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Windstille

von Jimaine

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"Jon...hey...ich muss mit dir reden. Es ist wichtig."

Im Nachhinein...warum hatte er keinen Grund gehabt, dieser Bitte von Trip nicht nachzukommen? Warum hatte ihn im entscheidenden Moment nicht T'Pol von der Brücke kontaktiert, einen Notfall gemeldet? Dieses Gespräch verhindert.

Kalt war ihm. Kalt. Alle Kanten, alle Farben – spärlich wie sie hier an Bord existierten – wirkten gedämpft. Abgestumpft. Sein Körper war taub...jede Bewegung erfolglos als bewege er sich durch Treibsand.

Leise winselnd drängte sich Porthos an seine Seite; er hatte den Beagle erzogen, nicht auf sein Bett zu springen, doch ließ er ihn gewähren, streichelte das weiche, warme Geschöpf, das ihm so treu ergeben war, nur ihm, bedingungslos und ohne Vorbehalte.

Nie hätte er geahnt, was es war, das Trip mit ihm bereden wollte.

Diese Offenbarung, die bis zum Grunde seiner Seele schnitt...und tiefer...bis der Schmerz ihm den Atem nahm.

Niemand war davon überraschter als er selbst.

Malcolm Reed und Trip Tucker.

+++++

Ein Teil von ihm wollte sich mit seinem Freund freuen, hatte sein Glück für einen Herzschlag geteilt, als er ihn und Malcolm zusammen sah. Das stille Strahlen in Trips Augen, nur weil er Malcolm nahe war. Doch nur allzu schnell hatte sich dieser Teil in eiskalte Katatonie gewandelt. Als Trip Malcolm umarmte, ihn vor den Augen seines Captains küsste und keinen Hehl aus seinen Gefühlen machte.

Er hatte wohl nicht viel dazu gesagt und das wenige auch recht unterkühlt rübergebracht, denn kaum dass sie alleine waren, konnte sich Trip nicht mehr beherrschen. Nicht länger Captain und Commander, Vorgesetzter und Untergebener, dies war eine Sache zwischen ihnen beiden alleine, inoffiziell und ganz im Vertrauen. Ein Gespräch zwischen zwei Freunden. Oder...? "Was sollte das gerade bedeuten, Jon? Hättest du ihm nicht gleich noch mit einem Fußtritt aus der nächsten Luftschleuse helfen können, wo du schon vor Herzlichkeit überschäumtest? Ich hab' ja mit einigem gerechnet, aber *das*..."

"Tut mir leid, Trip, wenn ich etwas...überrascht war...ich hab's echt nicht so gemeint. Bitte glaub' mir das."

"Überrascht? Nicht so gemeint? Versuchst du, dir das selbst einzureden? Viel Erfolg, ich kauf' dir das nämlich nicht ab! Was erwartest du von mir, Jon? Eine Entschuldigung?" Des Chefingenieurs Augen blitzten in einem Anflug verzweifelten Zorns. Aufgebracht fuhr er sich mit beiden Händen durch die dunkelblonden Haare, weitaus ruhiger als er unter den gegebenen Umständen sein sollte. Er wollte schreien, weinen, voller Fassungslosigkeit laut lachen. Jon mit einem gut gezielten Haken zu Boden strecken und ihn gleichzeitig trösten wie verwünschen. "Ich habe gewartet. Acht Jahre lang. Acht Jahre als dein Freund. Und ich bin immer ehrlich gewesen, habe dir von Anfang an nicht verschwiegen, dass ich unsere Freundschaft zu etwas anderem werden lassen könnte, wenn du es wolltest..., dass ich weitaus mehr für dich empfinde als Freundschaft...doch", er begegnete Archers Blick ungeniert, seine blauen Augen offen und klar, "habe ich deine Grenzen respektiert, nachdem du deutlich sagtest, dass du meine Gefühle nicht erwiderst...nie erwidern würdest. Deine Freundschaft war mir wichtiger als die Sache zu forcieren."

Jonathan Archer schwieg.

"Warum jetzt, Jon? Ausgerechnet jetzt, wo ich endlich den entscheidenden Schritt gemacht und mich für andere Möglichkeiten geöffnet habe. Warum diese Feindseligkeit? Ist es Eifersucht, *Cap'n*?" In seiner Stimme schwang Schmerz mit, verletztes Vertrauen, der für gewöhnlich warme Südstaatenakzent eisig vor Zynismus.

"In Malcolm habe ich all das gefunden, was du nicht bereit warst zu geben. Geben konntest. Mehr als einen Freund. Keinen Freund wie dich, aber einen Freund...plus die andere Seite, auf die ich acht Jahre insgeheim hoffte, sie in meiner Phantasie erschuf aber nie wirklich bekam. Acht Jahre liebte ich eine Illusion. Unberührbar, etwas, das größer war als ich, zu gut, um mein zu sein." Er unterbrach sich für eine Atempause, sammelte sich, sein Innerstes in qualvoller Aufruhr. "Nein, Malcolm ist gewiss nicht du, Jon, wird es nie sein...niemand ist mit dir zu vergleichen. Aber ihn kann ich berühren. Er lässt mich ihn lieben, er ist real. Hier. Für mich und nur für mich. Er braucht mich auf die gleiche Art und Weise wie ich ihn brauche, und dafür liebe ich ihn."

"Kann ich nicht genau das sein? All das?"

"Nein, Jon", sagte Tucker bestimmt, schüttelte den Kopf.

"Trip..." Ein Strohhalm, an dem er sich festklammerte.

"Für eine Zeitlang, ja, für eine Weile könntest du es, daran habe ich keinerlei Zweifel. Aber ich will nicht bloß *eine Zeitlang*. Du magst jetzt, in diesem Moment, wirklich und ehrlich das für mich empfinden, was ich für dich empfinde, und nicht bloß glauben, dass du es tust. Doch was ist mit in einigen Monaten? In einem Jahr? In fünf Jahren? Ich kenne dich zu gut, Jon, du kannst nicht aus deiner Haut, und ich bin der Letzte, der dir das vorwirft. Deine Standhaftigkeit und Stärke, dein Einsatz für eine Sache, an die du glaubst...das sind schließlich zwei der unzähligen Gründe, weshalb ich mich damals in dich verliebte. Weshalb ich deine Freundschaft so schätze. Natürlich könnte ich die Gelegenheit beim Schopfe greifen, nur für den Moment leben, weil meine langjährige Liebe mir plötzlich ein eindeutiges Angebot macht...und vielleicht wäre es die Erfahrung wert. Vielleicht", lächelte Trip schwermütig und der Saphirblick ging verloren in dunklem Grün. "Vielleicht sollte ich es einfach darauf ankommen lassen...aber es wäre niemandem gegenüber fair. Ich will es dir nicht antun, Jon, irgendwann in der Zukunft erkennen zu müssen, dass du heute impulsiv gehandelt und einen Fehler gemacht hast. Und Malcolm verdient besseres als dass ich ihm das Gefühl gebe, zweite Wahl zu sein. Es tut mir leid, Jon, dass es für dich so plötzlich kam. Und dass es dir schwer fällt, damit umzugehen. Aber ich liebe Malcolm."

"Trip..."

"Und", fuhr Tucker fort, seine Stimme heiser und belegt; er vermied es, Archer anzusehen, "weil ich auch *dich* immer noch liebe – dich, meinen Freund, meinen besten Freund, komme was wolle – lautet meine Antwort dir gegenüber nein."

Archer schloss für einen Moment die Augen, hielt den Atem an. "Ich verstehe." Seine Fingernägel gruben sich in seine Handflächen, seine Kiefermuskeln schmerzten, so fest biss er die Zähne zusammen.

"Ich hoffe es." Gott, er hoffte es wirklich! Jon war so sehr ein Teil seines Lebens, Jonathan Archer mit seinem warmen Lachen, diesen unendlichen Augen und einer Persönlichkeit, die ihn anzog wie ein Magnet. Wie Licht die arme, hilflose Motte, die nicht gegen ihre Instinkte ankämpfen konnte und blind dem Reiz folgte. Jon war immer da gewesen, wenn er ihn brauchte, die rettende Hand, die stützende Schulter, der eine Mensch, dem er absolut vertraute.

Nur ein kompletter Idiot könnte ihn nicht lieben.

"Wie soll es...?" Die Worte würgten ihn im Hals, er brachte die Frage nicht zu Ende. *Wie soll es weiter gehen?* Archer sah ihn nur an, hoffte, dass ihm der Rest des Satzes abgenommen wurde.

"Wie soll es weitergehen? Oh, Jon. Wir könnten das ganze schwierig machen. Szenario Eins: Eine öffentliche Szene, Autoritätsmissbrauch und Schikanen, Spannungen zwischen dem Captain, dem Chefingenieur und dem Sicherheitschef, hauptsächlich vom Captain ausgehend. Zwei Senioroffiziere beantragen in absehbarer Zeit eine Versetzung, welche der Captain entweder verweigert – was unangenehme Fragen nach sich zöge – oder befürwortet...womit dann sein Chefingenieur nicht glücklich wäre, weil er seinen besten Freund verlöre", endete er leise. "Und er will ihn nicht verlieren. Um keinen Preis. Genauso wenig wie der Captain ihn verlieren will, nicht wahr?"

"Nein, das will ich nicht, Trip", gab er ihm leise zu verstehen und meinte es ernst. "Was ist mit Szenario Zwei?"

"Simpel. Wir schaffen es, damit klarzukommen. Ohne unschöne Nebenwirkungen."

"Wir...wir..." Nie zuvor hatte er ihn auf diese Weise angesehen...nur um ihn jetzt gehen zu lassen. Als sähe er ihn heute zum ersten Mal...wunderschön, alles an ihm...sein Freund...sein Trip. Ohne ein weiteres Wort zog er ihn an sich, näher und fester als ein Freund es tun sollte. Nur dies eine Mal. Ein einziges Mal wollte er ihn so halten...ihn... *Ich liebe dich, das weiß ich jetzt. Werde es immer tun. Aber du hast deine Wahl getroffen...was kann ich anderes tun als das zu akzeptieren? Dir Glück zu wünschen. Eben weil ich dich liebe...*

Automatisch fand sein Mund den seines Freundes und in diesen ersten, diesen einzigen Kuss legte er sein unterdrücktes Verlangen, alle Sehnsucht, die er ab dem heutigen Tag auf immer verschweigen und begraben würde. Sanft, ohne Drängen, nur ein zärtlicher bittersüßer Abschied. Dann standen sie schweigend da, die Arme lose umeinander gelegt, ein letzter Moment gegenseitiger Ehrlichkeit.

"Schaffen wir das, Jon?"

"Sicher."

+++++

Eine Lüge, die ihm das Herz hatte gefrieren lassen und nicht einmal Trips optimistisches Antwortlächeln hatte es wieder erwärmen können.

Porthos war mit dem Kopf auf seinem Bein eingeschlafen, jagte pfotenzuckend Traumkaninchen.

Er fiel rückwärts auf sein Bett zurück und starrte blind an die Decke hinauf, fühlte sich allein wie nie zuvor.

Du darfst keine Angst vor dem Wind haben, Jon.

Sicher, Dad, gab er stumm einem Phantom Antwort. Doch was ist, wenn der Wind sich dreht, nachdem du gelernt hast, ihn als gegeben anzusehen, als allgegenwärtige, treibende Konstante unter deinen Flügeln, eine Kraft, auf die du dich jederzeit verlassen kannst? Wenn er ganz abflaut und du bei Windstille weiterfliegen musst? Ein einsamer Segelflug.

Wie lange ist das möglich, ohne abzustürzen?

- FINIS -
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