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Nach dieser Nacht

von VGer

Nach dieser Nacht

Erde, im Jahr 2397.
Erst am nächsten Morgen fiel Miral Paris ein, dass sie gar nicht wusste wo sie eigentlich waren. Es dämmerte ungewöhnlich düster und langsam, und im blassen Zwielicht der Frühe konnte sie die Reflektionen von Schnee erkennen – jedenfalls glaubte sie, dass es Schnee war, mit terranischen Wetterphänomenen war sie immer noch nicht so recht vertraut.

„In meiner Wohnung.“ Keval Weycori schmunzelte, als hätte er die Frage geahnt, noch bevor Miral sie stellen konnte. „Anchorage, Alaska, Nordamerika.“

Die Suppe, die er sich zum Frühstück braute, roch bestialisch und halbvermodert. Miral begnügte sich mit Kaffee – so gern sie den Andorianer inzwischen auch hatte, an die strengen Aromen andorianischer Küche würde sie sich wahrscheinlich nie gewöhnen.

„Warum Alaska?“
„Erinnert mich irgendwie an zuhause.“ Er deutete nach draußen, auf den Schnee. „Die Zeitzone passt und es ist nicht allzu weit nach San Francisco, und Anchorage ist eine gemütliche kleine Stadt mit einer netten andorianischen Gemeinschaft. Vor allem aber wegen dem Klima. Ich bin in den Subtropen aufgewachsen, kurze Sommer und milde Winter, da ist nicht viel Unterschied zu hier.“
„Oh. Verstehe.“ Bis dato hatte sie nicht gewusst, dass auch Eisplaneten subtropische Gebiete haben konnten. Die Vorstellung allein überstieg sie völlig.
Kevals Antennenspitzen zuckten amüsiert. „Was hättest du denn erwartet?“
„Um ehrlich zu sein, ich habe nicht darüber nachgedacht. Standardquartier irgendwo in San Francisco, vermutlich.“ Sie zuckte mit den Schultern, vergrub ihre Nase in der Kaffeetasse.
Die meisten planetengebundenen Offiziere wohnten schließlich in nächster Nähe ihres Dienstortes – aus rein praktischen Gründen meistens, schließlich stellte die Sternenflotte freien Wohnraum zur Verfügung; ganz San Francisco und große Teile der nordamerikanischen Westküste waren voll mit solchen praktischen Siedlungskomplexen. Miral kannte es nicht anders, am Mars hatten sie in Standardquartieren in Utopia gelebt und auf Q'onoS in der offiziellen Residenz mitten im Park und direkt auf dem Areal der Botschaft; sogar ihr Großvater, der berühmte Admiral Paris, wohnte in einer Flottensiedlung, wenn auch einer der nobleren, gleich auf der anderen Seite der Bucht von San Francisco. Doch das hier war ganz anders, Kevals Leben war nicht das Sternenflottenleben, das sie viel zu gut kannte. Zu Kevals Wohnung hatten sie transportieren und dann noch ein Shuttle nehmen müssen – was ungewöhnlich war, denn es gab nur wenige Orte auf dem Planeten, die so weitabgelegen und dünnbesiedelt waren, dass sie nicht direkt vom öffentlichen Transporternetz abgedeckt wurden.
„Das klingt nach dem Leben auf einem Raumschiff, nur ohne Raumschiff. Das wäre nichts für mich, zu wenig Freiraum. Ich arbeite nur für die Flotte, aber ich lasse sie nicht mein Leben bestimmen.“ Noch bevor Miral etwas darauf erwidern konnte, wurden seine Augen ganz dunkel und seine Antennen sackten zusammen. „Und wenn wir schon beim Thema sind, da gibt es etwas was ich dir sagen muss. Ich hätte es dir eigentlich gestern schon sagen sollen, aber...“

Miral sog alarmiert die eisigfrische Luft zwischen ihren Zähnen ein und sah geradewegs auf Keval herunter.

„Was ist das hier, das mit uns?“, fragte er vorsichtig.
„Ich weiß nicht.“ Miral rang nach Worten. Die Richtung, die das Gespräch einzuschlagen schien, gefiel ihr gar nicht. „Warum fragst du?“
„Weil ich es wissen muss.“ Keval stellte seine Suppentasse beiseite und legte seine Hände auf Mirals Schultern. Sie lehnte noch immer an der Küchenzeile und zuckte unter der Berührung unwillkürlich zusammen. „Man hat mich wissen lassen, dass eine Beziehung zwischen einem Offizier und einem Kadetten nicht gerne gesehen wird, und ich nehme an, dass das nur ein menschlicher Euphemismus für ‚Hände weg’ ist. Wenn das hier...“ – er legte einen Finger auf Mirals Brust, dann auf seine eigene und grinste schelmisch dabei – „Wenn das hier also nur ein belangloser Spaß für dich ist, dann sollten wir das restliche Wochenende genießen und es dabei belassen. Wenn es dir aber ernst ist mit mir, wenn du mit mir zusammen sein möchtest, dann bin ich bereit allen Konsequenzen ins Auge zu sehen, denn wie ich schon sagte, ich lasse mir nicht von der Flotte diktieren wie ich leben und wen ich lieben soll.“

Seine Stimme war so kühl und ruhig, dass Miral für einen kurzen Moment fast glauben wollte, dass es ihn gar nicht tangierte. Sie schluckte schwer, als die Bedeutung der Worte allmählich sickerte, und dann ballte sie die Hände zu Fäusten.

„Lass mich raten: Janeway?“
„Ja, wer sonst?“
„Bei aller Liebe, jetzt ist Tante Kathy wirklich zu weit gegangen. Sie spielt so gern die Märtyrerin, hat sich für die Flotte in ihr privates Unglück gestürzt, aber das ist ihre Sache. Auch wenn sie meine Patentante und deine Chefin ist: dein Leben, oder meins, geht sie gar nichts an!“ Im Gegensatz zu Keval redete Miral sich richtiggehend in Fahrt. „Jetzt wird mir auch klar was meine Mutter meinte. Als wir zuletzt gesprochen haben, hat sie mir eine sehr kryptische Predigt gehalten, dass Kadettenjahre keine Herrenjahre sind, dass ich nicht übermütig werden soll und wissen muss wo meine Grenzen sind und auf meine Reputation achten muss. Kein Wunder, wenn Tante Kathy gepetzt hat ... Dass sie sich auch immer überall einmischen müssen!“ Mit einem dumpfen Bumsen traf Mirals Faust die steinerne Platte auf der Küchentheke. Sie verzog nicht einmal das Gesicht dabei. „Es tut mir leid, Kev. Meine Familie ist manchmal wirklich unmöglich.“

Keval schwieg vielsagend, eine Antwort auf seine ursprüngliche Frage erwartend. Miral streckte ihre Hand aus, ließ ihre Finger sanft liebkosend an den Rillen seiner rechten Antenne auf- und abgleiten – seit ihrem peinlichen Missverständnis bei ihrer ersten Begegnung vor etwas mehr als einem Monat, das zu ihrem ersten unfreiwilligen Kuss geführt hatte, hatte sie die andorianische Art des Küssens schnell perfektioniert – und er schien, mit halbgeschlossenen Augen und zitternden Antennen, jeden Moment zu genießen.

„Sag's mir, bitte. Was ist das hier, für dich?“, beharrte er mit einem verdächtig sehnsüchtigen Klirren in der Stimme, während er sie näher zu sich zog.
„Was ist es für dich?“, fragte Miral zurück und lächelte verschmitzt dabei.
„Ich habe nachgelesen, es gibt einen Passus in der Dienstvorschrift, der unter gewissen Umständen Fraternisierung erlaubt, solange die Kommandokette davon nicht betroffen ist. Es darf kein Abhängigkeitsverhältnis bestehen, man darf dienstlich weder zusammenarbeiten noch einen Vorteil aus der Beziehung ziehen können, der Rangniedrigere muss die Initiative ergriffen haben,...“ Kevals Worte klangen absolut nüchtern, doch seine Taten verrieten anderes. Er hatte Mirals Hand ergriffen und streichelte mit spitzen Fingernägeln die Innenseite ihres Handgelenks, direkt über den Pulsadern. Auch er hatte schnell gelernt, wie er seine ungewöhnliche Geliebte mit einigen wenigen Berührungen atemlos machen konnte. „Ich bin Astrometriker und Stellarkartograph, du wirst Pilotin, wir kommen uns im Zweifelsfall schon nicht in die Quere. Allerdings bin ich mir nicht ganz sicher, ob die ganze Situation nicht doch so interpretiert werden könnte, dass ... ich meine, du stehst zwar im Rang unter mir, aber ich arbeite sozusagen für deine Familie.“
„Das ist so typisch du, Kev! Immer organisiert und informiert!“ Miral lachte auf und gab der Antenne in ihren Fingern einen leichten Klaps. „Und diese Regelung ist absurd. Wir machen einfach was wir wollen und erzählen Tante Kathy und der Flotte und jedem der fragt, dass das alles meine Idee war. War's ja auch, irgendwie, auch wenn ich betrunken war. Und außerdem war’s der alte Paris selbst, der uns einander vorgestellt hatte.“
„Es geht um mein Leben, und um deins. Da bin ich gerne organisiert und informiert.“, verteidigte sich Keval, obwohl auch er bei der Erinnerung an ihren ersten Kuss immer noch schmunzeln musste wurde er eilig wieder ernst. Miral konnte ihm richtiggehend ansehen, dass er immer noch auf eine Antwort wartete.

„Was ist das für dich?“, hatte er gefragt, doch was er eigentlich wissen wollte hatte er sich nicht zu fragen getraut: „Was bin ich für dich?“

Miral betrachtete ihn lange und eindringlich, während sie mit beinahe philosophischem Gesichtsausdruck an der Küchentheke lehnte und in ihrem Rücken die fahle Wintersonne langsam über den Horizont kroch und ein entrücktes Glühen in ihre Locken malte. Kevals violette Augen waren erwartungsvoll auf sie gerichtet, sie dachte an die vergangene Nacht und viele schöne Tage und Abende davor, an sein Lachen wenn er sie ansah und an das Gefühl seiner kühlen Finger auf ihrer Haut, und plötzlich begann ihr Herz ganz unwillkürlich wieder zu rasen.

„Ich kann's dir nicht mit Sicherheit sagen, Kev, dafür ist es noch zu früh. Ich weiß nur, dass du der erste überhaupt bist, der sich um meinetwillen für mich interessiert, nicht deshalb weil ich einen berühmten Namen trage oder weil er scharf auf exotischen klingonischen Sex ist...“
„...was ich allerdings durchaus nachvollziehen kann. Über klingonischen Sex im Allgemeinen weiß ich nichts, aber spätestens nach dieser Nacht kann ich mit Bestimmtheit sagen: mit dieser Klingonin hier ist der Sex phantastisch und ich will verdammt noch mal viel mehr davon... mehr von dir.“
„Nicht schon wieder frech werden, Mister Weycori!“ Miral lachte und boxte ihn sanft in die Seite.
„’tschuldigung.“, raunte Keval und umfasste ihr Handgelenk etwas fester. Der Klang seiner Stimme ließ jedoch ahnen, dass es ihm gar nicht Leid tat.
„Du respektierst mich und dafür respektiere ich dich. Und der Sex ist wirklich phantastisch, du bist wirklich phantastisch. Muss ich wirklich mehr sagen?“
„Ja, musst du.“
„Für's Protokoll?“, fragte Miral, nur halb scherzhaft.
„Weil ich es gerne hören würde.“, sagte Keval ganz leise und seine Augen glühten förmlich.

Mirals Hände kribbelten, als sie seine umfasste. Karamellbraune und türkise Finger ineinander flechtend fiel ihr einmal wieder auf, wie harmonisch dieser Kontrast auf den zweiten Blick eigentlich war.

„Ich will mit dir zusammen sein, und ich werde dafür kämpfen wenn es sein muss.“
„Das will ich auch, meine Schöne.“

Aufatmen. Es war gesagt.

Keval Weycori machte einen letzten Schritt auf Miral zu, legte seine Arme um sie und drückte sein Gesicht in ihren Ausschnitt, der praktischerweise gerade in seiner Augenhöhe lag. Sie erwiderte die Umarmung, beugte ihren Kopf vor und küsste sein transparentes Haar, an den Antennenansätzen knabbernd, während ihre Finger zärtlich mit den Antennen spielten. Er packte ihre Handgelenke und grub seine Finger hinein, küsste sie klingonisch während sie ihn andorianisch küsste. Es funktionierte besser als sie es ursprünglich angenommen hatten und mit der Zeit entwickelte sich so etwas wie zufriedene Harmonie zwischen diesem ungleichen Paar.

„Und jetzt? Frühstück oder Sex?“
„Beides. Ja, auf jeden Fall beides.“

Miral und Keval lachten beinahe hysterisch, als sie sich noch einmal, wie zur Bestätigung, umarmten. Sie wussten beide, dass es nicht leicht werden würde, doch sie ahnten insgeheim schon, dass das der erste Morgen von vielen, der Beginn von etwas ganz Großem, war.


Ich hatte ja versprochen, ich schreibe ab sofort nur noch bittersüßen Miral&Kev-Kitsch. Außerdem eine Sneak Preview für alle, die schon sehnlich darauf warten, dass es mit V&W endlich weitergeht. ;-)
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