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A Decade of Storm: Kapitel 4 - All der Zorn der Götter

von Markus Brunner

Kapitel 2

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Der Ort, an dem sich Captain Richard Robau aufhielt, erinnerte auch an eine Loge, aus der er ein beachtliches Schauspiel miterleben konnte. Der Captain der Kelvin stand dicht an der durchsichtigen Wand des Hangar-Kontrollraums seines Schiffes. Der riesige Hangar glich normalerweise einem dunklen, düsteren Gewölbe, doch heute war er hell erleuchtet. Auf Robau wirkte es so, als ob der Hangar dadurch noch größer erschien, als er ohnehin schon war.
Grund für die stärkere Ausleuchtung des Hangars waren besondere Sicherheitsaspekte. Abgesehen von den dreizehn Shuttles, die die Kelvin derzeit standardmäßig mit sich führte, befanden sich in einer speziellen Vorrichtung verankert noch vierzig weitere kleine Shuttles – jedes kaum groß genug um auch nur eine einzige Person zu transportieren – im Hangar.
Über dem Sichtfenster leuchtete eine rote Lampe auf und der Hangar-Operator, der hinter Robau an seiner Konsole stand, verkündetet, dass die Luft im Hangar abgesogen wurde. Wenige Sekunden darauf öffneten sich die einhundert Meter weiter Richtung Heck gelegenen Hangartore und der Operator wandte sich einer neuen Konsole zu, die erst vor einigen Monaten zusammen mit der Verankerungsvorrichtung installiert worden war. Die Vorrichtung, an der die vierzig kleinen Raumfähren befestigt waren, wurde von einem Greifarm zum nun offenstehenden Hangartor geschoben. Hin und wieder zündeten kleine Feuer am riesigen Metallgerüst. Es handelte sich dabei Manövrierdüsen, die dafür sorgten, dass die Vorrichtung in der nun luft- und schwerelosen Umgebung des Hangargewölbes gerade hinaus ins All befördert werden konnte, ohne dass das Risiko bestand, eines der anderen dreizehn Shuttles an ihren Andockplätzen zu beschädigen.
Der Hangar-Operator war inzwischen schon sehr geschickt beim Umgang mit dem Greifarm und der Verankerungsvorrichtung. In weniger als einer Minute befand sich die Vorrichtung im All.
„Die Ehre gebührt Ihnen, Captain“, sagte der Operator schließlich und Robau wandte sich überrascht zu ihm um. Der Mann deutete zu vier großen, roten Schiebereglern an der Konsole, nicht unähnlich jenen auf einer Transporterkonsole. Nur mit dem Unterschied, dass diese Schieberegler nicht dafür sorgen würden, dass jemand irgendwohin gebeamt wurde.
Robau trat dankbar nickend näher und legte seine rechte Hand unter die vier an unterster Position stehenden Regler. Mit der Handkante schob er alle gleichzeitig nach oben. An der ersten Halteposition angekommen koppelten sich die vierzig Shuttles – je zehn auf jeder der vier Seiten der Vorrichtung – von dem sie haltenden Metallgerüst ab. Robau schob die Regler weiter nach oben zur zweiten Halteposition und die Manövrierdüsen der Shuttles zündeten und sorgten dafür, dass sie sich wie programmiert rund um die Kelvin herum verteilten. Der Captain gab ihnen ein paar Sekunden dafür Zeit und schob die vier Schieberegler dann bis zum Anschlag hoch. Daraufhin aktivierten die Shuttles ihre Warp-Antriebe und flogen in alle Richtungen mit hoher Überlichtgeschwindigkeit davon.
Robau atmete erleichtert durch, ging dann zum nächsten Intercom-Anschluss und rief die Kommandobrücke.
„Hier April“, meldete sich sofort sein Erster Offizier.
„Robert, schicken Sie eine verschlüsselte Nachricht ans Hauptquartier der Sternenflotte. Teilen sie den Admirals mit, dass die Feuerschneise errichtet worden ist.“
Robau wartete keine Bestätigung ab sondern schloss den Kanal wieder um jene Person aufzusuchen, die er hier im Hangar-Kontrollraum vermisst hatte. Er hätte nicht gedacht, dass sich Lori O’Shannon diesen Moment entgehen ließ. Die Chefingenieurin hatte so viel Zeit und Mühe in das Projekt gesteckt und Robau fand es schade, dass sie beim krönenden Abschluss nicht dabei war. Der Operator hatte sich geirrt. Nicht dem Captain hätte die Ehre gebührt, die letzte Startsequenz durchzuführen.
Der Turbolift brachte Robau innerhalb von Sekunden nach Deck 16, wo sich der Hauptmaschinenraum befand. Zwar nahm die Maschinensektion der Kelvin – wie nicht anders bei einem Schiff dieser Größe – den Großteil des hinteren Bereichs der Untertassensektion ein, aber der Hauptmaschinenraum, wo am einfachste Zugang zum Warp-Reaktor, dem Energiespender und Herzen des Schiffes, hatte, erreichte man am besten über die Zugangsschleuse auf Deck 16.
Die große, stahlgraue Doppeltür öffnete sich vor Robau und er betrat einen Bereich des Schiffes, den er in den letzten Jahren nur selten aufgesucht hatte. Beim Anblick des hohen offenen Decks – er konnte durch die offenen Deckstrukturen bis hinauf zu Deck 12 sehen – bereute er diesen Umstand fast ein wenig. Robau war immer schon an der Steuerung eines Schiffes interessiert gewesen und war auch viele Jahre lang Steuermann auf verschiedenen Schiffen gewesen. Doch er hatte sich nie wirklich dafür interessiert, was Raumschiffe tatsächlich antrieb. Dass die Fortbewegung eines Schiffes nicht nur vom Drücken bunter Knöpfe und dem Bedienen eines Steuerknüppels abhing, wusste er natürlich und ihm waren auch die grundlegenden Prinzipien der Warp- und Impulsantriebstechnologie vertraut. Dennoch war Robau selten in einem Maschinenraum anzufinden gewesen. Ein Umstand, der sich auch während seiner Karriere als Kommandooffizier nicht verändert hatte. Dabei bedauerte er es, dieses faszinierende Technik-Wunderland im Heck der Untertassensektion seines eigenen Schiffes nicht öfter besucht zu haben.
Abgesehen von der Tatsache, dass sie immer die acht Hauptkomponenten eines Warp-Reaktors beinhalteten, konnten sich Maschinenräume in Raumschiffen stark voneinander unterscheiden. Der Maschinenraum der U.S.S. Kelvin erinnerte am ehesten noch an jenen der alten NX-Klasse. Im Zentrum stand eine riesige, horizontale Röhre, die man auch leicht für einen futuristischen Dampfkessel einer alten Lokomotive halten konnte. Doch während vor Jahrhunderten in solchen Kesseln Wasserdampf durch Verbrennung von Kohle erzeugt wurde, fand im Inneren der Materie-Antimaterie-Reaktionskammer – umgangssprachlich wenn auch nicht ganz korrekt als „Warp-Kern“ bezeichnet – ein ganz anderer physikalischer Ablauf statt, der so enorme Energiemengen erzeugte, dass er ein riesiges Raumschiff betreiben konnte.
Robaus erster Blick galt der Kontrollstation an der Vorderseite des Warp-Kerns. Dies war der übliche Arbeitsplatz von Commander Lori O’Shannon. Doch der Captain sah dort nur mehrere Leute in braunen Uniformen – ehemalige Mitglieder des MACO-Ingenieurscorps – aber keine attraktive rothaarige Frau in blauer Uniform. Robau ging etwas weiter in den Raum hinein, an einigen kleinen Materie- und Antimateriesammelbehältern vorbei, und suchte auf den langen Metallstegen und -treppen nach seiner Chefingenieurin, doch auch hier war keine Spur von ihr zu sehen. Er wollte sich schon auf die Suche nach einem Intercom-Anschluss machen und sie durchrufen lassen, als ein leises Hüsteln hinter ihm erklang. Er dreht sich um und in einer dunklen Ecke zwischen zwei Reihen aus Ausrüstungsspinden und Regalen saß O’Shannon an einem kleinen Schreibtisch. Das einzige Licht stammte von einer schmalen Leuchtstoffröhre.
„Was machen Sie denn hier hinten, Lori?“, fragte Robau überrascht. Wahrscheinlich hätte er diesen Arbeitsplatz bis heute selbst dann nicht entdeckt, wen er jeden Tag in den Maschinenraum gekommen wäre.
„Mein Rückzugsort“, erklärte O’Shannon beinahe entschuldigend. Sie stütze ihren rechten Ellbogen auf dem Tisch ab und stützte wiederum ihren Kopf mit der Hand ab. Ihre ganze Haltung wirkte müde und erschöpft und so klang auch ihre Stimme.
Robau blickte sich nach einer weiteren Sitzgelegenheit um und fand schließlich nur eine niedrige Stehleiter in einem Regal, die er neben dem Schreibtisch aufklappte und sich dagegen lehnte. Er versuchte dabei eine gewisse Lässigkeit an den Tag zu legen, fürchtete aber, dass er in Wirklichkeit wie ein Idiot aussah. O’Shannons Mundwinkel zuckten kurz nach oben, was Robaus Befürchtung bestätigte. Aber zumindest hatte er sie etwas aufgeheitert und sie sah für seine Begriffe wie jemand aus, der eine Aufmunterung vertragen konnte.
„Was ist los?“ fragte Robau gerade heraus. „Ich hatte erwartet, Sie im Hangar zu treffen.“
Sie zuckte nur mit den Schultern: „Es ist mir wohl einfach zu viel geworden. Fast ein Jahr lang habe ich mich in erster Linie nur mit diesem einen Projekt beschäftigt. Den Schlusspunkt will ich lieber auf diese Weise setzen: in aller Ruhe, zurückgezogen in meiner Grübelecke.“
„Also, Sie wissen ja, was für ein verkniffenes Gesicht ich immer mache, wenn einer meiner Führungsoffiziere um Sonderurlaub bittet. Aber wenn Sie mal eine Verschnaufpause brauchen, dann nur zur. Sie sehen wirklich aus, als könnten Sie eine gebrauchen. “
O’Shannon lächelte freundlich, schüttelte aber vehement den Kopf: „Danke Captain. Aber das ist nicht notwendig.“ Sie deutete auf die technischen Bauteile, die auf dem Schreibtisch verstreut lagen. „Ich bin einfach nur froh, dass ich mich auch wieder um die alltäglichen Kleinigkeiten kümmern kann. Auch wenn es sich nur um die Reparatur einer defekten Kontrolleinheit des Abwasser-Recyclers handelt. Darf ich mal ganz offen sprechen, Captain?“
„Klar“, antwortete Robau sofort. Er ging eigentlich immer davon aus, dass seine Offiziere ganz offen mit ihm sprachen und hätte bisher nicht festgestellt, dass sich O’Shannon ihm gegenüber jemals zurückgehalten hätte.
„Ich wäre wirklich froh, wenn ich vom Projekt „Feuerschneise“ nie mehr etwas hören würde. Am liebsten würde ich die ganze Arbeit daran völlig vergessen.“
Robau atmete tief durch. Er konnte seiner Chefingenieurin diese Einstellung nicht einmal verdenken. Aber genauso wie der Captain wusste auch sie, dass manches einfach getan werden musste.
„Tut mir leid, Lori. Aber ich fürchte, wir werden früher davon hören, als uns lieb ist. Nämlich dann, wenn wir die Feuerschneise so dringend wie nichts anderes brauchen werden. Und dieser Zeitpunkt wird kommen, die Klingonen werden kommen.“
„Ich weiß“, erwiderte O’Shannon resignierend und fügte dann wieder lächelnd hinzu: „Wenn das passiert, wäre es echt beschissen, wenn Ihre beste Ingenieurin gerade auf Urlaub wäre, oder?“
Nun musste Robau selbst lachen. „Gutes Argument. Aber dank Ihnen haben wir jetzt zumindest einen kleinen Vorteil, wenn die Klingonen ihren Angriff starten. Ich glaube ich spreche im Namen der gesamten Föderation wenn ich Ihnen sage: Danke!“
„Dieser Teil der Geschichte macht mir auch keine Sorgen. Eher das, was dann folgt“, gab sie zu bedenken.
„Ich werde versuchen, diese Sorgen so gut es geht von Ihnen fernzuhalten. Das verspreche ich.“
„Sie sind ein netter Captain“, sagte O’Shannon und lächelte dabei so breit, wie es Robau an ihr schon seit zweieinhalb Jahren – seit dem Jungfernflug der Kelvin – nicht mehr gesehen hatte.
„Hey, ich gebe mein Bestes“, erwiderte Robau und erhob sich wieder aus seiner unwürdigen Sitzposition. Kaum stand er wieder, erhob sich auch O’Shannon von ihrem Sessel und für Robau völlig unerwartet beugte sie sich nach vorne und umarmte ihn fest. Er versuchte sich einzureden, dass es nur am Stress lag, unter dem sie stand und sie einfach ein wenig Trost suchte. Das erklärte jedoch nicht, warum er seine Chefingenieurin selbst so fest an sich drückte und er Enttäuschung spürte, als sie sich wieder von ihm löste.
Beide atmeten tief durch, und traten einen halben Schritt von einander fort. Was Robau fühlte, war für ihn schwer in Worte zu fassen. Hinzu kam der Gedanke, dass es vielleicht überhaupt nicht besonders klug war, irgendetwas zu sagen. Und da Lori O’Shannon wohl ebenso dachte, sagte auch sie nichts. Es dauerte fast eine volle Minute, ehe Robau erkannte, dass wenn jemand jetzt einen Vorwand finden musste, den Maschinenraum zu verlassen, er es sein musste.
„Also, ich … werde mal nachsehen, ob wir schon eine Antwort vom Hauptquartier erhalten haben. Vielleicht haben die ja schon ein Kurierschiff mit unseren Orden losgeschickt“, scherzte Robau. O’Shannon lächelte gezwungen, aber sie verstand eindeutig, dass der Captain einfach nur eine Ausrede suchte, sich – im wahrsten Sinne des Wortes – aus der Affäre zu ziehen.
„Und ich bastle hier mal weiter“, erwiderte sie.
Robau war erleichtert, als er rückwärtsgehend endlich die dunkle Nische verließ und der Blickkontakt mit O‘Shannon abbrach. Erst jetzt wagte er wieder, sich umzudrehen und stolperte dabei gleich in ein Besatzungsmitglied. Er entschuldigte sich rasch und stürmte regelrecht zum Ausgang. Für das Technik-Wunderland hatte er jetzt keinen interessierten Blick mehr übrig, sondern atmete erleichtert aus, als sich die Stahltüren hinter ihm schlossen und er allein im Korridor vor dem Hauptmaschinenraum stand.
„Ich fürchte, ich habe ein Problem“, sagte er zu sich selbst.

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