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Langeweile

von VGer

Langeweile

Es war das Jahr, in dem die Kinder beinahe einen diplomatischen Eklat heraufbeschworen. Schadensbegrenzung stand an der Tagesordnung, und jede Menge Romulaner von der ungehalten zornigen Sorte. Botschafterin Miral Paris verdrehte völlig undiplomatisch die Augen, denn davon einmal abgesehen konnte sie nicht mehr viel tun.

„Ich bring’ sie um, Kev, ich schwör’s. Ich bring’ sie um bis sie tot sind.“, grummelte sie später in das zweisame Dunkel ihres Schlafzimmers und der andorianische Captain lachte nur während seine Frau alle möglichen Bestrafungsmethoden für ihre Kinder ersann, von den Unmöglichen ganz zu schweigen. Er kannte sie, und er kannte ihre Kinder, und eben deshalb nahm er das alles nur halb so ernst.
„Du kannst sie ja zurückgeben, zumindest zwei von ihnen.“, sagte Keval, nur halb ernsthaft, und er hätte wissen müssen, dass ausgerechnet dieser blöde Kommentar und sein scherzhafter Tonfall dabei sie noch wütender machen würde. Die Männer klingonischer Frauen mussten sich häufig ducken, das wusste er, und da er zufällig eine klingonische Würdenträgerin geheiratet hatte, duckte er sich rein prophylaktisch.
„Ich kann sie nicht zurückgeben, keinen von ihnen, und das weißt du.“, brüllte Miral und drehte ihm zornig den Rücken zu um nicht handgreiflich zu werden. „Was du machst wenn du zehn Lichtjahre weit weg bist ist deine Sache, aber jetzt bist du hier und ich brauche dich an meiner Seite. Wehe du stellst Laya noch einmal über die Zwillinge nur weil sie deine leibliche Tochter ist, Mister Weycori. Wir haben dieselbe Verantwortung für alle drei, und alle drei sind gleich jung und gleich dumm.“
„Wenn ich darüber nachdenke war es wahrscheinlich sogar Layas Idee. Alles was mit Shuttles zu tun hat ist meistens Layas Idee.“, sagte Keval versöhnlich.
„Du warst ja auch dumm genug ihr das Fliegen zu lehren, Mister Weycori.“, knurrte Miral.

Sie redeten noch lange in jener Nacht, und mit dem künstlichen Morgengrauen, das die Systeme der Station über sie hereinbrechen ließen weil sie keine Sonne hatten um die sie rotierten, kam eine Lösung. Nicht zufriedenstellend, aber es war zumindest ein Anfang. Dass es der Anfang vom Ende sein sollte, das wussten sie noch nicht.




*



Wenn ihnen langweilig war stahlen sie Shuttles, und ihnen war oft langweilig. Deep Space Four war eine kleine Raumstation, mit nicht einmal zehntausend Einwohnern eine der kleinsten der Föderation, und sie hatte, wohl auch bedingt durch ihre Lage mitten im Nirgendwo kurz vor der Romulanischen Neutralen Zone und gleich neben der Typhon-Ausdehnung, einem stellaren Phänomen das der Definition von „Nirgendwo“ ziemlich nahe kam, nicht viel zu bieten, verdammt, man konnte sogar die Grenze des Föderationsterritoriums sehen wenn man sich an die Shuttlerampe stellte und die Augen nur fest genug zusammenkniff. Sie waren jung und hatten nichts besseres zu tun, also stahlen sie Shuttles, wobei man eigentlich nicht vom Stehlen reden konnte wenn der Chief, selbst noch fast ein Bursch von kaum fünfundzwanzig Jahren der sich nach einer Strafversetzung widerstrebend hier draußen wiedergefunden hatte, einfach ein Auge oder gleich beide zudrückte sobald er ihnen das höchstheiligste und allergeheimste Versprechen abgenommen hatte, dass sie nichts kaputt machen und niemandem etwas verraten würden. Telayas türkiser Charme, und ein unschuldiges Küsschen auf die Wange des jungen Chiefs, war es, der ihnen das Shuttle und damit alle Möglichkeiten besorgt hatte.

Hier draußen gab es auch nicht viel kaputtzumachen, diagnostizierte Telaya Paris mit der unendlichen Weisheit ihres jugendlichen Alters. Von ein paar verirrten Asteroiden und einem kleinen Sternensystem einmal abgesehen gab es genau gar nichts im Umkreis von zehn Lichtjahren, außer man flog in die Typhon-Ausdehnung oder in die Neutrale Zone, doch auch wenn sie wahnsinnig waren, so lebensmüde dann auch wieder nicht.

„Ich dreh’ ab.“, sagte Telaya.
„Wa yeah!“, schrie Teddy.

Und sie drehte ab und ließ das Shuttle antriebslos und schwerelos im Nichts trudeln so lange bis ihnen schwindlig wurde.

„Sie sind irre.“, sagte Jack.
„Sind sie, und wir lieben sie deswegen.“, kicherte Melis.

Den Verstand hatten sie ebenfalls ausgeschaltet, alle vier, und sie fanden es phantastisch.

„Bist du bereit?“, fragte Telaya.
„Immer, wenn du es bist.“, bestätigte Teddy.

Und sie aktivierte abrupt den Antrieb, riss das taumelnde Shuttle herum und begann einen Aufstieg, der ihnen allen noch tagelang in den Ohren – und in einem Fall auch in den Antennen – rauschte. Die Typhon-Ausdehnung, imposant wie sie auch erscheinen mochte, erstreckte sich ihnen turbulent zu Füßen während sie in einem irren Tempo ganz knapp daran vorbei rauschten. Sie waren frei.

„Teddy!“, schrie Telaya entnervt und hieb ihre Finger auf die Konsole. „Nicht blöd glotzen, navigieren!“



*



„Hier draußen gibt es nichts und niemanden, außer uns.“, sagte Teddy leise auf einer ihrer nächsten Expeditionen.

Sie waren allein, beinahe gelähmt vom Nervenkitzel, und die schale Ausrede für eine Brücke über die dieses Shuttle verfügte war rundum verglast. Als er sich umdrehte hatte Telaya ihren selbstauferlegten Posten an der Navigationskonsole verlassen und lag rücklings am Boden während der Autopilot lief, der Kurs war gesetzt und mehr als Warp 3 konnte das Shuttle sowieso nicht. Sie starrte nach oben, auf die Sterne, und es war allein ihr Anblick, der Teddy dazu verleitete rasch ein paar Knöpfe auf seiner Konsole zu drücken und sich neben sie zu legen. Ein Schweif an Sternen raste im Warprausch an ihnen vorbei, ein Phänomen von unglaublicher Schönheit dem sie sonst kaum Beachtung schenkten, zu selbstverständlich war es für sie, die mitten unter Sternen geboren waren. Sie verstanden wortlos und sprachen nicht, während Telaya Teddys Hand nahm und er ihre Antenne umfasste.

„Du weißt gar nichts, Teddy Janeway.“, flüsterte Telaya, doch sie wusste nicht warum, denn außer ihnen beiden war niemand im Shuttle.
„Ich weiß genug.“, flüsterte Teddy heiser zurück. „Ich scheiß’ auf sie alle, hier draußen, solang’ ich hier bin. Scheiß’ auf das Universum.“

Telayas Augen glühten violett, als sie den Blick von den Sternen nahm und ihn ansah. Sie erinnerte sich an den verlassenen Siebenjährigen, der einfach so in ihr Leben gepurzelt war, und sie sah Teddy, ein halbes Leben später, jetzt mit einem schiefen Grinsen vor ihr. Just in dem Moment als sie sich fragte was das alles sollte und ob sie vielleicht Angst haben sollte zog er sie in eine atemberaubende Umarmung.

„Du bist die Beste.“, sagte er.
„Ich hab’ dich lieb.“, sagte sie.



*



„Glaubt ihr, wir schaffen’s bis Deep Space Five?“, fragte Teddy.
„Ja. Aber wieso ausgerechnet Deep Space Five?“, fragte Telaya zurück.
„Weil dort eine Außenstelle der Sternenflottenakademie ist, Dummkopf.“, konterte Teddy.
„Um was zu tun?“, fragte Jack.
„Frag’ nicht so blöd!“, antworteten Teddy und Telaya unisono wie so oft.
„Die Aufnahmeprüfung?“, fragte Jack nochmals, diesmal völlig entgeistert.
„Klar. Ich bin dabei.“, lachte Telaya.
„Sowieso.“, bestätigte Teddy.
„Ich auch.“, sagte Melis.
„Na gut.“, sagte Jack.

Erst dann drehten sich drei der vier zur vierten um, mit weit aufgerissenen Augen, als hätten sie überhört was sie gesagt hatte.

„Du auch, Mel?“, fragte Telaya, sprachlos wie sie alle.
„Ja.“, sagte Melis unbeirrt. „Warum auch nicht?“
„Weil du kein Föderationsbürger bist, Dummkopf.“, sagte Teddy kopfschüttelnd und fuchtelte mit seinem Zeigefinger wild vor Melis’ Gesicht herum. „Du... du hast Ohren!“
„Du hast auch Ohren, Dummkopf, auch wenn du sie meistens nicht zum Hören benutzt.“, lachte Melis und überspielte ihre so untypische Unsicherheit mit Humor. „Alle haben Ohren. Manche sind sogar so spitz wie meine.“
„Du bist Romulanerin, Mel.“, sagte Teddy augenrollend.
„Ohje, das hatte ich doch glatt für einen Moment vergessen.“, zischte Melis mit angsteinflößendem Zynismus.
„Na und wenn schon.“, zuckte Telaya mit den Schultern. „Ich war schon öfter auf Q’onoS als Mel irgendwo im Imperium war, und seltener auf Andoria und der Erde. Also?“
„Seid doch realistisch, sie ist die Tochter des verdammten Botschafters!“, widersprach Jack.
„Das bin ich auch, verdammt.“, schrie Telaya.
„Des anderen Botschafters. Du besitzt eine doppelte Territorialaffiliation, das ist etwas anderes.“, sagte Jack sachlich.
„Und ich breche meinen Großeltern das Herz wenn ich die klingonische zurücklegen muss um zur Sternenflotte zu gehen.“, sagte Telaya, so unterdrückt und leise schwärend wie es nur Andorianer konnten. „Aber ich will doch nur fliegen.“
„Verfluchte Scheiß-Grenze. Verfluchte Scheiß-Politik. Aber ihr kennt mich, was soll ich denn sonst tun?“, fragte Melis rhetorisch in die Runde und keiner hatte eine Antwort. „Wenn ich nicht mit euch gehe, gehe ich nirgendwohin.“

Es war Übermut, der die Welt veränderte, und Langeweile war der beste Nährboden für Übermut.



*



Beim nächsten Mal als sie ein Shuttle stahlen hatten sie einen Plan und schafften es bis Deep Space Five. Und sie legten die Aufnahmeprüfung für die Sternenflottenakademie ab, selbstsicher wie sie waren verschwendeten sie kaum einen überflüssigen Gedanken daran, weil sie vier waren und deshalb phantastisch und weil das Universum ihnen zu Füßen lag.



Zurück im Shuttle küsste Teddy Melis, kommentarlos.

„Du bist in Schwierigkeiten, Mel.“, sagte er dann.
„Das ist es mir aber wert.“, antwortete sie ohne nachzudenken.

Und dann küsste sie ihn zurück. Es war der erste Kuss für beide, atemlos und linkisch, und weder Jack noch Telaya, die am Steuer saßen und sie möglichst sicher wieder nachhause brachten, ahnten irgendetwas davon während das Spektakel der Typhon-Ausdehnung vor ihnen immer größer wurde. Telaya, hätte sie davon gewusst, hätte ihm bestimmt eine massive Kopfnuss verpasst dafür, dass er heimlich mit ihrer besten Freundin, der Tochter des imperialen romulanischen Botschafters, herumknutschte. Doch sie würde es nie erfahren.

„Du gehst mit uns oder du gehst nirgendwohin.“, sagte Teddy entschlossener als je zuvor. „Wir gehen mit dir oder wir gehen nirgendwohin.“

Melis streckte ihre Hand aus und wühlte ihre Finger durch Teddys Haar. Er lächelte und küsste die Fingerspitzen ihrer anderen Hand, leise kichernd. Dass er unheimlich verliebt war, das wusste er schon länger, er hatte es nur noch niemandem gesagt, nicht einmal Telaya, der er sonst wirklich alles sagte.

„Wir sind jetzt fast fünf Jahre hier. In nicht einmal drei Monaten wird mein Vater abberufen. Er lässt sich zurück ins Imperium versetzen, er ist inzwischen alt genug um nicht mehr jeden extraterritorialen Posten annehmen zu müssen, er hasst es nicht im Imperium zu sein und meine Mutter noch mehr.“, sagte Melis leise. „Ich muss zurück, ob ich es will oder nicht. Und ich will nicht.“
„Scheiße.“, platze Teddy heraus, und es war ihm als ob ein antikes romulanisches Folterinstrument, und derer gab es viele, seine Kehle zuschnürte.
„Ich weiß nicht was ich sonst tun soll, ich weiß nicht einmal, wohin ich zurück soll. Es gibt kein zurück, wenn du mich fragst, aber mich fragt ja keiner. Ich war doch noch ein Kind, als wir hierher gekommen sind, und davor waren wir fünf Jahre lang auf der Erde stationiert. Ich kenne nichts anderes als die Föderation, alle meine Freunde sind hier und ich will die Schule fertigmachen und...“ Melis stockte und sah Teddy aus großen wässriggrünen Augen an.
„...und deswegen willst du auch zur Sternenflotte.“, schlussfolgerte Teddy. Plötzlich verstand er alles.
Teddy nahm Melis in die Arme und streichelte über ihren Kopf, der haltsuchend an seiner Schulter lag. Melis, Melis, Melis... All die herrlich schlüpfrigen Träume, die sein testosterongetränktes Teenagerhirn in letzter Zeit von genau dieser Situation zusammengeträumt hatte, und all die allzuplastischen Vorstellungen davon was er mit Melis gerne tun würde wenn er sie denn endlich einmal in seinen Armen hielt, waren wie weggeblasen, und als er diesen Gedanken zuende dachte fiel ihm auf, dass er nicht einmal den Teil in dem es ums Blasen ging mehr lustig fand.

„Ich lass’ dich nicht im Stich, Mel. Niemals. Ich versprech’s.“, flüsterte er ernsthafter und aufrichtiger als er je zuvor gewesen war.



*



Sechs Wochen später erwartete Telaya Paris völlig unerwartet die Apokalypse.

„beHom’wI’ mav’ loQ? puq’pu’wI’ QeH?“, schrie Miral, klingonisch wie immer wenn sie wütend war. Ob ihre Tochter ein wenig den Verstand verloren hatte? Ob ihre Kinder verrückt seien?
„SoSoy’neS!“, schrie Telaya zurück, liebe Mutter, verehrte Mutter, denn die verstand sie gerade gar nicht mehr.

Miral knallte ein PADD auf den Tisch, Telaya las und beide schäumten eisig schweigend vor sich hin. Als sie endlich begriff was sie da las fiel Telayas Mund weit auf und das PADD auf den Boden.

„Was auch immer das sollte, vergesst es.“, fauchte Miral. „Ich komme gerade aus einer Krisensitzung mit Botschafter Qellar. Er ist außer sich, mehr noch als das. Du glaubst du weißt alles, mein Kind, du glaubst du bist schlau, aber du hast keine Ahnung wozu ein wütender Romulaner imstande ist der seine Tochter in Gefahr glaubt und an jeder Ecke eine Verschwörung sieht, und glaube mir, Romulaner wittern immer und überall Gefahr und Verschwörung. Ihr habt Scheiße gebaut, du und die Zwillinge und Melis, diesmal aber wirklich. Ihr seid eine Schande und der Flotte nicht würdig.“
„Mel?“, fragte Telaya sofort, ein kurzes Wort nur und ganz ängstlich, und für einen Moment schien ihre Mutter zu erweichen, weil das unmögliche türkise Mädchen, das sie großgezogen hatte, selten an sich sondern immer zuerst an die, die sie liebte, dachte.
„Ich weiß es nicht, puqbe’wI’.“, sagte Miral einigermaßen versöhnlich und mindestens ebenso besorgt. „Ich weiß auch nicht wie die Information zu Qellar durchdringen konnte, und über die Konsequenzen für Melis wollte er mir nichts sagen, aber so ist es leider. Ich konnte ihn zumindest davon überzeugen, dass das nur ein dummer Streich von euch Kindern war und keine perfide Verschwörung unseres Geheimdienstes.“
„Wir wollten das wirklich. Das war kein dummer Streich.“, sagte Telaya leise.
„Ich weiß, aber das macht keinen Unterschied.“, sagte Miral scharf und wiederholte jedes ihrer Worte mit tief gegrolltem klingonischem Nachdruck. „Es macht keinen Unterschied, gar keinen, jetzt nicht mehr, für euch nicht und für Melis schon gar nicht, hast du das verstanden?“
„Ja.“, knirschte Telaya.
„Für Melis kann ich nichts mehr tun. Diplomatische Immunität, du weißt. Sie ist jetzt in den Händen ihres Vaters und was mit ihr passiert ist Sache der Romulaner und nicht meine, auch wenn wir hier nominell auf Föderationsterritorium sind. Qellar würde uns vermutlich Bomben um die Ohren schmeißen oder uns eine ganzes Geschwader Warbirds in voller Tarnung und Bewaffnung an den Hals hetzen wenn ich mich weiter einmische.“, erklärte Miral mit ehrlichem Bedauern und noch ehrlicherer Sorge, schließlich hatte sie Melis aufwachsen sehen und mochte das Mädchen.
„wejpuH! Diplomatische Immunität ist scheiße!“, schrie Telaya aufgebracht.
„Diplomatische Immunität ist immer nur dann scheiße, wenn man am anderen Ende sitzt.“, bemerkte Miral abgeklärt. „Ich habe alle meine Beziehungen genutzt und Mel eine Nachricht zukommen lassen. Wenn sie wirklich in Schwierigkeiten ist, dann steht unsere Türe immer offen, das weiß sie auch. Und damit meine ich nicht nur uns als Familie, sondern die Föderation als Ganzes. Wenn es hart auf hart kommt kann sie Asyl beantragen und wir werden es ihr sofort gewähren. In die Sternenflotte eintreten zu wollen ist kein Verbrechen. Das weiß sie, und das weiß auch das gesamte diplomatische Corps von hier bis Gagarin.“
„Station Gagarin?“, stammelte Telaya, „Das... das ist am anderen Ende der Neutralen Zone, am anderen Ende des Romulanischen Raums.“
„Ja, eben. Und ich habe auch deiner Großmutter auf Q’onoS eine Nachricht geschickt, damit sie die Diplomaten an der klingonisch-romulanischen Grenze informiert.“, sagte Miral und seufzte. „Ich hoffe, es ist nur eine Sicherheitsmaßnahme. Wenn nicht riskieren wir einen Krieg für Melis und für eure unbändige Dummheit.“
Telaya schluchzte auf und ließ sich der unbändigen Wut und Schuld zum Trotz in der Umarmung ihrer Mutter beruhigen.
„Ihr seid euch bewusst, dass das Konsequenzen hat?“, fragte Miral und stand wieder auf, ließ die Mutter hinter sich und nahm wieder die Gestik und Mimik einer knallhart verhandelnden Diplomatin auf. Auf die Antwort wartete sie nicht. „Keval und ich sind einer Meinung, also versucht nicht erst zu diskutieren, es ist beschlossene Sache. Keiner von euch geht zur Sternenflotte, keiner von euch geht an die Akademie, noch nicht. Was auch immer ihr damit beweisen wolltet, ihr habt nur eins bewiesen, nämlich, dass ihr noch längst nicht reif dafür seid. Mit den Zwillingen rede ich noch, aber du gehst mit deinem Vater auf die Calliope wenn sie in zehn Tagen das nächste Mal ausläuft, und du gehst allein. Du wolltest ein Schiff, Telaya Paris Weycori, puqbe’wI’, du sollst eins bekommen. Neun Monate Tiefenraum. Das ist genug Abenteuer und genug Langeweile. Dann sehen wir weiter.“
Telaya japste hilflos, wie ein Fisch auf dem Trockenen, wie ein Andorianer in der prallen Sonne von Q’onoS, wie ein Klingone im ewigen Eis Andorias, wie ein Mensch in Bedrängnis. Doch ihre Mutter wollte von all dem nichts wissen, sie wandte sich ab und ging.

„Qu'vatlh, Laya’wI’. Warum vertraut ihr mir nicht?“, fragte Miral doch noch, kurz bevor sie den Raum endgültig verließ.
„SoSoy?“, fragte Telaya unsicher.
„Ich weiß, dass es euch ernst war, ich kenne euch.“, sagte Miral, so beiläufig wie möglich in den Türrahmen gelehnt und doch noch mit einer Unmenge an klingonischen Flüchen auf den Lippen. „Ihr hättet mit mir reden müssen und ich hätte euch unterstützt, keine Frage, auch Melis, vor allem Melis. Ihr hättet es mir sagen müssen und ich hätte einen Weg gefunden, einen sicheren. Aber ihr habt euch davongeschlichen und ein Shuttle gestohlen um euren Träumen nachzujagen, beim gh’etor, ihr habt euer Ego über eure Sicherheit gestellt. Ich habe euch nicht zu petaQ erzogen.“
„SoSoy...“, sagte Telaya mit erstickter Stimme.
„Ich bin unglaublich enttäuscht von euch.“, knurrte Miral mit letzter Kraft, und hätte sie die automatische Türe hinter sich zuknallen können, sie hätte es getan.

Telaya sank zurück auf die Couch und heulte erst auf, als sie sich sicher sein konnte, dass ihre Mutter nichts mehr davon mitbekam. Dann pflückte sie das PADD vom Boden und starrte nochmals ungläubig auf die Worte, die gelbschwarz vor ihren Augen waberten.

Sie hatte bestanden. Jack hatte bestanden. Melis hatte bestanden. Teddy nicht.

Weil es jetzt eh schon egal war, sagte sie es ihnen nicht.



*



Keval und sie selbst waren sich einig gewesen, dass es eine gute Idee war, das infernale Trio zu trennen, denn jeder für sich konnte weniger Schwierigkeiten machen als alle drei zusammen, doch inzwischen war Miral Paris sich ihrer Sache nicht mehr so sicher.

„Sie sind weg.“, analysierte Teddy kleinlaut.

Mit dem renitenten Burschen, dem sie vor ein paar Wochen noch angedroht hatte ihn nach Q’onoS zu schicken, weil etwas klingonische Disziplin ihm bestimmt guttun würde, hatte der Teddy, der nun vor ihr saß, kaum mehr etwas gemein. Sie fragte sich zum wiederholten Male, ob sie das Richtige getan hatte, ob sie nicht mehr hätte tun können.

„Sie kommen zurück.“, sagte sie schlicht. „Wir werden sie finden. Wir werden auf sie warten.“



Langeweile war wahrscheinlich das letzte Wort, das Miral Paris einfiel wenn sie über ihren Beruf redete. Zwar war das Meiste alltäglich und langweilig, aber wenn es ums Wesentliche ging, war es umso aufregender, weil so gut wie immer alles oder nichts auf dem Spiel stand. Das war es, was sie als junge Frau so verlockend und attraktiv gefunden hatte, was sie dazu bewogen hatte, ihren Dienst in der Sternenflotte zu quittieren obwohl sie damals schon ein Lieutenant war dessen Karrieresterne gut standen, und die Diplomatische Akademie zu absolvieren.

„Bei allem gebührenden Respekt, Exzellenz, diese Information kann und werde ich Ihnen nicht weitergeben, das ist eine interne und rein romulanische Angelegenheit.“, beharrte Botschafterin Aristea.
„Das ist mir bewusst, und meine Anfrage war nicht offizieller Natur, Exzellenz.“, antwortete Miral Paris kontrolliert und mit ausnehmender Höflichkeit, und versuchte dennoch unterschwellig an ihr grünes Herz zu appellieren. „Meine Kinder waren mit Botschafter Qellars Tochter befreundet, und sie würden ihr gerne eine Nachricht zukommen lassen, nachdem er und seine Familie nach ihrer Ablösung leider sehr rasch abgereist sind. Sie hatten keine Gelegenheit sich zu verabschieden.“
„Das ist bedauerlich, werte Kollegin, doch nicht zu ändern. Ich nehme an, Ihr Diplomatisches Corps funktioniert nach denselben Regeln wie meines.“, antwortete die neue Botschafterin kurz angebunden.
„Ich bin Diplomatin, Tochter von Diplomaten, und als solche habe ich die Erfahrung gemacht, dass Mitgefühl und kollegiales Entgegenkommen oft mehr Türen öffnen als Verträge und Verhandlungen.“, konstatierte Miral entschlossen, obwohl sie wusste, dass sie sich verdammt weit aus dem Fenster lehnte.
„Es tut mir leid, dass ich nichts weiter für Sie tun kann, es liegt nicht in meiner Macht.“, sagte die Romulanerin kalt und nickte in Richtung der Tür. „Jolan Tru.“
„Jolan Tru Ihnen auch.“, schnappte Miral und schickte beim Hinausgehen einige stimmlose klingonische Flüche hinterher.

Verdammte Romulaner. Sie hatte immer geglaubt, dass Qellar ein Albtraum war, und sie hatte sich geirrt. Wer auch immer diese Aristea war, seine Nachfolgerin die erst seit ein paar Tagen auf der Station war, sie war jetzt schon schlimmer.

Zurück in ihrem Büro aktivierte sie umgehend ihr Kommunikationsterminal, gab die Codes für die Langstreckensubraumkommunikation ein und wartete eine halbe Ewigkeit. Als das vertraute Gesicht ihrer Mutter erschien, war sie erleichtert wie selten zuvor.

„SoSwI’.“, sagte sie müde, meine Mutter.
„nuqneH puqbe’oy.“, sagte B’Elanna, ich grüße dich, wie geht es dir, geliebte Tochter.
„Beschissen, um ehrlich zu sein.“, sagte Miral. „Ist vav da?“
„Er ist in einer Ratssitzung, das kann dauern. nuqneH?“, fragte B’Elanna noch einmal, was ist denn los? Und Miral erzählte ausführlich.
„Sei ihnen nicht böse, Miraloy. Alle Kinder tun irgendwann das Falsche, nur die wenigsten tun es aus den richtigen Gründen. Aber deine Kinder sind gute Kinder.“, sagte B’Elanna schließlich, und es waren weise Lachfältchen die ihre Augen umspielten.
„Das hilft mir jetzt auch nicht weiter, SoSoy.“, gestand Miral mit einem kleinen Lächeln.
„Das dachte ich mir auch oft, als du in dem Alter warst.“, schmunzelte B’Elanna und Miral lachte.
„Spaß beiseite, SoSoy.“, sagte Miral dann, schlagartig wieder ernst. „Ich frage als deine Kollegin, nicht als deine Tochter: wie gut sind deine Kontakte ins glorreiche und immerwährende Romulanische Sternenimperium?“
„Deshalb wolltest du also deinen vav sprechen. bIHnuch, sei doch klingonisch und nicht diplomatisch!“, sagte B’Elanna frustriert. „Ich bin deine Mutter, kein Kollege dessen Loyalität du bezweifeln müsstest. Als Kollegin kann ich dir nichts sagen was du nicht schon weißt, als deine Mutter jedoch...“
„Sprich, SoSoy!“, knurrte Miral ungeduldig.
„Worf hat eine gute alte Freundin, Ba’El, ein klingonisch-romulanischer Hybrid. Was sie macht und wo sie ist kann ich dir nicht sagen, ich habe sie lange nicht mehr gesehen, aber er weiß das bestimmt.“, nickte B’Elanna enthusiastisch. „Und außerdem ist da noch Alexander’qoH puqloD-ma' puqloD-Worf...“
„Ich weiß, deshalb frage ich. Über diese Ba'El weiß ich nichts, aber Alexander ist loDnI'wI', mein Bruder, auch wenn du ihn einen Schwachkopf nennst. Ich konnte rein gar nichts in Erfahrung bringen. Auf offiziellem diplomatischem Wege bekomme ich keine Verbindung zu ihm, und auf zivilem keine die sicher genug ist.“, bedauerte Miral. „Ich weiß, dass Sovereign etwas ist worüber man lieber sehr still schweigen sollte, aber ich weiß auch, dass er immer noch romulanische Kontakte hat. Wenn die je für etwas gut waren, wann wenn nicht jetzt.“
„Überlass’ das nur Worf. Du bist sein kleines Mädchen und er konnte dir noch nie einen Wunsch verwehren, für dich setzt er eigenhändig alles von ghe’thor bis Sto’vo’qor in Bewegung. Ich werde es ihm sagen, und er wird dich kontaktieren sobald er kann, oder sobald er dir irgendwie helfen kann; auch wenn ich es höchst unvernünftig finde, fahrlässig sogar, und ich werde entschieden protestieren.“, sagte B’Elanna scharf.
„Es ist mir egal, solange wir Melis finden. Egal wie.“, sagte Miral schließlich, nach einer langen Nachdenkpause in der die über so viele Lichtjahre ausgetauschten Worte allmählich sickerten.
„Du riskierst viel für die Tochter eines romulanischen Botschafters.“, sagte B’Elanna, und die Kritik in ihrer Stimme ließ sich kaum verbergen.
„Du weißt, was Freundschaft und Familie bedeutet, SoSoy.“, sagte Miral ganz ruhig. „Ich habe ihretwegen einen diplomatischen Eklat abgewendet, und ich war stolz darauf, aber es war nicht genug und das war mein Fehler. Melis ist viel mehr als nur ein romulanisches Mädchen.“
„Ich muss dich warnen, puqbe’wI’“, meine geliebte Tochter, lächelte B’Elanna plötzlich wieder milde, „Du tust wahrscheinlich das Falsche, aber du tust es aus den richtigen Gründen und das ist gut so. Qapla’, Miraloy.“
„Qapla’, SoSoy’wI’.“, nickte Miral, nicht ohne hastig etwas hinzu zu fügen, das eine Wort das die klingonische Sprache nicht kannte und das ihr doch so wichtig war. „Danke.“

Das mütterliche Gesicht verschwand und wurde durch ein steriles Logo des Diplomatischen Corps der Föderation ersetzt. Miral Paris atmete aus.



*



Die U.S.S. Calliope, ein winziges Nova-Klasse-Forschungsschiff mit 27 Mann Besatzung, das vor allem für die Stellarkartographie spezialisiert war, hatte gerade Deep Space Six, den wirklich äußersten Posten im Föderationsterritorium, der so abgelegen war dass selbst Deep Space Four daneben wie eine Metropole von galaktischer Bedeutung erschien, verlassen, als die Nachricht hereinkam.

„Subraumnachricht für dich, kleine Weycori.“, raunte Teero Berit, die bajoranische Kommunikationsoffizierin, zum jüngsten Besatzungsmitglied. „Nimm’ sie irgendwo an wo dich keiner hören kann, vor allem nicht der Captain, und beeil dich.“
„Sind Sie sich sicher, Lieutenant?“, fragte Telaya ungläubig.
„Frag nicht, geh. Und sag’s nicht dem Captain.“, war die knappe Antwort.

Es war höchst merkwürdig und Telaya wunderte sich. Solange sie in Reichweite waren hatte sie noch oft mit ihrer Mutter und allen anderen zuhause auf Deep Space Four gesprochen, und es gab nie einen Grund für Geheimniskrämerei. Als sie, versteckt im hintersten Winkel des hydroponischen Gartens, das Terminal aktivierte, war es Teddys Gesicht das auf dem Bildschirm erschien. Sie sah seine vertrauten Gesichtszüge, seinen unordentlichen dunklen Haarschopf, seine noch dunkleren mandelförmigen Augen, und dann erstarrte sie. Irgendetwas war nicht in Ordnung, ganz und gar nicht in Ordnung. Sie kannte ihn schon ihr ganzes Leben lang, sie waren aufgewachsen wie Geschwister, und doch hatte sie ihn noch nie so erschüttert gesehen.

„Mel ist verschwunden, Laya.“, flüsterte er heiser. „Sie ist weg, zurück im Imperium, und wir erreichen sie nicht mehr.“

Ein gezielter Faustschlag ruinierte das Kommunikationsterminal. Ein gellender Schrei, und dann lange nichts mehr. Es war die Langeweile, die sie langsam tötete, während sie wie zum Trotz auf das nächste stellare Phänomen zuflogen.



*



Schafi und Telai gewidmet – weil Romulaner, eh schon wissen! ;-)
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