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Wilde Musik

von Gabi

Kapitel 1

Diese Art von Musik hatte sie noch nie gehört.

In ihrer Kindheit im Singha-Flüchtlingslager hatte es ein paar Bajoraner mit Instrumenten gegeben. Kira Nerys erinnerte sich an Gestalten, die abends vor den Barracken saßen und eine Melodie spielten. Bei den Instrumenten, die das bajoranische Mädchen kennengelernt hatte, hatte es sich meist um Flöten gehandelt. Sie ließen sich gut in den wenigen Habseligkeiten der Lagerinsassen unterbringen – und man konnte sie sich auch selbst schnitzen, wenn man einen schönen, aushöhlbaren Ast fand.

Die Melodien, an die Kira sich erinnern konnte, waren leise und getragen gewesen. Traurige Töne für den Abschluss eines meist traurigen Tages. Wie die anderen Kinder auch, war sie nach dem Abendessen manchmal dagesessen und hatte gelauscht. Es war eine Abwechslung vom täglichen Gerangel um Essen und Kleidung.

Dies hier war anders. Die Bajoraner, die vor ihnen auf dem Platz spielten, besaßen zwar auch Flöten, aber da waren ebenfalls Saiteninstrumente und Trommeln. Besonders der Rhythmus der Trommeln schien sich direkt in Kiras Magen zu drängen. Hart, treibend, fordernd. Die Musik war wild und frei. Die Frauen und Männer an den Instrumenten waren ganz gefangen in dem, was sie taten. Ihre Gesichter spiegelten Freude wider. Sie trieben sich gegenseitig an, forderten mit Soloparts ihre Mitspieler heraus, einander zu übertreffen. Jedes Mal, wenn Kira dachte, dass sie jetzt den Faden verloren hatten, fügten sich die Instrumente auf wunderbare Weise wieder in eine alle umschließende Harmonie ein.

Kira Nerys hatte nicht gewusst, dass es auf Bajors Erde eine Art von Musik gab, die sich nicht leise vor der Nacht duckte.

Verwirrt sah sie sich zu Lupaza und Furel um, die nicht weit von ihr entfernt standen. Die Frau hatte bereits die Hände vor dem Körper erhoben und klatschte den Rhythmus mit. Furels Fuß tappte auf dem Boden. In dem Augenblick, in dem Kira sie beobachtete, drehte sich Lupaza zu ihr um und streckte die Hand nach ihr aus. In ihren Zügen lag ein Ausdruck, von dem sich Kira nicht erinnerte, ihn jemals gesehen zu haben. Die Bajoranerin strahlte von innen heraus.

„Mach mit, Nerys. Lass dich gehen!“

Lass dich gehen. Kira hatte sich in ihren 26 Jahren noch nie gehen lassen. Es hatte keine Zeit dafür gegeben, keine Möglichkeit, keine Veranlassung.

Lupaza ließ das Zögern ihrer jüngeren Kampfgefährtin nicht gelten. Bestimmt fasste sie diese am Arm und drehte sie ein wenig im Rhythmus der Musik. Kira verzog das Gesicht zu einem etwas gequälten Lächeln. Sie fühlte sich seltsam dabei, dem Trommelklang in ihrem Magen nachzugeben.

Lupaza klopfte Furel auf die Schulter, woraufhin dieser sich umwandte, Kira und deren Unbehagen erkannte, und sogleich nach der anderen Hand der jungen Frau griff.

„Mach mit!“ forderte auch er sie auf.

Kira beneidete ihre beiden Freunde für deren Fähigkeit für diesen Moment alles abzuschütteln und in die Musik abzutauchen. Während Lupaza und Furel sie unerbittlich in einen kleinen rhythmischen Stampftanz zogen, blickte Kira sich scheu über ihre Schulter um, ob sie jemand beobachtete. Doch alles, was sie sah, waren tanzende und klatschende Bajoraner. Mit Ausnahme der großen, etwas abseits stehenden Gestalt, waren alle in Bewegung. In den meisten Gesichtern konnte Kira einen ähnlichen Ausdruck wie bei Lupaza und Furel sehen.

Sie deutete mit dem Kinn hinüber. Furel folgte ihrem Blick und nickte. Ihr kleiner tanzender Kreis bewegte sich ein wenig an den Rand der feiernden Menge.

Shakaar bemerkte die drei näher kommen und wandte seine Augen vom Himmel ab. Die Arme hielt er verschränkt vor der Brust in einer unbewussten Abwehrhaltung.

Kira ahnte, dass es nicht die Musik war, mit welcher ihr Anführer Schwierigkeiten hatte, sondern die Nachricht des Rückzugs der Cardassianer, welche sich vor gut einer Stunde über Bajor verbreitet hatte. Alles, wofür sie ihr gesamtes Leben gekämpft und gelitten hatten, sollte in greifbare Nähe gerückt sein. Er war nicht bereit sich so rasch diesem Traum zu ergeben. Während die anderen feierten beobachtete er den Abendhimmel, um nach möglichen Angriffen Ausschau zu halten.

Bajor war frei. Doch es würde noch sehr lange dauern, bis es das auch in ihren Köpfen war.

Shakaar schenkte ihnen ein ermutigendes Lächeln, dass sie weiter tanzen sollten, doch er selbst ließ sich nicht in ihren Reigen ziehen.

Als mit einer stummen Explosion die ersten Feuerwerkskörper am Himmel aufflammten, sah Kira, dass sich auch endlich die Züge ihres Anführers entspannten.

Sie warf den Kopf zurück und ließ ein leises Lachen hören. Jetzt war sie bereit. Sie schloss die Augen und gab sich den treibenden Trommelklängen hin.

Und als sich die Künstler nach einer erneuten wilden musikalischen Jagd wieder in einer Harmoniefolge trafen, welche am Verstand vorbei direkt ihr Innerstes traf, hatte sie nur einen Wunsch:

Dass Bajor eines Tages so frei sein würde wie diese wunderbare, ungezügelte Musik.

ENDE

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