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Und wenn das fünfte Lichtlein brennt...

von Oriane

Und wenn das fünfte Lichtlein brennt...

Und wenn das fünfte Lichtlein brennt...


Es fühlte sich nicht an wie Weihnachten. Captain Janeway stand schon sein geraumer Zeit mit vor der Brust verschränkten Armen in der Mitte des Bereitschaftsraums. Aus dem Fenster starrend versuchte sie vergeblich ein Gefühl von Vorfreude oder einfach nur Gemütlichkeit zu finden, das Weihnachten normalerweise in ihr ausgelöst hätte. Es war schwierig ein solches Gefühl zu finden, wenn das halbe Schiff nach einem Kampf mit den Hirogen in Schutt und Asche lag.
Normalerweise würde sie jetzt, wenn ihr Dienst es zuließ, zusammen mit Mark bei ihrer Mutter und ihrer Schwester sein, das große Haus schmücken, den Verwandten beim Streit zuhören, der unweigerlich jedes Jahr durch die Räume tönte und schon beinahe vermisst wurde, wenn er mal ausblieb und ihre Mutter davon abhalten, sich zu viel Arbeit zu machen.
Sie hatte es sich erst nicht eingestehen wollen, aber sie vermisste den Duft von Plätzchen und Räuchermännchen, die Phoebe jedes Jahr im ganzen Haus zu verteilen pflegte. Als die Voyager im Delta-Quadranten gestrandet war, waren sofort sämtliche Feste in den Hintergrund gerückt und niemand hatte nur einen Gedanken daran verschwendet, da sich alle darauf konzentrierten, schnellstmöglich wieder nach Hause zu gelangen. Ganze drei Jahre war Weihnachten nun ausgefallen und jetzt, ganz plötzlich, hatte Janeway eine seltsame Sehnsucht erfasst. Wonach, das wusste sie selbst nicht so genau.

Beinahe hätte sie den Türmelder überhört. Der Gedanke, ihn zu ignorieren blitze kurz in ihr auf, doch dann drehte sie sich um, setzte ein halbwegs optimistisches Gesicht auf und rief: „Herein!“
Es war Chakotay, der geschäftig mit einem PADD in der Hand eintrat.
„Captain, die Schäden an den Induktionsreaktoren sind weitestgehend repariert. Laut B'Elanna sollten wir bald wieder volles Warppotential zur Verfügung haben.“
Captain Janeway seufzte erleichtert. „Aktivitäten von Hirogen in der Nähe? Ich möchte denen heute nicht noch einmal begegnen.“
„Nein, wir scheinen nicht mehr ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Vermutlich sind wir nun zu schwache Beute“, schnaubte Chakotay.
„Wollen wir hoffen, dass Sie recht haben“, antwortete Janeway abwesend und bemerkte den Blick zuerst nicht, mit dem ihr erster Offizier sie musterte. Schnell schüttelte sie den Kopf und fragte: „Sonst noch etwas?“
Chakotay verschränkte die Arme hinter dem Rücken und ein vorsichtiger Ausdruck schlich sich auf sein Gesicht. „Ehrlich gesagt, Captain, gibt es noch etwas. Sie verstecken sich schon seit Stunden hier drin. Außerdem wirken Sie ein wenig abwesend. Irgendetwas beschäftigt Sie.“
Er brauchte nicht zu sagen, dass es nicht ihre Art war, sich nach einem schweren Kampf zurückzuziehen. Normalerweise tat sie alles in ihrer Macht stehende, um das Schiff schnellstmöglich auf Vordermann zu bringen. Heute aber hatte sie alles ihrem ersten Offizier überlassen. Er musste ihr ebenfalls nicht sagen, dass er sich Sorgen machte.
Eine Weile stand sie stumm vor ihm und überlegte, ob sie ihn mit diesem Problem auch noch belasten konnte. Niemand auf dem Schiff hatte es momentan leicht, es waren unruhige Zeiten.
„Wissen Sie, welches Datum heute ist?“, fragte sie dann entschlossen.
„Sternzeit 51456,5“, antwortete Chakotay irritiert.
Der Captain schüttelte den Kopf. „Nein, ich meinte das Datum aus irdischer Sicht. Es ist der 23. Dezember. Morgen ist heilig Abend. Ich weiß, dass Sie kein Christ sind und ich bin es eigentlich auch nicht. Es ist seit Jahrhunderten eher ein Familienfest, als ein christlicher Feiertag, aber...“ Sie stockte kurz und begann, im Raum auf und ab zu laufen. Erst, als sie glaubte, die richtige Formulierung gefunden zu haben, blieb sie stehen. „...es ist ein wichtiges Fest. Und wir haben es drei ganze Jahre lang einfach vergessen.“
Chakotay nickte und versuchte, ihr eine möglichst gute Antwort zu geben. Er war froh, dass sie sich ihm geöffnet hatte und mit ihm über das sprach, was sie beschäftigte. Immerhin tat sie das viel zu selten.
„Wer kann es Ihnen übel nehmen? Immerhin hatten wir in den letzten drei Jahren wirklich keine Langeweile. Und so weit von der Erde entfernt es es vermutlich normal, dass irdische Bräuche und Feste in den Hintergrund rücken.“
Captain Janeway seufzte. „Aber dann muss man sich doch fragen, was Weihnachten eigentlich ausmacht? Was gibt es auf der Erde, was hier im Delta-Quadrant nicht zu existieren scheint? Warum genau ist es Weihnachten, dass viele Menschen so groß feiern?“
Sie hielt inne, als sie merkte, dass sie wieder angefangen hatte, auf und ab zu laufen. Dann fiel ihr noch etwas ein. „Meine Güte, bin ich unhöflich, stelle Ihnen komplizierte Fragen und komme nicht auf die Idee, Ihnen etwas anzubieten. Funktionieren die Replikatoren wieder?“
Chakotay lächelte gutmütig und durchquerte den Raum, um auf dem Sofa Platz zu nehmen. „Ja, sie funktionieren wieder, wenn auch etwas widerwillig. Ich hätte gerne einen Tee, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“
Janeway nickte nur und bestellte seinen Tee und für sich einen Kaffee. Dann setzte sie sich zu ihm.
In aller Seelenruhe nahm er einen Schluck aus seiner Tasse und versuchte dann, so gut es ging, ihre Fragen zu beantworten.
„Die Händler sind immer die ersten, die an Weihnachten denken. Immerhin versuchen sie schon im September, Profit zu machen, der einem Ferengi würdig ist. Und so wird man eben daran erinnert. Ich könnte mir gut vorstellen, dass ohne das Weihnachtsgeschäft viele Menschen das Fest einfach vergessen würden, so wie es uns in den letzten drei Jahren passiert ist.“
„Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Sie meinen also, nur weil wir auf der Voyager keine Einkaufsmeile haben, konnten wir Weihnachten vergessen?“, fügte sie amüsiert hinzu.
Ein klein wenig verlegen antwortete Chakotay: „So habe ich das nicht gemeint.“
Sie nahm einen Schluck Kaffee und starrte dann eine Weile irgendwo ins Leere, tief in Gedanken versunken. Ihr erster Offizier betrachtete sie von der Seite. Immer, wenn es ihr nicht gut ging, hatte er das seltsame Bedürfnis, diesen Zustand zu ändern, ihr Kraft zu geben und sie wieder zum Lachen zu bringen. „Was genau ist es, das Sie vermissen?“, fragte er leise.
„Der Geruch von Zimt, von Tannen und Räuchermännchen. Kerzenschein und das Lichtermeer auf dem Weihnachtsmarkt in San Franzisco. Erst jetzt, wo wir so weit von alldem weg sind, frage ich mich, warum ich eigentlich jedes Jahr, ohne darüber nachzudenken, Weihnachten gefeiert habe.“
Bilder zogen an ihrem inneren Auge vorbei. Erinnerungen, gemischt mit Wünschen.
„Früher haben die Menschen aus religiöse Gründen gefeiert. Sie haben beispielsweise auch Erntedank oder Christi Himmelfahrt gefeiert, sind in die Kirche gegangen um ihrem Gott nahe zu sein. Heute kennen die meisten diese Feste nur noch vom Namen her. Sie sind praktisch ausgestorben, nur Weihnachten nicht.“
„Ich denke, es ist das, was Sie bereits gesagt haben“, überlegte Chakotay. „Die Atmosphäre, sie bewegt etwas in den Menschen. Einerseits bringt sie Hektik, denken Sie nur an Weihnachtseinkäufe, andererseits löst sie eine Ruhe aus, die zum Nachdenken anregt. Wenn Sie überlegen, wem Sie was schenken sollen, bekommen Sie eine neue Sicht auf Ihre Beziehung zu Freunden und Familie. Ihnen wird vielleicht klar, was Sie vermissen würden, oder was Sie ändern sollten.“
Sie dachte über seine Worte nach. Natürlich vermisste Sie ihre Familie und ihr Zuhause, an keinem einzigen Tag im Delta-Quadranten konnte sie das vergessen. Aber mehr und mehr wurde ihr klar, dass sie so viel gewonnen hatte in den letzten drei Jahren. Wäre Sie in diesem Moment auf der Erde, würde ihr an Weihnachten ihre Crew fehlen. Unwillkürlich überlegte sie, was sie ihnen schenken würde. Harry, Tom, B'Elanna, Tuvok, obwohl er natürlich ebenfalls kein Weihnachten feiern würde, Chakotay – ja vielleicht sogar besonders Chakotay.
Beinahe liebevoll legte sie ihre schmale Hand auf sein Knie. „Ich danke Ihnen.“
Er lächelte und erwiderte ihren Blick. „Keine Ursache.“
„Was meinen Sie, wäre es eine gute Idee, die Crew an Weihnachten zu erinnern? Oder ist es dafür bereits zu spät?“
Chakotay schüttelte den Kopf und erhob sich. Sie tat es ihm nach, griff nach den beiden Tassen und recycelte sie. „Zu Spät ist es auf keinen Fall. Oder hängt Weihnachten unbedingt vom 24. Dezember ab? Vielleicht könnten Sie zu Anfang ein Räuchermännchen auf ihrem Schreibtisch platzieren.“
Ein breites Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, während er den Bereitschaftsraum verließ. Und bevor eine Stimme in ihrem Kopf protestieren konnte, hatte sie schon beschlossen, seinem Rat zu folgen.
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