TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Eine Vorstellung von Wahrheit

von Gabi

Kapitel 2

Sie kam nicht durch seine Abwehr hindurch. Abgeschottet von der Welt und ihr hockte er in der äußersten Ecke der Zelle, die Beine angezogen, das, was von seinem Hemd noch übrig geblieben war, um sich geschlungen. Seit die Intendantin sie beide hier inhaftiert hatte, war jeder Versuch, ein Wort aus Bareil herauszubekommen, gescheitert. Sie hatte es anfangs mit freundlichen Worten versucht, dann mit ernsten, schließlich mit beleidigenden. Er hatte sich in seine Ecke zurückgezogen und schien dort verharren zu wollen, bis Bajor unterging. Es war Kira bewusst, dass er sich schämte. Sein ohnehin nicht sehr ausgeprägtes Selbstbewusstsein hatte einen herben Schlag dadurch erfahren, dass Kira Zeugin seiner Behandlung durch die Intendantin geworden war. Doch es war kindisch, wenn er als Konsequenz daraus versuchte, solange die Wand anzustarren, bis Kira - auf welche Weise auch immer - verschwunden war. Bisher hatte die Bajoranerin es vermieden, ihn zu berühren, weil sie seine Privatsphäre achten wollte, doch so allmählich ging ihr die Geduld aus. So rutschte sie auf der Pritsche langsam näher. ”Antos”, bemerkte sie ruhig, ”ich komme jetzt zu dir herüber. Wenn du mir entgehen möchtest, dann solltest du aufstehen.”

Er reagierte nicht, sie hatte das auch nicht wirklich erwartet. Irgendwie glaubte sie, dass er darauf wartete, dass sie ihn endlich in eine Situation brachte, in welcher er reagieren musste, ihm quasi die Entscheidungsmöglichkeit nahm. Und je länger er schwieg, desto mehr glaubte sie daran, dass sie ihm etwas bedeutete. Sie wusste nicht, ob sie von Liebe sprechen konnte, doch er brauchte sie. Für Kira war das die einzige logische Erklärung dafür, warum er sich so vehement darum bemühte, sich vor ihr zu verkriechen. Sie legte eine Hand auf seinen Rücken, dann die zweite. Da sie nicht genau wusste, was sie weiter tun sollte, fasste sie seine Schultern und begann mit einer Massage. Für eine kleine Weile erhielt sie keine Reaktion darauf, doch dann bewegten sich seine Muskeln fast unmerklich. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Züge, als Bareil einen äußerst leisen Seufzer nicht unterdrücken konnte. ”Deine Abwehr bröckelt”, wisperte sie in sein Ohr. ”Dann könntest du jetzt doch auch endlich mit mir sprechen. Ich verspreche dir auch, dass ich nicht mit der Massage aufhöre.” Sie glaubte ein schwaches Schulterzucken spüren zu können, dann hob sich sein dunkler Haarschopf.

”Warum machst du das?” fragte er schließlich mit zitternder Stimme. ”Du musst mich doch verachten...”

Sie strich mit einem Zeigefinger über sein schmuckloses Ohrläppchen. ”Diese Entscheidung kannst du ruhig mir überlassen.” Etwas nachdenklicher fügte sie hinzu: ”Ich habe mich auch schon gefragt, warum ich das tue. Unter normalen Umständen reicht meine Geduld nicht aus. Es sieht so aus, als seist du ein besserer Schauspieler als wir beide angenommen haben. Und ich bin naiv genug, dir immer noch einen Teil von dem zu glauben, was du mir gesagt hast.” Sie zuckte mit den Schultern. ”Es sieht so aus, als ob ich mir die Chance nicht entgehen lassen wollte, noch mehr davon zu hören.”

Seine Gestalt bewegte sich, langsam streckte er die Beine aus und drehte den Oberkörper zu Kira um. Seine Augen wirkten ein wenig rot, doch die Beleuchtung in der Zelle war zu schwach, um dies mit Sicherheit sagen zu können. Diesmal jedoch hielt er endlich ihrem Blick stand, während er ihr antwortete: ”Du beschämst mich, Nerys. Ich... ich weiß einfach nicht, wie ich mich verhalten soll... Du bist seit langer Zeit die Erste, die mich nicht spüren lässt, wie wenig ich eigentlich wert bin. Ich...” Er zuckte hilflos mit den Schultern, während er ein schwaches Lächeln versuchte. ”Deine sanfte Verrücktheit, einfach an mich glauben zu wollen, macht es mir nur noch schwerer, mir selbst in die Augen zu sehen. Ich bin das nicht wert... ich bin dich nicht wert.”

Sie hob ihre Hand und berührte sein Kinn, um ihn notfalls wieder vom Wegsehen abhalten zu können. ”Dann sieh mich jetzt an und erklär mir, dass alles eine Lüge war”, meinte sie ernst. ”Und meine Verrücktheit wird dich nicht länger belästigen.”

Er schüttelte leicht den Kopf, wandte den Blick aber nicht ab. ”Ich habe dich belogen, doch nicht in den Dingen, die wichtig sind. Es war sehr leicht, dich zu verführen, weil es sich richtig angefühlt hat...” Er senkte die Wimpern, um sie dann von unten herauf anzusehen. ”Das waren jetzt nicht gerade die passenden Worte, oder?”

”Ich weiß, was du meinst.” Sie lehnte sich ein wenig vor, doch es war Bareil, der den nächsten Schritt machen musste, alles konnte sie ihm nicht abnehmen.

Vorsichtig, so als sei er sich immer noch nicht darüber im Klaren, ob sie ihn wirklich nicht verachtete, legte er seine Hand in ihren Nacken und zog ihr Gesicht an seines heran. Der lange Kuss wurde erst abgebrochen, als Bareil ein unterdrücktes Lachen hören ließ.

”Was ist so lustig daran?” wollte Kira wissen, die ebenfalls grinsen musste, auch wenn ihr der Grund für die Erheiterung des Mannes nicht klar war.

”Eigentlich nichts”, schüttelte er immer noch lachend den Kopf. ”Aber wir sitzen hier, der Gnade oder Ungnade der Intendantin ausgeliefert - und das vornehmlichste Problem, welches uns einfällt, ist die Frage, was wir füreinander empfinden ... Das ist doch irgendwie absurd, nicht?”

”Nicht im Geringsten.” Kira hörte auf zu lachen, stattdessen betrachtete sie ihn ernst. ”Wenn es hart auf hart kommt, muss ich mir sicher sein, ob ich dir vertrauen kann oder nicht.”

Diesmal senkte er den Blick. ”Ich hoffe, du wirst es können.”

* * *


Kira war sich nie sicher, ob die Frau an einer völlig übersteigerten Selbsteinschätzung litt, oder ob sie die gänzlich überzogene Gestik und Mimik zur Täuschung ihrer Gegner an den Tag legte. Auch jetzt wieder saß die Intendantin auf einem Tisch an der Wand, ihren Körper lasziv gedehnt, die langen, in glänzendes schwarzes Material gehüllten Beine lässig über der Kante baumelnd. Im Raum verteilt standen noch andere Bajoraner, die entweder Vertraute der Intendantin waren, oder Soldaten, welche Kira nicht eine Sekunde aus den Augen ließen.

Sie stand etwas unschlüssig in der Mitte des Raumes und wartete, dass ihr Ebenbild das Wort an sie richtete. Man hatte sie kurz zuvor aus der gemeinsamen Zelle geholt, ihre Gedanken waren noch bei Bareil und der vagen Hoffnung, dass dieser sich nicht sofort wieder umdrehen ließ, wenn sie nicht mehr in seiner Nähe war. Warum hing sie auch bloß so sehr an seinen großen dunklen Augen?

”Er gehört mir”, riss sie die Stimme der Intendantin aus ihren Gedanken. ”Das ist dir doch klar, Nerys.”

”Er gehört niemandem als sich selbst”, entgegnete Kira bestimmt.

Das laute Auflachen ihres Gegenübers ärgerte sie. Die Intendantin wirkte äußerst amüsiert. ”Er wüsste mit sich selbst überhaupt nichts anzufangen, wenn er sich besäße. Mach dir nichts vor, meine Liebe, ein Wort von mir genügt und er pariert.”

Die spöttischen Worte wären nicht so verletzend gewesen, hätte Kira nicht insgeheim die Befürchtung, dass sie der Wahrheit entsprachen. Tatsache war, dass sie einfach nicht wusste, wieweit sie Bareil überhaupt trauen konnte, wieweit er ihr eine Hilfe sein konnte, wenn sie Angesicht zu Angesicht der Intendantin gegenüberstanden. So schwieg sie und blickte ihrem Spiegelbild nur trotzig entgegen. Doch auch dies nahm die Frau als Anlass zu einem Lachen. ”Du siehst so süß aus, wenn du schmollst, Nerys, hat dir das schon einmal jemand gesagt?”

”Was wollen Sie von mir?” Kira hasste die Spielchen der anderen.

”Aber, aber...”, die Intendantin verlagerte genüsslich ihr Gewicht, bis die Stiefelabsätze den Boden berührten, dann erhob sie sich betont langsam, ”... warum so abweisend? Hat dir hier irgendjemand etwas getan? Nein.” Sie strich an Kira vorbei, blieb hinter ihr stehen und lehnte dann das Kinn an ihre Schulter. ”Ganz im Gegenteil”, flüsterte sie in Kiras Ohr. ”Ich möchte dir sogar ein Angebot machen – ein äußerst großzügiges Angebot, wenn ich das so nennen darf.”

”Was für ein Angebot?” Kira schüttelte das Kinn der Intendantin ab und drehte sich um. Sie war nicht gewillt, auf irgendwelche obskuren Geschäfte einzugehen.

Die andere nahm Kiras Entzug ihrer Nähe mit einem Schulterzucken hin. ”Ich schenke ihn dir.”

”Schenken...?” Kira brauchte ein paar Sekunden, bis ihr klar wurde, von was die Intendantin sprach. Sie hielt sich zurück zu betonen, dass Bareil kein Gegenstand zum herum schenken war. Stattdessen verengten sich ihre Augen, während sie ihre Gegnerin mit einem – wie sie hoffte – arroganten Ausdruck musterte. ”Für welche Gegenleistung?”

Das erfreute Lachen der Intendantin zeigte ihr, dass ihre Miene abschätzend genug gewesen war. Die Kira dieses Universums schien eine perfide Freude daran zu haben, wenn die Bajoranerin sich ihrem eigenen Verhalten näherte. ”Nur ein winzig kleiner Gefallen.” Sie machte mit der Rechten eine wegwerfende Bewegung. ”Fast nichts.”

”Und wie sieht dieses Nichts aus?”

”Es wird dir Spaß machen!” Die Intendantin streichelte mit der Hand über das glänzende Schwarz ihrer Hose. ”Du spielst für ein paar Stunden mich.”

Kira betrachtete sie argwöhnisch. ”Und zu welchem Zweck?”

”Ach”, wieder diese abfällig Handbewegung, ”es geht um die leidigen politischen Diskussionen”, bemerkte sie betont gelangweilt. ”Die Leute wollen immer, dass ich dabei bin, und es ödet mich so an.” Ein fast freundliches Lächeln erschien auf ihren Zügen. ”Du würdest mein Leben retten, wenn du mich einfach vertreten würdest. Du brauchst nicht viel zu sagen. Es reicht, wenn du”, sie lachte laut auf, ”von Zeit zu Zeit überlegen schaust.”

Kira musste beinahe grinsen bei dieser Vorstellung. Sie konnte wahrlich glauben, dass dies genügte.

”Ich könnte diese kostbare Zeit nutzen, um mich zu entspannen”, fuhr die Intendantin fort, den mitleiderheischenden Blick schon bis zur Perfektion eingespielt. ”Ich habe ein paar wirklich schwere Tage hinter mir.” Sie sah, dass Kira zögerte. ”Und denk daran, du bekommst den Dieb dafür, ist das nicht, was du willst? Ich kann mit ihm ohnehin nichts mehr anfangen, er langweilt mich.”

„Und das soll ich glauben?“

„Was?“ Die Frau lächelte. „Dass er mich langweilt oder dass ich ihn dir schenke?“

Kira versuchte, in der maskenhaften Mimik der anderen zu lesen, doch die Intendantin wirkte wie stets wie eine gut einstudierte Puppe. „Dass Sie ihn gehen lassen, wenn ich tue, was Sie verlangen.“

„Ich bin du, Nerys.“ Um diesen Umstand zu betonen streichelte die Intendantin wieder über Kiras Wange. „Wenn du dir nicht trauen kannst, wem dann?“

Kira ließ ein leises, trockenes Lachen hören, das sich beinahe mit demjenigen der anderen Frau messen konnte. Die Intendantin machte jedes Mal so viel Aufhebens darum, wie ähnlich sie einander waren, wie sie ihr vertraute, sie gar brauchte, Kira wusste einfach nicht, in wieweit die Frau ihre eigene Selbsttäuschung tatsächlich glaubte. Es existierte die schwache Chance, dass ihr Gegenüber es tatsächlich so meinte, wie sie es sagte, weil diese der verqueren Ethik anhing, sie seien Schwestern und hätten sich auch so zu verhalten. Doch Kira konnte sich dessen nicht mit Sicherheit gewiss sein. Würde sie an Stelle der Intendantin die Wahrheit sagen? Doch sie wollte nicht eine mögliche Chance ungenutzt verstreichen lassen. So wie Kira bisher die Intendantin kennengelernt hatte, lag es durchaus im Bereich des Möglichen, dass diese tatsächlich aus purer Langeweile einen Rollentausch vorschlug. Sie beschloss, einen Sprung ins Ungewisse zu wagen. „In Ordnung, Ihr Wort genügt mir. Wenn Sie Bareil gehen lassen, werde ich Sie bei der Sitzung vertreten.“

Die Andere klatschte vergnügt in die Hände - ebenfalls eine Reaktion, die Kira gänzlich übertrieben empfand. „Es wird dir sicherlich Spaß machen.“ Dann wurde die Intendantin ernster. Sie senkte ihre Stimme ein wenig. „Dir liegt wirklich etwas an diesem Dieb.“ Eine Antwort von Seiten Kiras war nicht nötig, ihr Ebenbild las die nötigen Informationen von ihren Zügen ab. Sie lehnte ihr Kinn wieder an Kiras Schulter. „Du hast noch viel zu lernen.“

* * *


„Ich würde ihr nicht trauen!“ Bareil sah tatsächlich besorgt aus. Es tat Kira auf gewisse Weise gut, das zu sehen. „Sie hat irgendetwas vor, das rieche ich förmlich.“ Er war in der Zelle auf und ab gegangen, nun blieb er vor ihr stehen und fasste ihre Schultern. Kira schloss für einen kurzen Moment die Augen. Er roch wie Bareil. Im Affekt fasste sie eine seiner Hände, führte sie vor ihren Mund und küsste die Fingerknöchel.

„Hat sie jemals dir gegenüber über mich gesprochen?“ wollte sie dann wissen.

„Ziemlich oft“, bestätigte er, seine Züge immer noch besorgt, was ihn aber nicht davon abhielt, die andere Hand ebenfalls für eventuelle Küsse in Kiras Finger zu legen.

„Und..?“

„Und was?“

„Klang sie dabei so, als wolle sie mich umbringen?“ Ihre Lippen berührten nun auch die anderen Fingerknöchel.

„Nein“, gestand Bareil. „Eher das Gegenteil davon...“ Mit einem leisen frustrierten Laut entzog er ihr seine Hände.

Sie blickte ihn fragend an. „Ich dachte, du magst das.“

Seufzend lehnte er sich gegen die Wand. „Du treibst mich beinahe zum Wahnsinn, Nerys. Du wirkst so unschuldig, so liebevoll. Ich glaube, du bist dir gar nicht völlig bewusst, welche Wirkung das auf einen Mann wie mich hat. Ich würde dich am liebsten...“ Seine Ankündigung, was er mit Kira gerne angestellt hätte, blieb unvollendet, als sich hörbar Schritte ihrer Zelle näherten. Hastig drückte er sich von der Wand ab, um Kira noch einen kurzen, doch heftigen Kuss zu entlocken. „Bete zu deinen Propheten, dass ich deiner Opfer würdig bin“, flüsterte er ein wenig heiser in ihr Haar.

Sie erwiderte seine Umarmung. „Das brauche ich nicht, ich weiß, dass du es bist.“

Bevor sich die Türe öffnete, traten sie ein paar Schritte auseinander. Es war ihnen nicht recht, wenn ihre Kerkermeisterin sie in Umarmung sah. Kira gab sich zwar nicht der Illusion hin, dass sie nicht über Kameras beobachtet wurden, doch auf gewisse Weise war das etwas anderes.

Grinsend betrat die Intendantin mit ihren Soldaten die Zelle. Kira sah noch, dass Bareil sich von ihnen beiden abwandte, um die Wand anzustarren, dann beanspruchte ihr Spiegelbild wieder ihre gesamte Aufmerksamkeit. Ohne den Dieb eines Blickes zu würdigen fasste die Intendantin Kira am Arm und führte sie aus der Zelle. Als diese schweigend zwischen den Soldaten den Gang entlang ging, versuchte sie, die Befürchtung zu unterdrücken, dass sie den Mann nicht wieder sehen würde.

* * *


Kira hatte schon ihre eigene Uniform des bajoranischen Militärs als reichlich eng empfunden, doch als sie sich jetzt in dem schwarzen, glänzenden, elastischen Material wiederfand, wusste sie, dass es eine neue Definition für „eng“ gab. Sie betrachtete sich unwohl in dem Spiegel, den die Intendantin ihr vorhielt. Der anderen schien der Anblick ganz offensichtlich zu gefallen. Doch Kira hatte das Gefühl, als böte sich ihr Körper jedem, der sie haben wollte, geradezu an. Sie fühlte sich trotz des Stoffes nackt und billig. Die hochhackigen Stiefel taten ihr Übriges, um diesen Eindruck zu verstärken. Was für ein Selbstverständnis musste die Intendantin besitzen, um sich in dieser Kleidung wohl zu fühlen?

„Du siehst wunderbar aus!“ bestätigte deren Stimme gerade Kiras Überlegungen. „Das steht dir viel besser als diese unförmigen Fetzen.“ Sie nickte zu dem Kleiderhaufen hinüber, den Kira bis vor wenigen Minuten noch getragen hatte. Sie hatte immerhin die Intendantin soweit dazu bekommen können, hinter einem Paravent zu warten, bis sie sich umgezogen hatte. Die Begeisterung ihres Spiegelbildes, sowie deren fast kindliche Freude über diese ‘Modenschau’ verstärkten in Kira das Gefühl, dass ihr tatsächlich keine Gefahr drohte. Sie ließ die Luft entweichen, die sie unbewusst beim Betrachten ihrer Erscheinung angehalten hatte. Sie legte ihr Schicksal in die Hand einer seltsamen Vorstellung von Wahrheit, doch es war die einzige, die sie im Augenblick hatte.

„Du wirst mich wunderbar vertreten.“ Die Intendantin stellte den Spiegel beiseite und kam zu ihr hinüber. Zu Kiras Überraschung erhielt sie einen Kuss auf den Mund. „Ich könnte mir kein besseres Double vorstellen.“

„Ich bin bereit!“ Sie war es nicht, doch darauf konnte sie nun keine Rücksicht nehmen.

* * *


Die Intendantin hatte ihr nur das Nötigste erklärt. Ihre Position war geschwächt, seit sie Terok Nor an die Allianz verloren hatte, dennoch wog ihre Stimme in dem Gremium, welches im Moment versuchte, Bajors Geschicke zu lenken. Ihr Ziel war eine Einigung des Volkes gegen die Allianz, andere Mitglieder strebten Neutralität an.

Kira fühlte sich unwohl, als sie die Treppen zum Ratsgebäude hinauf schritt, ihre Hüften möglichst weit schwingend, um den Gang der Intendantin zu imitieren. Sie hoffte, dass die andere Recht damit hatte, dass es bei der heutigen Sitzung genügen würde, überlegen zu schweigen, während andere sich stritten. Sie würde sich augenblicklich verraten, wenn von ihr verlangt würde, etwas Substantielles beizutragen... Ein kleines Lächeln huschte ungefragt über ihre Züge. Vielleicht auch nicht, nach allem, wie sie ihr Spiegelbild erlebt hatte, konnte sie sich lebhaft vorstellen, wie diese sich in einer Sitzung aufführen würde.

Das Grinsen lag immer noch auf ihren Lippen, als sie die Tür des Versammlungsraumes öffnete.

Als sie ihn und seinen Blick sah, wusste sie, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Auf den Zügen des Mannes, der in diesem Universum die Ausführung Shakaar Edons darstellte, bildete sich bei ihrem Anblick ein Lächeln, welches in Kira jede einzelne Alarmglocke schrillen ließ. Die Intendantin hatte diesen Mann nicht erwähnt, doch es war nur zu deutlich, dass Feindschaft zwischen ihnen herrschte, eine gefährliche Feindschaft. Kira versuchte angestrengt, das überlegene Grinsen nicht aus ihrer Miene zu verlieren, während innerlich alle Fluchtinstinkte hellwach wurden. Den Mann umgab eine Aura der Macht und absoluter Kälte, unterstrichen von der völligen Schwärze der Kleidung, welche er trug.

Die Intendantin hatte sie hereingelegt, das war ihr nun bewusst. Doch für einen Rückzug war es zu spät. Sie erwiderte sein falsches Lächeln so gut es ging, und suchte sich dann einen Platz möglichst weit entfernt von diesem Mann.

Als schließlich alle Versammlungsmitglieder eingetroffen waren, fand sie sich am Tisch gegenüber von Shakaar wieder. Von der nun einsetzenden Diskussion bekam sie sehr wenig mit. Ihre Sinne konzentrierten sich gänzlich auf ihr Gegenüber. Ihm schien es nicht anders zu gehen, sein Blick huschte ebenfalls immer wieder zu ihr hinüber. Wenn er merkte, dass sie ihn betrachtete, bildete sich regelmäßig dieses gefährliche Lächeln auf seinen Zügen. Ahnte er, dass sie nicht diejenige war, die sie zu sein vorgab?

Kira war so sehr in ihre Überlegungen über den großen, dunkelblonden Mann versunken, dass sie geradezu zusammenfuhr, als dieser zu sprechen begann. Anders als der Shakaar Edon, den sie kannte, schien er keine Probleme mit langen Reden zu haben. Er sprach von der Notwendigkeit, einer Einigung der verschiedenen Parteien, davon, dass es wichtig wäre, das Militär besser auszubilden, zu noch stärkeren Kampfmaschinen zu trimmen - Kira vermutete, dass er der Chef einer Spezialeinheit war, seine Kenntnisse in dieser Richtung waren groß. Fast klang er wie - Kira schüttelte es ein wenig - ein Cardassianer. Doch wenn sie die wenigen Worte der Intendantin nun mit der Rede Shakaars verglich, dann schien ihr beider Ziel exakt dasselbe zu sein. Hatte sie sich in der Interpretation seines Blickes vorhin so sehr getäuscht?

„...Wir haben nur das winzige Problem“, der große Bajoraner sah sie nun direkt an, „dass unfähige Personen zu wichtige Positionen besetzen und ihre Kompetenz nicht freiwillig abtreten.“

Kira starrte ihn an. Der Mann verschränkte seine Arme im Nacken und lehnte sich fast genüsslich im Sessel zurück. Nur die leichteste Bewegung des Kinns war Zeichen für die Männer, die an seiner Seite saßen. Sie waren schnell im Ziehen der Waffen, doch Kira war schneller. Shakaars Zufriedenheit hatte sie gewarnt. Noch bevor die beiden Schüsse ein Loch in die Lehne ihres eigenen Sessels brannten, befand sie sich unter dem Tisch. Mit einem Fluch schlängelte sie sich zwischen den Beinen hindurch auf die andere Seite hinüber.

Die restlichen Versammlungsmitglieder waren entsetzt aufgesprungen, Stühle und Sessel stürzten um, als die Bajoraner sich gegenseitig im Weg standen in ihrem Versuch, auf schnellstem Weg zur Tür oder hinter eine Deckung zu kommen. Auch Shakaar war aufgesprungen als er sah, dass die Intendantin rascher reagierte als er in Betracht gezogen hatte.

‘Unterschätze niemals eine Widerstandskämpferin!’ dachte Kira bei sich, als ihre Hände seinen Stiefel zu fassen bekamen, bevor er sich hatte vom Tisch entfernen können. ‘Meine Ausbildung stammt von deinem Pendant, du verdammter Hurensohn!’ Sie zog so kräftig, dass es ihr in der Schulter schmerzte. Doch ihre Anstrengung gepaart mit dem Überraschungsmoment wurde durch den Sturz des Bajoraners belohnt. Behände rollte sie ihren Körper herum, so dass nun ihre Beine in Richtung Shakaars zeigten. Ohne kostbare Zeit mit dem Überprüfen der Situation zu verschenken zog sie die Knie an und ließ dann die Unterseite ihrer Stiefel gegen den sich aufrappelnden Bajoraner krachen. Der Schmerzensschrei entlockte ihr ein kurzes Lächeln. Nun glaubte sie zu ahnen, was die Intendantin an diesen hohen, spitzen Absätzen fand. Als Waffe waren sie unschlagbar. Abermals rollte sie sich herum. Shakaar saß zwischen zwei Sesseln auf dem Boden, seine Hände pressten sich auf den rechten Oberschenkel. Auf dem schwarzen Stoff war nichts auszumachen, doch zwischen seinen Fingern glaubte Kira Rot durchschimmern zu sehen. Sie holte aus, um mit der Handkante auf seinen Arm einzuschlagen. Doch diesmal reagierte der Bajoraner besser. Er ließ die Wunde los und bekam ihr Handgelenk zu fassen, bevor sie ihre Bewegung zu Ende geführt hatte. Das Blut an seinen Fingern gestaltete den Griff ein wenig rutschig, doch seine Kraft machte diesen kleinen Nachteil wett. Kira biss die Zähne zusammen, als der Schmerz durch ihren Arm flutete. Mit Anstrengung kämpfte sie gegen seinen Versuch an, ihr das Handgelenk zu verdrehen. Sie hatte das Gefühl, dass er ihr ohne Probleme die Knochen brechen konnte. Sie hatte nach dem Anschlag seine Nähe gesucht, weil sie damit den Schützen ein schlechtes Ziel bot, hatte geplant, ihn als Schutzschild gegen seine Handlanger einzusetzen. Doch sie hatte dabei nicht beachtet, dass sie in einem Handgemenge Shakaars schierer körperlicher Kraft nicht gewachsen war. Sie hatte während ihrer gemeinsamen Zeit im Widerstand den Shakaar ihres eigenen Universums mit dem bloßen Druck seiner Hände Knochen brechen sehen, und sie zweifelte nicht daran, dass diese Ausgabe hier sehr wohl zu dem Selben fähig war.

Sie ignorierte den Schmerz und verwendete Shakaars festen Griff als Drehpunkt, indem sie mit den Beinen ausholte und das gesamte Gewicht ihres Körpers um diesen Punkt herum schwang. Ihre Knie krachten gegen die Wunde in seinem Oberschenkel. Ihr eigener Aufschrei mischte sich mit demjenigen Shakaars, für einen Moment hatte sie das Gefühl, ihren Arm ausgekugelt zu haben. Keuchend lagen sie nun beide auf dem Boden, ihre Körper halb vom Tisch verdeckt. Der Bajoraner hatte ihre Hand losgelassen, vollständig damit beschäftigt, das Bewusstsein nicht zu verlieren. Der Schmerz in seinem Bein musste mittlerweile unerträglich geworden sein. Kira umarmte diese kostbaren Sekunden des Atemholens, sie drehte den Kopf - und starrte in eine Phasermündung. Shakaars Männer hatten bisher ein wenig unschlüssig daneben gestanden, die Chance, ihren eigenen Chef in dem Handgemenge zu treffen, war zu groß. Doch nun bot die vermutete Intendantin ein hindernisfreies Ziel.

Der Adrenalinspiegel in Kiras Blut war so hoch angestiegen, dass sie es schaffte, sich zur Seite zu werfen, bevor der Strahl den Boden traf. Sie spürte die Hitze in ihrem Rücken und ein leichtes Stechen, wo die Energie den äußersten Punkt ihrer Schulter streifte. Mit keiner wirklichen Deckung für den Augenblick packte sie den neben ihr liegenden Shakaar. Nur unterbewusst registrierte sie, dass die Finger ihrer Rechten immer noch ihren Dienst taten, wenn auch unter erheblichen Schmerzen. Wenn die Anspannung von ihr abfiel, würde sie wahrscheinlich keinen Muskel mehr bewegen können - das hieß: Wenn sie diesen Moment überhaupt noch erleben sollte. Sie rollte den halb bewusstlosen Mann über sich, um dessen Körper zwischen sich und die Phaser zu bekommen. Was sie dabei jedoch nicht beabsichtigt hatte, war, ihn aus seinem Dämmerzustand zu reißen. Shakaars Augenlider flackerten, dann fokussierte sich sein Blick wieder. Kira fluchte, als die wutentbrannten Augen des großen Mannes sie durchbohren wollte. Doch nun hatte sie sich selbst in die undankbare Situation gebracht, dass das Gewicht seines Körpers sie niederhielt. Nach einem kurzen Ringkampf hatte er ihre Handgelenke gefasst. Keuchend drückte er sie auf den Boden hinunter, seine Knie bohrten sich in ihre Oberschenkel, um sicherzustellen, dass sie nicht wieder ihre Beine gegen ihn einsetzen konnte. Kira konnte nun sehen, wie das Blut seiner Fleischwunde durch den zerfetzten Stoff lief. Er würde nicht mehr lange auf diese Weise bei Bewusstsein bleiben. Sie hoffte, dass sie so lange noch durchhielt.

Im Raum um sie herum war es gespenstisch still geworden. Das einzige Geräusch war das leise Keuchen des blonden Bajoraners. Die anderen Versammlungsmitglieder mussten den Raum verlassen haben, oder standen vielleicht an den Wänden und beobachteten das Schauspiel in faszinierter Angst. Darauf, dass irgendjemand ihr zur Hilfe kommen würde, baute Kira nicht. Wahrscheinlich war es vielen nur recht, die Intendantin tot zu sehen - und sie waren froh darum, dass nicht sie es waren, die sich die Hände an einem Mord schmutzig machen mussten. Kira nahm ihren Blick nicht von Shakaar, eine schweigende Weile starrten sie einander nur an. Zorn und Schmerz lagen in den tiefen Augen des Bajoraners, doch sie glaubte auch ein wenig Respekt darin erkennen zu können. Sie hatte sich ihm als ebenbürtige Gegnerin erwiesen, was er anerkannte. Kira glaubte fast zu wissen, welche Gedanken in seinem Kopf in diesem Augenblick umhergingen, ähnliche Gedanken waren ihr ebenfalls bei mehr als einer Gelegenheit in ihrem Leben gekommen: Was hätten wir erschaffen können, wenn wir auf derselben Seite gestanden hätten?

Dann ließ er mit einem fast wehmütigen Ausdruck von ihr ab. „Erschießt sie...“

Kira hielt die Luft an.

„Dachte ich es mir doch!“ Die schneidende Stimme von der Tür her forderte jegliche Aufmerksamkeit im Raum. „Ratten sollte man nie den Rücken zukehren!“

Kira war überrascht, wie behände Shakaar trotz seiner schweren Verletzung auf die Beine sprang. Die Verwirrung, die er beim Anblick zweier identischer Frauen verspüren musste, hielt nur kurz an. Kira fühlte sich von ihm hinauf gezerrt, und diente nun derjenigen Rolle, die sie ihm zuvor zugedacht hatte. „Eine hübsche Idee“, seine Stimme, die neben ihrem Ohr erklang, war schneidend. „Ich hätte es wissen müssen, so gut kannst du überhaupt nicht kämpfen.“

Shakaar und seine Männer standen auf der einen Seite des Verhandlungstisches, die Intendantin und ihre Leute auf der anderen. Die Parteien hatten die Phaser aufeinander gerichtet, doch niemand schoss - noch nicht.

Kira nutzte die unglückliche Lage, in welcher sie sich befand, um wenigstens wieder zu Luft zu kommen. Shakaar hatte seine eigene Waffe gezogen und hielt sie ihr gegen die Schläfe, was sie von einem erneuten Einsatz ihrer Beine für den Moment abhielt. Stattdessen starrte sie über den Tisch hinweg in Richtung Tür. Es war nicht der Anblick der wie üblich siegessicher grinsenden Intendantin, der sie erschütterte. Der Verrat ihres Spiegelbildes war nicht wirklich überraschend gekommen. Was ihr allerdings für lange Sekunden beinahe den Willen zum Weitermachen nahm, war der Mann, der mit ebenfalls gezogenem Phaser an der Seite der Intendantin stand. Er mied ihren Blick, gab vor, gänzlich auf Shakaars Männer konzentriert zu sein.

Kira schloss ihre Augen. Vielleicht war es besser, wenn dieser Shakaar hier sie tatsächlich erschoss, dann hatte sie es hinter sich. Wie oft würde sie noch auf Bareils dunkle Augen hereinfallen? Wie oft auf seine fast hilflos anmutende Gestik? Was machte der Mann, dem sie gewillt gewesen war zu vertrauen, nun an der Seite der Intendantin? War schon wieder alles ein Spiel gewesen, um sie anstelle der anderen in die vermutete Falle laufen zu lassen? Ihr Leben zu opfern?

„Pfeif deine Leute zurück“, erklang Shakaars Stimme neben ihr, „sonst erschieße ich dein Spielzeug.“

Das Lachen der Intendantin fuhr nicht nur Kira in die Knochen. „Ich hätte niemals gedacht, dass ich dich mit dem Wort naiv bedenken müsste, Edon. Doch wir alle täuschen uns ineinander, nicht wahr?“ Diese letzte Bemerkung hatte sie an Kiras Adresse gerichtet. Dann hob sie ihren Arm in einer fast tänzerisch anmutenden Bewegung. „Erschieß ihn.“

Ein Moment des Schweigens herrschte, als der angesprochene Bareil sich ungläubig zu ihr umwandte. „Aber Nerys...“

Sein Zögern veränderte das Gleichgewicht. Die Intendantin riss ihre Aufmerksamkeit von ihrem Gegner los, um dem Dieb die Waffe aus der Hand zu nehmen, ihre Soldaten waren sich nicht ganz sicher, welches Handeln von ihnen verlangt wurde, Shakaars Leute traten ein wenig vor ihren Chef, um ihn zu schützen und Shakaar selbst ignorierte kurzzeitig seine Geisel, was Kira am Nachlassen des Drucks an ihrer Schläfe registrierte.

Sie riss sich los und warf sich auf den Boden. Auf beiden Seiten gingen die Bajoraner in Deckung, als das Feuer eröffnet wurde. Es war nicht zu sagen, wer zuerst geschossen hatte, noch ob jemand getroffen war. Sessel und Stühle lösten sich in Dampf auf, als sie ihre Funktion als Deckung einbüßten. Kira hatte sich aus der Schusslinie gerobbt. Da sie unbewaffnet war, schenkte ihr für den Moment niemand mehr Beachtung. In all dem Feuergefecht blieb ihr Blick auf Bareil fixiert. Dieb, Liebhaber, Verräter - was immer er sein mochte, er hatte sich in einen Teil ihres Herzens geschlichen, aus dem sie ihn einfach nicht mehr herausbekam.

Im Moment lag er mit den Soldaten der Intendantin zusammen in Deckung, doch er schien immer noch keine Waffe in der Hand zu haben. Es war so wenig sein Kampf, wie es der ihre war. Zentimeter um Zentimeter schob Kira sich an der Wand entlang. Wenn sie sich der Stellung der Intendantin näherte, würde sich das Feuer unwillkürlich auch auf sie richten - und sie konnte noch nicht einmal vorhersagen, von welcher Partei es stammen würde. Sie richtete sich vorsichtig auf, um zu einem waghalsigen Spurt ansetzen zu können, und sah hinüber zu Shakaars Reihen. Ob den Männern klar war, dass Kira keine Gefahr für sie darstellte, dass sie also nicht auf sie schießen mussten? Sie wagte, daran zu zweifeln. Doch auch so war die Aufmerksamkeit von Shakaars Leuten direkt auf die Intendantin gerichtet, nicht auf sie.

Bareil allerdings hatte ihr Näherkommen nun bemerkt. Er hob seinen Oberkörper ein wenig an, seinem Gesicht war die Überraschung anzusehen, dass Kira tatsächlich zu ihnen kam. An ihrer Stelle hätte er sich wahrscheinlich schon aus dem nächsten Fenster verabschiedet und den Raum seinem Schicksal überlassen. Die Überraschung des Diebes machte ihn allerdings nun zu einem leichtsinnigen Ziel der gegnerischen Reihe. Kira sah, wie einer der Soldaten auf ihn anlegte. Mit einer letzten Willensanstrengung mobilisierte sie ihre Kräfte und sprang vorwärts. Sie warf sich gegen Bareil, drückte seinen Körper gegen den Boden und rollte ihren eigenen einmal um die Achse, um nicht selbst Opfer des Energiestrahls zu werden. Das Feuer von Shakaars Leuten hielt die Soldaten der Intendantin davon ab, sich um den Tumult in ihrer eigenen Reihe zu kümmern. Kira nutzte dies aus, indem sie Bareils Arm packte. Ungläubig starrte der Mann zu ihr hinüber, als sie ihn über den Boden mit sich zog. Er sah ihr bleiches Gesicht, ihre vor Schmerz verzerrten Züge und ihren unbändigen Willen, sie beide lebend hier hinaus zu bekommen... Bareil sprang auf, ignorierte die Schüsse, die neben ihm die Luft durchschnitten. Er packte die Frau um die Taille und hechtete mit ihr zur Tür hinüber. Sie stießen sich beide empfindlich die Knochen, als sie halb stürzend, halb rollend den Korridor erreichten. Ohne sich umzusehen kamen sie auf die Beine und rannten den Gang hinunter, bis sie die große Treppe erreichten, welche zum Ausgang des Gebäudes führte. Das Feuergefecht blieb allmählich hinter ihnen zurück. Am Treppenabsatz hielten sie schließlich an. Kira griff nach Bareils Oberarm, um ihr Gleichgewicht wiederzuerlangen, doch die bunten Punkte vor ihren Augen wollten sich nicht abstellen lassen. Schwankend hielt sie sich mit der zweiten Hand ebenfalls an ihm fest. Sie spürte noch, wie er sich hinunter beugte und sie auf den Arm nahm, dann wurde es schwarz um sie herum.

* * *


Die angenehme Kühle auf ihrer Stirn holte Kiras Bewusstsein zurück. Sie lag auf dem Bett in einem kleinen Zimmer, die enge Uniform war verschwunden und hatte einem weichen Hemd Platz gemacht, welches ihr viel zu groß war und höchstwahrscheinlich Bareil gehörte. Der Bajoraner selbst saß am Bettrand, hielt eine kleine Schüssel mit Wasser in Händen und tupfte ihr mit einem feuchten Tuch die Stirn ab. Als sie die Augen aufschlug, lächelte er ein wenig, schüchtern, um Verzeihung bittend. Kira kam die Erinnerung an die letzten Ereignisse zurück. Sie setzte sich fast ruckartig auf, ihr rechter Arm schmerzte höllisch, sie glaubte nicht, dass sie ihn überhaupt heben konnte. Sie sah Bareil an, sah ihn vor ihrem inneren Auge wieder mit Phaser an der Seite der Intendantin stehen und holte mit der Linken aus. Die Ohrfeige ließ seinen Kopf zur Seite rucken. Die Wasserschüssel rutschte von seinen Knien und fiel polternd zu Boden. Doch statt in irgendeiner Weise zu reagieren hob er lediglich das Kinn ein wenig an und drehte den Kopf so, dass er ihr seine andere Gesichtshälfte anbot. Es war keine devote Haltung, aus der Überzeugung heraus geboren, dass er nichts anderes verdiente als Schläge, seine Augen sprachen dafür die falsche Sprache. Es lag Stolz in ihnen, demütiger Stolz - wenn diese Wortkombination jemals einen Sinn ergeben sollte, dann hier in der Haltung Bareils. Für diesen Moment war es tatsächlich der Vedek, der aus seinen Zügen sprach.

Kira starrte ihn an. Ihre immer noch erhobene Hand kehrte sanft zu seiner Wange zurück, sie drückte sein Kinn zur Seite, um mit ihren Fingern die sich leicht rötende Stelle zu streicheln, auf die sie ihn eben geschlagen hatte. „Warum hast du das getan?“ wollte sie flüsternd wissen. „Warum hast du mich wieder und wieder belogen?“

Er beugte sich vor, um seine Stirn gegen die ihre zu lehnen, seine braunschwarzen Haare verwoben sich mit ihren rotbraunen. „Ich habe dich nicht belogen, Nerys. Ich wusste nicht, was ich tun sollte... Die Intendantin hat mich so benutzt wie sie dich benutzt hat. Als ich von ihr erfuhr, warum sie dich geschickt hat, warst du schon fort. Ich wollte dich nicht alleine lassen, ich hatte Hoffnung, das Schlimmste irgendwie noch verhindern zu können. Ich musste mit ihr mitgehen.“

Sie nickte leicht gegen seine Stirn. Sie hatte keine Ahnung, was er davon nun als Ausrede verwendete und was der Wahrheit entsprach, und sie fühlte sich zu müde, um es zu hinterfragen.

Er spürte ihren Zweifel. „Ich werde dich nicht mehr belügen, Nerys, nie mehr. Du hast dich vorhin auf mich geworfen, um einen Schuss abzulenken. Das hat schon einmal eine Frau für mich getan. Und so wenig Stolz ich besitzen mag, ihre Erinnerung werde ich niemals beschmutzen.“ Er hob seine Lider und blickte ihr über die kurze Entfernung in die Augen. „Und deine ebenfalls nicht.“

Sie löste ihre Stirn von seiner, um stattdessen den Kontakt mit den Lippen zu suchen. Wie viel Verzweiflung lag wohl in ihrem Festhalten an diesem Bareil, und wie viel wahres Gefühl? Sie konnte es nicht sagen, wahrscheinlich würde sie es nie mit Sicherheit bestimmen können. „Ich glaube dir... ich weiß nicht, warum ich das immer noch mache, aber ich glaube dir.“

Ohne darüber nachzudenken, wollte sie ihre Rechte anheben, um ihn an der Schulter zu fassen, doch augenblicklich zerstörte der stechende Schmerz den ruhigen Moment. Sie zuckte zurück und Bareil blickte sie besorgt an. „Hast du starke Schmerzen?“

Kira nickte nur.

„Ich weiß nicht genau, was ich dagegen tun kann...“, er wirkte hilflos. „Die Wunden und Verbrennungen, die ich finden konnte, habe ich mit frischem Wasser ausgewaschen und verbunden. Doch du musst zu einem vernünftigen Arzt.“ Er zögerte kurz, dann griff er fast widerwillig nach einem Gegenstand auf dem Nachttisch. Als er ihn Kira in den Schoß legte, erkannte sie die Transporterverbindung. „Du musst wieder zurück, wo sich jemand richtig um dich kümmern kann.“

Kira betrachtete das kleine Gerät. „Du besitzt so etwas?“

Er schüttelte den Kopf. „Im Prinzip nicht. Und wenn die Intendantin das bemerkt, wird sie nicht sehr begeistert sein - vorausgesetzt, sie überlebt ihre kleine Meinungsverschiedenheit mit Shakaar.“ Er trommelte mit den Fingerspitzen auf der Metalloberfläche. „Ich habe es für dich ‘ausgeliehen’ - ich dachte mir, du brauchst es noch.“

„Für mich?“ Sie blickte ihn nachdenklich an, dann schüttelte sie den Kopf. „Du hast also tatsächlich vorgehabt, mir zu helfen... Antos, ich weiß nicht, ob ich jemals aus dir schlau werde.“

„Das ist schon in Ordnung so.“ Sein jungenhaftes Grinsen war beinahe wieder vollständig zurück-gekehrt. „Ich empfinde es als äußerst langweilig, wenn man vorhersehbar ist.“

* * *


Immer noch mit einem viel zu weiten Hemd bekleidet, welches nun Gesellschaft einer um einiges zu langen Hose bekommen hatte, stand Kira vor der Frachttransporterplattform. Es war die nächste Möglichkeit zum Beamen, welche zu gewissen Tageszeiten unauffällig genutzt werden konnte - wenn man Bareils Fähigkeiten besaß, die Lagerraumtüren kurzzuschließen.

Etwas unschlüssig trat sie auf die Plattform. Die Transporterverbindung war mit den nötigen Koordinaten versehen worden, sie musste nur noch den Sensor betätigen. Zögernd streckte sie ihre Hand aus. „Willst du wirklich nicht mit mir kommen?“

Er schüttelte den Kopf. „Du wirst mir nie richtig vertrauen können - ich habe dir praktisch keine Möglichkeit dazu gelassen.“ Er lächelte sie an, es war aufmunternd gedacht, doch es funktionierte nicht völlig. „Darf ich dir noch eine Frage stellen?“ - Kira nickte.

„Warum hast du das alles getan? Ich begreife es nicht. An deiner Stelle hätte ich mich umgedreht und wäre gegangen.“

”Es gibt da diese Vision mit dem Haus und der Familie, und ich nehme die Visionen der Propheten nicht auf die leichte Schulter, auch wenn du das tust.”

Bareil lachte leise. ”Du scheinst mir nicht die Frau für ein häusliches Leben zu sein.”

Sie zuckte mit den Schultern. ”Ich kann mich auch nicht so sehen. Noch nicht. Doch wenn der Zeitpunkt kommt, will ich mit beiden Händen zugreifen können. Nenn es ruhig egoistisch.” Das Lächeln auf ihren Zügen wankte ein wenig. ”Wirst du dich greifen lassen?”

Bareil senkte seinen Kopf, als er ihn wieder anhob, lag etwas in seinen Augen, wonach Kira sich schon so lange gesehnt hatte: Mut. Er streckte den Arm aus, seine Fingerspitzen berührten die ihren und dann griff er für einen Moment fest zu.


ENDE

Rezensionen