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Berührungen

von Gabi

Kapitel 1

"We say atoms are bound by weak attractors.
Why not admit the truth: The universe is held together by love."
(Andromeda - Banks of Lethe)



Er würde heute wieder auf die Station zurückkehren. Sie hatte seinen Namen auf der Passagierliste des 1700 h Transports gesehen. Es war ihr klar gewesen, dass sie die Begegnung nicht ewig vor sich herschieben konnte, doch sie hatte dennoch gehofft, dass er auf Bajor bleiben würde.

Colonel Kira Nerys saß im Replimat und nahm nicht wirklich wahr, was sie aß. Bareil Antos, der Dieb aus dem Spiegeluniversum, war vor Monaten ohne Vorwarnung wieder in ihrem Leben aufgetaucht. Sie hatte ihm seinen Verrat nie verziehen und so war ihre Begrüßung anders ausgefallen als er sich das vorgestellt hatte. Sie hatte ihn aus ihrem Leben verbannt, hatte ihn nach Bajor geschickt, damit er dort ein neues Leben beginnen sollte, wenn er schon vor hatte, in diesem Universum zu bleiben. – Und zu ihrer Überraschung hatte er sich jeder Forderung von ihr widerstandslos ergeben, hatte ihr erklärt, dass er lernen würde, ihrer würdig zu sein. Sie hatte ihm gesagt, dass er nicht wiederzukommen brauchte, doch das hatte ihn augenscheinlich nicht beeindruckt.

Sie musste gestehen, dass sie einfach nicht wusste, was sie mit ihm machen sollte ...

„Ist dieser Platz noch frei?“ Er stand mit einem Essentablett in den Händen vor ihr.

Leicht gereizt blickte sie auf. „Du weißt, dass meine Antwort darauf ‚nein, ich möchte alleine bleiben‘ heißt, und ich weiß, dass du dich nicht darum kümmern wirst – also kürzen wir ab und du setzt dich einfach.“

Er sah sie überrascht an, dann setzte er sich. „Du hast deine Meinung über mich nicht geändert?“

„Hätte ich einen Grund dazu gehabt?“

„Nun,“ er hob beide Hände in einer ausladenden Geste, „ich war für Monate auf Bajor, habe dich nicht belästigt, habe die Zeit in einem eurer Klöster bei eurem Kai verbracht, um eure Religion kennenzulernen und mich dabei nach Aussagen der Geistlichen nicht dumm angestellt. Ja, ich würde das als einen guten Grund ansehen.“

„Einen guten Grund, eine geistliche Laufbahn einzuschlagen. Hat es dir auf Bajor nicht gefallen?“

Er rührte mit dem Löffel in seinem Getränk. „Oh, mir gefällt das Bajor dieser Seite. Es wirkt nicht so militärisch wie dasjenige, das ich gewohnt bin ... Nerys, ich habe mich verändert. Ich verspreche dir, dass ich keine Blamage mehr für dich sein werde.“

„Es geht nicht darum, ob du mich blamierst.“ Sie schluckte den letzten Bissen hinunter und erhob sich, um ihr Tablett in den Replikator zurückzustellen. „Sondern um das, was du mir angetan hast.“ Sie wandte sich zum Gehen.

„Kann ich dich zum Reden und zu einem Drink zu mir einladen?“ Er hatte sein Tablett ebenfalls aufgehoben.

Sie schenkte dem beladenen Tablett einen inquisitorischen Blick. „Du hast dein Abendessen noch überhaupt nicht berührt.“

„Ich bin nicht hungrig.“

„Dann hast du dich in der Tat verändert.“

„Nerys ...“ Er lief hinter ihr her, nicht gewillt, sich von ihr abwimmeln zu lassen. „Ich habe mit dem Kai über dich gesprochen, ich weiß jetzt, wie grausam ich mich dir gegenüber verhalten habe, und es tut mir so unendlich leid. Ich kannte deine Vergangenheit nicht ... ich.“

Kira hatte ihr Tablett versorgt und wandte sich zu ihm um. In ihren Augen blitzte es gefährlich auf. „Kannst du dir vorstellen, dass ich keinen Wert darauf lege, dass jeder hier im Replimat hört, wie dumm ich war? Halt bitte den Mund.“

„Entschuldige.“ Bareil griff hinter sie, um sein Tablett auch fort zu stellen. „Mein Angebot steht, wir können bei mir ungestört reden. Ich verspreche dir bei den Propheten, dass ich keine Annäherungsversuche unternehmen werde. Doch ich glaube, dass zwischen uns beiden noch sehr viel unausgesprochen ist. Ich schulde es dir und ich schulde es mir.“ Er lächelte sanft. „Und ich denke, du schuldest es dir ebenfalls.“ Als sich Kiras ablehnende Miene nicht änderte, fügte er hinzu: „Kai Sarius hat mir zwei Flaschen deines Lieblingsweins mitgegeben. Sie stehen für dich bereit.“

„Gib dir keine Mühe mit deinen Versuchen. Der Kai kennt mich überhaupt nicht.“

„Nein, aber er kannte Vedek Bareil.“

„Bareil?“ Derselbe Name, doch es lagen Welten zwischen der Aussprache. Mit schmerzender Klarheit wurde ihm bewusst, dass er wohl niemals hören würde, wie sie seinen eigenen Namen mit dieser Sehnsucht aussprach.

Er senkte seine Stimme. „Wusstest du nicht, dass er ihn geliebt hat?“

„Wer wen?“ Sie starrte ihn entgeistert an.

Er ließ seinen Blick über die übrigen Besuche des Replimats gleiten. „Sollen wir nicht doch zu mir gehen?“

Sie nickte und folgte ihm über die Promenade. In der relativen Stille des Verbindungskorridors zum Habitatring fragte sie erneut leise: „Wie soll ich das verstehen, dass Bareil ...“

„Der Vedek hat sich nur für die heiligen Schriften und für Pflanzen interessiert, bevor er dich getroffen hat, Nerys. Aber Sarius hat ihn geliebt.“

Sie wirkte erleichtert. „Das wusste ich nicht.“

„Niemand wusste das.“ Bareil blieb vor einer Quartiertür stehen. „Ich weiß nicht, warum er es mir anvertraut hat, doch ich fühle mich geehrt dadurch. Kai Sarius hat mich akzeptiert trotz des Misstrauens, das mir sonst entgegen geschlagen ist.“

Sie hielt seinem Blick stand, unbeeindruckt von der Erklärung seiner Tugendhaftigkeit. Er zuckte mit den Schultern.

„Was muss ich tun, um dich noch zu einem Glas zu überreden? Schau ...“ Er öffnete die Tür. „Da drüben ist ein Tisch und zwei sich gegenüberstehende Sessel. Ich werde nicht einmal in deine Nähe kommen.“

Kira beugte sich vor, um an ihm vorbei in den Raum zu schauen, obwohl sie sehr gut wusste, wie die allgemeinen Gästequartiere eingerichtet waren.

„In Ordnung. Aber ich stelle eine Bedingung – und ich will, dass du sie einhältst.“

„Was immer du verlangst.“

„Wenn ich dir am Ende dieses Abends sage, dass du aus meinem Leben verschwinden sollst, dann wirst du das tun.“

Er schluckte, doch dann neigte er langsam den Kopf. „Ich flehe deine Propheten an, dass du das nicht tust. Doch wenn ... dann werde ich nach Bajor zurückkehren und du wirst mich nie wieder sehen.“

Sie musterte ihn für einen Augenblick. Unverhohlene Angst lag in seinen schwarzen Augen. Angst davor, was sie imstande war, mit seinem Leben zu tun.

Sie glaubte ihm.

Ohne ein weiteres Wort folgte sie ihm ins Quartier.

Er öffnete eine Schublade und holte eine Flasche Wein daraus hervor. Dann stellte er zwei Gläser auf den Tisch, sorgsam darauf bedacht, dass er sie an den zwei am weitesten auseinander liegenden Punkten platzierte.

„Bitte, setz dich“, forderte er sie auf, während er einschenkte.

Kira ließ sich in einen Sessel fallen und nahm das Glas entgegen. Mit gesenkten Lidern schnupperte sie am Wein. Ein zustimmendes Lächeln machte sich auf ihren Zügen breit. „Er riecht wundervoll. Danke.“

Bareil griff erleichtert nach dem anderen Glas. Er hob es an. „Auf dein Wohl.“

Sie nickte, während sie das Gefühl auskostete, das der Wein in ihrer Kehle hinterließ. Schließlich meinte sie: „Was habt ihr noch so beredet, der Kai und du?“

Bareil betrachtete sein Glas. „Wir haben viel über dich gesprochen. Ich hoffe, das ist dir nicht unangenehm.“

Sie zuckte mit den Schultern.

„Er hat mir erzählt, dass Vedek Bareil nicht die einzige verlorene Liebe in deinem Leben war.“

Kira runzelte die Stirn. „Wieso weiß Kai Sarius so viel über mich?“

Jetzt war es an Bareil zu lächeln. „Er hat das Gefühl, er schuldet es dem Vedek, ein wenig auf dich ‚aufzupassen‘ und deine Karriere und dein Leben zu verfolgen.“

„Dann sollte ich mich also geehrt fühlen.“

„Es gibt mehr Personen, die um dein Wohlergehen besorgt sind, als du es dir vielleicht vorstellst.“

„Es scheint so ...“

„Was für Männer waren sie?“

„Wer?“

„Diese Liebhaber, die dich unglücklich gemacht haben.“

Sie stellte ihr Glas auf dem Tisch ab und betrachtete ihn nachdenklich. Bareil wirkte nicht, als würde er nach Informationen suchen, um sie gegebenenfalls gegen sie zu verwenden. Seine Miene drückte eine Dringlichkeit aus, als ob ihm die Antworten sehr wichtig wären.

Sie entschloss, dass es gleichgültig war, wenn er es wusste – und in einem hatte er recht, es tat gut zu reden. Zu lange hatte sie die Belange der Station an oberste Stelle gesetzt. Ihr war seit Odos Fortgehen nicht sehr viel Zeit zum Nachdenken geblieben. Der Wiederaufbau des Alpha-Quadranten hatte auch von DS9 großen Einsatz gefordert.

„Sie haben mich nicht unglücklich gemacht“, korrigierte sie ihn. „Ich war glücklich mit jedem einzelnen von ihnen. Die Propheten haben mir dreimal das Geschenk gemacht, das andere ihr Leben lang suchen. Nein“, erklärte sie bestimmt. „Ich war glücklich.

„Antos trat in mein Leben in einer Zeit, als ich mich im Chaos befunden habe. Ich wusste weder, wer ich war, noch wohin mich mein Weg führen sollte. Bajor lag in innerem Streit. Unser Planet war befreit, doch wir, die wir unser Leben lang nichts anderes gekannt hatten als für die Freiheit zu kämpfen, wussten nicht mehr genau, was als nächstes kommen sollte.“ Sie lächelte vor sich hin, als sie sich zurückerinnerte. „Antos hat mich an der Hand genommen und mir einen Weg gezeigt. Anfangs gegen meinen Willen, doch er war sich so sicher, dass es der Wille der Propheten war, dass er sich nicht hat beirren lassen. Auf seine ganz spezielle Art hat er mich geheilt. Er hat eine junge, zornige Frau in seine Arme genommen und ihrem pagh die Ruhe geschenkt, die sie ihr Leben lang nicht erfahren hatte. Er ist gestorben, um einen Frieden zwischen Bajor und Cardassia zu ermöglichen. Ich habe geglaubt, nicht mehr weitermachen zu können. Doch dann habe ich erkannt, dass er mir eine Stärke geschenkt hat, die über seinen Tod hinaus ging.“ Sie blickte zu dem Spiegelbild des Mannes auf, dessen Erinnerung sie hütete. „Ich weiß nicht, ob ich ohne ihn heute die Gleiche wäre.“

Bareil nickte, sagte aber nichts. Es war schön, Kira ohne Abneigung ihm gegenüber sprechen zu hören, selbst wenn es über Männer war, deren Bedeutung für sie er nie würde erreichen können.

„Dann bin ich Edon wieder begegnet. Er war genau der Richtige, um mich aus meiner Trauer um Antos zu reißen. Wir hatten so viel gemeinsam, kannten uns schon so lange. Er hat mich zum Lachen gebracht und meinen Körper verwöhnt. Es gab keine Fragen, keine Zeit des Kennenlernens, des vorsichtigen umeinander herum Schleichens. Er hat mich als Frau genommen und mich für ein paar wertvolle Monate geliebt. Bei ihm war ich nicht die Schülerin sondern die begehrenswerte Liebhaberin.“ Sie seufzte leise. „Die Propheten haben jedoch andere Wege für uns vorgesehen und unserer Beziehung nicht zugestimmt. Edon ist Bajors Premierminister und lebt jetzt mit einer Cardassianerin zusammen. Sein Schicksal scheint es zu sein, die bajoranisch-cardassianische Abneigung zu überwinden, während meines darin bestand, meinen Beitrag dazu zu leisten, dem Dominion Menschlichkeit zu lehren.

Odo war eigentlich immer da, aber ich habe seine Zuneigung lange nicht erkannt oder gar erwidert. Er war da, als ich einsam war, Ruhe und Liebe kennengelernt und beides wieder verloren hatte. Ich glaube, er und ich haben uns gegenseitig versucht aus unserer Einsamkeit zu befreien. Er hat mir seine Freundschaft und Anbetung geschenkt, hat mir für einige Zeit das Gefühl gegeben, die wichtigste Person in seinem Universum zu sein. Doch auch sein Schicksal war ein anderes. Mit dem Ende des Krieges ist er zu seinem Volk zurückgekehrt, um es zu lehren, dass die Solids nicht der Feind sind ...“

„Du scheinst das Pech zu haben, immer an Männer zu geraten, die größere Ziele in diesem Leben haben als eine Frau glücklich zu machen ...“

„Nein, nicht Pech. Dafür habe ich sie geliebt. Sie wären nicht dieselben gewesen, wenn sie ihren Weg für mich aufgegeben hätten. Das hätte ich niemals gewollt. Sie alle drei haben auf ihre Art zum Frieden beigetragen.“ Sie nahm ihr Glas wieder auf. „Wer bin ich, mein eigenes kleines Glück vor das Wohlergehen von Planeten stellen zu wollen.“

Er beobachtete sie gespannt. „Doch du willst mir nicht erklären, dass es nicht Augenblicke gab, in denen du dir gewünscht hast, dass die Propheten – oder wer auch immer – jemanden anderes zur Errettung des Universums erkoren hätten als gerade deinen jeweiligen Liebhaber.“

Sie lachte, antwortete aber nicht. Ein Anblick, der einen warmen Schauer über Bareils Rücken laufen ließ.

„Sehnst du dich nicht danach, jemanden an deiner Seite zu haben, der nur für dich da ist? Der keine Universen zu retten hat? Jemand, der da ist, wenn du abends von der Arbeit kommst, jemand, der vielleicht langweilig im Vergleich mit den Helden deiner Vergangenheit ist, dafür jedoch beständig? Du hast einen Heiligen, ein Staatsoberhaupt und einen Weltenretter gehabt – sehnst du dich nicht manchmal nach einem einfachen Lebenspartner?“

Ihr Lächeln verschwand nicht vollständig. „Und du willst derjenige sein? Wie war das noch mit deinem höheren Ziel, in dein Universum zurückzukehren, weil du dort was-weiß-ich retten wolltest?“

Er verzog zerknirscht das Gesicht. „Das war ein Fehler. Ich weiß das heute. Nerys, ich kann dir nicht sagen, wie sehr es mir leid tut, dass ich so feige war. Ich wollte dir nicht weh tun und ich habe es doch getan. Ich wünsche mir so sehr, dass du mir die Chance gibst, alles wieder gut zu machen. Bist du nicht diejenige, die den Visionen ihrer Propheten Folge leistet, ganz gleich, wie unangenehm sie auch sein mögen? Ich habe mich an deiner Seite gesehen ... warum bedeutet das nicht auch etwas?“

„Weil ich einfach nicht weiß, ob du das nicht auch erfunden hast, wie den Rest deiner wohldurchdachten Lügen. Versteh mich bitte: Ich habe sie alle geliebt, aber, ja, es hat jedes Mal geschmerzt, wenn sie mich verlassen haben. Sehr sogar. In manchen Nächten hat mir nicht einmal die Gewissheit geholfen, dass die Sache es wert war.

„Was soll mit dir werden? Wenn du mich verlässt, dann wird es aus niederen Beweggründen sein. Ich will mir das nicht antun. Kannst du das nicht verstehen? Ich will mir dich nicht antun – so hart das klingen mag.“

Bareil setzte sich in seinem Sessel auf. Er wirkte, als ob sie ihm einen physischen Schlag versetzt hätte. Er wollte zu einer trotzigen Verteidigung ansetzen, überlegte es sich im letzten Augenblick aber anders. Langsam senkte er das Kinn auf die Brust. „Ich habe es wahrscheinlich nicht anders verdient. Dennoch wünschte ich mir, du könntest das in mir sehen, was Kai Sarius in mir gesehen hat.“

Als er den Kopf wieder anhob, lag Entschlossenheit in seinem Blick. „Nerys, ich habe dir versprochen dir nicht zu nah zu kommen. Doch jetzt muss ich dich darum bitten, dich berühren zu dürfen. Du hast mir klar gemacht, dass dieser Abend über meine Zukunft entscheiden wird. Ich bitte dich, mir diese eine Chance zu geben.“

„Was für eine Chance?“ Kiras Blick wurde erneut misstrauisch.

„Sarius hat mich etwas gelehrt.“ Er erhob sich. Langsam ging er um den Tisch herum und blieb ein paar Schritte vor Kiras Sessel stehen. „Darf ich?“

„Ich weiß nicht ...“ Sie betrachtete ihn misstrauisch. „Was hast du vor?“

„Nicht, was du denkst ... bitte.“

Zögernd nickte sie.

Bareil kniete sich neben ihrem Sessel nieder. Er hob seine Hand und berührte ihr Gesicht. Zärtlich strich er ihr Haar über ihr linkes Ohr zurück, dann legte er zwei Finger an ihr Ohrläppchen.

„Was machst du da?“

Bareil machte den Anschein, als wolle er ihr pagh erfühlen, eine Geste, die nur Geistlichen zustand. Er hatte die Augen geschlossen und schien sich zu konzentrieren. „Wusstest du, dass wir imstande sind, auf einer tieferen als der körperlichen Ebene zu kommunizieren?“ flüsterte er. „Ich habe das nicht gewusst.“

„Von was sprichst ...“ Sie schloss die Augen. Warme Zungen schienen sich von Bareils Finger über ihr Ohr auszubreiten. Ein Gefühl von Geborgenheit erfasste sie. Wie eine gestaltlose Umarmung legte es sich um ihren Körper und ließ ihre Anspannung sich auflösen.

Sie sträubte sich nicht, als Bareil nach ihrer Hand griff, um sie zu seinem eigenen Ohr zu führen. Seine Finger lagen warm und leicht auf ihrer Handfläche, kleine Berührungspunkte, die so viel an Gefühl auszudrücken schienen.

Unmerklich drückte sie ihre Hand gegen die seine. Einen schwebenden Moment berührten sich ihre Finger, dann glitten die seinen weiter auf ihren Handrücken. Er lehnte seine Wange in ihre Handfläche. Nicht fordernd oder drängend, auch hier nur ein sanfter Hauch. Dann strichen ihre Kuppen über sein Ohr.

„Ich weiß nicht genau, was man machen muss. ... es passiert einfach“, flüsterte er. „Versuch für einen Moment einfach alles zu vergessen.“

Zögerlich schob sich ihr Zeigefinger hinter sein Ohrläppchen. Mit zwei Fingern übte sie Druck aus, versuchsweise, wie ein kleines Kind, das zum ersten Mal ein paar Schritte ohne die schützende Hand seiner Eltern wagt. Es war eine Berührung, die für heilige Rituale reserviert war, für geistliche Würdenträger. Es fühlte sich falsch an, wenn sie ...

„Das ist ein heiliges Ritual“, schien er ihre Gedanken zu kennen. „Wenn zwei Bajoraner sich voreinander öffnen sind die Propheten mit ihnen.“

„Woher ...“ Sie war kaum zu vernehmen, Worte schienen ihr auf dieser Kommunikationsebene falsch zu sein.

„Sarius hat es mich gelehrt ...“ Sie konnte nicht sagen, ob sie die Worte mit ihren Ohren oder mit ihrem Herzen gehört hatte.

Sie schloss die Augen und verstärkte ihre Berührung. Zu Anfang war da nichts außer der Wärme, die von Bareils Berührung ausging. Sie konnte keine Veränderung spüren, keine tiefere Bindung – und gewiss kein pagh.

Als sich ihr Griff lockerte, legte er seine Hand auf die ihre. „Gib nicht auf. Die Berührung eines Vedeks ist rasch vorbei und für dich nicht spürbar, doch wenn du Geduld hast, erfährst du eine andere Wirklichkeit.“

Sie ließ zu, dass er sie führte. Wann war das Misstrauen gegen den Bajoraner geschwunden? Seine Berührung lullte sie ein, spielte ihr eine Sicherheit vor, die sie beinahe für real hielt. Stärker wieder fasste sie sein Ohrläppchen und ließ sich von der Woge tragen. Die Sorgen des Tages traten immer weiter in den Hintergrund, ohne dass neue Gedanken ihren Platz einnahmen. Für einen Augenblick war sie einfach nur sie selbst.

Lerne nutzlos zu sein.

Die Worte hallten durch ihr Inneres. Echos einer anderen Zeit.

Und dann sah sie.

Ein helles, jedoch weiches Licht explodierte vor ihrem inneren Auge, löste alles auf und hinterließ nur – Schönheit. Eine Liebe umfing sie, die sie schwindelig machte. Tränen lösten sich aus ihren Augen, als sie sich fallen ließ. Eine gewaltige Welle erfasste sie, welche jeden körperlichen Höhepunkt an Intensität überstrahlte. Es mochten Sekunden in diesem Moment vergangen sein oder Tage, sie hätte es nicht sagen können.

Als sie die Augen öffnete, lag sie auf dem Boden vor dem Sessel. Ihr Bewusstsein schälte sich wie durch dicke Watte in die Realität des Gästequartiers zurück, während sie versuchte, wieder zu Atem zu kommen.

Verwirrt blinzelte sie ihre Sicht frei. Sie stützte sich mit einer Hand auf und hob den Oberkörper.

Bareils Hand legte sich auf ihre Schulter, sein Daumen strich über ihren Hals.

„Was ...“ Sie wandte ihren Kopf zu ihm um, „war das?“

Er blickte sie an. Seine Augen unergründlich. „Das war mein pagh.“

Sie starrte in diese dunklen Seen. Sie hatte sich schon einmal darin verloren und es war so verführerisch, es wieder zu tun.

„Dein pagh?“ wiederholte sie. Ehrfurcht schwang in ihrer Stimme mit.

„Sarius hat mir gesagt, dass es schön sei.“

Ihre Mundwinkel bewegten sich. Erst jetzt bemerkte sie, dass noch immer Feuchtigkeit in ihren Augen stand. Sie lächelte. „Es ist schön.“

„Nerys ...“ Seine Stimme zitterte. „Ich wollte dich nicht bedrängen. Ich wollte dir zeigen, wer ich bin - ohne Worte zu verwenden, denen du misstraust ...“

Sie hob ihre Hand und berührte seine Wange. Behutsam ließ sie ihre Fingerspitzen darüber gleiten. „Ich glaube, ich habe gesehen.“

Er fasste ihre Hand und presste sein Gesicht hinein. „Nerys, bitte schick mich nicht fort.“ Seine hastigen Worte wurden von ihren Fingern beinahe verschluckt. So viel Angst, so viel Unsicherheit. „Ich weiß nicht, wie ich ohne dich leben kann. Ich liebe dich, ich will alles wieder gut machen, was ich dir angetan habe ...“

Sanft entzog sie ihm ihre Hand. „Oh, Antos.“ Sie umfasste seinen Kopf und zog ihn an ihre Schulter, wo er sich bereitwillig anlehnte. „Ich weiß nicht, was ich mit dir machen soll – aber fortschicken kann ich dich nicht mehr.“

„Nerys, ich ...“

„Shhhh. Keine Worte mehr. Lass mich fühlen.“

Er fasste ihre Hände und erhob sich. Sie folgte ihm zu seinem Bett. Langsam ließ sie sich darauf sinken und zog ihn mit sich. Als sie sich erneut berührten, war Kira darauf vorbereitet. Ihre Sehnsüchte, Hoffnungen und Ängste reflektierten einander, ergänzten einander, verwoben sich zu einem Teppich, dessen Fäden nicht mehr zugeordnet werden konnten.

Sie hätte es niemals für möglich gehalten, dass sie imstande war, diese Art von Beziehung zu leben. Sie musste an Odo denken. Ob es sich für ihn ähnlich anfühlte, wenn er sich der großen Verbindung hingab? Sie glaubte jetzt zu verstehen, warum er mehr als alles andere zu seinem Volk hatte zurück kehren wollen.

In dieser Nacht vereinigten sich nicht ihre Körper

sondern ihr pagh.



Ende

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