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Der Weg der Propheten

von Martina Bernsdorf

Kapitel 2

Das Feuer im Kamin prasselte munter, an allen anderen Abenden hatte das Geräusch eine beruhigende Wirkung auf Valris ausgeübt, doch nicht an diesem Tag. Sie starrte in die Flammen, züngelnd, orangerot, lodernd, sich verschlingend. Valris schauderte, es war wie ein dunkles Omen, an einem Tag, der schon so voller Angst gewesen war. Wann immer sie die Augen schloss, sah sie erneut die Raumschiffe am Himmel.
Sie hörte Winn leise vor sich hinsummen, sie hatte das Kind mit sich nach Hause genommen, wohlwissend, dass Vedek Kailan, Winns Vater, vermutlich in die Stadt gereist war, und er damit einig gewesen wäre, dass sie Winn mit sich nahm, statt sie zurück ins Kloster zu bringen.
Das Kloster, das über dem Dorf streng und gewaltig aufragte, auf einen Felsen gebaut, war kein Ort für Kinder. Es wirkte manchmal wie ein unheilvoller Schatten von Wissen und geistlicher Macht, und an anderen Abenden wirkte sein Schatten wie ein heimeliger Schutz, wie ein wärmender Mantel, in der Kälte der Nacht. An diesem Abend fragte sich Valris, ob der Schutz des Klosters ausreichen würde, gegen jene Fremden vom Himmel.
Winns pummelige Finger zupften an ihrem Belaklavion, und Valris runzelte die Stirn. An jedem anderen Abend hätte sie das Kind dafür gescholten, aber die kleinen Disharmonien, die zu ihr hinwehten, waren dennoch irgendwie tröstlich, vertraut. Sie konnte sich daran erinnern, als kleines Kind ebenso an dem Instrument ihres Vaters gezupft zu haben, er hatte darüber immer nur gelacht und gemeint, dass Kinderhände nie ein Belaklavion zerstören würden. Valris konnte sich daran erinnern, wie sie mit ihren eigenen Kinderhänden damals das Instrument erkundet hatte, das Holz, so glatt, geschmeidig und doch warm, lebend. Die Saiten, die leise klangen, wenn sie sie berührte.
„Soll ich uns etwas vorspielen, Winn?“
Winn sah überrascht auf, etwas schuldbewusst starrte sie auf ihre Finger, die die feinen Holzmaserungen erkundet hatten, und wunderte sich über den Tonfall von Valris, sonst schimpfte die junge Frau immer nur mit ihr. Winn sah sich im Raum um, sie war oft hier gewesen, weil ihr Vater sich häufig in diesem Haus aufgehalten hatte, aber nie waren ihr die Schatten bedrohlich erschienen, nur an diesem Abend schien alles anders zu sein.
Sie stand auf und trug vorsichtig das Instrument zu Valris, die es mit Dank entgegennahm. Ihre Finger glitten über die Saiten, in ihren Gedanken hörte sie die Musik, die in ihr war, die aus ihr herauswollte, und schlug sanft die Saiten an. Ein disharmonischer Laut erklang, und Valris seufzte leise. Es hatte keinen Sinn, sie war wohl nicht zum Komponieren berufen, sie konnte nur das spielen, was sie gelernt hatte, Lieder, aber ohne das richtige Feuer darin. Sie schlug eine sanfte Weise an, die ihre Mutter immer so gerne gehabt hatte, und schloss die Augen, sie musste sie nicht offen halten, sie brauchte die Saiten des Belaklavions nicht zu sehen. In ihrer Erinnerung war die Stimme ihrer Mutter, und erst bemerkte sie gar nicht, dass Winn leise mitsang.
„Welch beruhigendes Bild, an einem Abend wie diesem!“
Die Stimme aus dem Dunkel erschreckte Valris und Winn gleichermaßen, sie hatten nicht gehört, wie der Mann eingetreten war. Hier im Dorf gab es keinen Bedarf an Türschlössern, so wie es in den Großstädten immer mehr die Mode zu werden schien.
„Vedek!“ Valris sprang auf, und fast wäre sie zu dem Mann gerannt wie ein kleines Kind, um sich umarmen zu lassen. Sie konnte sich erinnern, dass sie das früher gemacht hatte. Vedek Kailan war oft ein Gast in diesem Haus gewesen, ein guter Freund ihres Vaters und ihrer Mutter.
Winn hingegen hatte sich schon in die Arme ihres Vaters geworfen, der dieselben grauen Augen besaß wie sein Kind. Mit einem Lächeln schwang er seine Tochter einmal um sich herum und setzte sie dann wieder auf den Boden ab.
„Danke, Valris, dass du dich um Winn gekümmert hast!“ Der Vedek strich über seinen dunklen Haarschopf, der nur an den Seiten eisgrauem Haar wich, und schüttelte den Abendtau damit heraus. Valris rückte einen Stuhl ans Feuer und bot dem Vedek ein Abendmahl an, was er ablehnte, mit dem Hinweis, dass er in der Stadt gegessen hatte.
Vedek Kailan ließ sich in dem Stuhl nieder, und das erste Mal, seit sie ihn kannte - und das waren viele Jahre - sah er alt und müde aus. Die Falten an seinem Mundwinkel wirkten fast wie Narben, Sorgen spiegelten sich in seinen Augen und vielleicht sogar Angst. Er bemerkte Valris’ aufmerksamen Blick und lächelte, aber es war kein Lächeln, das seine Augen erreichte, und das erschreckte Valris mehr noch als die Raumschiffe, die sie am Himmel gesehen hatte.
„Ich habe dir etwas aus der Stadt mitgebracht, Winn!“ Die kleine Winn sprang zu ihrem Vater, und in ihren Augen leuchtete es auf, als er aus einer Falte seiner roten Robe eine kleine Puppe zog. Glücklich jauchzend packte sie die Puppe und verzog sich in eine Ecke des Raumes.
Valris forschte in den Augen des Vedeks. Sie wusste genau, warum er mit dem Gleiter, der dem Kloster gehörte, in der Stadt geflogen war. „Hast du sie gesehen?“
Der Vedek erwiderte den Blick und sah dann ins Feuer. „Ja, Valris!“
Er schwieg einige Minuten, und Valris gab dem Vedek alle Zeit, die er brauchte. Sie achtete den Mann sehr, der für sie immer ein Onkel gewesen war, ein Freund ihres Vaters und doch, seit sie erwachsen war, war er vielleicht in den geheimsten Stellen ihres Herzens sogar mehr als das.
„Sie kommen von einem Planeten namens Cardassia.“ Vedek Kailan sah, wie Valris kurz das Gesicht verzog.
„Cardassia.“ Valris kostete diesen Laut und fand ihn schrecklich, er war hart, er war zischend wie eine Schlange, die sich im hohen Gras versteckte und zubiss, ehe man wusste, wie einem geschah.
Der Vedek forschte in den grünen Augen der jungen Frau, er hatte sie aufwachsen sehen und wusste, dass sie etwas Besonderes war. Noch erzeugte sie Disharmonien, wenn sie das Belaklavion zum Instrument ihrer Seele machen wollte, aber er wusste, dass sie eines Tages zwischen ihrer Seele und ihren Fingern eine Verbindung schaffen würde und dass sie dann mit ihrem Belaklavion Musik erzeugen würde, die vielleicht mehr bewirkte, als tausend Raumschiffe. Sie hatte ein besonderes Verhältnis zu Tönen, zu der Musik, die jedem Wort innewohnte. Und sie fühlte schon allein im Klang dieses Wortes, was er empfunden hatte, als er die Fremden gesehen hatte.
„Wie sehen sie aus, Vedek?“
„Die meisten sind groß und schlank, ihre Gesichter scharfgeschnitten, harte Schuppen prägen die Linien ihrer Kiefer, und dicke Muskelstränge am Hals sind ebenso mit Schuppen belegt, eine graue Hautfarbe, schwarzes Haar. Sie wirken nicht sonderlich anziehend, aber man darf eine Rasse nicht nach ihrem Aussehen beurteilen!“
Valris bemerkte eine winzige Unsicherheit in der Stimme des Vedeks, so als würde er sich selbst von etwas überzeugen wollen. Er rieb sich über die Nasenwurzel, so als hätte er Kopfschmerzen. Nein, man konnte eine Rasse nicht nach dem Aussehen beurteilen, aber vielleicht nach den Uniformen, die sie trugen, nach den Waffen in ihren Händen, nach der Kälte in manchen Augen.
„Was wollen sie?“
„Uns helfen.“ Die Stimme des Vedeks war tonlos.
„Du glaubst ihnen das nicht?“
Vedek Kailan sah erstaunt auf und lächelte dann Valris sanft an, er streckte die Hand aus und fuhr über ihr sandfarbenes Haar. „Ich habe vergessen, dass du ein Gehör hast, das mehr wahrnimmt als nur die Worte.“ Er bemerkte ein kleines Aufleuchten in diesen grünen Augen, und ihm wurde bewusst, dass Valris kein Kind mehr war. Er zog seine Hand zurück und bemerkte die Enttäuschung in ihren Augen, aber er war kein junger Mann. Seine Frau war bei der Geburt von Winn gestorben. Valris war die Tochter seines besten Freundes, sie war zu jung, zu jung für einen alternden Vedek, der die Schatten gesehen hatte, die nun über Bajor hereinbrechen würden.
„Haben wir um Hilfe gerufen, Valris? Nein, ich glaube ihnen nicht. Sie sind keine Forscher, sie sind Krieger, und wo Krieger sind, da hält auch Krieg Einzug in die Herzen. Ich weiß nicht, was sie wirklich wollen. Es gibt Prophezeiungen über Fremde vom Himmel.“ Kailan schwieg düster, und Valris legte sanft eine Hand auf die des Vedeks.
„Was besagen sie, Vedek?“
„Eine Zeit der Prüfung, die Zeit der größten Prüfung vielleicht, Valris. Aber in den alten Schriften steht auch, die Dunkelheit kann nur siegen, wenn das Licht im Herzen erlischt.“ Er legte seine freie Hand über Valris’ und sah sie mit nahezu zwingender Intensität an. „Versprich mir, Valris, dass du dieses Licht immer in dir tragen wirst, egal was auch geschieht!“
Valris sah erstaunt auf ihre Hand, der Vedek hielt sie so fest, dass es wehtat, und der Vedek war ansonsten der sanfteste Mann, den sie kannte.
„Ich verspreche es, Vedek Kailan!“
Das Lächeln kehrte in das Gesicht des Vedeks zurück, und erleichtert ließ er Valris’ Hand los. „Welche Prüfungen auch immer auf Bajor warten, Valris, solange wir die Hoffnung und das Licht in uns tragen, kann uns niemand besiegen!“
Valris schauderte und starrte ins Feuer, ihre Finger zupften selbstvergessen am Belaklavion und schlugen unwillkürlich die Laute eines Kriegsmarsches an.
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