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Der Name meiner Träume

von Gabi

Kapitel 2

Bareil hatte Kira gegen ihren Protest wieder auf den Arm genommen, um besser im Dickicht zurechtzukommen. Sie folgten in einem gewissen Abstand den beiden seltsamen Bajoranern. Kira hatte auf diesen Abstand bestanden, sie wussten immer noch nicht, ob die Verunstaltungen von einer ansteckenden Krankheit herrührten. Der Sprecher, der sich nach dem anfänglichen Schock über Kiras Eröffnung als Weden Gorit vorgestellt hatte, hatte darauf gedrängt, dass sie sich erst einmal in ihr Lager zurückbegäben, bevor beide Seiten die Umstände näher erklärten. Er wollte nicht zu lange im ungeschützten Wald bleiben.

Nach einiger Zeit gelangten sie an eine Felswand, in welcher sich ein vom Dickicht fast zugewachsener Durchgang befand. Die Bajoraner schoben sich hindurch. Dahinter öffneten sich die Felsen zu einem natürlichen Kessel, der idealen Schutz vor Aufklärern und Patrouillen bot, die sich vielleicht einmal während der Besatzung in diesen Dschungel verirrt haben sollten.

Im Inneren des Kessels hatte sich die Gruppe der geflohenen Lagerinsassen ein Dorf errichtet. Kira und Bareil konnten stabile Hütten und Geräte erkennen, die Leute hatten sich eine eigene kleine autarke Wirklichkeit erschaffen.

Weden deutete auf eine der Hütten. „Bringt sie dort hinein, Vedek. Wir werden uns um ihren Fuß kümmern.“

Bareil zögerte. „Ich möchte euch nicht zu nahe treten, aber es wäre mir lieber, wenn ich mich um sie kümmere“, ein kräftiges Nicken von Kiras Seite, „denn verzeiht, wenn ich das sage, aber solange ich nicht weiß, welchen Ursprung eure Krankheit hat, möchte ich den Kontakt so weit wie möglich vermeiden.“

Weden nickte traurig. „Ich verstehe Eure Vorsicht, Vedek. Folgt mir, ich stelle Euch die Instrumente zur Verfügung. Und dann werde ich Euch unsere Geschichte berichten, damit Ihr seht, dass von uns keine Gefahr droht.“

Bareil folgte dem Bajoraner zu der Hütte hinüber. Kira fühlte sich unwohl in den Armen des Geistlichen. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass hier im wahrsten Sinn des Wortes über ihren Kopf hinweg diskutiert wurde. Sie war froh, als Bareil sie im Innern der Hütte endlich auf einem Heubett ablegte, und sie nahm sich vor, das nächste Mal, wenn sie sich von hier erhob, es auf eigenen Füßen zu tun.

Der Vedek schien ihre Gedankengänge zu erraten, denn er blickte von ihrem Bein auf, wo er gerade die Hose über ihr Knie zurückgeschoben hatte. Ein sanftes Lächeln spielte um seine Lippen. „Nerys, ist es so entsetzlich, einmal für kurze Zeit von mir abhängig zu sein?“

Sie rümpfte die Nase. „Soll ich ehrlich sein? Ja! Ich kann es nicht ausstehen, wenn du mich wie eine Puppe in der Gegend herumschleppst.“

Ein leises Lachen ließ sich von Bareil vernehmen. „‘Meine Puppe’...“, dann verengten sich seine Augen nur um einen Bruchteil, „Nerys, wenn du jetzt nicht die Klappe hältst, werde ich deinen Fuß mit Gewalt und ohne Betäubung richten, verstanden?“

Kiras Mund klappte zu. Bareil musste scherzen, sie hatte niemals zuvor ein lautes Wort oder eine Drohung von ihm gehört. Sein Blick, der nun auf ihr ruhte, war vollkommen ernst und verriet nichts von seiner wahren Absicht.

Kira kniff die Augen zusammen. „Das war jetzt nicht dein Ernst, Antos?“ forschte sie nach.

Er erhob sich von seinen Knien und kam zur Kopfseite des Lagers. Dort beugte er sich nieder und strich ihr seufzend ein paar Strähnen aus dem Gesicht. „Natürlich nicht, Nerys. Aber du kannst es mir wirklich manchmal schwer machen, Geliebte. Wenn du Hilfe brauchst, kannst du dich in meine Hände geben - ich dachte, das hättest du mittlerweile gelernt. Ich würde dich niemals wie eine Puppe behandeln.“

Sie lächelte wehmütig. „Das weiß ich, Antos. Aber ich habe es immer noch nicht gelernt, von jemandem abhängig zu sein. Ich war bisher immer alles, was ich brauchte. Entschuldigung, “ fügte sie leise hinzu.

Er küsste sie flüchtig auf die Stirn, zog den Kopf aber wieder hinauf, als er Weden Gorit die Hütte betreten hörte. Der Bajoraner brachte eine medizinische Notfallausrüstung mit sich. Bareil registrierte, dass sie cardassianischen Ursprungs war. „Danke...“, er nahm sie entgegen und kniete sich dann wieder neben Kiras Fuß nieder. „Weden Gorit, willst du mir erzählen, was mit euch los ist?“

Der Mann setzte sich an die gegenüberliegende Wand der Hütte - es tat dem Vedek weh zu sehen, wie der Mann darunter litt, diesen Abstand bewahren zu müssen, aber er wollte erst wissen, mit was er es hier zu tun hatte. Sein hohes geistliches Amt machte es ihm leicht, diesen Abstand durchzusetzen.

Während Bareil sich um Kiras Knöchel kümmerte, begann Weden zu erzählen: „Wir waren in Kaldorat. Habt Ihr davon gehört?“

Sowohl Bareil als auch Kira schüttelten den Kopf.

„Das wundert mich nicht“, fuhr Weden fort. „Nach allem, was ich dort mitbekommen habe, wussten auch nur gewisse Kreise auf Cardassia davon. Wir sind nicht zu Minenarbeiten herangezogen worden, nicht zu anderen Sklavendiensten - wir waren Versuchstiere!“

Kira starrte den missgebildeten Mann an, der mit gesenktem Kopf an der Wand lehnte. Eine längst begraben geglaubte Woge des Hasses peitschte in ihr auf. „Diese Schweine!“ rief sie zornig. „Sie haben an euch Versuche durchgeführt?“

Er nickte. „Ja, das haben sie. Ich weiß nicht, was es alles war. Einige von uns sind Strahlungen aus-gesetzt worden, andere Drogen. Bei mir...“, er sah wieder auf und berührte voller hilfloser Wut eines der Geschwüre auf seiner Wange. „... haben sie an den Genen herumgespielt - ich weiß nicht, was sie herausfinden wollten, ich weiß es einfach nicht. Alles, was wir wussten, war, dass wir dort heraus mussten, solange noch eine bajoranische Faser an uns existierte,“ sein Blick wanderte zur Tür hinüber, durch welche man das ins Mondlicht getauchte Lager sehen konnte. „Wir haben viele bei der Flucht verloren. Es war ein verdammt gut bewachter Sicherheitstrakt, aber uns war es lieber, auf der Flucht erschossen zu werden als so weiterzuleben. Wir haben uns hier in den Dschungel geschlagen und uns versteckt. Zehn von uns haben bis heute überlebt, alle anderen sind langsam und schmerzhaft an den Folgen der Experimente eingegangen...“

Bareil entfernte sich von Kiras Fuß und ging zu Weden hinüber. Er verspürte nun eine heiße Scham in sich brennen, dafür, dass er auf den Abstand zu einem Bajoraner bestanden hatte, der mehr durchmachen musste als er sich auch nur im Entferntesten vorstellen konnte. Vorsichtig berührte er Wedens Schulter, dann nahm er ihn in den Arm.

„Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid.... Die Propheten mögen mir meine Kälte vergeben.“

Der andere fasste zögernd nach Bareils Arm. Er versuchte, den Geistlichen von sich zu drücken. „Nicht, Vedek. Ihr dürft mich nicht berühren. Ich...“

„Oh doch, ich werde dich berühren, wie ich jeden hier im Lager berühren werde, “ versicherte Bareil.

„Wir bringen euch zurück, wir werden euch helfen. Was die Cardassianer euch angetan haben, darf nicht vergessen oder verschwiegen werden“, ließ sich Kiras Stimme entschlossen vom Bett her vernehmen. „Ich hatte keine Ahnung, dass diese Tiere Experimente an Bajoranern durchgeführt haben - und ich bin mir sicher, dass dies eine Tatsache ist, die ein ganz anderes Licht auf die Verhandlungen werfen wird!“

Die Verhandlungen! Bareil blickte nachdenklich zu Kira hinüber. Wie würde sich ihre Entdeckung auf die Friedensverhandlungen auswirken? Sie waren zu nahe an einem verbrieften Frieden, um ihn noch in Gefahr bringen zu dürfen. Bajor dürstete nach dem Friedenszugeständnis von Cardassia. Langsam wandte er sich wieder zu Weden. „Ja“, bestätigte er. „Wir werden euch zurückbringen.“ Alles weitere werden wir dann sehen, fügte er in Gedanken hinzu.

Der Bajoraner blickte ihn fragend an. „Ist es wirklich wahr, dass die Cardassianer fort sind? Ich kann es nicht glauben.“

„Oh doch!“ Jetzt mischte sich ein wenig Triumph in Kiras Stimme. „Sie sind abgezogen, wir haben ihnen zu viele Verluste beigebracht, als dass sich die Besatzung noch gelohnt hätte.“

Bareil schwieg. Er wusste, dass Kira sich an diese Vorstellung klammerte, klammern musste, denn sie war es, die all den Brutalitäten, die sie während ihrer Zeit in der Shakaar begangen hatte, einen Sinn gab. Ganz gleich, was sie getan hatte, sie hatte ihr eigenes Ziel erreicht. Bareil selbst neigte eher, der Version Glauben zu schenken, die Commander Sisko ihm einmal auf DS9 erklärt hatte, dass die Bodenschätze soweit erschöpft waren, dass sich der Soldaten- und Materialaufwand nicht mehr weiter gelohnt hätte, und sich Cardassia viel eher aus innen- statt aus außenpolitischen Gründen von Bajor zurückgezogen hätte.

„Ich hätte nicht gedacht, dass wir das noch einmal erleben dürften“, Tränen schimmerten in Wedens Augen. „Wenn ich das den anderen morgen mitteile, wird ein Freudenfest ausbrechen.“ Er sah flehentlich zu Bareil. „Und wir dürfen zurückkehren? Man wird uns helfen können?“

Der Vedek nickte. „Ihr steht unter meinem Schutz und meiner Verantwortung.“

Weden erhob sich an der Wand und neigte seinen Kopf vor dem Geistlichen. „Ich danke Euch. Die Propheten haben Euch gesandt.“ Dann hob er den Kopf wieder und deutete zur Türe. „Ich werde mich jetzt zurückziehen, damit Ihr schlafen könnt. Morgen beginnt der erste Tag unseres Lebens!“

Als Weden die Hütte verlassen hatte, kehrte Bareil zu Kiras Lager zurück. Im schwachen Licht, welches durch das Fenster schien, war deutlich ihre Wut zu erkennen.

„Ich fasse es einfach nicht!“ flüsterte sie heiser. „Immer dann, wenn ich denke, ich kann beginnen zu vergessen, reißt mich die Realität wieder heraus. Ich hatte keine Ahnung davon. Wir haben immer nur Arbeitslager befreit, wir sind niemals auf eine andere Einrichtung gestoßen.“

„Ich kann es auch nicht begreifen“, Bareil setzte sich neben ihren Kopf. „Was für ein Hirn müssen solche Personen besitzen?“

„Ein cardassianisches!“ schnaubte Kira verächtlich. „Sie hatten ja auch keine Bedenken zu foltern und zu vergewaltigen - es ist nur noch ein kleiner Schritt zu genetischen Experimenten! Ich möchte die Gesichter sehen, wenn sie sich da herausreden wollen...“

“Nerys“, seine Stimme war nachdenklich. „Ich möchte dich bitten, mir die Angelegenheit zu überlassen. Ich habe nur diese eine Bitte an dich, erzähl’ niemandem davon, ohne mich zuerst informiert zu haben...“

„Antos!“ Sie starrte ihn ungläubig an. „Versuchst du mir hier zu erklären, dass ich es verschweigen soll?“

„Nein, nicht direkt...“, er strich sich über die Schläfe. „Nerys... ich bin verantwortlich für das Zustandekommen des Friedensvertrages. Es ist entsetzlich, was diesen Leuten hier passiert ist, aber ist es nicht besser, wenn wir uns zuerst in aller Ruhe um sie gekümmert haben, bevor wir Anschuldigungen äußern?“

„Ich bin mir nicht sicher, ob ich richtig höre! Du warst zu lange mit Winn zusammen!“ Sie biss sich auf die Zunge, als sie diese Worte geäußert hatte. Im Prinzip wusste sie, wie schwierig Bareils Stellung war. Er war derjenige, der Kai Winn auf den moderaten Weg bringen musste, er war derjenige, der sich für die Föderation auf Bajor einsetzte, er war eine der wenigen Personen, die überhaupt mit Cardassia verhandeln konnten, weil er äußerlich ohne Hass und Ambitionen aus der Besatzung hervorgegangen war. Sie hatte kein Recht, ihm Feigheit oder gar Verrat vorzuwerfen. Wenn Bajor seine alte Stellung einnehmen wollte, brauchte es mehr Bajoraner wie ihn.

„Es tut mir leid“, flüsterte sie. „Ich habe es nicht so gemeint.“ Sie nahm seine Hand in die ihren. „Aber das hier darf nicht verschwiegen werden.“

„Das wird es auch nicht“, versicherte der Vedek. „Aber lass es mich bitte auf meine Weise machen, in Ordnung?“

Sie hob ihren Oberkörper ein wenig, um ihn auf den Mund zu küssen. „In Ordnung.“



* * *




Der Lärm vom Lagerplatz weckte sie am nächsten Morgen auf, bevor noch die Sonnenstrahlen durch das Fenster fallen konnten. Verschlafen setzte sich der Vedek auf. Neben ihm saß Kira aufrecht im Bett, ihre Hand hatte schon nach ihrem Phaser getastet. Sie benötigte nur den Bruchteil von Bareils Zeit, um aus dem Tiefschlaf hellwach zu werden. Als sie begriff, dass dem Lärm von draußen keine Gefahr zuzuordnen war, lockerte sich ihr Griff wieder.

„Ich werde nach draußen gehen“, murmelte Bareil, als er noch müde nach seinen Stiefeln fischte. Nachher mussten sie unbedingt zum Teich zurückgehen und den Rest ihrer Ausrüstung wieder besorgen. Kira saß hier ohne Schuhe und er ohne Jacke. „Es hört sich an, als ob Weden Gorit den anderen mitgeteilt hat, dass die Besatzung zu Ende ist.“

„Ich komme mit“, verkündete Kira und war schon dabei, sich aufzurichten, als eine Hand sich auf ihre Brust legte und sie wieder ins Bett zurück drückte.

„Auch auf die Gefahr hin, dass ich mir jetzt wieder irgendwelche Anschuldigungen von dir werde anhören müssen - du bleibst ruhig liegen, solange der Knöchel nicht vernünftig versorgt ist.“ Er erwiderte ihren entschlossenen Blick mit gleicher Sturheit. Eine Zeit lang lieferten sie sich einfach nur ein schweigendes Gefecht, dann brach Bareil die Stille. „Bitte.“ Er legte so viel sanftes Flehen in seine dunklen Augen, wie er zustande brachte.

Und so wenig Kira Nerys mit Stärke beizukommen war, so wenig konnte sie doch eine Bitte abschlagen. Murrend legte sie ihren Kopf zurück. „Also gut. Aber glaube nicht, dass du mir jetzt jedes Mal so kommen kannst“, warnte sie. „Dieser Blick zieht nicht immer!“

Er küsste sie auf die Stirn. „Es genügt mir, wenn er für den Moment zieht. Ich bin gleich wieder zurück.“

Als der Vedek die Türe öffnete, wurde er schon erwartet. Die zehn überlebenden Bajoraner hatten sich in der Mitte des Talkessels um Weden Gorit versammelt. Auf ihren teils entstellten Gesichtern zeigte sich Hoffnung. Bareil konnte erkennen, dass die Auswirkungen der Experimente äußerlich sehr verschiedene Spuren bei ihnen hinterlassen hatten. Nicht alle waren so gezeichnet wie Weden. Am Rand der Gruppe stand sogar eine Bajoranerin, die auf den ersten Blick gesund aussah.

Bevor er sie aber besser betrachten konnte, wandte sich der Sprecher an ihn. „Vedek, Ihr müsst ihnen erklären, dass Bajor frei ist, sie wollen es mir nicht glauben.“

Bareil neigte den Kopf ein wenig. „Weden Gorit hat recht. Vor zweieinhalb Jahren haben sich die Cardassianer zurückgezogen. Es geht Bajor noch nicht wieder sehr gut - aber ja, wir sind frei!“

Erst zögernd, dann entfesselt brach Jubel aus. Bareil ging zu der kleinen Gruppe hinüber.

„Wie geht es Eurer Frau, Vedek?“ erkundigte Weden sich unter den Hochrufen der anderen. Bareil lächelte bei der Implikation dieses Satzes; das wäre wieder ein Punkt, der Kira sicherlich zur Weißglut bringen würde. „Danke, es geht ihr gut. Ich wollte nur nicht, dass sie schon wieder aufsteht.“

Zwei der Bajoraner knieten vor ihm und fassten seine Hände. Der Vedek musste sich zusammennehmen, um nicht vor der Berührung zurückzuschrecken. Immer wieder rief er es sich ins Gedächtnis zurück, dass er nicht so arrogant reagieren konnte, sich Ekel im Angesicht dieser so gezeichneten Personen zu erlauben. Es war leichter gewesen, Weden gestern Nacht zu umarmen. Das schwache Mondlicht hatte vieles beschönigt. Aber jetzt herrschte das Licht der aufgehenden Sonne und zeigte deutlich die nässenden Geschwüre, die offenen Wunden. Er wusste zu gut, dass er ihnen keinen Dienst erwies, wenn er sich seine Ab¬scheu anmerken ließ.

„Segnet uns, Vedek“, bat ein Mann zu seinen Füßen.

Bareil nickte. Er hob seine Hände und legte sie auf die Köpfe der beiden vor ihm Knienden. „Die Propheten mögen auf uns herab lächeln. Ihr alle seid frei, ihr alle werdet Hilfe erhalten. Das verspreche ich euch im Angesicht der Propheten.“ Er nahm seine Hände von den Köpfen der beiden Bajoraner vor ihm. „Und steht jetzt bitte auf, ihr sollt nicht vor mir knien. Das ist nicht angemessen.“

Sein Blick glitt wieder über die kleine Gruppe. Diesmal betrachtete er die junge Frau länger, die am Rand stand. Ihre Unterarme waren mit Tüchern eingewickelt, so dass er annahm, dass sie dort Spuren ihrer Gefangenschaft trug, aber ihr Gesicht war ungezeichnet. Die Sonne war mittlerweile hoch genug gestiegen, dass er ihre Züge völlig erkennen konnte.

Sie waren ihm sehr vertraut: die großen fast schwarzen Augen, die kleine Nase, der Schmollmund. Kira hatte ihm gegenüber niemals etwas über ihre Verwandten geäußert. Er wusste, dass ihre Eltern früh gestorben waren und dass sie zwei Brüder hatte, aber das war alles. Diese Ähnlichkeit jedoch, die ihm jetzt entgegen blickte, musste genetisch bedingt sein. Er ging zu der Frau hinüber. „Wie heißt du?“

Sie blickte ihn verwundert an. „Rell Valron... warum fragt Ihr?“

„Kennst du eine Kira Nerys oder jemand anderen der Familie Kira?“ Rell schüttelte den Kopf.

Weden trat neben Bareil. „Als ich Eure Gefährtin gestern Nacht sah, habe ich mir das Gleiche gedacht, Vedek. Sie müssen aus derselben Familie stammen.“ Er wandte sich an die junge Frau. „Valron, die Frau, die mit dem Vedek kam, könnte eine Schwester von dir sein. Ihr müsst miteinander sprechen, ich bin mir sicher, ihr seid irgendwie verwandt.“

Rell zuckte mit den Schultern, folgte aber dem Vedek, der sie aufforderte zur Hütte hinüber zu kommen.

Kira lag immer noch auf ihrem Lager und überlegte, ob es sich lohnte, Bareils verletzten Blick auf sich zu nehmen, um der Tatenlosigkeit dieses Bettes zu entgehen. Aber die Entscheidung wurde ihr abgenommen, als die Türe aufging, und das Geschehen zu ihr hereinkam.

Eben wollte sie dem Vedek erklären, dass sie sehr gut aufstehen könnte, als sie die Frau bemerkte, die hinter ihm die Hütte betrat. Beim Anblick der zierlichen Frau mit den langen roten Haaren, blieb jeder Kommentar unausgesprochen in Kiras Kehle stecken. Sie starrte ihre Vergangenheit an, das Bild, welches ihr aus cardassianischen Akten entgegen sprang, sooft sie die Unterlagen aufrief, die Tote auf der Bahre - stolz präsentiert von einem Mitglied des Obsidian Order.

„Iliana!“ Was ein Ausruf hätte werden sollen, erstarb fast als Flüstern. Ihr ungläubiger Blick wurde bei der Verwendung dieses Namens fast noch intensiver von der Bajoranerin an Bareils Seite kopiert.

Die junge Frau stürzte beinahe auf Kiras Lager zu. Noch während sie neben ihr auf die Knie sank, fasste sie deren Hand. „Iliana!“ wiederholte sie drängend. „Das ist der Name, den ich in meinen Träumen trage!“

Bareil sah von einer Frau zur anderen. Sie starrten sich immer noch an.

„Kennt ihr euch?“ fragte er leise.

Beide Frauen schüttelten intensiv den Kopf, was den Vedek nur noch mehr verwirrte. Er hatte den Eindruck, in etwas Magisches hineingeraten zu sein, aber nicht die leiseste Ahnung, was das war.

Kiras Gedanken wirbelten. Sie war sich fast sicher, die cardassianische Spionin vor sich zu haben. Aber wie konnte sie es ihr sagen? Wenn sie wirklich Iliana war, dann hatte sie nicht die geringste Ahnung davon, wohin sie tatsächlich gehörte. Was sollte sie machen?

Die junge Frau drückte ihre Hand noch fester. „Sie haben mich Iliana genannt, warum? Warum?! In meinen Träumen ruft mich jemand bei diesem Namen - und es ist ein Cardassianer. Wie kommen Sie zu diesem Namen?“ Ihre Stimme drohte umzukippen.

„Iliana, ich...“

„Ich heiße nicht Iliana!“

Kira nickte. „Gut, wie heißen Sie?“

„Rell Valron.“

“Rell, ich weiß nicht, wie ich beginnen soll, es Ihnen zu erklären... können Sie mir erzählen, was Sie in Ihren Träumen sehen?"

„Warum sollte ich?“ Rell betrachtete sie misstrauisch. „... die Cardassianer haben Sie geschickt - es ist eine Lüge, dass die Besatzung vorbei ist, nicht wahr?“

„Nein, das ist keine Lüge, Valron“, Bareil löste sich von der Wand und kniete sich neben die beiden Frauen nieder. „Ich weiß auch nicht, worauf Nerys hinaus will. Aber ich bitte dich, Ihr zu vertrauen. Die Propheten sind meine Zeugen, dass wir dir nichts antun wollen.“

Rell betrachtete Bareil misstrauisch, schien dann aber gewillt, seinem Rang zu trauen. „Ich möchte, dass Gorit auch dabei ist“, forderte sie. „Ich möchte jemanden um mich haben, dem ich vertrauen kann.“

Bareil wollte sich eben erheben, um ihrem Wunsch nachzukommen, als Kira ihn am Arm fasste. „Nein, es ist besser, wenn Weden nicht erfährt, was ich Ihnen zu erzählen habe.“

„Warum nicht?“ fragten Rell und Bareil wie aus einem Mund.

„Sie werden es verstehen.“

Immer noch misstrauisch setzte Rell sich auf die Fersen zurück. „Also, was haben Sie mir zu erzählen?“

Kira erhob sich ein wenig auf ihrem Lager. Dies hier war eigentlich nicht ihre Rolle, es wäre eine Aufgabe für Bareil gewesen, aber diesem hatte sie nie die Einzelheiten ihres Zusammentreffens mit Legat Ghemor erzählt.

„Was sehen Sie in Ihren Träumen, Rell?“

Rell blickte noch einmal zu dem Vedek hinüber, der ermunternd nickte, dann zuckte sie mit den Schultern. „Sie kommen immer öfter. Früher hatte ich sie vielleicht einmal im Monat, aber mit den Jahren sind sie häufiger geworden. Und jetzt träume ich fast jede Nacht davon. Ich stehe in einem möblierten Raum, in der Ferne sehe ich einen Cardassianer, der mich sieht und auf mich zukommt. Seltsamerweise habe ich in meinen Träumen keine Angst vor ihm. Er erscheint mir fast gütig - und er scheint froh zu sein, mich zu sehen. Er kommt auf mich zu und ruft meinen Namen...“, sie sah wieder misstrauisch zu Kira, „‘Iliana’. Im Traum erscheint es mir völlig natürlich, dass ich diesen Namen trage. Dann kommt immer der Punkt, an welchem ich mich umdrehe und in einen Spiegel sehe, der an der Wand hängt - und aus diesem Spiegel starren mir die Züge einer Cardassianerin entgegen.“ Sie schüttelte sich, so als ob sie ihren Traum in ihr Gedächtnis zurückriefe. „Und dann wache ich auf. Anfangs habe ich geschrien, aber der Traum kommt jetzt so oft, dass ich mich fast daran gewöhnt habe...“, sie sah kurz zu den beiden anderen auf, bevor sie wieder den Boden betrachtete. „Es muss von den Experimenten kommen, welche die verdammten Cardassianer mit mir angestellt haben, denn die Träume haben erst nach meiner Flucht begonnen.“

„Die Cardassianer haben auch mit Ihnen experimentiert?“ fragte Kira erstaunt.

Rell schoss ihr den nächsten misstrauischen Blick zu. „Mit uns allen.... warum?“

Bareil verstand immer noch nicht, worauf seine Gefährtin hinauswollte, aber er wollte ihr helfen, wenn möglich, so bemerkte er: „Valron, du bist weniger gezeichnet als die anderen.“

Sie nickte. „Nach den ersten beiden Sitzungen...“, sie spie das Wort fast aus, „haben sie mich über eine Woche nicht mehr geholt, und bevor sie es wieder machen konnten, sind wir ausgebrochen.“
Kira schüttelte den Kopf. „Sie müssen ihren Fehler bemerkt haben, und dann wussten sie nicht, was sie machen sollten“, murmelte sie.

„Was für einen Fehler?!“ Rell packte Kira an den Schultern und schüttelte sie, „Verdammt, jetzt sagen Sie endlich, was Sie zu wissen glauben.“

Kira warf Bareil einen verzweifelten Blick zu, warum konnte er nicht helfen? Aber wie sollte er auch! „Der Cardassianer, der Sie in Ihren Träumen ruft, ist ein älterer Mann, groß, ein wenig korpulent, die Haare beginnen schon grau zu werden. Er hat eine ruhige, liebenswerte Stimme...“

Rell starrte sie fassungslos an. „Woher wissen Sie das? Woher?!“

„Weil ich in Ihrem Traum war, Iliana. Ich bin vor Kurzem vom Obsidian Order entführt worden, weil sie glaubten, mit meiner Hilfe einen Dissidenten enttarnen zu können: Legat Ghemor. Sie haben mich chirurgisch verändert und versucht, mir ein¬zureden, dass ich keine Bajoranerin wäre, sondern eine cardassianische Undercover-Agentin, die langsam wieder ihr Gedächtnis zurück erlangt - und ich sei die Tochter von Legat Ghemor,“ sie schloss die Augen, als sie sich daran zurückerinnerte, wie sie in diesem möblierten Raum aufgewacht war. „Und ich habe das Entsetzen gespürt, als ich nicht mehr mich im Spiegel sah, sondern Iliana Ghemor.“

Rell lachte auf, es war nahe an Hysterie. „Sie versuchen mir einzureden, dass ich eine Cardassianerin bin? Das ist lächerlich!“

Kira schüttelte den Kopf. „Ich weiß, wie lächerlich das ist. Ich habe genau dasselbe durchgemacht. Ich habe mit jeder Faser an meinen Erinnerungen festgehalten, weil es Momente gab, in denen ich wirklich glaubte, was man mir versuchte einzureden.“

Sie sah Rell in die Augen und versuchte, irgendwie die Ernsthaftigkeit ihrer Behauptung mit Blicken herüberzubringen. Sie konnte deutlich erkennen, dass die junge Frau ihr kein Wort glaubte. Warum sollte sie auch? Wäre sie, Kira Nerys, in derselben Situation, würde sie auch kein Wort glauben. - Und sie war beinahe in derselben Situation gewesen.

„Um Legat Ghemor davon zu überzeugen, dass es sich tatsächlich um seine Tochter handelt, mussten sie jemanden nehmen, der ihr ähnlich sah. Sie haben mich genommen - und die Ähnlichkeit zwischen uns beiden ist nicht zu verleugnen.“

Rell lachte wieder auf. Was sonst hätte sie tun sollen? Die gesamte Situation wirkte so unglaublich, dass sie nicht wusste, wie sie reagieren sollte. Und doch, warum wusste diese Fremde von ihren Träumen? „Und wenn das stimmen sollte, was Sie hier erzählen... wer sagt Ihnen denn, dass nicht Sie diese Cardassianerin sind?“

Kira blickte sie traurig an. „Weil ich nicht träume.“
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