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Neues zu Altem

von Die Katze mit Krawatte

Eine Änderung des sensorischen Inputmusters

Es war viel passiert zwischen seinem ersten Schritt vom Transporter der USS Enterprise im Jahr 2363 bis hin zu deren Zerstörung nur acht kurze Jahre später. Kurz schienen sie Geordi La Forge nur im Nachhinein, als ihm bewusst wurde, dass dieser Lebensabschnitt vielleicht für immer enden würde. Der Abschnitt, der den Großteil seines Lebens auszufüllen schien. Wenn er es so recht bedachte, konnte er sich kaum an sein Leben vor seiner Versetzung auf die Enterprise erinnern.
Er und die meisten anderen Mitglieder der Besatzung waren auf die Erde zurückgekehrt, um in wenigen Monaten die neuen Befehle der Sternenflotte entgegenzunehmen- und die Versetzungen. Geordi selbst lebte nun bereits seit einem Monat in einem Haus, das er einst günstig erstanden hatte, nicht weit von San Francisco entfernt. In der Nähe eines Weinbergs und eines Wäldchens stand das modern aussehende Haus mit Terrasse ein Stück abgeschieden und genau passend für den dann und wann faulen Schiffsingenieur. Doch nach vier Wochen schien ihm selbst dieser Urlaub zu lang- denn er hatte überhaupt nichts zu tun. Sein einziger Lichtblick war ein Besuch, der ihm zu Anfang der unfreiwilligen Freizeit angekündigt worden war, und den er sehnsüchtiger erwartete, als er es für möglich gehalten hatte.

Nichts zu tun. Den ganzen verdammten Tag nichts zu tun. Er hatte ausgeschlafen. Er hatte um halb zwölf gefrühstückt. Eine ältere Abhandlung von Dr. Brahms gelesen. Und nun stand er seit einer geschlagenen Viertelstunde vor dem Fenster, das auf die kleine Straße hinaus zeigte, und starrte auf die Idylle, die sich ihm bot. Doch es war nicht die friedliche Natur, auf die Geordi aus war. Es war die Veränderung, die er erhoffte. Und die tatsächlich irgendwann eintrat: Eine Gestalt mit weißer Haut, braunem, samtig anliegendem Haar und goldfarbenen Augen trug einen nicht allzu großen Koffer die einsame Landstraße entlang.
Erleichtert atmete der blinde Mann durch, als er Datas typische thermale Muster erkannte. Und er musste sich sehr zusammen reißen, um seinem Freund nicht entgegen zu laufen. Stattdessen verweilte sein Blick noch eine kleine Weile auf der Kleidung, die der Android trug –ein Pullover und eine braune, unauffällige Hose zu ebensolchen Schuhen-, dann trat er vom Fenster weg und begutachtete das freundlich eingerichtete Wohnzimmer, die Treppe gegenüber der Eingangs und die Küche zu seiner Rechten.
In der Zwischenzeit war Data angekommen und klopfte sachte an die Tür- natürlich hatte er Geordi bereits am Fenster stehen sehen.
„Data“, meinte Geordi fröhlich, als er dem Androiden Einlass gewährte und ihm freundlich seine Hand zum Gruß reichte.
„Geordi, ich bin erfreut, Sie zu sehen.“
Über das Gesicht des ehemals nicht empfindungsfähigen Androiden huschte ein Lächeln und er fixierte Geordi mit seinem wachen Blick.
Sein Freund hatte sich in den letzten Wochen kaum verändert, doch Data bemerkte einige Bartstoppeln auf seinen Wangen und seinem Kinn, die ihm ausgezeichnet standen. Er war natürlich ein wenig gealtert, doch nur so viel, dass es gerade einmal der Android mit den scharfen Augen bemerken konnte. Nichtsdestotrotz sah er ausgeruht aus, und das gefiel Data.
„Kommen Sie doch herein“, bat Geordi nach einer winzigen, unangenehmen Pause, in der die beiden geschwiegen und ihre Hände nicht voneinander gelöst hatten.
„Wie ich feststelle, haben Sie die Transplantation der Augenimplantate noch nicht vornehmen lassen“, sagte Data während er eintrat und den Raum in Augenschein nahm. „Weswegen Sie folglich noch Ihren Visor tragen.“
„Sehr richtig, Data. Der Eingriff findet übernächsten Monat statt.“
Abermals traf ihn ein Datas Lächeln. Ihm schoss der Gedanke durch den Kopf, dass er sich womöglich nie daran gewöhnen würde, dass ehemalige Anhäufung von Schaltkreisen plötzlich Emotionen hatte- und diese auch zum Ausdruck brachte. Es war ein ebenso ungewohnter, wie auch schöner Umstand, der Geordis Herz unwillentlich schneller schlagen ließ.
Er räusperte sich.
„Sind Sie erkältet, Geordi?“, fragte der überaufmerksame Data sofort interessiert nach.
Das brachte den anderen völlig aus dem Konzept. Er hatte eben eine Rundführung anbieten wollen, doch jetzt war er durch den plötzlichen Themenwechsel aus der Bahn geworfen worden.
„Äh- nein“, gab er etwas verwirrt zur Antwort, was Data nur mit einem leichten Nicken quittierte, um seinen Koffer abzustellen und dann das Wohnzimmer zu durchwandern.
Geordi beobachtete das und wunderte sich über sich selbst. Weshalb nur war er heute so nervös? Das war er doch sonst auch nicht, wenn er irgendetwas mit seinem besten Freund unternahm.
Zwischenzeitlich hatte Data sich umgewandt.
„Dieses Haus entspricht Ihrem Charakter, Geordi. Ich finde es schön.“
„Danke, Data.“
Und wieder diese seltsame Stille, an die beide überhaupt nicht gewöhnt waren.

Data hatte durchaus zur Kenntnis genommen, dass Geordi heute nicht so ganz bei der Sache war. Doch das schob er auf die Tatsache, dass sich ein Aspekt aus Geordis gewohnter Umgebung nun in einer ungewohnten befand. Data hatte die Beobachtung gemacht, dass manche Menschen sich fernab ihrer Wohlfühlzone immer etwas verunsichert benahmen.
Wieder räusperte sich der dunkelhäutige Mann, und der Android fragte sich, ob sein Freund sich nicht doch etwas eingefangen hatte.
„Vielleicht würde es Ihnen helfen, etwas zu trinken, merkte er fürsorglich an.
„Ihre mit Abstand beste Idee heute“, erwiderte Geordi und machte sich schnellen Schrittes auf den Weg in die Küche.
In diesem Teil des Hauses brachen die meisten warmen Sonnenstrahlen durch die Fenster und tauchten den hell eingerichteten Raum in eine freundliche Atmosphäre. So durchgehend helle Farben waren eigentlich nicht typisch für Geordi, doch dies war ein Ferienhaus. Und in den Ferien nahm man sich auch immer Ferien von sich selbst.
Der bleiche Android folgte ihm und nahm auf einem cremefarbenen Holzstuhl Platz, der an einem Frühstückstisch stand, während Geordi an der Küchenzeile hantierte, um sich einen Kaffee zu machen.
„Computer“, sagte er laut. „Nährflüssigkeit Nummer acht.“
Er öffnete eins der Wandschränkchen- und dahinter kam ein kleiner Replikator mit einem Glass voll gelber Flüssigkeit zum Vorschein, die der Ingenieur lächelnd vor seinen Freund auf den Tisch stellte.
„Ich hatte viel Zeit“, gab er auf den überraschten Blick Datas zur Erklärung. Dann fuhr er fort, seinen Kaffee zu kochen.
„Aber wie ich gehört habe, waren Sie auch nicht darauf aus, auf der faulen Haut liegen zu bleiben“, bemühte sich Geordi um die Fortsetzung der Konversation.
Data betrachtete den Rücken, das Hantieren seiner feingliedrigen Hände, die ihrer Zartheit zum Trotz immer mit Bestimmtheit zu wissen schienen, was zu tun war. Ob es sich nun um den Warpantrieb eines Schiffes, oder auch um das Brühen eines Heißgetränkes handelte.
„Ich habe siebzehn verschiedene Kolonien der Föderation aufgesucht, meine Studien der Ferengi-Sprache komplettiert, vierunddreißig verschiedene Gemälde zum Thema Gefühle fertig gestellt und vor wenigen Tagen eine Lesung an der Cambridge University über höhere Mathematik gehalten. Zusätzlich habe ich mich an Tätigkeiten versucht, die Menschen als entspannend und wohltuend beschreiben.“
„Und?“
„Dank meines Emotionschips war es mir möglich, gewisse Sorten der Freude zu erfahren. Doch ich ziehe die Arbeit dem Vergnügen vor.“
„Ich weiß genau, was Sie meinen.“ Inzwischen setzte sich Geordi an den quadratischen Tisch. „Nachdem wir so viel Zeit auf der Enterprise verbracht haben, wo ständig etwas zu tun war, ist es seltsam, nicht zu wissen, was man machen kann.“
„Ich weiß durchaus, womit ich meine freie Zeit verbringen könnte“, widersprach Data. „Mir wäre es nur lieber, Missionen auszuführen.“
Anschließend war das Lauteste im Raum das Schweigen.
„Geordi?“
„Ja, Data?“
„Ihre Gesellschaft hat mir in den vergangenen Wochen sehr gefehlt. Und das wird sie auch, sollten wir nicht wieder auf dasselbe Schiff versetzt werden. Die Chance dafür steht bei eins Komma drei Prozent. Es sei denn, Captain Picard fordert uns ausdrücklich an.“
Data sah Geordi an und spürte so etwas wie ein Vermissen, oder auch Sehnsucht. Seine Fantasie reichte weit genug, um sich ein Leben ohne Geordi vorstellen zu können. Doch die Tatsache war, dass er es nicht wollte. Er war oft mehr als nur ein Freund. Die Verbindung, die zwischen ihnen bestand, beinhaltete mehr als simple Sympathie und Hilfsbereitschaft. Und seit einiger Zeit überdachte und analysierte der Android diese Verbindung unter Berücksichtigung seiner Gefühle. Das Ergebnis war ebenso… furchteinflößend wie offensichtlich. Und es wurde umso klarer, je länger er in Geordis Nähe saß. Der nächste logische Schritt wäre es, ihm das zu mitzuteilen.
„Ich denke, wir können auf den Captain vertrauen, Data.“
Aus einem Impuls heraus berührten Datas Fingerspitzen Geordis die Tasse umfassende Hand und schufen damit einen winzigen, bedeutsamen Kontakt aus schwarz und weiß. Er ließ seinen Blick nicht eine Sekunde vom Gesicht des Schiffsingenieurs, um jegliche Reaktion sofort zu sehen und zu interpretieren. Und vorerst- war das gar keine.
Geordis Mund öffnete sich in Verwunderung ein Stück weit, aber er zog seine Hand nicht weg. Er starrte Data nur an. Und je länger die Verbindung zwischen dem Menschen und der empfindungsfähigen Maschine bestand, desto verwirrter schien der Mensch zu werden.

Seine Gedanken schossen hin und her. Er versuchte… versuchte zu verstehen, was diese unvermittelte Geste zu bedeuten haben könnte. Aber er wusste es nicht. Alles, worum er wusste, war sein lächerlich beschleunigter Herzschlag.
„Data… hat… es irgendeine Bedeutung, dass Sie so plötzlich nach meiner Hand greifen? Sonst suchen Sie doch auch keinen physischen Kontakt…?“
Der Blick aus den goldenen Augen war fast schon erschreckend klar und irritierte Geordi noch mehr als an sich schon.
„Das hat es“, bekam er die eindeutige Bestätigung.
„Und… die wäre?“
„Ich drücke damit meine tiefe Wertschätzung für Sie aus, Geordi.“
In Ordnung. Das war eine vollkommen normale, gewöhnliche Data-Erklärung. Nichts Besonderes. Keine große Sache. Genau. Allerdings wollte der Blick überhaupt nicht dazu passen. Ebenso wie Datas Finger.
Langsam aber sicher wurde es Geordi warm.
„Ich schätze Sie ebenfalls.“ Er zog seine Hand weg, fort von Datas künstlicher Haut. Und wieder ein Räuspern. „Ich denke, ich könnte Ihnen jetzt Ihr Schlafzimmer zeigen.“
Data lächelte.

Ihn einfach an die Sache heran zu führen, beurteilte der Android als das Beste. Dessen ungeachtet war er aber doch ein wenig enttäuscht, dass er Geordis Mimik und Gestik keine hoffnungsspendende Botschaft hatte entnehmen können.
War es vielleicht doch falsch, Geordi über seine Gefühle in Kenntnis zu setzen?

Es war allgemein bekannt, dass Androiden nicht schlafen mussten. Doch als sein bester Freund wusste Geordi, dass Data es trotzdem gerne tat, um sein Traumprogramm zu ergründen und eventuell auf Hinweise von Dr. Noonien Soong zu stoßen, seinem Erschaffer- und -wie er ihn nannte-: „Vater“.
Die Einrichtung des Schlafzimmers war hauptsächlich zweckmäßig. Ein Doppelbett mit Steppdecke, eine Kommode, zwei Nachttischchen, die Tür zum Bad und natürlich ein großes, breites Fenster von dem aus man einen perfekten Blick auf die Weinstöcke nicht weit entfernt von Haus hatte. Dazu noch eine Landschaftsmalerei und eine Topfpflanze neben der Eingangstür.
„Gefällt es Ihnen?“, wollte Geordi wissen, als der andere seinen Koffer abstellte und sich umsah.
„Es entspricht in Architektur und Einrichtung dem Stil der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts“, kommentierte Data.
Das zauberte ein Lächeln auf das dunkle Gesicht. Und obwohl der Visor ein Stück davon verdeckte, sah man es genauso, als wäre er überhaupt nicht da.
„Ich fragte nicht nach dem Stil, Data“, sagte er. „Ich fragte, ob es Ihnen gefällt.“
„Aber das weiß ich doch, Geordi“, erwiderte der überkorrekte Data. Er baute eine kleine Pause ein. „Und ja, das tut es.“
Geordi lachte, während der andere den Raum gründlich inspizierte und alles einmal in Augenschein nahm. Nach etwa einer Minute lief der blasse Mann links an Geordi vorbei, um ein Blatt der Topfpflanze zwischen die Finger zu nehmen. Wieder spürte er die Gegenwart des anderen überdeutlich. Dann ging Data an Geordis Rücken entlang, und der misstrauisch gewordene Mann glaubte zu spüren, wie ihn etwas im Nacken streifte. Doch als er sich umdrehte, war es vorbei, und der Android begutachtete die Kommode, als wäre nichts passiert. Und doch… er war sich sicher, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging.
„Äh… Data?“
Innerhalb eines Wimpernschlages stand Data so nah vor Geordi, dass dieser etwas erschrocken zurückweichen musste.
„Ja, Geordi?“
Scheinheiligkeit gehörte eigentlich nicht zu Datas Programm.
„Haben Sie eben…?“
„Ihren Nacken berührt?“
„…ja.“
„Ja.“
„Ja?“
„Ja.“
„Jaah… aber warum, Data?“
„Weil mir danach war.“
Geordi sah ihn unverwandt an.
Bei aller Freundschaft, aber eine solche Antwort hatte er noch nie von ihm bekommen!
„Was ist nur los mit Ihnen?“, fragte er deshalb leicht gereizt.
Die Zärtlichkeit in den Augen des Androiden setzte den armen, verwirrten Geordi nur noch mehr unter Druck. Und dass er aus dem Nichts abermals Fingerspitzen auf seiner Wange fühlte, machte das Ganze nicht besser.
„D-Data?“
„Ja, Geordi?“
„Was machen Sie da?“
„Ich liebkose Ihr Gesicht. Ist das nicht offensichtlich?“
Verwunderung auf den schneeweißen Gesichtszügen.
„D-doch, aber-“
Ihm wurde von Datas Lippen das Wort abgeschnitten. Denn die legten sich mit sanftem Nachdruck auf die seinen.
Im ersten Moment war da Panik und nichts anderes als die Frage, was das sollte. Er verstand nicht, warum Data das tat. Und er verstand nicht, weshalb es ihm nicht nicht gefiel. Und weshalb… weshalb… weshalb…
Langsam aber sicher lösten sich seine Gedanken auf, einer nach dem anderen, und er schlang seine Arme um den Hals des Androiden.
Eine blanke Ironie. Obwohl Geordi schon sein gesamtes Leben mit Gefühlen hatte auskommen müssen, kannte er sie weniger gut als ein Android, der erst seit ein paar Wochen mit ihnen umging. Und genau dieser Android hatte in ihm Empfindungen geweckt, von denen er überhaupt nicht gewusst hatte, dass sie in ihm lebten.
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