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Zuhause

von CAMIR

Zuhause

Persönliches Logbuch des Captains; Sternzeit 43089


Vor einer halben Stunde habe ich die Benachrichtigung erhalten, dass die Leitende Medizinische Offizierin ein Gespräch mit mir führen möchte. Dieser Antrag überrascht mich, da wir uns zurzeit auf einer Routinemission befinden und mir auch keinerlei Probleme mit der Crew bekannt sind. Ich frage mich, worüber sie mit mir reden möchte.

 

Die Türen der Krankenstation schlossen sich zischend hinter Captain Jean-Luc Picard, als er sie betrat. Das Treffen mit der Chefärztin sollte in fünf Minuten stattfinden, aber er war lieber ein wenig pünktlicher.

Hinter den Glasscheiben ihres Büros sah er sie noch einige bürokratische Dinge erledigen, doch als sie ihn erblickte, winkte sie ihn zu sich heran. Er nickte knapp und betrat das Büro.

„Captain!"
„Doktor!"

„Sie haben sich sicher gefragt, warum ich Sie herbestellt habe?"

„Der Gedanke ist mir gekommen, ja."

Ein Hauch von Amüsement huschte über ihr Gesicht.

„Ich habe vor, einen anderen Posten anzunehmen. An der nächsten Sternenbasis werde ich das Schiff verlassen, wollte das aber mit Ihnen besprechen, bevor ich es der Crew mitteile."

Ein wenig unerwartet kam ihre Aussage schon für ihn und er rang nach den richtigen Worten.
„Aber Doktor Pulaski, Sie sind doch erst ein knappes Jahr bei uns an Bord. Ich hätte nicht gedacht, dass Sie uns so schnell wieder verlassen möchten."

Sie seufzte.

„Ich hätte es auch nicht gedacht, aber mir wurde ein Angebot gemacht, das ich nicht abschlagen konnte. Und das, nachdem ich mich gerade eingewöhnt hatte und sogar mit Ihnen zurechtkam."
„Der Zeitpunkt könnte nicht ungünstiger sein," gab ihr Picard recht. „Welcher Natur ist denn das Angebot, dass Sie eben erwähnten?"

„Es handelt sich um ein Forschungsprojekt für fortgeschrittene Herzchirurgie und es wäre eine Lüge wenn ich sagen würde, dass Sie daran keinen Anteil hätten."
Picard zuckte zusammen. Er konnte sich noch zu gut daran erinnern, dass es ihre Expertise war, die ihm das Leben gerettet hatte. Vermutlich wäre es egoistisch, dies anderen Patienten vorzuenthalten, zumal Pulaski über wertvolle Fähigkeiten verfügte.

„Es geht zum einen um eine Verbesserung der Operationsmethoden, zum anderen soll auch versucht werden, die momentan erhältlichen Kunstherzen zu verbessern, damit sie noch seltener gewartet werden müssen, als es bereits jetzt der Fall ist. Meiner Einschätzung nach ist da noch Luft nach oben."

„Sie haben sich eingehend mit der Thematik befasst?"

„Wie gesagt, Sie sind nicht ganz unschuldig daran."

Er nickte knapp und gab ihr dann die Hand.
„Doktor, ich denke Sie werden dort gute Dienste leisten. Ich bedaure zwar, dass Sie uns verlassen, freue mich aber, wenn Sie dadurch Ihre wahre Bestimmung finden können."

So wie eine andere Ärztin bei Starfleet Medical.

Er dachte einen kurzen Moment nach, ob er das Thema ansprechen sollte, immerhin wusste er nicht, ob Pulaski ihre Vorgängerin so gut kannte, wie er.

„Haben Sie irgendwelche Vorschläge bezüglich Ihrer Nachfolge, die ich berücksichtigen sollte?"

Sie zwinkerte.

„Captain, das wissen Sie genauso gut, wie ich."

 

Zurück in seinem Quartier kam Picard nicht umhin, das Gespräch mit Katherine Pulaski noch einmal in Gedanken durchzuspielen. Er hatte noch einige Zeit bis Schichtbeginn und auch wenn er diesen Sachverhalt natürlich mit den anderen Führungskräften durchsprechen musste und würde, schadete es nicht, selbst ein wenig darüber nachzudenken. Wusste er es wirklich?
Der Abschied von Beverly vor einem Jahr war unschön gewesen. Dieser Fakt war aber weitestgehend unbekannt. Lediglich Counselor Troi hatte diesbezüglich einige Beobachtungen gemacht, ließ das Thema aber bald fallen. War es deswegen ratsam, Beverly Crusher zu fragen, ob sie auf sein Schiff zurückkehren wollte? Wollte sie überhaupt gefragt werden?

Ihre Abreise war abrupt und untypisch für sie gewesen. Und hatte in einem handfesten Streit mit ihm geendet.

Es war ihm unvorstellbar gewesen, wieso sie nach einem Jahr so guter Zusammenarbeit auf professioneller und persönlicher Ebene einfach wegwollte. Und als dann auch noch bekannt wurde, dass sie ihren Sohn Wesley - auf dessen ausdrücklichen Wunsch - bei ihm an Bord zurücklassen wollte, war der Konflikt eskaliert.

Er war persönlich geworden, etwas das selten vorkam, aber ihr Wunsch wegzugehen, hatte tief in seinem Inneren etwas berührt, etwas von dem er geglaubt hatte, es sei längst Vergangenheit. Er erinnerte sich nur daran, sie als schlechte Mutter bezichtigt zu haben und dass er sie anschrie. Er hatte die Kontrolle über sich verloren, wie ihm spätestens bewusst wurde, als er ihr „Dann geh doch! Geh! Runter von meinem Schiff!" entgegenschleuderte. Da hatte sie sein Quartier einfach verlassen. Sie hatte auch ausgeteilt, keine Frage, aber in dem Moment, indem sie sich wortlos umdrehte und ging, wusste er, dass er verloren hatte. Persönlich und professionell. Niemals war er das Gefühl losgeworden, dass sie wegen ihm gegangen war. Gab ihm Pulaskis Fortgehen nun die Möglichkeit, vergangene Fehler zu begradigen? Gerade im Falle Beverlys gab es zu viele davon und wenn es ihm gelänge, zumindest sein schlechtes Verhalten wiedergutzumachen, war dies etwas, das unbedingt geschehen musste.

 

Er hatte viele Entschuldigungen geschrieben und niemals eine Antwort erhalten, weil ihre momentane Mission scheinbar in einem Gebiet lag, das kommunikativ nicht besonders gut zu erreichen war. Die einzige Rückmeldung, die er regelmäßig bekommen hatte, war eine Sendebestätigung mit der Beteuerung, dass ihr die Nachricht ordnungsgemäß zugestellt werden würde bei ihrer Rückkehr, wann immer die auch sein würde. Das durfte ihn aber nicht daran hindern, es wieder und wieder zu versuchen, sowohl schriftlich, als auch in Videoaufzeichnungen. Unabhängig davon, was sie wollte, wusste er, dass er sich nichts sehnlicher wünschte, als wenn sie auf die Enterprise zurückkehrte.

So setzte er sich hin und setzte ein Kommuniqué auf. Absenden konnte er es erst, wenn er mit seinen Offizieren gesprochen hatte und diese Beverlys mögliche Rückkehr absegneten, aber auf diese Art konnte er schon einmal seine Gedanken sortieren, der Rest ergäbe sich dann schon von alleine...

 

Persönliches Logbuch des Captains; Sternzeit 43099


Inzwischen ist eine Woche vergangen, seitdem Dr. Pulaski ihr Fortgehen angekündigt hat. Auch wenn alle damit einverstanden sind, dass Beverly zurückkommt, habe ich bisher nichts von ihr gehört. In anbetracht der Umstände ist das wohl nicht weiter verwunderlich, dennoch muss relativ rasch eine Entscheidung fallen, damit der Ärztewechsel relativ reibungslos über die Bühne gehen kann. Sollte ich bis in einer Woche nichts von Beverly hören muss ich wohl...

„Riker an Picard!"

„Picard hier!"

„Eine Nachricht für Sie, es ist Dr. Crusher."

„Stellen Sie sie mir in mein Quartier durch."

Erleichterung machte sich in Picard breit, als er die Worte seines Ersten Offiziers hörte. Vielleicht bekam er jetzt die Klarheit, die er sich schon so lange wünschte. Er räusperte sich, zog seine Uniform gerade und setzte sich dann an sein persönliches Terminal, um die Nachricht entgegenzunehmen.

Das Starfleetlogo wurde durch das Gesicht seiner ehemaligen Chefärztin ersetzt, die überraschend abgespannt war. Nach all der Zeit der fehlenden Rückmeldungen, wusste er nicht so recht, was er sagen sollte, wertete es aber als gutes Zeichen, dass sie sich überhaupt endlich bei ihm meldete.

Einen kurzen Moment schwiegen sie sich an, unsicher, wer das Gespräch beginnen sollte.
„Jean-Luc..."

„Beverly..."

„Ich habe deine Nachrichten erhalten. Es tut mir leid, dass ich erst jetzt darauf antworten kann."
„Das ist schon in Ordnung."

„Und ich habe deinen Antrag gesehen. Du willst mich also wieder zurückhaben?"

„Wenn du wieder zurückkommen willst, auf jeden Fall. Du kennst die Crew, du hast hier gewohnte Gesichter und du bist die beste Ärztin, die ich kenne."

Sie lächelte.

„Ist das alles?"

Er schwieg für einen Moment. Schon wieder war es ihr gelungen, ihn komplett zu entwaffnen.

„Nein", entgegnete er daraufhin langsam. „Ich habe einen Fehler gemacht und es tut mir leid, dass ich so ungerecht zu dir war. Ich würde mich ganz besonders freuen, dich wieder als Mitglied meiner Crew willkommen zu heißen."

Erneut lächelte sie.
„Ich weiß."

Dann wurde sie ernst.

„Jean-Luc, hör zu, es tut mir auch von Herzen leid, dass ich keine deiner vielen Nachrichten beantwortet habe, aber die Kommunikation auf Gervi IX war ziemlich eingeschränkt und private Kommuniqués wurden immer zurückgestellt. Aber ich habe sie alle erhalten, jedes einzelne von ihnen, als ich vor einigen Tagen zurückkam. Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich darüber war."

„Wirklich?"

„Ja, wirklich. Es zeugt immer von Größe, seine Fehler einzugestehen und sich dafür angemessen zu entschuldigen. Du hast mir bewiesen, dass es dir ernst war und das respektiere ich. Auch ich kann mich nur für das entschuldigen, was ich dir an den Kopf warf, dass ich einfach so ging."

„Vergeben und vergessen?"

„Vergeben und vergessen."

„Heißt das, du nimmst an?"

„Ich denke, das kann man so sagen. Es tut gut, wieder nach Hause zu kommen, auch wenn das Jahr eine willkommene Abwechslung war."

Nun lächelte auch er.

„Dann darf ich wohl der erste sein, der dich willkommen zurück heißt."

„Es sieht ganz danach aus."

Sie verabschiedeten sich und der Bildschirm wurde wieder schwarz. Zufrieden lehnte Picard sich in seinem Stuhl zurück. Er fühlte sich auf einmal wieder leicht und beschwingt. Es tat so gut zu wissen, dass er den unseligen Streit endlich hinter sich lassen konnte. Nun musste er nur noch ein angemessenes Willkommensgeschenk für Beverly auftreiben.

 

Nervös blickte Jean-Luc den lila-blauen Ball im Blumentopf an. Der ferengische Händler hatte ihm Stein und Bein geschworen, dass dies wirklich eine Purpureo-virens herba ridens war, allerdings war er sich nicht ganz so sicher. Bei den Ferengi wusste man das nie so genau, was sie wieder anstellten, um ehrliche Leute übers Ohr zu hauen.
Er hatte lange überlegt, was das richtige Geschenk für Beverly sein könnte und schließlich fiel ihm ein, dass sie eine Leidenschaft für seltene Pflanzen hegte. Damit konnte er ihr zum einen eine richtige Freude machen, zum anderen hatte sie dann bereits etwas Persönliches zum Einstand in ihr neues Quartier. So gesehen war es doch von Nutzen, dass die Enterprise momentan an Starbase 83 andockte, um den Wechsel des leitenden Medizinischen Offiziers vorzunehmen, sowie der Crew ein wenig Landurlaub zu verschaffen.

Ein wenig stolz war er schon, dass er es geschafft hatte, die Pflanze bisher am Leben zu erhalten, nachdem er einige Anstrengungen unternehmen musste, sie überhaupt zu bekommen. Immerhin, war es auf einer Starbase manchmal leichter, versteckte Geschäfte auszumachen, als in den Weiten des Alls, waren diese doch allgemein Umschlagplätze für alle Arten von Charakteren.

Und heute würde sie den Besitzer wechseln. Er ertappte sich dabei, immer wieder auf den Chronometer zu sehen, wann Beverlys Shuttle endlich eintraf, nicht dass dem empfindlichen Gewächs noch etwas zustieß.

 

Die ganzen Senioroffiziere waren in der Luftschleuse anwesend um ihr neues altes Crewmitglied willkommen zu heißen.

Dr. Pulaski stand mit mit gepackten Koffern da und war sicher nicht undankbar, dass sie die Enterprise zu Fuß verlassen konnte und nicht mittels des Transporters. Als sich schließlich die Türen zischend öffneten machte, machte Picards Herz einen Sprung. Sie war es, sie war es wirklich!

Die Pflanze hinter seinem Rücken versteckt, blieb er förmlich stehen, bis sie sich der Gruppe genähert hatte und von allen herzlich empfangen wurde. Selbst die sonst so spröde Pulaski gab ihr die Hand und Picard glaubte für einen Moment, dass sie der jüngeren Ärztin zuzwinkerte.

Endlich war der Moment gekommen, dass Beverly sich auch ihm zuwandte. Er konnte sein Lächeln nicht länger zurückhalten und als sie ihm die Hand geben wollte, zauberte er die Purpureo-virens herba ridens hervor.

„Willkommen zurück, Doktor."

Sie ließ ihre Koffer fallen und hob sich die Hände vor Freude an den Mund.

„Danke dir Jean-Luc für das wundervolle Geschenk", brachte sie schließlich hervor.

„Nichts zu danken, ich hoffe sie erleichtert dir das Einleben hier an Bord."

„Das wird sie, das darfst du mir glauben."

Behutsam nahm sie das Gewächs entgegen und betrachtete es mit Hochachtung.
„Ich weiß ja nicht, wie du es geschafft hast, sie zu bekommen, aber sie ist wundervoll."

„Gern geschehen."

Als sie ihn vorsichtig in den Arm nahm, die Pflanze in der anderen Hand, wusste er, dass sie nun zuhause war. Und er auch.

 

FIN

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