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Requiem

von Martina Bernsdorf

Kapitel 1

I

Cardassianische Technik hatte so ihre Tücken. Seit einigen Wochen versuchte man auf der Raumstation DS9 die Computeranlagen mit einigen Neuerungen der Förderationstechnik kompatibel zu machen. Der Erfolg war, daß die gesamte Führungscrew erheblich mißgestimmt war, und vor allem Kira sich darüber ärgerte, daß die Förderation ständig etwas ändern mußte.
Die taktische Konsole vor ihr lag in einem Chaos aus heraushängenden Kabeln und Computermodulen, es sah eher aus als habe sich ein Wahnsinniger mit einer Axt ausgetobt, als nach einer ordnungsgemäßen technischen Operation. Von Chief O'Brien ragten nur die Stiefel unter der Anlage vor, und hin und wieder ließ er ein mißvergnügtes Brummen aus der Tiefe emporsteigen. "Jetzt müßte es doch funktionieren." O'Briens Stimme hörte sich an, als sei er nicht gerade davon überzeugt.
Kira zuckte die Schultern, obwohl O'Brien das ja nicht sehen konnte. "Negativ, Chief, aber warten Sie mal, da erscheint eine Anzeige, Sie scheinen ein vergessenes Programm aktiviert zu haben." Kira beugte sich näher an die flackernden Anzeigen, während O'Brien unter der Anlage hervorkroch, um sich die neu dazu gekommenen Schwierigkeiten zu betrachten. "Es scheint irgendeine Art Sicherheitsprogramm zu sein." Kira steckte die Hand aus, um den Anzeigemodus zu verändern.
Blaue Funken stoben auf, ein Netzwerk aus grellen weißen Blitzen überzog die Konsole und in deren Fokus sich Kira gefangen fand. Es dauerte nur den Bruchteil von Sekunden, ehe O'Brien geistesgegenwärtig die Energieversorgung der taktischen Konsole kappte, aber es genügte.
Kira fand sich zu ihrer eigenen Überraschung auf dem Boden wieder, an dieser Perspektive schien irgend etwas falsch zu sein, doch die Schatten die immer länger wurden, sich zu verdichten schienen und sie in undurchdringliche Schwärze hüllte, verhinderten jeden weiteren Gedankengang.



Auf der Krankenstation war ein kontrolliertes Chaos, Leute eilten herum und Dr. Bashir dirigierte sie mit einer Autorität, die er nur selten an den Tag legte.
Kira lehnte an einer Ecke und betrachtete den Trubel nachdenklich, wie kam sie hierher und was wollte sie überhaupt in der Krankenstation? Sie wollte sich schon auf den Weg zur Ops machen, schließlich stand sie hier ja nur im Weg herum, als Dax gefolgt von Sisko die Krankenstation betrat.
Dax war bleicher als üblich, ihre Trillzeichnung trat deutlich hervor. Sisko wirkte besorgter als Kira ihn je gesehen hatte, sie fragte sich langsam was hier eigentlich vor sich ging.
"Herzstillstand aufgrund eines starken Energiestoßes", kommentierte Bashir und beugte sich geschäftig über eine Diagonoseliege. Kira wurde jetzt langsam neugierig, jeder schien sie zu ignorieren, ja geradezu durch sie hindurchzusehen, Zeit sich Antworten zu holen.
"Sie können sie doch wiederbeleben?" In Siskos Stimme schwang ein Grollen mit, das Bashir riet, besser eine positive Antwort darauf zu finden. Der Arzt sah jetzt zum erstenmal auf und gab damit Kira einen Blick auf die Person auf der Untersuchungliege frei.
Kira taumelte einige Schritte zurück. Sie wäre beinahe dabei in Sisko hineingelaufen, doch vermutlich hätte das nichts mehr ausgemacht, denn die Person, um deren Leben Bashir rang, war niemand anderes als sie selbst.
Sie betrachtete ihre Hände, so als erwarte sie durch sie hindurchsehen zu können, als Geist sollte man soetwas können. Doch sie sahen völlig normal aus, sie fühlte sich völlig normal, wenn sie sich anstrengte konnte sie sogar ihren Herzschlag hören, ein wenig schnell, aber für einen Geist ziemlich lebendig.
Vielleicht war dies alles nur ein Alptraum, aus dem sie jede Sekunde hochschrecken konnte, aber sie erinnerte sich jetzt an die Geschehnisse auf der Ops, an den Schmerz der durch ihre Fingerspitzen hindurch in ihren Körper gedrungen war.
"Bin ich tot?" Niemand nahm Notiz von ihren Worten.
Bashir hatte Siskos Frage noch nicht beantwortet, die Art wie er den Blick senkte, sagte schon genug. "Ich weiß es nicht Commander", gab er mit sorgenvoller Stimme zu.
Kira hatte genug davon, auf ihre eigene Leiche zu starren, sie sah viel zu gesund aus um tot zu sein. Etwas veranlaßte sie, zur Türe zu sehen, sie lag im Schatten, es war zu dunkel um auf die anderen Seite zu sehen.
Dieser Eindruck war irgenwie falsch, von ihrer Position aus, hätte sie den Gang einsehen müssen.
Dennoch zog diese dunkle Türe sie an, die Geschäftigkeit der Krankenstation übte keine Faszination mehr auf sie aus, die Stimmen schwanden zu einem leisen Wispern, das man getrost ignorieren konnte. Selbst die Tatsache, daß ihr Körper auf dieser Untersuchungliege lag und Gegenstand all der Aufregung war, schien nur noch von geringen Interesse. Kira trat näher an die Türe heran, diese Schwärze hatte etwas Verlockendes, und sie ließ sich ohne Furcht von ihr verschlingen.

II

Kira fand sich auf einer Wiese wieder, das Frühlingsgras stand hoch, der Duft der farbenprächtigen Blumen war von beinahe betäubender Intensität. Sie legte den Kopf in den Nacken, über ihr schien ein wolkenloser, azurblauer Himmel. Der Wind strich über diese Wiese, bewegte die Halme wie Schiffe bei schwerer See und spielte mit ihren Haaren. Nie hatte sie sich lebendiger, stärker und freier gefühlt.
Der Eindruck, nicht länger alleine zu sein, ließ Kira sich umsehen. In einiger Entfernung stand ein Mann, dessen rote Robe im Wind leicht flatterte. Kira hätte ihn überall und immer erkannt, wenn sie bislang daran gezweifelt hatte, tot zu sein, wich dieser Zweifel nun langsam Gewißheit.
Sie rannte los, wobei sie spürte wie die Grashalme unter ihren Stiefeln sich bogen und der der Wind an ihrer Kleidung zerrte. "Bareil!"
Auch er lief nun, das Gras schien ihm den Weg frei zu machen, die Sonne ließ sein dunkles Haar glänzen. Ein breites Lächeln, so oft gesehen, so sehr vermißt, spielte um seinen Mund.
"Nerys!" Sie trafen sich in einer stürmischen Umarmung. Kira war nun egal ob sie lebte oder tot war, alles war egal, nur diese Umarmung war wichtig. Nur der Druck seiner Arme um sie herum, seine Lippen auf den ihren und die Gewißheit, ihn nicht verloren zu haben.
Der Kuß schien endlos zu sein und sie lösten sich nur widerwillig voneinander.
Kira starrte ihn fassungslos an, sie studierte jede Linie seines Gesichtes, während sie seine Hand festhielt, so als befürchte sie er könne verschwinden, wenn sie losließ.
Sie berührte seine Wange, unter ihren Fingern spürte sie das leichte Kratzen von Bartstoppeln. Er legte seine Hand auf die ihre und schenkte ihr sein unnachahmliches Lächeln, welches sie vom ersten Augenblick an verzaubert hatte.
"Falls ich träume, will ich nicht wieder aufwachen!" Sie legte ihre Hand auf seine Brust, sein Herz schlug in einem ruhigen, beständigen Rhythmus. So viele Sinneseindrücke, alles war so echt, es konnte kein Traum sein, keine Illusion, aber konnte es der Tod sein?
Bareil setzte sich ins Gras und zog sie mit sich. "Du hast viele Fragen, Nerys, ich bin hier, um dir zu helfen."
Kira sah ihn eindringlich an. "Du bist tot, Bareil. Da wir nun zusammen sind, nehme ich an, daß es den verdammten Cardis endlich gelungen ist, mich umzubringen, auch wenn ich mir mein Ableben immer etwas anders vorgestellt hatte."
"Würdest du bedauern dein Leben verloren zu haben?"
Kira zuckte leicht mit den Schultern. "Ein wenig, doch wenn wir nur zusammen sind, dann kann das hier von mir aus die Ewigkeit dauern." Bareil bedachte sie mit einem Blick voll Liebe. "Nichts wäre mir lieber, Nerys, doch nichts von dem hier ist real."
Kira umklammerte seine Hand fester, sie befürchtete, er könnte sich jeden Augenblick in Luft auflösen. "Du auch nicht?"
Er legte den Kopf leicht schief. "Ich bin real, zwar nicht dieser Körper, noch dieser Ort. Dies alles hier", seine Geste umspann die Wiese, "entstammt deiner Phantasie und der meinen."
"Warum sind wir hier?"
Bareil hob leicht die Schultern. "Es ist schwer zu erklären, es ist ein Ort, der von beiden Seiten her durchgängig ist. Ein Ort zwischen Wachen und Schlafen, zwischen Leben und Tod, dort wo alles möglich ist."
"Bin ich tot?" Bislang hatte sie diese direkte Frage vermieden, doch nun war sie zwingend. Nicht, daß sie dieser Gedanke sonderlich erschreckte, jetzt nicht mehr, nicht mit Bareil an ihrer Seite.
"Deine Zeit ist noch nicht abgelaufen, Nerys, Du bist ein wichtiger Teil der Zukunft, ich dagegen ein Teil der Vergangenheit. Von diesem Ort aus kann ich in beide Richtungen sehen, in die Vergangenheit wie auch in die Zukunft. Ich bin hier, um dich noch einmal zu sehen, um Abschied zu nehmen und um dich zurückzuschicken."
"Was, wenn ich nicht zurück will?" Kira gelang es nicht, so herausfordernd zu klingen wie sie gerne wollte, sie wußte nur eines, sie wollte keinen Abschied. Bareil küßte sanft ihre Handfläche und sah sie mit einem seltsam bittersüßen Lächeln an.
"Ich habe dir versprochen, dich nie zu verlassen, ich halte meine Versprechen. Wo immer du auch bist, ich werde immer ein Teil von dir sein, so wie du ein Teil von mir bist. Der Tod ist nicht das Ende, wir werden uns irgendwann wiedersehen."
"Das genügt mir nicht, Bareil, ich kann dich nicht noch einmal verlieren!" Kira sträubte sich dagegen, von diesem Ort aus zurückzugehen.
"Du würdest deine Freunde, deine Karriere und nicht zu vergessen deine Pflicht gegenüber deinem Volk, gegen das hier eintauschen? Gegen eine Illusion?"
Kira erwiderte seinen Blick offen und mit einem wilden Feuer in den nachtschwarzen Augen. "Für dich würde ich alles eintauschen."
Bareil küßte sie nochmals leidenschaftlich. "Solche Geschäfte machen die Propheten nicht, es wird Zeit zurückzugehen, du hast deine Freunde genug geängstigt. Doch vergiß nie, wie sehr ich dich liebe, Nerys."
Kira hob trotzig das Kinn. "Ich will nicht zurück, nicht ohne dich."
Bareil lächelte sie zärtlich an. "Wer hat gesagt, daß du eine Wahl hast?"

III

"Verflucht sie reagiert einfach nicht!" Dr. Bashir war mit seinem Latein am Ende. Es hätte nicht so schwierig sein dürfen, jemanden der einen Herzstillstand nach einem Energieschlag hatte, wiederzubeleben. Soetwas lernte man im ersten Semester an der medizinischen Hochschule. Er wagte es kaum, Sisko und Dax anzusehen, sie waren dem Tod in allen seinen Spielarten schon oft begegnet, sie hatten gelernt ihn zu akzeptieren, doch leider funktionierte dies nicht wenn es Freunde betraf.
"Du hast alles versucht, Julian." Dax' Stimme war mitfühlend aber auch voller Trauer. Bashir nickte erschöpft, alles, was er tun konnte, hatte er getan.
Es war nicht weiter verwunderlich, daß alle, die um die Untersuchungsliege herumstanden, einen Satz nach hinten machten, als der Monitor über der Liege, statt der flachen Linie, plötzlich wieder ein Wellental aus Kurven und Zacken zeigte und dies mit lauten Pfeifen kund gab.
"Ich glaube es nicht!" Bashir kontrollierte die Anzeigen. "Ein völlig normaler Herzrhythmus." Er sah von Dax zu Sisko. "Ich glaube, wir sind soeben Zeuge eines verdammten Wunders geworden."
Kira öffnete die Augen, sie blinzelte einige Male und starrte zu der weißgetünchten Decke hoch. Warum mußten Krankenstationen immer weiße Decken haben und so furchtbar medizinisch riechen? Dr. Bashirs Gesicht schob sich in ihr Blickfeld, er hatte das breiteste albernste Grinsen auf den Gesicht, das sie je gesehen hatte.
"Willkommen zurück unter den Lebenden, Major."
Kira hob leicht die Augenbraue, sie erinnerte sich nur noch an diesen verdammten Schlag auf der Ops. "Ich hasse cardassianische Technik."
Bashir nickte lachend. "Ich auch", erklärte er demonstrativ, "wie fühlen Sie sich, Major?"
Kira runzelte leicht die Stirn, sie hatte das Gefühl als hätte sie etwas Wichtiges vergessen, aber sie war viel zu müde um genauer darüber nachzudenken. "Ich könnte etwas Schlaf gebrauchen."
Bashir nickte zustimmend, sie fragte sich zerstreut warum er so glücklich wirkte. "Schlafen Sie, Kira, ich wünsche Ihnen angenehme Träume."
Kira schloß die Augen, seltsamerweise sah sie ganz deutlich Bareils Gesicht vor sich. Sie lächelte leicht, vielleicht gelang es ihr, ihn mit in den Schlaf herüberzuretten, in einen schönen Traum.

Ende
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