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Unter der Oberfläche

von Gabi

Kapitel 1

Sie überprüfte abermals die Zeit, den Tag, das Jahr. Abermals scrollte sie durch ihre persönlichen Aufzeichnungen auf dem Padd. Aufzeichnungen von mittlerweile zehn Wirten und einer Lebensspanne von über 400 Jahren. Diese Dateien waren das einzige Materielle, was von Wirt zu Wirt weitergegeben worden war. Es war Lesestoff für einsame Abende und eine unglaubliche Quelle an Einsichten in die Entwicklung von Trill und der Föderation. Es war der achte Wirtskörper, Jadzia, der mit dem Gedanken gespielt hatte, diese Erinnerungen – in zensierter Form – als Buch herauszubringen. Doch ihr Leben war leider nicht lang genug gewesen, um die Idee in die Tat umzusetzen. Ihr neunter Wirtskörper, Ezri, war von weniger extrovertierter Natur gewesen. Dafür war ihr jedoch ein längeres Leben vergönnt gewesen. Erst letzten Monat war die Psychologin verstorben und hatte ihr den Symbionten Dax vermacht.

Zorah Dax hatte die Ehre nunmehr die Jubiläums-Symbiose mit der stolzen Zahl zehn zu leben. Es war eine Ehre, doch auch eine Bürde. An eine Trill mit dem Namen Dax wurden mittlerweile besonders hohe Erwartungen gestellt.

Die Datei, die Dax nun erneut aufrief, enthielt Einträge ihres achten Wirts. Abermals überprüfte sie den Datumseintrag, abermals rechnete sie in Gedanken nach. Dann schalt sie sich eine Närrin und desaktivierte das Padd.

Es war Zufall, dass der Dax-Symbiont gerade jetzt frei geworden war, und es war Zufall, dass er in Zorah Chum einen Wirt gefunden hatte, der das Komitee zwar mit wissenschaftlicher Brillanz hatte überzeugen können, jedoch stets den Hang zu unkonventionellen Verrücktheiten genährt hatte. In dieser Hinsicht ähnelte sie Jadzia. Leider sonst in nicht sehr viel.

Zorah betrachtete sich im Spiegel ihrer Kabine, die sie auf dem Langstreckentransporter gebucht hatte. Ihre Gestalt war kleiner und zierlicher als es diejenige von Jadzia gewesen war, ihr Haar zwar lang, jedoch von einer honigblonden Farbe, und ihre Augen besaßen nicht den verführerischen blauen Glanz.

Ärgerlich wandte sie sich ab. Es war gleichgültig, sie konnte ohnehin nichts daran ändern. Das ständige Vergleichen würde sie nur mürbe machen und ihr Ziel infrage stellen.

„Miss Dax!“ erklang die Stimme des Ersten Offiziers über das Interkom. „Wir haben die von Ihnen angegebenen Koordinaten erreicht.“

„Ich komme sofort“, antwortete sie der körperlosen Stimme. Ihr Herzschlag wurde rascher, als sie ihre kleine Reisetasche schulterte, der Kabine einen letzten Blick zu warf und sich dann auf den Weg zur Brücke machte.

Der Sternenflottenoffizier begrüßte sie mit eine ausladenden Handbewegung in Richtung des Hauptschirms, auf welchem leerer Weltraum und ferne Sterne vorherrschten. „Wir haben die Koordinaten überprüft. Sie stimmen mit den von Ihnen angegebenen überein. Hier ist nichts.“

„Wir warten noch ein wenig“, bestimmte Zorah, sich vollauf bewusst, dass sie auf diesem Schiff überhaupt nichts zu sagen hatte. Sie war nicht einmal Mitglied der Sternenflotte, sondern lediglich eine zivile Passagierin.

Die erhobenen Augenbrauen des Ersten Offiziers teilten ihr mit, dass er das genauso sah. „Wir haben einen Flugplan einzuhalten, Miss Dax.“

„Ja, natürlich.“ Sie versuchte es mit einem unschuldigen Wimpernaufschlag. In dieser Hinsicht war ihre zierliche Körpergröße von Vorteil gegenüber Männern. „Aber eine Stunde ist doch sicherlich drin?“

Der Offizier seufzte. „Eine Stunde, aber mehr kann ich Ihnen nicht versprechen.“

* * *


Einen Wimperschlag hatten sie die solide Welt gespürt, um dann erneut eine kleine Ewigkeit als pure Energie zu existieren. Alles war, wie sie es verlassen hatten. Nein, nicht alles, sinnierte Deral wehmütig. Als er gerade eben – vor 60 Jahren – noch hier gestanden hatte, war eine andere Hand in seiner gelegen. Eine Hand, die er gedacht hatte festzuhalten, mit deren Energie er sich hatte verbinden und verwirbeln wollen, bis sie wieder hier auf festem Boden standen. Doch etwas war schief gelaufen, sie hatte sich nicht in ihre Matrix einpassen können, hatte beinahe den Transit Meridians in die andere Dimension verhindert und hätte ihren Planeten damit wahrscheinlich seinem Untergang preis gegeben. Und dennoch war der einzige Gedanke, den Deral im Augenblick fassen konnte, derjenige von Trauer, Verlust und Sorge. Nicht um das, was beinahe ihrer Gemeinschaft angetan worden wäre, sondern um diese andere Frau. Er hoffte so sehr, dass ihre Leute sie hatten retten können. Er hoffte, dass sie ihr Leben hatte weiterleben können. Er würde es nie wissen und er würde sie nie wiedersehen.

Deral sah zu den anderen hinüber, die unbekümmert ihre Tätigkeit dort aufnahmen, wo sie sie vor nunmehr 60 Jahren verlassen hatten. Seltin Rakal, die Anführerin ihrer Gemeinschaft, lächelte ihm zu. Deral bemühte sich zurück zu lächeln. Dieses Mal hatten sie 30 Jahre Zeit, das war das Abschiedsgeschenk von Jadzia und ihren Leuten an sie gewesen. 30 Jahre in korporaler Existenz erschienen ihm bereits jetzt wie eine Ewigkeit. Sie würden die Chance bekommen, die Siedlung aufzubauen, etwas zu erschaffen, und vor allem dafür zu sorgen, dass ihre Kultur nicht ausstarb. Er wusste, dass Rakal von ihm erwartete, dass er sich für eine Frau entschied und mit dieser Kinder hatte. Er wusste, dass er das ihrer Gemeinschaft schuldig war. Doch im Augenblick wusste er nicht, wie er das schaffen sollte, wie er das Bild dieser wunderbaren Frau aus seiner Erinnerung verbannen sollte.

30 Jahre waren eine lange Zeit. Deral hoffte, dass sie ausreichten, um die Wunden seines Herzens zu heilen.

Das Flimmern im Zentrum ihrer Versammlungshalle ließ die Nahestehenden sich umwenden. Einen irrationalen Augenblick lang setzte Derals Herzschlag aus, bevor er sich ins Gedächtnis rief, dass in dieser Dimension 60 Jahre vergangen waren und sie es nicht sein konnte.

Als der Transportvorgang beendet war, stand dort eine junge, blonde Frau, die mit der Reisetasche über der Schulter so verloren und fehl am Platz wirkte, als ob sie sich in den Transporterkoordinaten vertan hätte. Das schüchterne Lächeln und der fragende Blick taten ihr übriges, um diesen Eindruck zu untermauern.

Seltin Rakal fasste sich als erste wieder. Sie trat zu der fremden Frau und erkundigte sich höflich: „Können wir Ihnen helfen?“

Deral starrte sie an. Da war etwas an dieser Unbekannten, das ihm seltsam vertraut vorkam, und es lag nicht an den Flecken, welche Schläfen und Halspartie zierten und von denen er so genau wusste, wie weit sie reichten.

Die Frau starrte Deral an, sie reagierte nicht auf Rakal, nahm sie nicht einmal wahr.

„Jadzia?“ flüsterte er schließlich, auch wenn es ihm vollkommen klar war, dass sie es nicht war.

Die Trill schüttelte den Kopf. „Jadzia lebt nicht mehr.“ Ihre Stimme war ebenso tonlos.

Derals Haltung sackte bei dieser Nachricht in sich zusammen.

„Doch ich bin Dax.“

„Du bist ... Sie sind …“, der blonde Mann wusste nicht, was er sagen oder denken sollte. Er hatte Jadzia so kurz kennengelernt, da war so viel, was er von ihr und ihrer Rasse nicht wusste.

„Ich bin Dax“, bestätigte die Frau. Sie tat einen Schritt auf ihn zu. „Zorah Dax. Und ich habe alle Erinnerungen von Jadzia.“ Sie lächelte scheu, offensichtlich genau so unsicher, was sie als nächstes tun sollte, wie er selbst. „Ich erinnere mich an dich – an uns – und ich wollte hier sein, wenn Meridian wieder erscheint.“

„Ich …“, Deral hob hilflos die Arme, am Rande seiner verwirrten Gedanken wurde ihm bewusst, dass sie mittlerweile die Aufmerksamkeit vieler Personen ihrer kleinen Gemeinschaft auf sich gezogen hatten. Das machte es nicht einfacher. „Jadzia … du … hast auf mich gewartet?“

Dax hob die Schultern. „Nicht so direkt … Jadzia hat ihr Leben gelebt, dann noch ein Wirt … Es ist so viel geschehen. Ich bin jetzt da, ich habe die Erinnerung, ich habe die Aufzeichnungen gelesen, es war die richtige Zeit, der richtige Ort … irgendwie das richtige Gefühl …“ Sie brach ab, weil sie nicht mehr wusste, was sie noch sagen, was erklären sollte. Für den Mann vor sich, der für sie dank Jadzias Erinnerungen so vertraut war, war sie eine Fremde.

Deral trat noch einen Schritt vor. Nun standen sie beide weniger als eine Armeslänge voneinander entfernt. Natürlich war das Äußerliche auch ein Punkt dabei, wenn man sich verliebte, vor allem, wenn es so rasch ging, wie es bei Jadzia und ihm gegangen war. Doch viel mehr lag darunter. Die Persönlichkeit, die Art und Weise, wie eine Frau reagierte, wie sie lächelte, wie sie sprach, die kleinen Gesten, die Mimik …

Er betrachtete die Trill vor sich. Vielleicht wusste sie gar nicht so viel mehr von ihm als anders herum. Vielleicht kannte er sie doch, wusste einiges von ihr. Die Oberfläche war eine hauchdünne Schicht, wie viel mehr lag doch darunter, wie viel von dem, worauf eine Beziehung aufgebaut werden konnte.

Deral hob seinen Arm und legte der Trill die Hand auf die Schulter. Seine Finger strichen dabei federleicht über ihre gefleckte Halslinie. „Jad… Zorah“, ein sanftes Lächeln verschönerte seine Züge, „warum suchen wir uns nicht einfach einen Ort, wo du deine Tasche ablegen kannst, und mir ein wenig davon erzählst, was in den letzten 60 Jahren in dieser Dimension geschehen ist. Wir haben ein bisschen Zeit übrig.“ Sein Blick huschte an der Wand der Versammlungshalle hinauf, so als ob er eine Uhr dort suchte. „So etwa 30 Jahre.“

ENDE

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