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Star Trek: Ex Astris – Die Badlands sind überall

von VGer

Kapitel 1

An Bord des Trainingsschiffs U.S.S. Takei, im Anflug auf Deep Space Nine.
Er blickte eindringlich von einem zum anderen. Entschlossen sog er die recycelte Luft durch seine Zähne ein. Das sonst so schelmische Lächeln des jungen Mannes war gewichen und hatte einem stahlgrauen Blick Platz gemacht, dem fordernden und seriösen Blick des Kommandanten. In der Ferne vor den Panoramafenstern des kleinen Schiffs erschien Deep Space Nine. Es war erst anderthalb Stunden her, dass sie die U.S.S. Sagan, ihr Mutterschiff und ihres Zeichens das prestigeträchtigste Schulschiff der terranischen Sternenflottenakademie, verlassen hatten. Sie war immer noch dicht hinter ihnen, aber was machte das schon aus? Sie waren auf sich allein gestellt, auf ihrer ersten eigenen Mission, und sie waren stolzer darauf als sie das je offen zugeben würden. Sie würden völlig selbstständig das Andockmanöver an der großen Raumstation ausführen, und dann würde das Abenteuer erst richtig losgehen...

„Wir haben unsere Befehle.“ Er deutete auf das PADD am Tisch. „Wir haben sechs Stunden auf Deep Space Nine bevor wir ablegen. Ich habe Ihre jeweiligen Spezifikationen an Ihre PADDS gesendet. Alle weiteren Details werde ich Ihnen rechtzeitig mitteilen, bis dahin bereiten Sie sich auf die Mission vor. Und Ainor, machen Sie sich mit den Andockprotokollen vertraut, bis ins kleinste Detail wenn es sein muss. In zwanzig Minuten sind wir bereit zum Andocken, und wir wollen uns nicht zur Lachnummer des gesamten bajoranischen Sektors machen, verstanden?“
Erwartungsvolle Blicke seiner Crew. Er wusste, dass er die besten um sich versammelt hatte, und es machte nichts, dass sie nur ein kleines Ausbildungsschiff waren und die Besatzung nur aus acht Kadetten bestand. Er nahm seine Arbeit und diese Mission ernst, so wie der Rest seiner Crew auch. „Weycori, Janeway, auf ein Wort. Alle anderen, wegtreten.“

Zischend schlossen sich die Türen hinter der Mannschaft, als sie auf die Brücke zurückkehrten. In diesem Moment fiel die strenge Maske des Kommandanten, die er bis dahin aufrecht erhalten hatte, schließlich hatte er von den besten gelernt und keine geringeren Erwartungen als Exzellenz an sich selbst.

„Was zum Teufel ist los mit dir, Teddy? Was ist das für eine Mission?“ Die Antennen seines halb-andorianischen Ersten Offiziers schnellten besorgt nach vorne.
„Okay, du bist unser Bruder, aber das ist wirklich der falsche Ort und der falsche Zeitpunkt für ein Familientreffen. Wir sind dienstlich hier, und das ist unsere erste richtige Mission, verdammt. Was zum Teufel ist so wichtig, dass du es nur mit Laya und mir besprechen kannst und mit sonst niemandem?“ Die ebenmäßigen Gesichtszüge des Wissenschaftsoffiziers waren ebenso konsterniert und furchtsam wie die des Kommandanten, sie spiegelten sie quasi wider. Er wollte noch etwas sagen und verkniff es sich doch; die beiden anderen Anwesenden konnten es genau in seinem Gesichtsausdruck erkennen, das Misstrauen und die Unsicherheit und einen Namen auf seinen Lippen, den er warum auch immer nicht auszusprechen wagte.

„Ich konnte nichts sagen, nicht vor den anderen. Nicht einmal vor Marek, so leid es mir tut. Seht selbst.“

Wieder deutete er auf das PADD auf dem Tisch, dann drehte er sich weg und betrachtete die Raumstation Deep Space Nine, die vor den fensterimitierenden Sichtschirmen, steuerbord an der langen Seite des Bereitschaftsraums, unaufhörlich näher rückte. Dankbarkeit, die er sich nicht anmerken lassen wollte, erfüllte seine Gesichtszüge. Er wusste, wie privilegiert er war, dass er ausgerechnet mit ihnen dienen durfte, mit den zwei Personen, die ihm im gesamten Universum die nächsten und wichtigsten waren. Der eine war sein eineiiger Zwillingsbruder, die andere seine beste Freundin und engste Vertraute, die aufgrund diverser Umstände sogar so etwas wie seine Schwester war.

„Bitte was? Ist das ihr Ernst?!“
„Das kann nicht möglich sein. Nicht wirklich.“

Das Entsetzen auf den Gesichtern seiner Kollegen war blank. Als sie die Worte des Einsatzbefehls gelesen und verstanden hatten, war ihre freudige Erwartung sofort verschwunden. Beide waren leichenblass – nun gut, einer war es tatsächlich, die andere so fahl wie ein türkises Mädchen eben werden konnte, eiszapfensilberblau wäre eine bessere Beschreibung für den Tonfall ihrer Haut. Diese erste Mission würde zu einem Desaster werden, so viel war sicher.

„Ich weiß es nicht. Keine Ahnung, welcher sadistische Mistkäfer im Hauptquartier oder der Akademie sich das ausgedacht hat. Aber sie meinen das ernst, und was bleibt uns schon anderes übrig, außer zu gehorchen?“ Teddy Janeway zuckte mit den Schultern, seine Körpersprache von einer Nonchalance, die der giftige Tonfall Lügen strafte, nur seine zynisch hochgezogenen Augenbrauen verrieten ihn.
„Sie wissen schon, wer an Bord ist, wer wir sind, und was das für uns bedeutet?“
„Ich wäre sehr überrascht wenn nicht, Jack.“
„Trotzdem, wir sind Offiziere der Sternenflotte ... nun ja, wir werden es bald sein. Malt nicht gleich die Teufel an die Wand. Erinnert euch an die Aufnahmeprüfungen, an die Psychotests, das ist nichts anderes. Sie testen uns, unsere Widerstandsfähigkeit, reizen unsere Nerven bis aufs Äußerste. Wäre das eine echte Mission und kein Training, könnte auch niemand auf unsere persönlichen Befindlichkeiten Rücksicht nehmen. Wir müssen, ob wir wollen oder nicht.“ Jack, mit zehn Minuten Vorsprung der Ältere der Janeway-Zwillinge, war eindeutig der rationalere von beiden, immer schon gewesen. Er war der Kluge, war der Denker, der alles von allen Seiten analytisch betrachtete und akribisch Positives und Negatives gegeneinander abwog. Doch zu oft verrannte er sich dabei in Theorien, ohne es selbst zu bemerken.
„Entschuldige bitte, aber das klingt doch reichlich naiv. Es ist nun einmal keine echte Mission, sondern ein Szenario, das sich irgendwer in einem Büro und hinter einem Computer ausgedacht hat; und derjenige hat gewusst mit wem er es zu tun hat. Persönliche Befindlichkeiten, pah! Ganz sicher, aber ganz sicher nicht unsere. Das ist nur ein weiterer Schachzug derer, die uns nur zu gerne scheitern sehen würden, ein für alle mal.“ Telaya Weycori schäumte. Sie konnte sich nicht helfen, obwohl sie wusste, dass der Posten des Ersten Offiziers mit sich brachte, dass sie zu jedem Zeitpunkt die Stimme der Vernunft sein musste, vor allem an der Seite eines Hitzkopfs wie Teddy. Sie musste ruhig bleiben und diplomatisch sein, doch später.

Es blieben nur Stimmen, die in plötzlicher Hektik von den mattgrauen Wänden des Bereitschaftsraums auf ihrem Ausbildungsschiffs widerhallten. Sie waren aufgeregt, wütend und fassungslos. Nichts davon wünschte man sich für seine erste Trainingsmission, doch auch wenn sie die Augen ganz fest verschlossen konnten sie es nicht mehr ändern.

„P’taQs, elende!“
„Was machen wir jetzt?“
„Denken. Was sonst?“
„Scheitern ist keine Option.“
„Keinesfalls!“
„Und wir müssen mit Marek reden.“
„Das übernehme ich.“
„Danke, Laya. Ich glaube, ich könnte das nicht.“
„Ich weiß. Deswegen mach’ ich’s. Du halt’ dich nur bereit, für... nachher.“
„Ich weiß was du meinst.“
„Gut. Los geht’s.“
„Aye.“

Sie kannten sich zu gut und zu lange, um sich noch mit ausführlichen Diskussionen aufzuhalten. Keiner der drei war Telepath, doch die Verbindung eines ganzen, wenn auch noch sehr jungen, Lebens und die Verbundenheit der gemeinsamen Geschichte kam dem schon ziemlich nahe. Sie mussten sich nur ansehen, um zu verstehen, und auf Außenstehende wirkte es oft so, als könnten sie gegenseitig die Endungen ihrer Sätze vervollständigen. Wütend ratterte es in ihren Köpfen, viel Zeit zum Nachdenken und Pläne schmieden bleib ihnen nicht mehr. Sie waren alle erstaunlich ruhig dabei. Was zu tun war, wussten sie noch nicht genau, doch es war klar, dass sie es tun mussten.



*** *** ***
„Teddy Janeway hatte aufmunternd ihre Schulter und ihre Antenne gedrückt, bevor er sich abgewandt und den Bereitschaftsraum verlassen hatte. Mitgefühl und ein wenig Schadenfreude tanzten in seinen Augen, als er seinen Ersten Offizier ein letztes Mal ansah.

„Bist du dir sicher, dass du das alleine durchziehen willst, Laya?“, fragte er. „Ich kann auch bleiben, wenn es hilft.“
Telaya Weycori nickte bestätigend und schluckte den Kloß, der sich in ihrem Hals bildete, einfach hinunter. „Ich muss, und du weißt auch warum. Du kennst ihn genauso gut wie ich, und er wird es uns übel nehmen. Wenn du seinen Zorn abfängst, bevor er es an Jack auslassen kann, sind wir alle besser dran. Das ist wohl das harte Los des Captains.“
„Du hast es erfasst. Sei einfach nur froh, dass du nicht in meinen Schuhen stehst.“
„Teddy... jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, echt nicht.“

Teddy Janeway lachte höhnisch auf und entfernte sich stumm während Telaya Weycori gedankenversunken den Kommunikator an ihrer Brust aktivierte. Sie könnte sich auch einen besseren Zeitvertreib vorstellen.

„Stermann, in den Bereitschaftsraum!“

Sie schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Da öffnete sich schon die Türe, viel Zeit zur mentalen Vorbereitung war ihr ja nicht geblieben. Ihre hängenden Antennen konnten ihre Gemütslage kaum verbergen.

„Du wolltest mich sprechen, Laya?“
„Setz dich, Marek.“

Sie deutete mit bitterem Lächeln auf jeden beliebigen der freien Stühle ihr gegenüber. Er tat wie geheißen, doch wirkte er ungewohnt unsicher – was vermutlich auch daran liegen konnte, dass sie ungewohnt förmlich klang.

„Was ist denn los? Jack ist gerade an mir vorbeigerauscht als würde er mich gar nicht kennen, irgendetwas stimmt nicht, oder?“

In Gedanken hatte sie so lange geübt. Das erste ernsthafte Gespräch mit einem Untergebenen, alle Regeln der effizienten hierarchischen Kommunikation und alle Prinzipien des Teambuildings hatte sie verinnerlicht wie auch sämtliche Regelwerke, Verhaltenscodices und Memoranden der Sternenflotte. Auswendig gelernt, nächtelang, weil sie das für unglaublich wichtig gehalten hatte. Und dann war der erste, der ihr gegenübersaß als sie erstmals Führungsoffizier sein konnte, ausgerechnet Marek.

„Es ist alles ein bisschen scheiße.“, sagte sie schließlich, hoffend, dass nicht jedes ihrer Worte mitprotokolliert und verbatim in die Beurteilung der Mission einfließen würde.

Telaya Weycori war in der Kommandoklasse während Marek Stermann sich auf Kommunikationstechnik spezialisiert hatte – doch sie hatte ihn vom allerersten Augenblick an gemocht. Er war einer der ersten gewesen, die sie an der Sternenflottenakademie kennen gelernt hatte, kein Wunder, denn er war auch Teddy und Jacks Mitbewohner in der Kaserne. Er war ein ruhiger und sympathischer Typ, wortgewandt und witzig, und im Laufe der Zeit hatte sie ihn immer mehr zu schätzen gelernt. Seine Familie schickte regelmäßig die besten Kekse des Quadranten, was natürlich ein zusätzlicher Bonuspunkt war und womit er das halbe Stockwerk charmant bestechen konnte, doch auch abgesehen von lukullischen Freuden waren sie während der letzten drei Jahre ehrliche Freunde geworden. Er war still und besonnen wie Jack und doch so furchtlos, das er nicht zögerte seine Meinung zu sagen wenn es notwendig war.

Die Zwillinge und sie selbst waren völlig fremd in diesem Sektor des Weltalls gewesen, auf diesem Planeten und auf Planeten im Allgemeinen; es war ihnen extrem schwer gefallen sich einzugewöhnen und auch nach längerer Zeit würde ihnen, den Weltraumkindern, ein Quäntchen der Befremdung immer bleiben. Nicht so in Mareks Fall: Er war ganz anders als sie, war eins dieser heimwehgeplagten Satellitenkinder, die in Vollmondnächten in San Francisco oft draußen stehen und den Mond anheulen würden, denn seine Heimatstadt war Tranquility Base, die drittgrößte der Lunarkolonien.

Heute spielte das alles plötzlich nur mehr eine untergeordnete Rolle. Im Kontrast zu seinem so deutsch klingenden, traditionellen Erdennamen stand sein Äußeres. Für viele moderne Föderationsbürger wie Telaya, die sich selbst doch oft scherzhaft als „intergalaktischen Bastard“ bezeichnete, war das nichts Nennenswertes. Eigentlich. Heute leider doch, heute musste sie sein Aussehen, das in manchen immer noch gar nicht so irrationale alte Ängste wach werden ließ, zum Thema machen. Sein kurzes Haar glänzte blauschwarz, seine Haut war mattgrau und neben wohldefinierten schuppigen Wülsten an Hals und Schläfen war sein hervorstechendstes Merkmal ein löffelförmiges Mal in der Mitte seiner Stirn. Er war der Sohn eines menschlichen Arztes und einer cardassianischen Lehrerin, die sich irgendwann in den Nachkriegswirren auf Deep Space Nine kennen gelernt hatten. Wenn sie es richtig in Erinnerung hatte, war seine Mutter eine der ersten Cardassianer, die in die Föderation eingebürgert worden waren.

„Mach’s kurz und schmerzlos, Laya. Sag was los ist.“
„Marek, es ist wichtig, dass du weißt, dass Teddy nicht alle Befehle weitergeleitet hat. Deswegen muss ich jetzt mit dir reden.“ Ihre Antennen stellten sich gerade nach oben, unangenehm zuckend, doch was jetzt kam, würde nicht leichter werden, egal wie sie es formulierte und wie lange sie es noch vor sich her schob. „Unser Missionsziel ist nicht nur der Maquis, schlimm genug, sondern ein fiktives cardassianisches Gefängnis in einer menschlichen Kolonie, das wir befreien müssen.“

Sein Unterkiefer fiel ins Bodenlose. Er hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit.

„Du bist dir sicher, dass das nicht zufällig eine praktische Aufgabe für ‚Interplanetare Militärgeschichte und strategische Konfliktlösung’ ist? Ich meine, dem alten Fitzgerald würde ich so etwas durchaus zutrauen.“, stammelte er, als er wieder zu Atem gekommen war.
„Leider ja.“ Telaya zuckte hilflos mit den Antennen, wie ein Mensch mit den Schultern zucken würde. „Teddy hat alles doppelt und dreifach gecheckt in den letzten zwanzig Minuten. Wir wollten nur nicht mitten in der Sitzung coram publico die Bombe platzen lassen. Ich glaube, ich muss dir nicht erklären, was für Hintergedanken wir dabei vermuten.“

„Terra Humana.“

Marek ballte seine Hände zu wütenden Fäusten, bis sie an den Knöcheln fast schwarzgrün wurden, dann entspannte er sich und lehnte sich zu seiner Kollegin hinüber, berührte beschwichtigend ihren Arm. „Danke für deine Ehrlichkeit, Laya. Es fällt mir schwer, aber ich werde mich bemühen, nicht den Klischees meiner Spezies zu entsprechen.“
„Du meinst, dass sie sich ständig in zwecklose Diskussionen verzetteln, und ihre Emotionen nicht im Griff haben und sich deswegen hinter endlosen Protokollen verschanzen, und...“ Telaya kicherte unwillkürlich bei all den Stereotypen und Vorurteilen, die ihr über die Menschen so einfielen.
Marek musste trotzdem die Lage so ernst war schallend lachen. „Du bist manchmal so doof, wirklich. Du weißt schon, was ich meine.“
„Ich weiß. Muss ich dich daran erinnern, dass ich in den Augen mancher genauso wenig menschlich bin wie du?“ Sie formte ihre Antennen zu Fragezeichen, als sie auf ihre türkise Haut deutete, die ihre beinahe 40% menschliche DNA gut zu verstecken wusste.
„Der Unterschied ist nur, dass sie in dir eine exotische Schönheit sehen mit, wenn die Bemerkung gestattet ist, unfassbar süßen Antennen, und in mir einen skrupellosen Schlächter und Vergewaltiger.“

Telayas Antennen, wenn auch unfassbar süß, sackten zusammen. Dieser Kommentar, und Mareks völlig regungsloser Tonfall, hatten ins Schwarze und sie tief getroffen. Sie schluckte schwer, um den Gedanken nicht weiterführen zu müssen.


*** *** ***
Danke an Schafi, meinen ersten Leser, für seine wertvollen Hinweise die mir bei der ersten Überarbeitung sehr geholfen haben. Danke auch an ulimann644 für seinen Hinweis, ich habe den ersten Absatz abgeändert und somit hoffentlich alle Unklarheiten beseitigt.
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