eifersucht? Ich war bestimmt *nicht* eifersüchtig! Garantiert nicht!"

"Ach, nein? Hast dann aber ganz schnell eingewilligt."

"Damit du den Mund hältst. Und um dich nicht hinterher ertragen zu müssen, wie du mir gegenüber den Beleidigten mimst – tagelang, wohlmöglich noch beim Landurlaub auf Risa!" Er holte tief Luft und bekräftigte abermals, "Ich war *nicht* eifersüchtig! Warum auch? Und schon gar nicht auf *Malcolm*! Letztendlich war es meine freie Entscheidung mitzukommen...also kann ich mir den Sonnenbrand selbst zuschreiben."

In Archers Augen tanzte der Schalk, als er partout nicht lockerließ und fortfuhr, "Ich wette, Malcolm hätte sich beim Geskana nicht übel geschlagen."

"Ach, Cap'n, diese baumlangen Kerle hätten ihn überrollt wie einen Sandfloh! Außerdem verträgt er keinen Alkohol." Zu gut erinnerte er sich daran, was schon ein paar Schluck Bourbon aus Reeds rigoroser Selbstbeherrschung gemacht hatten. "Nach zwei Bechern von Zobrals Kaktuswein hätte er nicht mehr gewußt, *welchen* Ball er ins Ziel befördern sollte... Und selbst in nüchternem Zustand...nein, keine Chance."

"Denke ich aber schon. Hattest du schon mal das Vergnügen, mit ihm in der Dekontaminationskammer zu stecken? Die Uniform verbirgt so einiges..." Er senkte seine Stimme bedeutungsvoll auf den letzten Worten.

"JON!!!" Trips entrüsteter Aufschrei hallte durch die Krankenstation, laut genug, um Dr. Phlox zu einer besorgten Nachfrage zu veranlassen. Als der Arzt sich wieder entfernt hatte, verlief die Unterhaltung in etwas sachlicheren Bahnen. "Was hat denn bitte Malcolm zu unserer Rettung beigetragen?" Interessieren tat es Trip dann ja doch. Nicht sonderlich, aber ein bißchen schon. "Zobral eine Granate in den Mund gesteckt und bis Zehn gezählt?"

Archers Mundwinkel zuckten in einem flüchtigen Grinsen nach oben, doch im nächsten Moment war sein Gesicht wieder so ernst wie zuvor. Er konnte nicht anders. Trip war ein Schatten seiner selbst und der kränkliche Humorversuch betonte seinen geschwächten Zustand nur noch. "So ungefähr", bestätigte er. "Wie ich Subcommander T'Pols Bericht entnehmen kann, war die Konfrontation zwischen Zobral und unserem taktischen Offizier...sehenswert."

Das Bild wollte nicht so ganz vor Trips innerem Auge entstehen. "Zobral ist doch garantiert anderthalb Köpfe größer als Malcolm..."

"Das hat Malcolm nicht abgehalten. Laut T'Pol war er keineswegs von Zobral eingeschüchtert...und hätte sich mit Sicherheit gegen ihn behaupten können, wenn es zu Handgreiflichkeiten gekommen wäre. Und das wäre es, hätte sie nicht mit vulkanischer Diplomatie eingegriffen."

Trip quittierte das mit einem überraschten Schnaufen. "*Das* hat sie gesagt?"

"Fast ein direktes Zitat. Ich bin durchaus bereit, ihr zu glauben."

"Mann, was haben wir bloß verpaßt..." Ein Hustenanfall unterbrach ihn und als er wieder zu Atem kam, betonte er, "Ich werde ihm trotzdem keinen Präsentkorb überreichen." Abermals unterbrach er sich, diesmal aus freiem Willen, blickte Archer einfach nur an. Sagte kein Wort.

"Trip?"

Doch er erhielt keine Antwort, nur diesen Blick, der ihn festhielt, jede Bewegung unmöglich machte.

+++

Tennant Creek, am Rand der Tanami Wüste, Nördliches Territorium, Unabhängiger Freistaat von Australien, Januar 2145

Das Debriefing mit Commander Dubois hatte ewig gedauert, obwohl Archer den seitenlangen Beurteilungsbogen in Rekordzeit ausgefüllt und für seinen persönlichen Zusatzkommentar von zwei Seiten weniger als eine halbe Stunde gebraucht hatte. Als Dubois die Com-Verbindung endlich unterbrach, fühlte sich sein Magen unerträglich hohl an. Und Trip ging es nicht besser, wie er sehen konnte. Doch bis zu ihrer Ankunft in Cairns mußten sie mit Starfleet-Rationen vorliebnehmen. 'Besser als Schlange', lautete Trips Urteil und damit hatte er Recht. Nach zwei Wochen Schlangen, Eidechsen und Wurzeln erschien ihnen selbst die limitierte Auswahl an Bord des Skimmers, der sie nach Cairns brachte, wie ein großes All-you-can-eat-Büffet. Die beiden verschwitzten und ausgelaugten Starfleet-Offiziere, die während der gesamten einstündigen Reise kaum ein Wort wechselten, protestierten mit keiner Silbe.

In der Suite des Kewarra Beach Resort genehmigten sie sich dann die längste und ausgiebigste Dusche ihres Lebens, wuschen Sand, Staub und Schweiß aus ihren Haaren und schrubbten sich mit allen verfügbaren Seifen, bis auch das letzte bißchen Wüste im Abfluß verschwunden war. Danach kam Punkt 2 auf der Liste ihrer Prioritäten.

"Laß uns essen gehen, bitte", flehte Tucker ihn an, während er sich abtrocknete, genießerisch das weiße Frottee über seinen endlich sandfreien Körper rubbelte. "Ich hab' zwar gut Farbe gekriegt, aber ich fürchte, ich hab' auch so stark abgenommen, daß mir meine Uniformen nicht mehr passen."

Archers Blick glitt über den nackten Körper seines Freundes, wie er aus dem Badezimmer kam, lief über die braungebrannte Haut wie ein verirrter Wassertropfen, der vor dem Handtuch flüchtete, um noch etwas länger an diesem Körper zu verweilen. Von den breiten Schultern abwärts wanderte er über den Rücken, folgte der Kurve des festen Hinterteils und verlor sich dann an der Länge der muskulösen Oberschenkel. Kein Gramm zuviel oder zuwenig, nirgendwo. "Steht dir aber", ließ ihn eine kleine Stimme aus seinem Hinterkopf laut kommentieren. Er blinzelte überrascht und merkte, daß er unbewußt den Atem angehalten hatte. Was...? Irritiert öffnete er einen zusätzlichen Knopf an seinem Hemd und atmete mehrmals tief durch.

Tucker hörte für einen Moment auf, sein von der australischen Sonne zu hellem Goldblond gebleichtes Haar zu frottieren, und sah ihn mit einem wehmütig-schiefen Grinsen an. "Danke, Jon, aber verarschen kann ich mich alleine! Ich bin eine wandelnde Hungerlatte geworden. Jede Uniform wird an mir schlottern...und es sind nur noch vier Tage, bis ich wieder eine tragen muß!"

"Ich hatte dich vor den Kaninchen gewarnt", erinnerte Archer ihn. "Du wolltest partout keine Schlangen mehr, also verlegtest du dich auf Kaninchenfleisch, wo das Verdauen mehr Kalorien verbraucht als das Fleisch selbst liefert. Und", setzte er amüsiert hinzu, "in Kombination mit deiner, ahm, energieintensiven Fangtechnik wundert mich ein Gewichtsverlust absolut nicht." Und er meinte es ernst: Trip konnte die paar Kilo weniger verkraften, ohne daß es seine Attraktivität schmälerte.

Das dachten in den folgenden Tagen auch noch viele andere, sei es tagsüber am Strand, beim Tauchen oder abends, wenn sie das Seafood eines weiteren Restaurants der Stadt testeten und den Tag bei Cocktails in einem lebhaften Nachtclub am Hafen ausklingen ließen – es gab immer Personen, die ein Auge auf Trip Tucker warfen, einige diskret, andere schon direkter. Und auch Jon zog die Blicke auf sich.

Beide waren sie sich der Aufmerksamkeit bewußt und genossen sie schamlos, plauderten mit ihren Verehrern, männlich wie weiblich, und ließen sich auch auf den einen oder anderen Tanz ein. Doch mehr nicht. Sie zogen die Grenze beim Flirten. Wenn sie einen Club betraten, verließen sie ihn auch, wie sie gekommen waren – zusammen. Niemals anders.

Als Archer einmal anmerkte, daß viele Leute den falschen Eindruck gewinnen könnten, grinste Tucker lediglich. "Sollen sie doch, Jon, ich muß ja in Zukunft nicht mit ihnen auskommen. Was sie denken, interessiert mich nicht. Außerdem wüßte ich niemanden, mit dem ich lieber einen 'falschen Eindruck' erwecken würde, als dich."

Nun war Archer an der Reihe zu grinsen.

Sie hatten schließlich nicht oft Gelegenheit, sich nichtdienstlich zu sehen und selten für länger als ein paar Stunden, also schien es völlig in Ordnung, jede Minute dieser vier Tage zusammen zu sein, gemeinsam tauchen zu gehen, gemeinsam Beachvolleyball zu spielen. Das Ende kam schnell genug und sie packten ihre Taschen für die Reise zurück nach San Francisco. Von dort aus würde es für Trip weiter nach Vancouver gehen, wo das Ingenieursteam, das er befehligte, derzeit neue Kommunikationssysteme für die geplante NX-Raumschiffklasse entwickelte. 'Starfleets Radiobastler', wie Trip sich und seine Mannschaft scherzhaft nannte.

Am Shuttleport in San Francisco richtete Trip dann als erster die Abschiedsworte an seinen Freund und dankte ihm für drei unterhaltsame Wochen. "Hat mich auf jeden Fall gefreut, mal wieder etwas mehr Zeit mit dir zu verbringen, Jon."

Archer lachte und klopfte Tucker auf die Schulter, hielt ihn am Oberarm fest, unwillig, schon loszulassen "Gleichfalls, Trip. Gleichfalls. Das nächste Mal an einem kühleren Plätzchen. Und jeden Tag ein fünfgängiges Menü."

"Werde dich dran erinnern. Ich meld' mich morgen im Laufe des Tages bei dir. Pfleg' deine Bräune, Jon, du wirst Forrest damit endlos neidisch machen...wenn jemand Urlaub braucht, dann er!"

"Du erreichst mich im Büro." Damit blickte er seinem Freund hinterher, wie dieser davoneilte, um seinen Anschlußflug nicht zu verpassen. Er vermißte ihn jetzt schon.

+++

Es war wirklich nur dieser Blick, der ihn festhielt, keine Hände, keine Worte. Er wollte etwas sagen, um das Schweigen zu beenden, doch fand er nicht die richtigen Worte. Er fand überhaupt keine Worte. Trip war ihm zuvorgekommen, allein mit diesem Blick, der in seinem Schweigen zuviel aussagte.

Der gleiche Blick wie damals, das gleiche Gefühl.

Irgendwann hatte Trip zu sprechen begonnen; für Archers Ohren schienen die Worte von unendlich weit her zu kommen, er hörte sie kaum. Denn er kannte sie längst, sie schienen unwichtig verglichen mit dem, was Stille viel besser mitteilen konnte. "Wir stolperten durch den Sand...schon seit Stunden, die Sonne so unerträglich heiß...und ich hatte solche Angst, daß ich's nicht schaffen würde... Immer weiter...du hast mich angetrieben wie ein störrisches Kamel...ich weiß nicht, wann ich schließlich umkippte..."

Sein Freund erinnerte sich zu deutlich an den besagten Augenblick.

"Plötzlich war alles so klar...du, ich..." Trips Stimme drohte zu versagen bei den Worten, die er entweder jetzt sagen mußte oder nie, denn er würde nicht noch einmal den nötigen Mut aufbringen können. "Wir. In einem Moment war da nur diese endlose Leere, diese blendende Sandfläche...alles verschwommen in der flirrenden Hitze, sogar meine Gedanken, jeder Schritt eine Qual...jeder Atemzug schien wie mein letzter...und dann warst da nur noch du. Kristallklar. Und ich wußte: mehr brauche ich nicht. Mehr würde ich nicht brauchen, nie wieder."

"'In der Wüste besitzen die Worte klare Umrisse'", zitierte Archer mit ernster Miene. "Auch die nicht gesagten."

+++

Jedes Mittel war ihm recht, um Trip bei Bewußtsein zu halten! "Der Warpantrieb...nimm' ihn für mich auseinander!"

"Sir?"

"Nenn' mir die acht Hauptkomponenten! Das ist ein Befehl."

Was er als Antwort bekam, war purer Nonsens. Hähnchenteile...Schenkel, Flügel.. Und als Essen und Menüplanung nicht mehr funktionierten, versuchte er es anders, mit Kinderspielen wie Geographie, alles Strohhalme in einem Rennen gegen die Zeit. Mit Sicherheit war die Crew der Enterprise schon fieberhaft mit der Suche nach ihnen beschäftigt, er mußte Trip nur lange genug zum Durchhalten bewegen...nur noch ein wenig länger...

Niger, Rhode Island, Draylax....Xanadu. Simpel, doch es erfüllte seinen Zweck, obgleich er Trip gegenüber klar im Vorteil war: Er konnte klar denken. Es war mehr als deutlich, wie schlecht es um Trip stand. Und wie dringend er ärztliche Hilfe benötigte, wenn er nicht sterben oder zumindest schwere körperliche Schäden davontragen sollte. Zu dem Fieber hatte sich ein hartnäckiger, trockener Husten gesellt, der immer mehr zu einem Röcheln wurde. Kein Schweiß mehr. Jetzt wo der Kühlmechanismus seines Körpers versagte, stieg die Körpertemperatur rapide an und das Wasser, das Archer ihm einflößte, würgte er im nächsten Moment wieder hoch. Übelkeit. Ein weiteres Symptom, genauso wie der rasende Puls. Verflucht, er mußte ihn abkühlen und das von außen, nur war das nicht möglich! Fast entkam ihm ein Schrei purer Verzweifelung...

Er hielt Trips Handgelenke fest, als dieser die Feldflasche beiseite schlagen wollte, sich in seiner Verwirrung gegen die Zuwendung wehrte. Trip glühte am ganzen Körper, zitterte, konnte bald keinen zusammenhängenden Satz mehr formulieren, und Archer war schockiert von dem leeren Ausdruck in den blauen Augen. Seine Angst verdoppelte sich mit jedem angestrengten Atemzug.

Nie hätte er gedacht, daß er je wieder beten würde, doch in jenem Moment betete er, versprach einem Gott, der ihn schon zu oft enttäuscht hatte und an den er seit langem nicht mehr glaubte, alles was er verlangte. Alles, solange er im Gegenzug nur Trip Tuckers Leben schonte. Hoffte, daß in der nächsten Sekunde ein Shuttle der Enterprise landen und sie retten würde.

Doch stattdessen nahmen die Tarathaner die Ruine unter Beschuß.

Archers eigener Überlebenswillen schaltete sich ab und er projizierte ihn auf Trip, schützte ihn mit seinem eigenen Körper, als die Steine fielen. Diese Mauern waren nicht länger sicher für sie, also entschied er sich zur Flucht in die Nacht und schleppte seinen halbbewußtlosen Chefingenieur mit sich.

"Ich halte dich doch bloß auf..."

Als ob er Trip zurücklassen würde, bloß um seine eigene Haut zu retten! "Ich kann mich nicht daran erinnern, von dir Befehle entgegenzunehmen."

Und dann war da das lang erwartete Geräusch...ein Shuttle...

Selten war ihm ein Anblick willkommener gewesen.

Den Blick nach oben auf das langsam gen Boden sinkende Raumfahrzeug gerichtet, trieb er seinen Körper vorwärts. Er spürte ihn kaum noch. Einen weiteren Schritt. Noch einen. Trip an seiner Seite war alles, was er wahrnahm, alles, was jetzt zählte...ihn zum Shuttle zu bringen, das soeben im Sand aufsetzte.

Trip atmete kaum noch, als man sie unsanft und hastig hineinzerrte. Keine Zeit verlieren, sie waren hier schließlich unerwünscht und es konnte jeden Moment neue tarathanische Artillerie eintreffen und beenden, was sie angefangen hatten. Er brach neben der Einstiegsluke zusammen und...verflucht, er konnte Trips Herzschlag nicht mehr spüren! "T'Pol", japste er nach zwei hastigen Schlucken Wasser, "Trip...Trip ist...hat..."

"Keine Sorge, Captain, wir sind in wenigen Minuten zurück auf der Enterprise. Commander Tucker wird umgehend versorgt werden."

Den Rest von T'Pols Worten hörte er nicht mehr. Das Gesicht der Vulkanierin kippte seitwärts in ein Meer aus Dunkelheit und er verlor das Bewußtsein.

+++

Ohne seinen Blick von Trip abzuwenden, fuhr er fort, die Worte wie eingebrannt in sein Bewußtsein, wie zu Glas geschmolzener Sand im Tiegel der unbarmherzigen Wüstensonne. Eine Fata Morgana, die sich berühren ließ. "«Stets liegen Gefühle und Illusionen in meinem Inneren im Krieg, mein Verstand stark genug, um zu gewinnen, doch nicht stark genug, um das Besiegte auszulöschen...oder weniger daran Gefallen zu finden. Und vielleicht könnte das ehrlichste Wissen um Liebe jene Liebe sein, die das Ich verabscheut...»" Es war Jahre her, daß er dieses Buch gelesen hatte, aber gerade an diese Zeilen erinnerte er sich als wäre es gestern gewesen.

Tuckers erste Reaktion war ein Stirnrunzeln, welches er dann schnell wieder bleibenließ, denn es tat zu weh. "Cap'n? Wenn's schlimmer wird, sagst du hoffentlich dem Doc Bescheid... es soll Mittel dafür geben..."

Und irgendwo in Archers Herz riß eine seit langem bis zum Äußersten gespannte Saite, der Ton eine einzige Note, die ewig nachklang, klar und perfekt wie aus Eis gegossen. Mehr Musik brauchte er nicht in seinem Leben. "Ich will gar kein Gegenmittel", gestand er ihm leise. "Was du vorhin sagtest...nun, du solltest wissen, daß es mir genauso geht. Du genügst mir, Trip Tucker."

Zunächst war es totenstill im Raum. Auch von Phlox war nichts zu hören; offenbar hatte er die Krankenstation verlassen. Es gab nur sie beide. "Es ist zuviel passiert in letzter Zeit, nicht wahr, Jon?" Trip räusperte sich mehrmals und nahm das angebotene Glas Wasser dankend an. Auf Archers Aussage ging er nicht ein. Noch nicht. "Zuviel." Nach zwei Schluck Wasser stellte er das Glas beiseite und ließ den Kopf zurück aufs Kissen fallen, die Augen geschlossen. Verdammt, er wollte das Kind endlich beim Namen nennen! War doch nicht so schwer. Ein Wort. Jon verdiente die Wahrheit und was für einen Sinn machte es, noch länger um den heißen Brei herumzureden? "Ich weiß nicht, wie es dir geht, Jon...aber zwischen uns hat sich...einiges geändert. Wir...nun, unsere Freundschaft ist nicht mehr das, was sie mal war. Finde ich jedenfalls."

Archers Kehle war plötzlich wie zugeschnürt. Trip hatte Recht. In jüngster Zeit waren die Linien zwischen Freund/Kollege/Vorgesetzter immer mehr verschwommen, zu einem neuen Ganzen verschmolzen, die entfernt an ein Gefühl erinnerte, das sie aus anderen Situationen mit anderen Partnern kannten, das aber hier – hier zwischen ihnen beiden – etwas völlig Neues war. "In der Tat..." Bewunderung. Zuneigung. Begierde...nun immer deutlicher zu spüren nach Jahren, in denen sie lediglich im Hintergrund existiert hatte, ein Phantom einer Empfindung, nicht mehr als eine leicht zu ignorierende Randerscheinung.

"Jon, ich kann nicht wieder zu bloßer Freundschaft zurückkehren. Ich will es auch gar nicht."

Meinte Trip wirklich, was er da sagte?

"Ich liebe dich, Jon."

Vier Worte, die alles einschlossen, besser und deutlicher als lange, ausschweifende Erklärungen. Seine emotionale Überreaktion, Trips Bereitschaft, ihm widerspruchslos bis ans Ende des Universums zu folgen, die bisweilen schon empathische Kommunikation zwischen ihnen beiden. _Und ich dich. Trip...ich... Mein Gott, weshalb habe ich es nicht schon viel früher gesehen? All die Jahre...damals in Australien..._ "Trip?"

"Schon seit langem, Jon...bloß konnte ich dem Gefühl keinen Namen zuordnen. Liebe hatte sich sonst immer anders angefühlt. Bei Eleanor und Angie...Jeanette und zuletzt bei Natalie...es war Liebe, da bin ich mir sicher. Nur jetzt...bei dir...da ist soviel mehr, was ich vorher niemals – mit niemand anderem – wahrgenommen habe."

Ihm fiel das Atmen schwer. "Gefällt es dir?"

Was für eine Frage! Wie konnte er nicht Gefallen finden an der beruhigenden Schwere der anderen Hand auf der seinen? Oder an den Fingern, die sanft durch sein Haar fuhren, eine Geste, deren stille Intimität ihn mehr bewegte als endlose Liebesschwüre. Diesem Mann gehörte sein Herz...und nirgendwo war es sicherer aufgehoben. "Es macht mir etwas Angst. Aber...ja, es gefällt mir. Sogar sehr."

Archer lächelte und aus seinen grünen Augen strahlte nichts als Wärme. "Dann ist's ja gut." Damit nahm er Trips Gesicht vorsichtig in beide Hände, darauf achtend, keinen zu großen Druck auf die von der Sonne häßlich geröteten Stellen auszuüben, und verschloß die aufgesprungenen Lippen mit seinem eigenen Mund. Küßte ihn tief und zärtlich, gebend, nicht fordernd, erlebte nun auch mit allen anderen Sinnen, was seine Augen ihm schon oft mitgeteilt hatten. Dieser Blick, der von Zeit zu Zeit in die Augen seines Freundes trat und sich nun dort hielt – er wußte, daß wenn er in einen Spiegel sah, den gleichen Ausdruck auch bei sich finden würde. Liebe. Er war verliebt und das nicht erst seit gestern. Viele Dinge, viele seiner Reaktionen über die Jahre ließen sich jetzt auf einmal erklären. Mit drei Worten. Er liebte ihn. Ihn. Trip Tucker. Durch die Brille des kommandierenden Offiziers sah er manches mit anderen Augen...und manches gar nicht, bis es ihm ins Gesicht sprang. "Alles okay mit dir?" fragte er schließlich, als sie sich trennten, zögerlich, gefangen von diesem Moment.

"Ja...wow..."

"Ganz sicher?"

"Jon, wenn ich's dir doch sage..." Und wenig später dann noch einmal, "Wow..." Er stellte fest, daß es nicht viel Kraft bedurfte, Archer einhändig zu einem weiteren, genießerischen Kuß heranzuziehen und sich zu versichern, daß er nicht halluzinierte. Daß ihn ein Mann aus Fleisch und Blut berührte und keine Luftspiegelung oder ein Produkt seines hitzeverwirrten Geistes. Sein Jon... Küssen konnte er jedenfalls schon mal gut. Der Rest...nun, das würde sich zeigen.

Unglücklicherweise würde Dr. Phlox ihn bestimmt nicht so schnell entlassen, nicht nach nur zwei Tagen.

Behutsam löste sich Archer erst aus dem Kuß und dann der Umarmung, um zu fragen, "Soll ich Phlox fragen, ob die Möglichkeit einer frühzeitigen Entlassung besteht?"

Konnte Jon Gedanken lesen? Würde ihn nicht weiter verwundern, der Mann war immer für eine Überraschung gut. "Liebend gerne..." Hoffnungsvoll setzte er sich auf, grub seine Finger in Archers Schulter und hielt fest.

Archer wartete geduldig. "Trip, ich brauche meinen Arm dafür."

"Oh. Sicher."

Dr. Phlox, der seinen Arbeitsplatz nicht verlassen hatte, sondern still und leise an seinem Computerterminal arbeitete, zeigte sich überraschend einsichtig, als der Captain seinen Wunsch äußerte, gestattete die Entlassung – mit den notwendigen medizinischen Auflagen – und bat um Benachrichtigung, wenn sie planten zu gehen. Er würde ihm dann noch etwas von der Salbe für Trips Sonnenbrand mitgeben. Archer hörte zu, doch nicht eine Minute länger als nötig, sondern kehrte an Trips Bett zurück, kaum daß Phlox seine Instruktionen über die korrekte Heimbehandlung des genesenden Patienten beendet hatte. Sanft zog er ihn seine Arme, ließ ihn lange Zeit nicht wieder los. Zu gut fühlte sich der warme, regelmäßige Atem an seinem Nacken an, selbst das rauhe Reiben von Bartstoppeln an seiner Halsseite war...seltsam vertraut. Weniger erregend als besänftigend.

Und Trip ließ sich halten, die lang ersehnte körperliche Nähe ein wahrgewordener Traum. Er wollte die Tage bis zur Ankunft auf Risa mit Erholung verbringen, Jons Fürsorge genießen (welche dieser ungefragt und zweihundertprozentig geben würde, mit allem was dazugehörte) und acht Jahre Freundschaft zu etwas Neuem formen, Schritt für Schritt. Obwohl er furchtbar müde war und jeder Zentimeter Haut höllisch juckte, zweifellos ein Nebeneffekt von Dr. Phloxs selbstangerührter Creme, zwang er seine Augen auf, wollte Jon noch etwas länger ansehen. Nur ansehen. Diese tiefgründigen grünen Augen, das Lächeln, das ihm das Gefühl gab, im Zentrum von Jonathan Archers Universum zu stehen, in dem außer ihm nichts von Bedeutung war. Nichts. "Alles, woran ich denken kann, ist wie du mich gehalten hast, als ich nicht mehr wußte, wo oben und unten war, was real war...und was Einbildung. Alles fiel um uns herum zusammen...und du warst da. Hast nicht zugelassen, daß ich auch nur eine Schramme abbekomme. Du", wiederholte er, "meine Stärke. Das ist es, was ich heute nacht brauche, Jon", flüsterte Trip mit belegter Stimme. "Ich kann es ertragen, allein zu sein...aber nicht einsam. Nicht mehr. Du machst den Unterschied aus, Jonathan Archer..."

Der Klang seines Namens aus Trips Mund, die Art wie er ihn sagte, heiser, so leise, daß er die Worte mehr erahnte als hörte, sandte einen Schauer der Erregung seinen Rücken hinunter, jede Silbe wie eine physische Berührung, ein sanftes Streicheln auf seiner Haut. Er konnte kaum atmen, dachte nicht einmal daran, sondern versank lieber im Blau von Trips Augen. Ertrank in ihnen. Diese Augen waren der exakte Gegensatz zu der gnadenlosen Wüste, die fast ihr Untergang geworden wäre. _Du hältst mich hier...du machst für mich genauso einen Unterschied aus wie ich für dich...seit so vielen Jahren...die andere Hälfte meines Ichs. Und ich weiß es jetzt. Endlich, und es ist noch nicht zu spät._

"Das läßt sich arrangieren", versprach ihm Archer und nie hatte er etwas ernster gemeint. Das Lächeln, das er Trip schenkte, wurde müde und zögerlich erwidert, und obwohl der blonde Mann um einiges von seinem gewöhnlich guten Aussehen entfernt war, so war er für Archer immer noch perfekt. Mehr als das. Ihre Gefühle füreinander schwammen jetzt gefährlich nahe an der Oberfläche und sie konnten sie nicht länger beiseite schieben, einfach vertagen. Klarheit mußte geschaffen werden, bevor sie den nächsten Schritt machten. Doch nicht hier, nicht in der Krankenstation. "Ich sag' dem Doktor, daß wir auschecken wollen."

"Danke. Hat er gar keine Einwände gehabt?"

"Er sagte, ich könnte dich mitnehmen, wenn du wolltest. Es besteht keine Notwendigkeit mehr, dich noch länger in der Krankenstation zu behalten." Auf die Gardinenpredigt, die ihm der denobulanische Arzt bezüglich seiner Fehlbehandlung von Trips Zustand gehalten hatte, wollte er besser nicht eingehen. Seine Schuldgefühle waren bereits groß genug; das Geständnis konnte warten. Für den Augenblick zog er es vor, Trip in dem Glauben zu lassen, daß sein Captain immer gewußt hatte, was er tat.

"Ich bin so froh, daß du am Leben bist, Trip Tucker..." _Dich um mich zu haben, bedeutet für mich, vollständig zu sein._ Eh er sich versah, befand sich sein Ohrläppchen zwischen Trips Zähnen. "Au! Wofür war *das* denn, bitte?" beklagte er sich, ohne jedoch Trip loszulassen.

Die Zähne wurden durch eine streichelnde Zunge ersetzt, die über die gerötete Stelle leckte, die Haut liebkoste, wie er es plante, später mit dem Rest dieses Mannes zu tun. "Dafür, daß du dieses Thema einfach nicht ruhen lassen kannst. Schwamm drüber, Jon, ein für allemal!"

"Ich habe nun mal ein ausgeprägtes Gewissen..."

"Ich weiß da eine ganz einfache Methode, dein Gewissen in Zukunft zu schonen." Jon war verständlicherweise besorgt über die Auswirkungen, die diese Veränderung ihrer Beziehung auf ihr Arbeitsleben haben würde – er mußte sich Sorgen machen, das war Teil seines Jobs als Captain – aber Trip würde ihn schon davon abhalten, sich zu sehr den Kopf zu zerbrechen. Sie würden es meistern. Hatten sie bisher doch immer getan. Warum sollte Liebe anstelle von guter Freundschaft – und sie hatten *beides* – so einen großen Unterschied darstellen? "Ganz simpel: Nie. Wieder. Wüste. Für unseren nächsten romantischen Ausflug wähle ich das Ziel, ja? Ein bißchen mehr Cairns und ein bißchen weniger Outback."

"Versprochen. Keine Wüste." In dem Fall, überlegte sich Archer, würde er eine Änderung des Filmprogramms für nächsten Freitag erwirken und doch besser *Dr. Schiwago* zeigen lassen anstatt *Lawrence von Arabien*. Er bekräftigte das Versprechen mit einem forschen Kuß, wollte ihn gar nicht beenden, als Trips Lippen sich für ihn öffneten, seiner Zunge Einlaß gewährten. Eigentlich könnte er noch Stunden so weitermachen, Trip Tucker im Arm halten und ihm jeden Kuß geben, den er brauchte, um sich schnell wieder zu erholen.

"Oder irgend etwas, das mit Sand zu tun hat. Sandkuchen. Sandpapier. Sanduhren. Sandfliegen oder –flöhe. Sandfarbene Kleidung. Sandstrände. Um...Jon, du weißt nicht zufällig, wo meine Sachen liegen?"

Das Offensichtlichste hätten sie beinahe vergessen. "Wenn du dich noch zehn Minuten gedulden kannst, hole ich dir was zum Anziehen aus meinem Kleiderschrank", bot Archer an. Gut motiviert wie er war, schaffte er es sogar in weitaus weniger als zehn, half Trip von der Liege auf und in die Kleidung. Stützte ihn, als er ihn nach Phloxs letzter Medikamentengabe in kleinen, vorsichtigen Schritten aus der Krankenstation geleitete.

Zusammen meisterten sie auch die Distanz bis zu Archers Quartier, bevor die Schmerzmittel anschlugen und Trip erneut einschlief, in Jons Armen und den Kopf auf seiner Schulter, ihre Körper so dicht aneinandergedrängt, daß die Berührung ihm eigentlich wehtun sollte...aber er spürte nichts dergleichen. In diesem Fall brachte Berührung nichts als Linderung eines viel tieferen Schmerzes und in seinem traumlosen Schlaf spürte er nicht die Hand, die während der Nacht sein Haar streichelte, spürte nicht die auf ihm ruhenden Augen. Sie würden das erste sein, was er sah, wenn er aufwachte. Morgen würde alles besser sein. Anders...klarer definiert.

Wie Worte in der Wüste.

- FINIS -

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