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Wege

von Gabi

2

Pagan betrachtete den schlafenden Mann, und beinahe tat es ihr leid - beinahe. Er hatte sich auf die Seite gerollt, diese Haltung verbarg nicht völlig das gleichmäßige Heben und Senken seines kräftigen Brustkorbes. Die dichten dunkelblonden Haare umrahmten das nun völlig entspannte Gesicht. Wenn er wach war, neigten Shakaars Züge zur Anspannung; er war immer alarmiert, immer in Sorge um seine Gruppe. Nicht aber im Augenblick, in dem Augenblick, in welchem er den meisten Grund gehabt hätte, angespannt zu sein. Sie betrachtete die Kampfnarbe an Shakaars Oberarm, gönnte sich einen Moment der Anerkennung seines trainierten Körpers. Ein winziger Stich fuhr durch ihr Herz, doch er war weder intensiv noch lange genug, um ihre Entscheidung zu verändern. In einer anderen Zeit hätte sie sich in diesen Mann verlieben können, der nun so wehrlos neben ihr lag. Doch es war diese Zeit. Die schlanken Finger, die eben noch zögernd wenige Zentimeter über Shakaars Haut geschwebt hatten, bewegten sich nun in Richtung ihrer Kleidung. Aus den Verzierungen ihres Gürtels löste sie einen Miniatursender und aktivierte ihn. Dann griff sie nach ihrem Hemd und begann, es sich über den Kopf zu streifen.
Shakaar bewegte sich ein wenig im Schlaf, wachte aber nicht auf. Sara lächelte. Sie wusste, warum sie den Mann gestern Abend hatte gewinnen lassen. Davon abgesehen, dass es eine äußerst angenehme Erfahrung für sie gewesen war, waren der Kampf und das aktive Liebesspiel für ihn erschöpfend gewesen. Sie selbst hatte in der relativ passiven Rolle als angeblich Unterlegene ihre Kräfte sparen können. Sie legte den Kopf ein wenig zurück und gönnte sich den Luxus, für einen kurzen Moment die Augen zu schließen. Sie würde es ihm nie sagen können, aber sie hatte die Nacht sehr genossen. Der Mann war ausdauernd und fordernd, gleichzeitig aber auch umsichtig, er hatte sie nicht als bloße Beute angesehen, an der er sich befriedigen konnte, sondern war darauf bedacht gewesen, ihr nicht weh zu tun und sie selbst zu ihrer Befriedigung kommen zu lassen. Sie öffnete die Augen wieder, und ein fast zärtlicher Ausdruck schlich sich in ihre Züge, als sie ihn anblickte. Ja, in einer anderen Zeit hätte sie ihn mit Sicherheit geliebt. Sie konnte nicht verhindern, dass ihr ein leiser Seufzer entfuhr, als sie unter ihrer Jacke nach dem Phaser griff.
Als sie wieder aufsah, hatte Shakaar seinen Oberkörper erhoben.
Sie war nicht erpicht darauf gewesen, den erwarteten erschrockenen Ausdruck im Gesicht des Mannes zu sehen, der unweigerlich erfolgen musste, wenn er die Waffe auf sich gerichtet sah. Doch die ruhigen Züge, die nun sie und den Phaser betrachteten, waren beinahe noch schlimmer. Shakaar zeigte ihr unverhohlen, was bajoranischer Stolz bedeutete. Sie wollte beinahe abdrücken, als er einen Arm hob, doch er strich sich nur seine langen blonden Strähnen aus der Stirn. Eine unbewusste Geste, in ihrer Zufälligkeit nur umso eleganter.
„Nerys hatte recht“, sagte er schließlich leise.
Sie sah ihn fragend an, erwiderte aber nichts.
„Sie hat dir von Anfang an nicht getraut. Ich hätte auf sie hören sollen.“
Der Sprung kam für Sara etwas überraschend. Sie hatte mit Widerstand gerechnet, aber Shakaars ruhige Stimme und der Anblick seines nackten Körpers hatten sie weit genug abgelenkt, dass die Sekunde, die sie benötigte, um den Abzug zu drücken, auch die Sekunde war, in welcher Shakaar ihr in die Hand fiel und den Strahl der Waffe in die Felswand hinter sich ablenkte.

Kira fuhr auf. Augenblicklich war sie hellwach. Noch während sie sich dafür verfluchte, eingeschlafen zu sein, registrierte sie, was sie aufgeweckt hatte. Am Ufer des Sees rangen ihr Anführer und die dunkelhaarige Bajoranerin miteinander. Kira fluchte, sie konnte deutlich die Waffe in der Hand der Frau erkennen, welche diese geschickt aus Shakaars Reichweite hielt. Mit einem Satz war Kira auf den Beinen und hatte ihren eigenen Phaser gezogen. Die Frau sollte sich... Eine Bewegung am Rand der Lichtung hielt sie davon ab, den Hang hinunter zu stürmen. Sie verharrte einen Augenblick, der ihr das Leben rettete.
Cardassianer.
Aus ihrer Deckung heraus legte sie auf den Soldaten an, doch ehe sie abdrücken konnte, traten weitere Besatzer aus dem Unterholz. Kira ließ langsam ihre Waffe sinken. Wenn sie jetzt schoss, dann zog sie die Aufmerksamkeit sofort auf sich. Das würde Shakaar einen Moment erkaufen - aber würde ihr Anführer diesen nutzen können? Er war so sehr mit dem Kampf um die Waffe beschäftigt, dass er überhaupt noch nicht wahrgenommen hatte, dass sich feindliche Soldaten auf der Lichtung befanden. Wie weit würde Kira selbst kommen, wenn sie jetzt schoss? Ihre Deckung hier oben war relativ gut, doch sie besaß Erfahrung genug, um zu erkennen, dass sie keinen wirklichen Unterschied machen konnte. Sie würde einen Teil der Soldaten beschäftigen können, aber nicht alle. Shakaar war verloren. Der Gedanke brannte sich in ihr Herz. Es war nichts, mit dem sie sich jemals beschäftigt hatte - ja, natürlich, sie verloren in manchen Zeiten wöchentlich Mitglieder ihrer Gruppe, Freunde, mit denen sie Seite an Seite gekämpft hatte. Aber nicht Shakaar... Aus einem völlig irrationalen Grund heraus, war ihr großer Anführer kein Mann, der in einem Kampf fiel, der gefangengenommen wurde. Nicht, dass ihre Gruppe hilflos ohne ihn wäre, es gab genügend Bajoraner, die augenblicklich die Führung der Shakaar übernehmen konnten - sie selbst war eine von denjenigen, die an vorderster Stelle standen. Aber, bei den Propheten, das da unten war Shakaar Edon, der Mann, der ihr unzählige Male das Leben gerettet hatte, der sein eigenes Leben ohne jede weiteren Bedenken in ihre Hand legte. Kira sah wieder das strahlende Gesicht des kleinen Jungen vor sich, als dieser Shakaars ernsthaften Ausführungen über das Spielzeug gelauscht hatte... Sie hob ihren Phaser und schoss.

Während der Soldat lautlos zusammensackte, sprangen die anderen Cardassianer in ihre Deckung zurück. Kiras wütendes Feuer streifte noch zwei weitere, bevor sie selbst hinter Buschwerk untertauchen musste. Die Blätter zu ihrer Rechten krachten und knackten und Teile von ihnen begannen flammenlos zu verdampfen. Sie robbte lautlos am Rand des Abhangs entlang zu einer anderen Stellung, bevor ihre alte völlig zerstört wurde. Einige Meter weiter erhob sie sich wieder ein wenig und blickte auf die Lichtung hinunter.
Shakaar und Pagan waren erschrocken zurückgefahren, wobei der Vorteil aber auf der Seite der Bajoranerin stand, weil diese den ungemütlichen Besuch erwartet hatte. Sie stand nun in einem sicheren Abstand von ihm und hielt ihn mit der Waffe in Schach. Der Mann saß auf dem Boden, offensichtlich in Anbetracht des cardassianischen Trupps nicht gewillt, sich zu erheben, da er immer noch nackt war.
Die Cardassianer hatten ihr Feuer eingestellt, als von Kiras erstem Hinterhalt keine Reaktion mehr kam. Doch die rothaarige Widerstandskämpferin hatte momentan weniger Interesse an den Soldaten. Pagan Sara bot durch ihre Trennung von Shakaar nun ein perfektes Ziel, und Kiras Hass auf sie war im Augenblick um einiges größer als derjenige auf ihre Unterdrücker. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass kein Bajoraner jemals den anderen verriet, es war in Flammenschrift eingebrannt in ihren Glauben an die Propheten. Diejenigen ihrer Landsleute, die das taten, waren niedriger als Cardassianer - und sie besaßen kein Recht zu leben. Doch in dem Moment, in welchem sie auf die dunkelhaarige Frau anlegte und abdrückte, fegte ein cardassianischer Schuss durch ihre Deckung. Er streifte sie am Arm und veranlasste sie, sich sofort zurückzuwerfen. Sie hörte den Schrei der anderen Bajoranerin, aber alleine die Tatsache, dass diese noch schreien konnte, zeigte ihr, dass sie nicht richtig getroffen hatte. Mit blasphemischem Fluchen flüchtete sie einige Schritte in den Wald hinein, um von einer anderen Stelle aus die Lichtung wieder unter Beschuss nehmen zu können. Kira hatte keine rechte Vorstellung, wie sie etwas gegen den Trupp ausrichten sollte. Es gab für sie keine Möglichkeit, zu Shakaar hinunter zu kommen - und Shakaar würde sofort getroffen werden, wenn er versuchte zu flüchten. Der Umstand, dass er nicht schon längst erschossen worden war, zeigte ihr, dass die Cardassianer wussten, wen sie vor sich hatten und ihn lebend wollten. Während Kira sich wieder zum Rand der Lichtung zurückschob, hörte sie seine Stimme deutlich in ihrem Kopf: „Wenn einer von uns davor steht, in Gefangenschaft zu geraten, erschießt der andere ihn... versprich mir das.“ Sie hatten es einander versprochen, beide mit dem stummen Flehen an die Propheten, dass dies nie geschehen würde. Nun war es geschehen. Kira wusste, dass sie keine Chance hatte, Shakaar zu befreien, sie würde die Soldaten vielleicht noch eine Weile hinhalten können, aber es genügte, wenn sich zwei von ihnen mit ihr beschäftigten. Der Rest konnte ohne Probleme Shakaar gefangen nehmen, ohne dass sie auch nur irgendwie einschreiten konnte. Aber sie konnte ihn erschießen, erlösen von der Folter, die ihm unzweifelhaft bevorstand. Ein gezielter Schuss und alles wäre vorbei. - Ein gezielter Schuss und diese fragenden, sorgenden Augen würden nie wieder Bajors Sonne sehen.
„Bei den Propheten! Wie hast du das von mir verlangen können, Edon?“ Der Phaser in ihrer Hand fühlte sich an, als hätte er sein Gewicht in den letzten Sekunden unendlich vergrößert. Alleine die Waffenhand bis zu ihren Augen zu heben, erforderte eine Anstrengung von ihr, wie sie es vorher noch nie erlebt hatte. Die Cardassianer hatten zwei Kreise gebildet, einen kleinen um den Bajoraner herum und einen größeren außen, dessen Soldaten ihre Phaser auf den Böschungsrand angelegt hatten. Shakaar hatte sich mittlerweile erhoben, das Hemd, welches ihm die Bajoranerin zugeworfen hatte, um die Hüften geknotet. Die Frau hielt sich die Schulter, Kira hatte ihr nur einen Streifschuss verpassen können. Aber das interessierte die Widerstandskämpferin im Moment nicht weiter. Ihr Phaser lag nun vor ihren Augen, die Linien des Visiers schnitten sich auf Shakaars Stirn. Der Bajoraner stand völlig still und bot ein ideales Ziel. Der Schweiß brach auf Kiras Schläfen aus, als sie den Finger anspannte. Sie wünschte sich, die Augen schließen zu können und einfach abzudrücken - doch sie durfte ihm keine Schmerzen durch einen amateurhaft gesetzten Schuss bereiten. Propheten, vergebt mir! sie schüttelte ein letztes Mal den Kopf, um die Tränen für einen Moment aus ihrer Sicht zu treiben, dann ... ließ sie den Phaser sinken. Shakaar hatte sie angesehen! Es war nur ein leichtes Heben der Augenlider gewesen doch durch den Teleskopeffekt des Visiers hatten sich ihre Blicke gekreuzt. Woher er wusste, wo sie im Hinterhalt lag, war ihr ein Rätsel. Später würde sie sich sicher sein, dass es nur ein Zufall gewesen war. Doch für diesen Augenblick war es alles, auf das sie gewartet hatte. Die Sorge in seinen Augen hatte nicht ihm gegolten oder ihr, sondern dem Lager. Natürlich! Kira schalt sich stumm. Sie durfte keine Zeit verlieren, sie musste augenblicklich die anderen im Lager warnen, dass sich ein cardassianischer Trupp in der Nähe befand. Wenn die Soldaten sie erst wieder unter Beschuss nahmen, konnte sie dem Rest ihrer Gruppe keine große Hilfe sein.
Vielleicht hatte sie sich alles auch nur eingebildet, doch als sich Kira Sekunden später rennend im Wald wiederfand konnte sie nicht mit Sicherheit sagen, was überwog: Ihr Schuldgefühl, Shakaar nicht erlöst zu haben, oder ihre Erleichterung darüber, genau so gehandelt zu haben.
„Ich werde dich da rausholen, Edon“, flüsterte sie im Rennen zu niemandem besonderes. „Das schwöre ich dir.“

Kira Nerys wappnete sich für den Ansturm von Entrüstung, den ihre Entscheidung hervorrufen würde. Die Shakaar war gut genug trainiert, so dass die Räumung des Lagers nur wenige Minuten in Anspruch genommen hatte. Wortlos hatten sie sich an einen ihrer Rückzugspunkte begeben, und ebenso wortlos hatten die anderen Gruppenmitglieder akzeptiert, dass Kira die Führung übernommen hatte, zumindest für den Augenblick.
„Wir werden ihn nicht befreien.“ Es kam bei weitem nicht so überzeugend hervor, wie sie es sich gewünscht hätte. Sie fühlte sich elend, alleine dafür, diesen Satz ausgesprochen zu haben.
„Was?“ Lupaza reagierte erwartungsgemäß aufgebracht. „Bist du verrückt, Nerys?“
Kira konnte sehen, dass ein Teil der Gruppe so dachte wie Lupaza. Ein anderer Teil schien zu verstehen, warum sie so entschieden hatte.
„Edon selbst hat es immer wieder gesagt: Wir dürfen nicht damit beginnen, uns wegen einzelner Personen aufzureiben. Wir schwächen unsere Kräfte und verbrauchen wertvolle Materialien...“
„Einzelne Personen...“, Lupaza warf ihr einen verächtlichen Blick zu. „Das ist Edon über den wir sprechen, keine einzelne Person.“
„Meinst du, ich sage das gerne?“ Kira hielt den Augen der älteren Frau stand. „Meinst du, ich könnte nicht auch aufschreien! Verdammt, Lupaza, Edon ist wie ein Bruder für mich, ich liebe ihn. Aber ich kann nicht diese Gruppe zu seiner Befreiung befehlen. Das ginge gegen alles, was er uns beigebracht hat!“ Sie kniff die Lippen zusammen, um durch pure physische Gewalt den Tränen zu befehlen in ihrem Hals stecken zu bleiben. Schwäche war keine Eigenschaft, die sie jetzt zeigen durfte.
„Ich kann nicht glauben, dass ich das aus deinem Mund höre!“ Lupaza wandte sich zu der versammelten Gruppe um, um deren Reaktion zu sehen. Doch Kira hatte sich trotz ihrer relativen Jugend schon einiges an Respekt unter ihren Kampfgefährten verschafft. Auch wenn jeder höchstwahrscheinlich im ersten Affekt sofort nach Shakaars Befreiung gerufen hätte, erkannten viele von ihnen, dass es sehr gut eine Personen- und Materialschlacht für einen Mann werden würde. Sie hatten lange gebraucht, um genügend Potential zusammenzubekommen, um die großen Arbeitslager anzugreifen, die auf ihrer Prioritätenliste ganz oben standen

„Shakaar Edon...“ Der Cardassianer hielt das Display in der Hand, während er auf den Bajoraner zutrat. Dieser war mit Händen und Füßen an die Wand eines feuchten Raumes gekettet. „Kein schlechter Fang.“ Als er aufblickte lag ein anzüglicher Triumph in seinen Augen. „Zu dumm, wenn man sich von einer Frau reinlegen lässt.“ Sein Blick schweifte wieder auf die Anzeigen, die er demonstrativ langsam vor sich abrollen ließ. „Deine Liste von Liebschaften hört überhaupt nicht mehr auf - eine sehr schlechte Angewohnheit, wenn man sich auf wichtige Dinge hätte konzentrieren sollen.“
Der Soldat stand nun direkt vor Shakaar. Der Bajoraner spielte kurzzeitig mit dem Gedanken, ihn anzuspucken, aber er befand sich in keiner Position, in welcher ihm das auch nur den geringsten Vorteil gebracht hätte. Also fuhr er mit dem konstanten Ignorieren des Cardassianers fort, indem er seinen Blick so desinteressiert wie möglich auf die Wand hinter diesem gerichtet hielt.
Seine Konzentration erfuhr eine empfindliche Unterbrechung, als die flache Seite des Displays ihm schmerzhaft gegen die Wange klatschte. Er spannte die Nackenmuskeln an, um zu verhindern, dass sein Hinterkopf gegen die Steinwand prallte. Doch außer diesem kurzen Zucken seiner Züge, ließ er nicht zu, dass seine Miene auch nur ein Gefühl verriet.
„Tu nicht so erhaben, du bajoranisches Dreckstück! Mag ja sein, dass deine kleinen Mitstreiter dich anbeten - sie werden nichts Besseres kennen - aber hier bist du nichts. Weniger als nichts.“ Das Display traf in weitem Schwung seine andere Wange. Diesmal reichte Shakaars Anspannung nicht aus, um den Kopf vorne zu halten, und er spürte den stechenden Schmerz als sein Schädel gegen eine hervorstehende Unebenheit in der Wand geschlagen wurde. Er kämpfte den Impuls nieder, die Lider zu senken, um für kurze Zeit, die Realität auszuschließen. Dies hier war erst der Anfang, und es war dem blonden Bajoraner nur zu sehr bewusst, dass er bis zum Schluss durchhalten musste. Für ihn würde es keine Erlösung geben, dieser Illusion gab er sich erst gar nicht hin. Er war der Dorn, den sich die Besatzer aus ihrer Pfote ziehen wollten. Er war derjenige mit den Informationen, derjenige mit den Verbindungen. Sie würden ihn nicht sterben lassen, bis sie nicht das letzte Tröpfchen aus ihm herausgequetscht hatten. Und er würde mit jeder Faser seines Bewusstseins daran festhalten zu schweigen, es weder sich noch den anderen in irgendeiner Weise leichter zu machen. Alles, was er tun konnte, war zu den Propheten zu beten, dass sie ihm die Kraft schenken würden, nicht umzukippen, nicht zu jammern und nicht um ein Ende zu flehen. Und genau dies tat er nun. Shakaar legte seinen Kopf langsam gegen die Wand zurück, fixierte die Decke und begann zu beten.
Es dauerte nicht lange, bis ein Faustschlag in seinem Magen landete. „Wäre es zu viel verlangt, wenn du deine Aufmerksamkeit für eine Sekunde mir schenken würdest?“ Die sarkastische Stimme schnitt weit unangenehmer in seine Meditation, als es der Faustschlag getan hatte. Wenn der Bajoraner seine Muskeln anspannte, konnte er einen beachtlichen Hagel an Magenschlägen einstecken, bevor sie ihm ernsthaft zusetzten, und im Augenblick befand sich jeder Muskel seines Körpers in Anspannung.
„Ich glaube, wir müssen nicht lange herumreden“, bemerkte die lästige Stimme. „Wir wissen, wen wir hier haben und du weißt genau, dass du nichts zu erwarten hast. Wenn du gescheit wärst, dann würdest du jetzt damit beginnen, uns ein wenig über die Stellungen und Vorhaben deiner Wanzen zu erzählen - aber du bist ein Bajoraner“, der Cardassianer packte Shakaars Kinn und zog dessen Kopf herunter, damit er ihm endlich in die Augen sah. „und das schließt ‘gescheit’ wohl aus.“ Er lächelte ein wenig. „Du kannst mir glauben, dass ich mir reiflich überlegt habe, wie wir dich am zuvorkommendsten behandeln können, wo deine Schmerzzentren wohl liegen.“
Er ließ das Kinn los und legte beide Hände stattdessen flach auf Shakaars breite Brust. Die Berührung war fast zärtlich und erschreckte den Bajoraner dadurch mehr als es ein weiterer Schlag ins Gesicht getan hätte. „Wenn man deine Akte studiert, stolpert man unweigerlich über eine lange Aufzählung von Affären“, seine Hände streichelten über die festen Bauchmuskeln. „Mir ist es zwar ein Rätsel, was Frauen an einem solchen schwerfälligen, grobschlächtigen Klotz finden - aber irgendetwas muss es wohl geben“, er strich gedankenverloren über die Hüften des Bajoraners. Shakaar hielt die Luft an und überlegte sich ernsthaft, ob nun nicht doch der richtige Zeitpunkt gekommen wäre, den Soldaten anzuspucken.
„Dein Aussehen kann es beim besten Willen nicht sein“, sprach der Cardassianer unberührt weiter. „Das genügt gerade mal, um kleine Kinder zu erschrecken. Charme besitzt du Bauer keinen - dann muss es wohl das hier sein.“ Beide Hände krallten sich ruckartig in Shakaars Geschlechtsorgane. Er biss die Zähne zusammen, um den Schrei zu blockieren, der sich aus seiner Kehle befreien wollte. Der stechende Schmerz nahm zu, als sich die Finger des Soldaten weiter in das weiche Fleisch bohrten. Schließlich schloss Shakaar doch die Augen. Es war leichter zu ertragen. Er konzentrierte sich völlig auf den Schmerz, versuchte, ihn zu einem natürlichen Teil von sich zu machen und ihn zu tolerieren. Er konnte nicht verhindern, dass sein Atem stoßweise kam, während er sich bemühte, nicht zu schreien. Keinen Ton sollten die Cardassianer aus ihm herausbekommen, er wollte nicht schreien, nicht sprechen und nicht verhöhnen - er wusste nur nicht, wie lange er dieses hohe Ziel würde einhalten können. Doch es half ihm viel, dass er sich völlig bewusst war, dass er für sich selbst keinerlei Gnade zu erwarten hatte. Was immer er hier tat, würde keinerlei Konsequenzen für sein eigenes Leben haben, denn dieses würde das Verhör nicht überdauern. Andere mochten durch einen Verrat einen Gewinn erhoffen, ein Leben in den Minen anstelle des sofortigen Todes vielleicht - doch nicht er. Die Cardassianer wussten zu gut, dass er zu gefährlich war, wenn sie ihn am Leben ließen und nicht konvertieren konnten - und das würde er nicht zulassen. Das bedeutete für Shakaars Verständnis, dass er hier nicht mehr sich selbst repräsentierte, sondern Bajor. Sein Volk, dessen Stolz in all der Grausamkeit und Herrschaft nicht gebrochen worden war. Der Mann hielt sich daran fest, dass die Art, wie er starb, vielleicht ein wenig Achtung bei den Besatzern erzeugen könnte. Wenn er den Glauben daran nicht verlor, dann konnte er eventuell durchhalten.
Langsam ebbte der Schmerz ab. Shakaar öffnete die Augen wieder. Der Soldat hatte seine Hände von ihm genommen und ließ sich von einer der Wachen nun ein Messer geben.
„Daher habe ich mir gedacht“, erklärte der Cardassianer. „dass es für dich sicherlich am wirkungsvollsten ist, wenn ich dich kastriere.“
„N...!“ Es war lächerlich! Shakaar kniff die Lippen zusammen. Hatte er sich nicht eben geistig damit abgefunden, diese Mauern hier nicht mehr lebend zu verlassen? Was machte es für einen Unterschied? Doch es machte einen - einen großen Unterschied. An einer Kastration zu verbluten passte nicht in Shakaars Vorstellung eines ehrenvollen Todes für Bajor. Es war demütigend, es war erniedrigend... Er schalt sich in Gedanken selbst, warum konnte er nicht einmal in einem solchen Augenblick die Sorge um seine männliche Würde einfach beiseitelegen?
Er spürte den Schnitt und alles, was er fühlte, war Überraschung, nicht Schmerz. Überraschung darüber, dass der Einschnitt an seinem Schlüsselbein erfolgte.
„Ich gebe dir etwas Bedenkzeit“, erklärte der Cardassianer. „Mal dir gut das aus, was auf dich zukommen wird, während ich deinen Körper von oben bis unten tätowiere. Male es dir gut aus - und ich bin mir sicher, du wirst spätestens in Höhe deiner Lenden zu der Erkenntnis kommen, dass es gar nicht so schlimm ist, ein klein wenig den Mund zu öffnen. Es ist nicht viel, was wir von dir wollen. Nur ein wenig Kooperation.“ Ein zweiter Schnitt bewegte sich langsam über den oberen Bereich seiner Brust.
Shakaar legte seinen Kopf abermals zurück und versuchte, sich intensiv in eine Meditation zurückzuziehen. Die Messerwunden verwandelten seinen Körper Schritt für Schritt in ein Meer aus Flammen.

Die Sterne funkelten kalt am klaren Himmel. Kira fühlte sich wie von Millionen von Augenpaaren beobachtet - es gefiel ihr nicht. Es waren Bajors Sterne, doch je länger die Besatzung andauerte, desto mehr hatte sie das irrationale Gefühl, sie würden sich in Cardassias Sterne verwandeln.
Die junge Frau schüttelte sich kurz um das aufkeimende Gefühl abzulegen. Sie war nervös, das war alles. Um sich etwas zu fangen, legte sie beide Hände flach auf den Boden. Sie hatte Shakaar oft dabei beobachtet, wie er seine Kraft aus der Erde bezog. Die Berührung schien ihm vor Angriffen stets ein wenig zu helfen, so hatte Kira sich dabei ertappt, dass sie ihn mit der Zeit nachahmte. Auch jetzt fühlte sie sich auf gewisse Weise geborgen, als sie ihre Finger in den lockeren Boden grub. Kurz verharrte sie in diesem Zustand der Meditation, dann atmete sie scharf aus. Vor ihr wie ein Schatten des Bösen ragten die Umrisse des Lagers auf, zu welchem sie der Ausschlag ihres kleinen Handdetektors geführt hatte. Dort wurde ihr Anführer gefangen gehalten, das Implantat, welches dieser wie jeder der Rebellen unter der Haut trug, gab ein deutliches Signal.
Das Geltungsbedürfnis der Cardassianer war ihr zu Hilfe gekommen. Hätten sie Shakaar sofort in einen der Stützpunkte in der Hauptstadt gebracht, wären ihre Chancen auf null gesunken. Aber es sah so aus, als ob der Hauptmann dieses Außenpostens auf eigene Faust Antworten aus dem Widerstandsführer herausholen wollte, um sein Gewicht im cardassianischen Militärapparat zu verstärken.
„Eure Geltungssucht wird euer Untergang sein“, versprach sie mit leisen Worten der Nacht. Das Gewicht der Detonationskörper an ihrem Gürtel fühlte sich beruhigend an.
Dann hatte sie mit einer plötzlichen Bewegung ihren Phaser in der Hand. Sie hatte ein Geräusch gehört, sehr leise, sehr deutlich - und in nächster Nähe. Lautlos zog sie sich hinter ein Gebüsch zurück und lauschte. Da war es wieder... Und im nächsten Augenblick sah sie die Schatten mehrerer Personen gegen den Nachthimmel. Sie hörte geflüsterte Worte, die eindeutig bajoranischer Herkunft waren. Mit dem Phaser im Anschlag zischte sie: „Bleibt wo ihr seid und bewegt euch nicht!“
„Na bitte, hier ist sie.“
„Furel?“ Kira ließ den Phaser sinken und wagte sich ein wenig aus ihrer Deckung. „Was habt ihr hier zu suchen? Ich hatte gesagt, dass es keine Aktion geben wird!“
„Und genau deswegen bist du auch hier, nicht wahr?“
Sie konnte jetzt außer Furel und Lupaza noch fünf weitere Mitglieder der Shakaar ausmachen.
„Ich bringe nur mein eigenes Leben in Gefahr, für das auch ich alleine die Verantwortung habe“, rechtfertigte sie sich.
Furel breitete die Hände in einer erklärenden Geste aus. „Wir auch, Nerys.“
Sie lachte tonlos. „Ich bin also nicht die einzige, die dumm genug ist, ein einzelnes Leben über unsere Sache zu stellen? Wie beruhigend.“
„Nicht, wenn es um Shakaar geht.“
Kira nickte. Ja, auf gewisse Weise war Shakaar ihre Sache. Sie konnte den anderen nicht ein Gefühl vorwerfen, welches sie selbst hierher getrieben hatte. Sie hatte niemanden für diese Aktion verpflichtet, sie hatte der Gruppe ihren Standpunkt deutlich gemacht und damit Shakaars Anweisungen befolgt. Ihrem Gewissen war genüge getan. Dass sie sich jetzt trotz allem hier gefunden hatten, um ihn zu befreien, lag nicht mehr in ihrer Macht.
Sie klopfte Furel kameradschaftlich auf die Schulter. „Dann lasst uns sehen, wie viel Widerstand die Echsenköpfe leisten.“ Hinter ihm sah sie Lupazas Gesicht im Mondlicht. Die Frau grinste breit. „So gefällst du mir schon wesentlich besser, Nerys.“ Sie öffnete ihre Arme und umarmte die Jüngere. „Dann muss ich also doch nicht die Hoffnung in dich aufgeben.“
„Niemals“, flüsterte Kira in das dichte rote Haar der Freundin. Sie hätte nicht eingestehen können, wie erleichtert sie war, dass sie gekommen waren. Die Sterne über ihnen leuchteten wieder deutlich in einem bajoranischen Licht.

Der Widerstand war wie erwartet hoch. Die stationierte Truppe hatte damit gerechnet, dass die Bajoraner ihren Anführer nicht ohne Befreiungsversuche würden gehen lassen. Aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass die Rebellen im Besitz von ein paar der neuesten Sprengsätze waren, die in den Speziallabors auf Cardassia entwickelt worden waren. Shakaar war über Ronanur an die wertvollen Waffen gelangt und hatte sie gelagert, um sie für einen Großeinsatz auf das Arbeitslager Gallitepp zu verwenden, über welches die entsetzlichsten Gerüchte im Umlauf waren. Kira hatte sich mit einem schlechten Gewissen aus diesem Vorrat bedient - und sie hatte festgestellt, dass Furel und die anderen dies ebenfalls getan hatten. Ihnen allen war klar, dass sie keine Chance hatten, an Shakaar heranzukommen, wenn sie nicht sehr schnell und sehr vernichtend vorgingen.
Durch die gesprengten Schildgeneratoren und Außenmauern hindurch schossen sie sich ihren Weg ins Innere des Gebäudes. Kiras rechter Arm war taub, wo sie ein Schuss getroffen hatte, doch ihre Linke war als Phaserhand beinahe so gut ausgebildet wie die Rechte - und Schmerzen waren im Moment durch den extrem hohen Adrenalinspiegel ohnehin von untergeordneter Bedeutung. Wo die Widerstandskämpfer gingen, hinterließen sie eine Spur der Verwüstung. Man durfte nicht darüber nachdenken, was man gerade tat - und in welcher Minderheit man sich befand. Auch dies war eine von Shakaars Lektionen gewesen. Das einzelne Individuum war zu erstaunlichen Leistungen fähig, solange es sich deren nicht bewusst war.
Der Lärm, den die kleine Gruppe machte, reichte dann auch aus, um eine fünffach so große Anzahl vorzugaukeln. Da sie bis an die Zähne bewaffnet waren, verlor niemand darüber Gedanken, dass die Energiezellen nicht leergeschossen werden durften. Über der Schulter hing die nächste aufgeladene Waffe. Falls sie Shakaar hier herausbekommen sollten, war ihnen eine Strafpredigt sicher. Aber das war eine Aussicht, die im Augenblick jeder der Kämpfer nur zu gerne in Kauf nahm. Genaugenommen freuten sie sich schon darauf.
Wie eine feurige Wand marschierten Kira und die anderen vorwärts. Ein gewisses Hochgefühl stellte sich ein, während sie mit ihren Schüssen und den Detonationen eine Barrikade nach der anderen aus dem Weg räumten. Unbewusst wiesen die Soldaten ihnen den Weg zu Shakaars Zelle, sie mussten einfach nur dem bestbewachten Korridor folgen.
Auch als sie schließlich die Türe aufsprengte, setzte Kira ihre Waffe nicht ab. Sie versicherte sich aus den Augenwinkeln kurz, wo Shakaar stand, dann legte sie den Rest des Raumes so gut sie es konnte in Trümmer. Lupaza stand an ihrer Seite und unterstützte sie mit ihrem schweren Plasmagewehr.
Ihr Anführer starrte sie in offenem Erstaunen von der Wand her an. Lupaza war als erste bei ihm und zerschoss die Ketten, was wegen der groben Waffe nicht gerade in Präzisionsarbeit ausartete. Der Bajoraner verzog das Gesicht, während er ohne den Rückhalt der Fesseln auf die Knie stürzte. „Was... macht ihr... hier?“ war alles, was er herausbrachte, bevor er das Bewusstsein verlor.
„Nette Begrüßung, Edon“, bemerkte Lupaza zu der zusammengesunkenen Gestalt. Ihre Erleichterung darüber, ihren Anführer noch lebend vorgefunden zu haben, war auch durch die spöttischen Worte überdeutlich herauszuhören. Sie kniete sich neben ihm nieder. „Kann mir mal jemand helfen. Die Freude über unseren Anblick hat ihn umgehauen?“ rief sie über ihre Schulter in Richtung der Türe, in welcher Kira immer noch mit der Waffe im Anschlag stand, um den Raum nach außen zu sichern. Ihre treibende Handbewegung veranlasste zwei ihrer männlichen Mitstreiter, nun ebenfalls die Zelle zu betreten.
„Beeilt euch!“ befahl Kira knapp. Shakaar hinaus zu bekommen bedeutete eine unliebsame Unterbrechung in ihrem bisherigen Selbstmordvorgehen. Es bedeutet auch, dass das Adrenalin wieder nachließ und die Realität in ihre Gemüter einsickerte. Dazu wollte die junge Bajoranerin es nicht kommen lassen. Sie hatten sich in einen solch praktischen Rausch hinauf geschaukelt, dass sie diesen unbedingt auch weiterhin ausnützen wollte. „Keine Müdigkeit!“
Lupaza achtete darauf, dass ihre beiden Mitstreiter den Anführer vernünftig aufhoben. Als sie ihnen zur Tür hinaus folgte, grinste sie die Jüngere einen Moment offen an. „Gut gemacht, Kleine!“
Mit einer lauten bajoranischen Verwünschung verließ Kira nun ebenfalls den Raum. Sie hörte Lupazas aufreizendes Lachen noch unter dem wieder einsetzenden Phaserfeuer. „Vorwärts! Ich will hier drin nicht übernachten!“
Abermals wandte sich Lupaza mit diesem wissenden Grinsen zu ihr um. Diesmal jedoch erwiderte Kira es siegessicher.
Sie hatten ihren Weg so sehr zerbombt und unter Beschuss genommen, dass die Gegenwehr auf dem Rückweg verhältnismäßig schwach ausfiel. Ihre Verwundungen und Verluste würden sie erst in der Sicherheit ihres Zwischenlagers überprüfen können, doch Kira hatte das gute Gefühl, dass sie sich in Grenzen hielten.

„Halt gefälligst still!“
Kira warf Lupaza einen ärgerlichen Blick zu. „Ich halte still.“
„Tust du nicht, du zuckst ständig zusammen.“
„Das ist überhaupt nicht wahr...“
„Habt ihr es jetzt bald?“ in Furels Augen leuchtete gutmütiger Spott. „Es gibt noch andere Leute, die keine Lust haben, hier langsam zu verbluten, nur weil ihr nicht vorwärts kommt.“
Beide Frauen wandten sich augenblicklich dem Mann zu, ihre vereinten Blicke bewegten Furel zu einem strategischen Rückzug. „Ich meinte ja nur...“
„Wenn Nerys nicht so wehleidig...“
„Ich bin nicht wehleidig!“ Ihr Kopf fuhr zu Lupaza herum, doch diese schenkte ihr nur eines ihrer breiten Grinsen, als sie zufrieden das letzte Stück Verband befestigte. „Erledigt! Na, da hat meine kleine Ablenkung doch ganz gut gewirkt, nicht?“
„Du bist...“
„Ziemlich einfallsreich? Ich weiß.“ Lupaza klopfte ihr auf die gesunde Schulter. „Bäume ausreißen solltest du dennoch die nächsten paar Tage nicht.“
Kira sah ihr offenen Mundes nach als die Frau sich mit einem gespielt groben „Na, was willst du denn von mir?“ an Furel wandte. Lupaza hatte recht gehabt. Die Wunde an Nerys’ Schulter hatte empfindlich geschmerzt als erst einmal der Rausch von ihr abgefallen war, aber natürlich hätte sie das nie zugegeben. Jetzt war das Stechen durch den Druckverband ruhig geworden und sie hatte durch den kleinen Streit mit Lupaza noch nicht einmal richtig mitbekommen, dass die Frau den Verband angelegt hatte. Sie war ein grobes Ungeheuer, aber sie wusste irgendwie immer genau, auf was es ankam.
Die Verletzungen waren doch stärker ausgefallen, als es zu Beginn den Anschein gehabt hatte, nur Lupaza war mit lediglich ein paar angesengten Haaren aus der Aktion hervorgegangen. Die Frau führte das darauf zurück, dass sie mit ihrem Gesicht schon jeden potentiellen Gegner im Vorfeld abschreckte. Kira grinste in sich hinein, während sie beobachtete, wie die Bajoranerin nun den armen Furel mundtot machte - vielleicht hatte sie damit gar nicht so unrecht.
Aber das Wichtige war, dass sie alle wieder zurückgekehrt waren - mit Shakaar. Kira hätte nicht diejenige sein wollen, die ihrem Anführer dann zu erklären hatte, warum sie den einen oder anderen aus der Gruppe verloren hatten nur um ihn herauszuholen. Es würde unangenehm genug werden, ihm zu erklären, dass über die Hälfte der so schwierig besorgten Detonationskörper aufgebraucht war und ein großer Anteil der Energiezellen.
Momentan lag Shakaar noch schlafend auf einem Deckenlager. Zusätzlich zu seinem Körper waren auch seine Handgelenke eingebunden - Lupazas Plasmagewehr war wahrlich kein Präzisionsinstrument. Kira rutschte zu ihm hinüber, auf eine Bitte von ihr hin, brachte ihr jemand ein Gefäß mit Wasser.
„Zeit zum Aufwachen“, flüsterte sie, als sie ihre Finger in das Nass tauchte und anschließend damit über Shakaar Schläfen fuhr.
„Oh, oh!“ hörte sie hinter sich. „Sie will tatsächlich das Donnerwetter heraufbeschwören.“ Lupazas Kopf erschien neben ihr, ebenso wie der von Furel.
„Was wir hinter uns haben...“, grinste Kira, dann spürte sie eine Bewegung unter ihren Fingern. Der Bajoraner stöhnte ein wenig und bewegte seinen Kopf.
„Edon, alles in Ordnung“, versicherte Kira mit ruhiger Stimme. „Du bist bei uns. Du bist in Sicherheit.“
„Naja... das mit der Sicherheit kannst du vielleicht streichen“, bemerkte Lupaza ironisch.
„uuuuuh...“ Ein langgezogener Laut ertönte von Shakaar. „Ich kann nicht bei den Propheten sein, ich habe eben Lupazas Stimme gehört...“
„Hey!“ sie beugte sich über ihn und versetzte ihm einen harmlosen Nasenstüber. „Das war unhöflich...“
Shakaar schlug die Augen auf. Lange Zeit betrachtete er die ihn umringenden Gesichter nur, während diese ebenfalls schwiegen. Dann schien er zu einer inneren Entscheidung gelangt zu sein, denn er schüttelte leicht den Kopf. „Es war unverantwortlich und unvernünftig von euch, die Gruppe wegen mir in Gefahr zu bringen...“, mit einem weiteren Kopfschütteln brachte er jeden Einwand zum Erliegen. „aber ich bin euch verdammt dankbar dafür.“
Kira ließ die zu einer Verteidigung angehaltene Luft erleichtert ausströmen. „Wir konnten dich nicht im Stich lassen - wir hätten uns nicht mehr in die Augen sehen können.“
„Aber in meine könnt ihr noch sehen?“
Zur Antwort beugten sich drei Gesichter über Shakaar hinunter und starrten ihn betont interessiert an. Seine Züge wurden sehr weich als er lächelte. „Aus meinem Gesichtsfeld, ihr Verrückten, sonst verschlucke ich mich noch!“
„Was immer du wünscht, großer Meister“, foppte Lupaza. Dann ging es ihr auf, dass es vielleicht nicht unangebracht war, ihn nach seinem Befinden zu fragen. „Wie fühlst du dich überhaupt?“
„Gute Frage....“ Shakaar stützte sich auf die Ellbogen, um seinen Oberkörper vorsichtig anzuheben. „Weniger schlimm als ich vermutet hätte“, gestand er nach ein paar Sekunden. Seine Lider flatterten kurz, als er versuchte, den Blick an sich hinab zu vermeiden. „Wie weit...?“
Was fast nicht zu glauben war: Lupazas Grinsen wurde noch breiter. „Wir sind rechtzeitig gekommen. Du kannst deiner Lieblingsbeschäftigung auch weiterhin noch frönen.“
„Ah!“
„Richtig: Ah!“
Kira musste ihren Kopf abwenden, weil sie befürchtete, jeden Moment in Lachen auszubrechen. Shakaars Gesicht zeigte momentan eine so herrliche Mischung an Emotionen, die das gesamte Spektrum von völliger Erleichterung über krampfhafte Neutralität bis hin zu extremer Peinlichkeit gleichzeitig widerspiegelte.
Shakaar brummte ärgerlich und wartete, dass sich seine Freunde über den Scherz auf seine Kosten wieder beruhigten. Schließlich hatte er ihre Aufmerksamkeit wieder so weit, dass er Lupaza und Furel mit einer Kopfbewegung zu verstehen geben konnte, dass die beiden sie für den Moment alleine lassen sollten.
„Ich will dich nicht fragen, was an Energiezellen noch vorhanden ist, Nerys“, begann er. „Du wirst es selbst wissen, wie lange wir unseren Vorrat aufgestockt haben, um wichtige Ziele anzugreifen - Bajoraner zu befreien, die dringend unsere Hilfe benötigen.... Habe ich dir nicht eindringlich genug beigebracht, dass du als Anführerin immer darauf achten sollst, dass deine persönlichen Prioritäten sich mit denjenigen Bajors decken? Sieh mich doch an - ich war so engsichtig, dass ich mich faktisch selbst ausgeliefert habe. Du hattest vollkommen recht gehabt mit deinem Misstrauen. Ich habe dieses Schicksal verdient, niemand anderes - auch nicht unser Energievorrat - hätten darunter leiden dürfen...“
Kira legte ihm mit einem fast liebevollen Lächeln einen Finger über den Mund und hinderte ihn damit am weiterreden.
„Dass du dich was Pagan Sara angeht, reichlich dumm benommen hast, da möchte ich gar nichts hinzufügen“, erklärte sie immer noch lächelnd. „Doch vergiss für einen Moment den hohen Anspruch, den du an dich und an jeden von uns hast. Was hättest du getan, wenn ich in Gefangenschaft geraten wäre? Sieh mir in die Augen und sag mir dann, dass du mich dort hättest verrotten lassen, weil es im Angesicht von Bajors Sache die vernünftige Reaktion ist. Sag es!“
Mit einem sanften Ausdruck schob er ihren Finger von seinem Mund. „Natürlich hätte ich das nicht getan. Aber...“
Sie schüttelte den Kopf und schenkte ihm einen triumphierenden Blick. „Kein ‘aber’.“
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