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Ein Akt der Menschlichkeit

von Martina Strobelt

Kapitel 1

Weyoun, Botschafter des Dominions stellte das hohe Glas, das er gerade zum Munde hatte führen wollen, ab als er sah, wie Odo dicht gefolgt von Major Kira das Quarks betrat. Der Vorta stand auf und verneigte sich.
Odo versuchte diese Demutsgeste zu ignorieren. Anfangs hatte er mit allen Mitteln dagegen angekämpft, dass Weyoun sich in seiner Gegenwart so ehrerbietig, ja geradezu unterwürfig, verhielt, so als wandele ein leibhaftiger Gott in ihrer Mitte. Aber sein Protest war wirkungslos an dem Botschafter des Dominions abgeprallt, und so hatte Odo es schließlich aufgegeben.
"Gründer..."
Odo zuckte bei dieser verhassten Anrede Weyouns zusammen, die ihn stets daran erinnerte, dass es sein Volk war, das den Gamma-Quadranten gnadenlos unterjocht hatte und nun dabei war, den Alpha-Quadranten dasselbe Schicksal erleiden zu lassen.
Der Vorta stand immer noch mit gebeugtem Rücken und gesenktem Kopf da, verharrte in der Bewegung wie eine Statue...
Odo wusste, was von ihm erwartet wurde, auch wenn er die Rolle, die ihm in diesem bizarren Spiel zugedacht war, zutiefst ablehnte. Aber noch mehr verabscheute er die Blicke der Cardassianer, das versteckte Grinsen, mit dem sie das Bild betrachteten, das er und Weyoun ihnen boten. Nein, es gab keinen Ausweg. Wenn er Weyoun nicht gestattete, sich wieder normal zu benehmen, würde der Botschafter des Dominion sich nicht von der Stelle rühren.
Innerlich seufzend hob Odo seine rechte Hand leicht an, worauf der Vorta sich wieder aufrichtete.
Quark eilte diensteifrig mit einem beladenen Tablett in der Hand herbei. "Ihre Anwesenheit ehrt mich und mein bescheidenes Etablissement, Gründer", sagte der Ferengi zu Odo, um sich, nach einem höflichen Nicken in Kiras Richtung, an Weyoun zu wenden: "Einmal Hasperat und zum Dessert Tulabeeren mit Soße, ich hoffe, es wird Ihnen munden, Botschafter. Falls Sie oder der verehrte Gründer noch einen Wunsch haben sollten...?"
"Allerdings, den habe ich", erwiderte Odo, ohne einen Hehl daraus zu machen, dass es auf der Station eine ganz spezielle Person gab, deren Ehrerbietung ihm nicht peinlich war, die ihn im Gegenteil mit einer gewissen Genugtuung erfüllte. "Verschwinden Sie, Quark!"
Weyouns blaue Augen fixierten den Ferengi, als dieser nicht sofort gehorchte. "Worauf warten Sie? - Sie haben den Gründer gehört!"
"Natürlich." Quark zog sich hastig zurück.
"Ich muss mit Ihnen sprechen, Botschafter!", erklärte Odo. "Als ich eben mein Büro betreten wollte, musste ich feststellen, dass der Tür-Code auf Anweisung Gul Dukats geändert worden ist, der meinen Aufgabenbereich einem Cardassianer übertragen hat! - Ohne mich vorher davon in Kenntnis zu setzen - und all das mit Ihrer ausdrücklichen Billigung, wie er mir versicherte, als ich mich bei ihm beschwert habe!"
Weyoun nahm sich insgeheim vor, Gul Dukat nachdrücklich auf die Konsequenzen, die ein derart gezeigter Mangel an Respekt gegenüber einem Gründer und zu viel Übereifer nach sich ziehen konnte, hinzuweisen. Laut sagte er: "Ich bitte um Vergebung, Gründer, weil ich es versäumt habe, dafür zu sorgen, dass Gul Dukat wartet, bis ich Sie in der gebührenden Form offiziell informiert habe."
"Dann stimmt es also, dass Sie und das Dominion damit einverstanden sind, dass Gul Dukat mich einfach so gegen den Willen der bajoranischen Regierung - und gegen meinen Willen! - durch einen Cardassianer ersetzt?!"
"Ich bedaure, aber es steht mir nicht zu, die Entscheidung der Gründer in Frage zu stellen", antwortete Weyoun. "Bitte verstehen Sie, das Dominion kann nicht zulassen, dass Sie, ein Gott, sich erniedrigen, eine Beschäftigung im Dienst von Cardassianern, Bajoranern oder anderen auszuüben."
"Aber das tue ich doch gar nicht", widersprach Odo. "Mit meiner Arbeit als Sicherheitschef diene ich nur der Gerechtigkeit, keinem sonst!"
"Ich fürchte, dass die anderen Gründer das leider nicht so sehen."
"Odos Büro könnte von Terok Nor nach Bajor verlegt werden", mischte Kira sich ein.
Weyoun runzelte leicht die Stirn, besann sich dann jedoch darauf, dass diese Bajoranerin von Odo sehr geschätzt wurde. "Selbstverständlich steht es dem Gründer frei, einer Einladung Ihrer Regierung zu folgen, Major", sagte er daher mit einem höflichen Lächeln, "allerdings bitte ich Sie zu bedenken, dass eine solche Geste Bajors als ein Zeichen der Missachtung verstanden werden könnte, das die freundschaftliche Beziehung zwischen Bajor und dem Dominion belasten könnte, was die Gründer zweifellos äußerst betrüben würde..."
"Zweifellos!", bemerkte Kira zynisch. "Genau wie die Jem'Hadar, nicht wahr..."
Weyoun überhörte ihre letzten Worte geflissentlich. Diese Bajoranerin neigte dazu, sich im Ton zu vergreifen. Aber Odo mochte sie - und Gul Dukat war sie ein Dorn im Auge, und beides waren nach Meinung des Vorta gute Gründe, ihre respektlosen Äußerungen zu tolerieren, sofern sie es nicht übertrieb...
"Es tut mir leid, Gründer", wandte Weyoun sich wieder an Odo. "Ich vertrete lediglich die Interessen Ihres Volkes, wenn ich Sie bitte, diese Entscheidung zu akzeptieren, die im Übrigen, was Sie mir glauben dürfen, allein zu Ihrem Besten ist."
"Niemals!", erklärte der Formwandler fest. "Sie verbieten mir im Namen meines Volkes, selbst über mein Leben zu bestimmen. Das werde ich nicht hinnehmen! Wenn Sie nicht in der Position sind, diesen Zustand zu ändern, Weyoun, werde ich mit jemandem sprechen, der das ist!"
Der Vorta verneigte sich. "Wie Sie wünschen, Gründer. Ich werde mir erlauben, ein Treffen mit der Gründerin zu arrangieren, die sich im Alpha-Quadranten befindet. Jedoch muss ich darauf bestehen, Sie zu begleiten, da das Dominion mich damit geehrt hat, mir die Verantwortung für Ihr Wohlergehen zu übertragen, das heißt natürlich, sofern Sie keine Einwände erheben?"
Der Formwandler schüttelte den Kopf, sich nur zu gut bewusst, dass diese Frage nichts weiter als eine reine Floskel war. Weyoun mochte ihn zwar für einen Gott halten, aber er diente allein dem Dominion und würde in erster Linie dessen Befehle befolgen. Ob nun mit oder gegen seinen Willen...

***
Der Flug dauerte nun bereits eine Stunde. Die Gründerin hatte nicht nach Terok Nor kommen wollen und Odo ein Treffen an einem nur ihr und Weyoun bekannten Ort angeboten.
Odo musterte Weyoun verstohlen und fragte sich dabei, wie es wohl kam, dass der Vorta genau wie der Rest seiner Rasse die Gründer für Götter hielt.
Weyoun, der Odos Blick auf sich ruhen fühlte, sah von der Steuerungskonsole auf, die er selbst bediente, weil außer ihm niemand den Kurs zum Treffpunkt kannte.
"Gründer...?"
Odo wollte schon abwinken, als ihm bewusst wurde, dass dies das erste Mal war, dass Weyoun und er allein und ungestört waren. Konnte es eine bessere Gelegenheit geben, um von dem Vorta jene Antworten zu erhalten, denen er im Beisein anderer stets mit glatter Höflichkeit auswich?
"Warum nennen Sie mich so, obwohl Sie wissen, dass mir diese Anrede zuwider ist?", fragte er daher ohne Einleitung.
"Sie sind ein Gründer", entgegnete Weyoun.
"Obwohl ich mein Volk verlassen habe und von ihm bestraft wurde, weil ich einen anderen Formwandler tötete?"
Als Diplomat hatte Weyoun seine Gesichtszüge völlig unter Kontrolle, das galt jedoch nicht für seine Augen. Der Botschafter des Dominions senkte seinen Blick. Jedoch nicht schnell genug, um zu verhindern, dass Odo den Ausdruck in ihnen bemerkte.
"Sie wundern sich, weshalb das Urteil meines Volkes so milde ausfiel...?"
"Es steht mir nicht zu, anderer Meinung als die Gründer zu sein", erwiderte der Vorta.
"Trotzdem verstehen Sie diese Entscheidung nicht." Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, auf die Weyoun jedoch nicht mit dem von Odo erwarteten höflichen Widerspruch reagierte.
Erstaunt registrierte der Formwandler die widerstreitenden Gefühle, die sich deutlich in der für gewöhnlich beherrschten Miene des Botschafters spiegelten.
Weyoun war kein Jem'Hadar, und der Umstand, dass er dem Dominion treu ergeben war und ihm in jeder Hinsicht diente, war nicht gleichbedeutend damit, dass er keine eigenen Gedanken und Ansichten hatte, auch wenn es ihm niemals in den Sinn gekommen wäre, diese gegenüber einem der Gründer laut zu äußern. Götter mussten ihre Handlungen nicht erklären oder gar rechtfertigen, und sie pflegten ihre Untertanen nicht nach ihrer Meinung zu fragen, das war undenkbar - und doch hatte Odo genau dies gerade getan.
Weyouns Existenz wurde durch den fundamentalen Respekt für die Gründer bestimmt. Einen Gott zu kritisieren war ein ungeheurer Frevel, der zudem unangenehme Konsequenzen nach sich ziehen konnte. Der Vorta war sich all dessen sehr wohl bewusst, doch die Versuchung, einmal, nur ein einziges Mal ohne Rücksichtnahme auf geschuldete Ehrerbietung und diplomatische Zwänge frei heraus zu sagen, was er wirklich dachte, war zu stark, als dass er es schaffte, ihr zu widerstehen.
"Darf ich ganz offen sein...? - Sie irren sich", fuhr Weyoun fort, nachdem Odo genickt hatte. "Ich verstehe die Entscheidung der Gründer. Was ich nicht verstehe ist, dass Sie sich von Ihrem Volk abgewendet haben. Dass Sie, ein Gott, das Leben unter gewöhnlichen primitiven Sterblichen auf dieser Station all dem vorziehen, was Sie in Ihrer Heimat haben können. Ein Gott, der seinen göttlichen Status ablehnt und seine Fähigkeiten, die ihn über andere erheben, dazu nutzt, im Dienste jener, die weit unter ihm stehen, Verbrecher zu jagen... all das ist mir unbegreiflich!"
Bevor Odo zu einer Erwiderung ansetzen konnte, erbebte das Shuttle plötzlich unter einer Explosion, die den Vorta quer durch den Innenraum in den hinteren Bereich schleuderte. Von einem Moment auf den anderen erfüllte beißender Rauch die Kabine.
Warnung!, erklang die sonore Stimme des Computers. Bruch in der äußeren Hülle, es besteht Dekompressionsgefahr!
Odo hastete zur Steuerungskonsole und checkte die Hauptsysteme im spärlichen Schein der Notbeleuchtung, die sich automatisch bei Erlöschen des Lichts aktiviert hatte. Der Antrieb und die Lebenserhaltung waren ausgefallen, auch ohne einen Hüllenbruch war ihre Lage kritisch.
"Gründer...?!"
"Mir geht es den Umständen entsprechend gut, Botschafter", beruhigte Odo Weyoun, der hustend aus dem hinteren Teil der Kabine wieder auftauchte.
In seiner rechten Hand hielt der Vorta ein Behältnis, das er dem Wandler hinhielt. "Bitte, Sie müssen sofort in Ihren ursprünglichen Zustand zurückkehren!"
"Falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten", sagte Odo, "bin ich damit beschäftigt, unser Leben zu retten, zum Schlafen habe ich jetzt leider keine Zeit!"
Der Botschafter ignorierte Odos Sarkasmus. "Bei allem Respekt, Gründer, aber dies ist nicht der geeignet Moment, um Einwände zu erheben. Sie müssen sich in diese Sicherheitskapsel begeben! Wir befinden uns in der Nähe eines Mondes der Klasse M - ich werde eine Notlandung versuchen..."
"Ach ja?", fiel Odo ihm ungeduldig ins Wort. "Und wie, wenn ich fragen darf? Der Antrieb funktioniert nicht mehr!"
"Wir haben die Steuerungsdüsen", erwiderte Weyoun. "Ich habe zwar noch nie probiert, ein Shuttle damit zu fliegen, aber es ist möglich, zumindest theoretisch - und eine Bruchlandung wäre eine aufregend neue Erfahrung."
"Sie reden von einer Landung, bei der wir beide sterben könnten!", entfuhr es Odo.
"Sie nicht, Gründer", widersprach Weyoun. "Diese Sicherheitskapsel wurde von den besten Technikern des Dominions eigens für eine solche Notsituation konstruiert und gebaut. Sie besteht aus einem extrem hitzebeständigen und stoßfesten Material. Also bitte..."
"Nein!" Damit wandte Odo sich wieder der Steuerungskonsole zu. Die Aufmerksamkeit des Wandlers wurde vollkommen von den blinkenden Anzeigen in Anspruch genommen. Daher entging ihm die Bewegung, mit der Weyoun ein kleines Gerät aus seiner Tasche zog. Einige Sekunden wog der Vorta es unentschlossen in der Hand, bevor er es auf Odo richtete und den daran befindlichen Schalter betätigte.
"Was soll...", begann Odo. Der Rest des Satzes endete in einem undeutlichen Blubbern als der Wandler seine Form verlor.
Weyoun sprang vor und fing die zähflüssige Masse mit dem Behälter in seinen Händen auf, bevor sie zu Boden fließen konnte. "Bitte verzeihen Sie mir, Gründer", murmelte der Vorta, während er die Sicherheitskapsel verschloss und sorgsam in der dafür vorgesehenen Halterung verstaute, bevor er sich an die Steuerungskonsole setzte. "Aber Sie haben mir leider keine andere Wahl gelassen."
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