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Abriachan Teil II - Bernsteinaugen

von Gabi

Kapitel 1

„I know I have a darker side
A cruel streak
I'm selfish and demanding
But I'm a man with a vision
It just takes a little understanding”


(Marc Almond - These my dreams are yours)


Noch vor einem Jahr hatte sie von diesem Balkon aus ein Königreich betrachtet, jetzt fiel ihr Blick lediglich auf eine Ansammlung von Gütern, die sich den Hügel hinab erstreckten. Sonnenlicht reflektierte auf Gleitern, die sich ihren Weg durch die geschäftigen Straßen bahnten. Am Fuß des Abhangs war mit scharfem Auge noch das ausgedehnte Handels- und Kulturzentrum zu erkennen. Mit 22 Einheiten war Althena zwar nur ein relativ kleiner Stadtstaat, doch es war der ihre gewesen. Bis dieser Soldat Fremde angebracht und die seit 500 Jahren festgewachsene Ordnung umgestoßen hatte. Ein Mann! Das war beinahe das Schlimmste daran. Er hatte seine eigene Königin getötet – und er war damit davongekommen.

Balmacara strich mit der Handfläche über die makellos sauberen Marmorverzierungen des Geländers. Deren Schönheit berührte die schwarzhaarige Frau ebenso wenig wie diejenige der kunstvollen Statuen und Objekte, welche zwischen den gepflegten Grünpflanzen auf dem Balkon platziert waren. Sie war in dieser Schönheit aufgewachsen und nahm sie als gegeben hin. Es war so, wie es sein sollte.

Ebenso wie Männer Soldaten waren, die keinem anderen Zweck dienten als ihren Herrinnen zu gehorchen und vor allem die Königinnen zu achten.

In ihrem Nachbarstaat Rossa hatte sich ein junger Mann erhoben, in der irrigen Annahme, er müsse dem Planeten eine neue Ordnung bringen, in welcher Frauen Kinder bekamen und Männer entscheiden durften, was sie mit ihrem Leben anfangen wollten. Er hatte dies zum Inhalt der ersten Proklamation des sogenannten Neuen Rats gemacht.

Eine vollkommen absurde Idee.

Abriachan hatte in kurzer Zeit eine wissenschaftliche und künstlerische Blüte erreicht, weil die Gesellschaft nach strengen Regeln funktionierte. Frauen besuchten die Universitäten, die besten unter ihnen gründeten eigene Güter, in denen sie die Fähigkeiten anderer nährten, und ihren Stadtstaat im planetenweiten Wettstreit voran brachten. Männer wurden auf der Militärakademie ausgebildet und dienten ihren Herrinnen zum Schutz, in der Überwachung und auf anderen gewünschten Gebieten. Die Königin war diejenige, die für den Nachwuchs sorgte.

Es war eine nicht an Effektivität zu überbietende Ordnung. Doch es gab immer diejenigen, die unzufrieden waren, die ihr eigenes Wohl über dasjenige der Allgemeinheit stellten.

Chailleach, ein junger Soldat von Suidhes Gut im Stadtstaat Rossa, hatte es irgendwie geschafft, durch die strenge genetische Auslese der Embryonen zu schlüpfen, was sich als fatal herausgestellt hatte. Anders als der Rest der Bevölkerung hatte er sich als immun gegen die Pheromone der Königinnen erwiesen, welche diesen die völlige Kontrolle über ihr Umfeld garantierten.

Er hatte einen fremden Arzt dazu gebracht, eine Therapie gegen die Unfruchtbarkeit der Frauen zu entwickeln, und danach seine eigene Königin getötet. Schließlich war es ihm gelungen, einen gemischten Rat aus Wissenschaftlerinnen und Soldaten der verschiedenen Stadtstaaten ins Leben zu rufen, die ihn als ihren Repräsentanten ernannten.

Für Balmacara war es wie ein Schlag ins Gesicht. Die Königinnen wurden weiterhin respektvoll behandelt, doch sie hatten keinerlei Macht mehr und auch keine Aufgabe. So höflich man ihnen auch begegnete, war es ihnen doch untersagt, sich weiterhin Männer zu nehmen. Und das nur, weil ihr Paarungsritual die Tötung des Mannes beinhaltete.

Balmacara ballte unbewusst ihre Hand zur Faust. War es ihre Schuld, dass die Königinnen sich so entwickelt hatten? Dass sie den Biss benötigten, um ihren multiplen Eisprung auszulösen und die Potenz der Männer zu erhöhen? Es war doch nur ein Mann. Es gab genügend andere ... Wo lag das Problem?

Innerhalb weniger Wochen hatte sich Balmacaras gesamte Weltordnung aufgelöst wie ein Stück Zucker in warmem Wasser. Übriggeblieben war nichts weiter als ein süßlicher Abgeschmack. Niemand konnte allen Ernstes von ihr erwarten, dass sie freudig zurück trat und einem unerfahrenen jungen Mann diesen Planeten überließ. Niemand hatte sie nach ihren Wünschen gefragt. Wie ein wertloses Stück Kleidung hatte man sie abgelegt und sich Neuem zugewandt. Sie konnten nicht glauben, dass sie alles demütig hinnahm. Sie war geboren um zu herrschen, nicht um beiseite zu stehen.

Nun war zu allem Überfluss noch die Delegation eines fernen Planetenbundes, der sich Föderation nannte, auf Abriachan angekommen. Es war Chailleachs erklärtes Ziel, Abriachan so schnell wie möglich in diese Föderation zu bringen, und damit seine Veränderung zu festigen. Er versprach sich davon zur Not militärische Unterstützung gegen jeden Versuch, die alte Ordnung wieder herzustellen. Die Arroganz des jungen Mannes war grenzenlos. Das würde sie zu verhindern wissen.

Sie hob den Kopf, als eine kaum wahrnehmbare Bewegung die Schwingungen der Abendluft änderte. Die düstere Stimmung hob sich ein wenig, als sie sich zu der Frau umwandte, die nun in der Verandatür stand.

Dichtes, langes Haar umgab die Neuangekommene wie ein silberner Schleier. Der dünne Stoff des langen, hellen Gewands zeichnete schlanke Muskeln ab, in denen wohlkontrollierte Kraft zu ruhen schien. Wenn sie sich bewegte, wirkte jeder Schritt wie mit Bedacht gewählt. Ihre Füße waren unbedeckt, als sie nun auf den Balkon hinaustrat. Bernsteinfarbene Augen, in denen die Pupillen unnatürlich schmal wirkten, blickten lächelnd auf die einstige Königin. Sie berührte die andere Frau zärtlich an der Wange. „Du sollst nicht traurig sein, Herrin. Wir sind soweit. Unsere Zeit ist gekommen.“ Die Stimme war leise, doch so fest, dass man das Gefühl bekam, sie wäre sogar in einem Sturm zu vernehmen. „Abriachan wird wieder so sein, wie es immer hatte sein sollen.“

„Skaill, wenn du das sagst, überzeugt es mich beinahe.“

„Suidhe und Chailleach haben sich im Rat nicht nur Freunde gemacht, als sie auf einer Einflussnahme dieser Föderation bestanden. Ich denke, wenn Chailleach etwas zustößt, wird die Mehrheit umkippen. Seine Visionen können noch lange nicht unabhängig von seiner Person bestehen.“

Balmacara lächelte dankbar. „Was würde ich ohne dich machen?“

Skaill war ein Wesen, über dessen Existenz so gut wie niemand auf Abriachan Bescheid wusste. In fünf Generationen hatten Balmacaras Vorgängerinnen die begabtesten Gen- und Nanotechnikerinnen um sich geschart und an einem Projekt gearbeitet, welches das Bild der Entwicklung auf Abriachan auf eine andere Art als Chailleach sich das vorgestellt hatte verändern sollte. Es war ihnen gelungen Chimären zu erzeugen, Wesen von übermenschlicher Kraft und Geschicklichkeit, Wesen, die in zwei Welten zu Hause waren.

Nach vielen nicht lebensfähigen Fehlversuchen war es ihnen gelungen, ein stabiles Gleichgewicht zwischen menschlichen und tierischen Genen zu erschaffen. Mittlerweile gab es ein gutes Dutzend von ihnen. Sie bewegten sich unter den Abriachanern und niemand ahnte, dass sie anders waren. Balmacara kannte sie alle, ihr dienten sie, ihr gehorchten sie und sie hatte sie in Positionen gebracht, die ihr bald nützlich sein würden ...

* * *


„Nicht schlecht!“ Colonel Kira Nerys drehte sich einmal um die eigene Achse, nachdem sie das Gebäude betreten hatte, welches von den Ratsmitgliedern als Sitz der Föderationsbotschaft ausgesucht worden war. Nach einem Empfangszimmer öffnete sich der Eingangsbereich in eine große Halle, welche die gesamte Höhe des Gebäudes einnahm. Zwei geschwungene Treppenaufgänge führten zu den beiden Galerien hinauf. Fliesen, Treppe und Geländer bestanden aus hellem, marmorartigem Material und waren an exponierten Stellen von Intarsien eines glänzenden, schwarzen Steins durchbrochen. Zweckmäßigkeit kam auf Abriachan erst an zweiter Stelle – zuvorderst stand die schöne Kunst. Reliefs zogen sich über die Wände, Nischen waren mit Statuen, Objekten und üppigen Grünpflanzen versehen. Kübelpflanzen befanden sich auch auf jeder fünften Treppenstufe und verwandelten den Aufgang in den ersten Stock in einen Spaziergang durch ein Gewächshaus. Für genügend Licht sorgte eine mächtige Glaskuppel. Je nach Sonneneinfall konnte man unter der Decke ein leichtes Kraftfeld schimmern sehen. Kira vermutete, dass es das benötigte Licht durchdringen ließ, die Hitze jedoch abhielt. Denn trotz der großen Glasflächen war die Luft im Botschaftsgebäude angenehm kühl.

Die Bajoranerin, die nur die großartige, von Zierrat freie Architektur ihres eigenen Volkes und die eher kalt wirkende cardassianische Baukunst kannte, war erneut von der verschwenderischen Üppigkeit Abriachans beeindruckt.

Das Haus war Teil des Palastkomplexes von Rossa, der seit dem unglücklichen Ende seiner Königin vor einem Jahr zum Sitz des neugebildeten Rates umfunktioniert worden war. Rossa war einer der größten Stadtstaaten Abriachans, hier lebte Nozame, die rechte Hand der getöteten Königin und nun eine der mächtigsten Frauen von Abriachan. Ihre überraschende Begnadigung Chailleachs hatte ein größeres Blutvergießen verhindert und den Beginn der Revolution von oben erst möglich gemacht.

Es lag daher auf der Hand, den Palast in den Sitz der neuen Regierung umzuwandeln.

Der Föderationsbotschafter Ranjo Godonov hatte zwar Bedenken angemeldet, dass das Botschaftsgebäude auf diese Weise nicht wirklich unabhängig war, doch Colonel Kira empfand diese Bedenken als übertrieben. In ihren Augen war es besser, sich mitten im Geschehen aufzuhalten als an den Rand abgeschoben zu werden.

„Natürlich können Sie diese Statue entfernen lassen – so wie alles andere, was Ihnen nicht zusagt.“

Kira löste ihren Blick von dem Kuppeldach und der weiten Galerie.

Daviot Mondal, ein junger Betazoide, der vor einem Jahr der Sternenflotte den Rücken gekehrt hatte, um auf Abriachan zu bleiben, war damit betraut, den Föderationsangehörigen ihr neues Zuhause näher zu bringen. Der Botschafter selbst befand sich im Augenblick nicht bei ihnen, weil er von dem Repräsentanten des Rates zu einem Ausritt eingeladen worden war. So lag es an den fünf Mitgliedern seines Stabes und den beiden Offizieren der Raumstation DS9, Colonel Kira und Commander Benteen, das Gebäude wohnlich zu machen.

Wenn Godonov Abriachan als föderationstauglich einstufen sollte, würde die Botschaft zur vollen Belegschaftsgröße von 40 Personen ansteigen. Momentan jedoch wirkten die wenigen Leute, die sich erstaunt in der Eingangshalle umsahen, verloren in dem großen Gebäude.

Kira folgte Mondals Nicken und wunderte sich darüber, dass ihr die Statue nicht sofort aufgefallen war. Sie stand überlebensgroß zwischen den beiden Treppenaufgängen in direkter Linie zum Eingangsportal. Sie bestand aus demselben Material wie die dahinterliegende Wand und fügte sich daher nahtlos in die Umgebung ein. Sehr detailgetreu waren zwei unbekleidete Männer dargestellt, die sich zärtlich berührten.

„Sie haben recht, Colonel: Nicht schlecht“, bemerkte Commander Benteen. „Wessen Haus war das vorher?“

Mondal lächelte: „Die Kinderfrauen der Königin waren hier untergebracht.“

„Was hier bleibt und was nicht, wird der Botschafter entscheiden“, bestimmte der Trill Aznar Hale, Godonovs Sekretär.

Eine Bolianerin erklärte mit anzüglichem Lächeln: „Ich bin eindeutig dafür, dass diese Statue hier bleibt. Ich bin sicher, für den Botschafter lässt sich etwas Ähnliches in weiblicher Form organisieren?“

Mondal nickte. „Aber natürlich.“

„Daran würde ich ebenfalls Interesse anmelden“, bemerkte Benteen.

Kira bedachte sie mit einem überraschten Kopfschütteln. Warum wirkte ihr oft unnahbarer erster Offizier in dieser Umgebung weit mehr zuhause als auf einer Föderations-Raumstation? Sie hatte die Veränderung an Benteen schon bemerkt, als sie den Fuß auf den Planeten gesetzt hatten. Die Terranerin hatte sich darauf gefreut, wieder hierher zurückzukehren. Wenn Chailleach sie nicht eingeladen hätte, hätte sie wahrscheinlich von sich aus Urlaub eingereicht. Auf gewisse Weise glich ihr Charakter demjenigen des Planeten: schön und kalt. Die Anziehung war unverkennbar.

„Dann werde ich persönlich dafür sorgen, dass Sie eine solche Statue erhalten.“ Der bärtige Abriachaner neben Mondal hatte bisher nichts gesagt, doch nun verneigte er sich leicht vor Benteen. Er war ein weiterer Grund, warum Kira annahm, dass Benteen sich hier wohl fühlte. Elgin war der Waffenmeister von Suidhes Gut, und obwohl ihm bekannt war, dass das sexuelle Interesse der Terranerin an Männern, und somit auch an ihm, eher gering war, hatte er es sich nicht nehmen lassen, sich bei ihrem ersten Besuch als deren Beschützer zu betätigen. Entgegen aller Beteuerungen der Terranerin gefiel ihr die Aufmerksamkeit, die der ruhige Mann ihr schenkte.

Kira vermutete, dass Benteen auch der Grund für Elgins Hiersein war. Quartiereinweisungen fielen mit Sicherheit nicht in den Aufgabenbereich eines Waffenmeisters.

„Wenn Sie mir folgen, werde ich Ihnen nun die Zimmer zeigen.“ Mondal schlang sich Kiras Reisetasche über die Schulter und begann, die Treppe hinaufzusteigen. Die anderen folgten ihm, wobei Elgin wie selbstverständlich nach Benteens Gepäck griff. Die Botschaftsangestellten mussten sich wohl oder übel um die eigenen Taschen kümmern.

Auf der zweiten Galerie befanden sich die Wohnräume. Mondal öffnete eine Tür nach der anderen und ließ die Besucher sich ihre Zimmer aussuchen. Allesamt waren sie hell und großzügig eingerichtet.

Als Letzte bezog Kira ihr Zimmer. Die Bajoranerin marschierte geradewegs durch den Raum zur Balkontür hinüber.

„Ein wunderbarer Anblick“, erklang ihre Stimme, nachdem sie durch Tür und Vorhang hinaus verschwunden war. Die Palastgebäude waren auf einer Anhöhe errichtet worden und boten so einen weiten Blick über die Türme und Dächer von Rossa. Der Lärm der Geschäftsstraßen drang dennoch nur gedämpft herauf.

Mondal stellte Kiras Reisetasche auf einem Stuhl ab. „Wenn Sie etwas trinken wollen ... Hier befindet sich eine hoffentlich gut sortierte Bar“, rief er auf den Balkon hinaus.

Sie kehrte ins Zimmer zurück. „Ja, ich könnte etwas vertragen.“

Der Betazoide demonstrierte ihr die in die Wand eingelassene Bar, die mit verschiedenen Temperaturbereichen und einer großen Auswahl an Gläsern ausgestattet war. „Ich habe einige Getränke aus dem Alpha-Quadranten importieren lassen“, erklärte er, während Kira die Etiketten der Flaschen studierte. Entzückt holte sie einen bajoranischen Frühlingswein hervor.

„Demron aus Ilvian, ein ausgezeichnetes Anbaugebiet.“ Sie blickte auf. „Sie haben sehr guten Geschmack, Mondal.“

Der Betazoide lächelte. „Eher versierte Geschäftspartner.“

Kira holte zwei Gläser hervor. „Haben Sie noch etwas Zeit? Ich würde Sie gerne zu einem Glas einladen. Wir hatten bisher noch nicht wirklich die Gelegenheit, uns zu unterhalten.“

Mondal nahm das angebotene Glas an. „Mein nächster Termin ist erst in einer Stunde.“

„Wunderbar.“ Die Bajoranerin schenkte ein und sie ließen sich beide in einer Sitzgruppe nieder, die für Kiras Geschmack viel zu edel für ein Privatquartier wirkte.

Sie betrachtete den Betazoiden, während sie den ersten Schluck tranken. Das Jahr hatte ihn verändert. Sie hatte den ehemaligen Fähnrich als unscheinbaren, schüchternen Jungen in Erinnerung behalten, doch jetzt saß ihr ein junger Mann gegenüber, nach dem man sich ohne weiteres ein zweites Mal umdrehte. Die großen, schwarzen Augen strahlten immer noch abwartende Scheu aus, doch seine Haltung war eine andere geworden. Die schwarzen Locken hatte er nach abriachanischer Mode länger wachsen lassen. Sie fielen ihm nun locker auf Schultern und in die Stirn und verliehen ihm ein verwegenes Aussehen. Sein Körper wirkte aufrechter und trainierter als noch vor einem Jahr und die schwarze Uniform, welche Suidhes Militär ausgezeichnet hatte, unterstrich den Kontrast zu seiner hellen Haut. Eine innere Ausgeglichenheit strahlte von ihm aus, so als ob er sein Schicksal erkannt und angenommen hätte.

„Sie sehen gut aus“, bemerkte Kira wahrheitsgemäß. „Sie haben Ihre Entscheidung also nicht bereut?“

„Ich hätte erwartet, dass Zeiten kommen würden, in denen das tatsächlich der Fall ist. Aber, nein, ich habe es nicht bereut, aus der Sternenflotte ausgetreten zu sein.“

„Gehören Sie nun zu Suidhes Soldaten?“ fragte sie mit einem Nicken auf die schwarze Uniform.

Mondal lächelte in sein Glas. „Nein. Die Männer würden mich wegfegen. Ich trainiere zwar, doch bis ich mit einem von ihnen mithalten kann, werden noch Jahre vergehen. Auf der Sternenflotten-Akademie habe ich das Grundtraining absolviert mit der festen Vornahme, dass ich damit ohnehin nichts mehr zu tun haben werde ... Ich hatte mich wohl ein wenig getäuscht.“ Er hob seinen Blick. „Die einzelnen Militäreinheiten sind in ihrer alten Form aufgelöst worden. Wir versuchen, ein planetenweites Militär mit einem gemeinsamen Oberbefehl aufzustellen. Im Augenblick entsprechen die Untergruppen noch den Strukturen der Stadtstaaten, doch auf lange Sicht ist das Ziel, den Faktor Herkunft auszuschalten, um das Konkurrenzdenken zu verhindern.“

Kira nickte. Sie konnte sich vorstellen, dass es eine große Umstellung für die Soldaten war. Zwar hatten Abriachaner nie untereinander Krieg geführt, doch die Einheiten waren in ständiger Konkurrenz zueinander gestanden, von ihren Herrinnen angefeuert.

„Und die Uniform?“ hakte sie nach.

„Ich finde, dass Schwarz mir ganz gut steht ...“ Er lachte leise, ein ausgesprochen sympathisches Grübchen bildete sich dabei auf seiner linken Wange. „Nein, im Ernst ... ich arbeite für Chailleach und damit irgendwie für Suidhes Einheit. Bisher hat es hier keinen Mann wie mich gegeben, der wenig Ahnung von Nahkampf, dafür aber von technischen, wissenschaftlichen und politischen Themen hat. Die Soldaten haben akzeptiert, dass ich ihre Uniform trage, und ich komme mir nicht so sehr wie ein Fremdkörper vor.“

„Wie ich gesehen habe, trägt Chailleach allerdings keine Uniform mehr.“

„Ja. Er legt Wert darauf, sich von anderen zu unterscheiden, er will in keine Schablone mehr eingepasst werden können. Ich versuche wohl irgendwie das Gegenteil zu erreichen.“

„Wie macht sich Chailleach – wenn Sie darüber sprechen dürfen.“

Ein Ausdruck, den sie nicht ganz deuten konnte, huschte über Mondals Gesicht, bevor er antwortete: „Er verlangt sehr viel von sich und ist sicherlich sein größter Kritiker. Er würde lieber heute als morgen Abriachan als Föderationsmitglied sehen. Der Botschafter wird jede Unterstützung von ihm erhalten.“

„Und die Zusammenarbeit von Frauen und Männern im Rat funktioniert?“

„Mehr oder weniger“, gestand Mondal. „Wie bei den Soldaten wird es auch hier noch einige Zeit in Anspruch nehmen, um ein neues Verständnis aufzubauen. Die Kommandanten, die im Rat vertreten sind, unterstützen fast ausnahmslos die Standpunkte ihrer früheren Herrinnen. Einzig Chailleach schießt des Öfteren quer, wie Sie sich vielleicht vorstellen können.“

Kira lächelte wissend. „Ich kann es mir lebhaft vorstellen. Er hat schon vorher nicht so gewirkt, als ob er sich von irgendeiner Frau etwas sagen ließ.“

„Es hat viel geholfen, dass Nozame ihn damals gewissermaßen anerkannt hat. Ihre Stimme hat großes Gewicht, ebenso wie diejenige Suidhes. Beide akzeptieren Chailleach als mehr oder minder gleichwertig.“

„Das freut mich zu hören. Denn wenn Mr. Godonov herausbekommt, dass die Mitglieder des Rates nicht gleichberechtigt behandelt werden sollten, wird sein Votum nicht sehr vorteilhaft ausfallen, da bin ich mir sicher“, bemerkte die Bajoranerin und trank noch einen Schluck Wein. „Und die anderen Männer im Rat stimmen nicht gegen ihre früheren Herrinnen?“

„Bisher noch nicht. Einzig Tshertap, der die Ausgestoßenen vertritt, hat natürlich eine eigene Meinung, er unterstützt Chailleach. Und dann ist da noch unser militärischer Oberbefehlshaber Corran,“ Mondals Stimme wurde etwas leiser in Erinnerung an den Mord an Rossas Königin, den er unfreiwillig ausgeführt hatte, „dessen Herrin nicht mehr lebt, und der daher niemandem gegenüber verpflichtet ist ...“

* * *


„Ihr wolltet mich sprechen, Königin?“

Balmacara hob den Kopf von den Berichten, die ihre Vertrauten ihr täglich überbrachten. Jede Königin besaß ein enges Netz an Informantinnen, so dass sie jederzeit über jeden Vorgang auf Abriachan unterrichtet war. Einige der anderen Königinnen hatten das zusammen mit ihrem Status als Mütter aufgegeben und sich zurückgezogen. Balmacara hatte nach außen hin denselben Eindruck erschaffen, doch stattdessen ihr Netz nur noch enger gewoben. Es gab genügend Abriachanerinnen, die alles andere als begeistert von der ihnen drohenden neuen Ordnung waren, genügend Vertraute für die Königin.

„Setz dich.“ Sie schob dem Mann ein Glas hin und beobachtete wie er trank. Ihr Blick verweilte auf dessen Adamsapfel, der sich bei jedem Schluck aufreizend bewegte, und glitt dann über den kraftvollen Körper weiter hinunter. Er strahlte eine Stärke und Macht aus, der sich auch Balmacara nicht gänzlich entziehen konnte.

Corran stellte das leere Glas ab. Ockerbraune, tiefliegende Augen blickten ihr aus einem scharfgeschnittenen Gesicht entgegen, das von schulterlangem, blauschwarzem Haar eingerahmt wurde. Ohne Zweifel war er der ungekrönte König von Abriachan.

Wenn er nicht ein so wertvoller Verbündeter gewesen wäre, hätte sie eine Auseinandersetzung mit der damaligen Königin von Rossa riskiert und ihn zum Vater ihrer Kinder gefordert. Doch nicht einmal ihr eigener Lustgewinn war den Tod dieses Mannes wert.

So hatte sie sich mit dem Zweitbesten begnügen wollen, und dadurch unbeabsichtigt die Revolution ausgelöst. Sie hatte nicht ahnen können, dass Suidhe ihren Kommandanten Admair über die Tradition ihres Volkes stellen würde. Es war eine ärgerliche Erinnerung, doch noch war es nicht zu spät, um den Fehler wieder gut zu machen.

„Die Vertreter der Föderation sind angekommen.“ Sie schenkte ihm nach. „Es ist an der Zeit, einige Dinge zu richten.“ Sie hatte ein Jahr geduldig auf den günstigsten Zeitpunkt gewartet. Die ersten Monate hatte noch die Chance bestanden, dass Suidhes Schwangerschaft schief laufen würde und es für Abriachan keinen anderen Weg gab als die Mutterschaft der Königinnen. Doch diese Hoffnung war ihr mit der Geburt von Suidhes Tochter genommen worden.

„Ich kann mich auf dich verlassen?“

Er verneigte sich vor ihr. Eine fließende Bewegung von atemberaubender Eleganz. Wie konnte jemand von ihr verlangen, auf diese Gunstbezeugung zu verzichten? Es war wie die Luft, die sie atmete.

„Es wird mir ein Vergnügen sein, Chaos unter den Befürwortern des Beitritts zu schaffen. Der Föderationsbotschafter wird es sich zweimal überlegen, ob er hier bleibt.“

Balmacara lächelte wissend. „Du kannst deine persönliche Rache an Admair nehmen.“

Die beiden Kommandanten aus Rossa lagen schon seit Jahren in einem ernsten Konkurrenzkampf, aufgestachelte durch die Feindseligkeit ihrer Herrinnen gegeneinander.

„Doch es wäre mir lieb, wenn du ihn am Leben lässt, damit ich danach meine Rache nehmen kann.“

„Ich habe nicht vor, Märtyrer zu schaffen“, erklärte Corran ernst. „Es genügt mir vollkommen, ihm vor Augen zu führen, wie nichtig die Bestrebungen seiner Partnerin und dieses Chailleach sind. An diese beiden Personen glaubt er.“

Balmacara erhob sich. Sie trat zu ihm hinüber. Wenn sie stand, überragte sie den sitzenden Corran nur um weniges. Mit der Hand strich sie über seinen Kiefer, dann legte sie Daumen und Zeigefinger an sein Kinn. Der Kommandant wich nicht zurück, als sie ihren Kopf hinunter beugte. Lediglich die leichte Erweiterung der Pupillen und das reflexartige Anhalten des Atems verrieten seine wahren Gefühle bei ihrem Kuss. Die Königin genoss ihre Macht über den Mann. Er würde nie wissen, wann sie sich selbst vergaß und ihm beim Zubeißen ihr Gift injizierte. Doch er war zu stolz, um sich seine Angst anmerken zu lassen. Männer waren wundervolle Wesen.

„Ich vertraue dir, Corran.“

* * *


Ranjo Godonov schirmte die Augen gegen die Sonne ab, als sein Blick dem ausgestreckten Zeigefinger seines Begleiters folgte. Der Botschafter war groß und schlaksig, sein dunkles Haar hatte an den Schläfen begonnen erstes Grau zu zeigen. Er hatte mit dem Gedanken gespielt, sich die Haare zu tönen, doch selbst er empfand das als zu eitel. Die Mitglieder seines Stabes, mit denen er schon seit über zehn Jahren zusammenarbeitete, hätten ihm sicherlich etliches Lästerliches zu diesem Thema an den Kopf geworfen. Jedoch war ihm seit seiner Ankunft auf Abriachan der Gedanke des Öfteren wieder gekommen. Makellosigkeit schien hier der Normalzustand zu sein, und Godonov musste sich trotz aller Vernunft eingestehen, dass er nun einmal zu einer Betonung der Äußerlichkeiten neigte.

Er fragte sich, ob der Mann neben ihm sich jemals mit den gleichen Problemen würde herumschlagen müssen. Wahrscheinlich gab es so etwas wie graue Haare auf Abriachan überhaupt nicht.

„Ja, ich kann die Gebäude erkennen“, erklärte er und nahm dann rasch wieder die Hand herunter, um die Zügel des pferdeähnlichen Tieres mit beiden Händen zu fassen. Reiten war etwas, das er schon lange nicht mehr getan hatte. Man hatte ihm zwar versichert, dass es sich bei seinem braunen Cuillin um ein ausgesprochen gutmütiges Tier handelte, doch Vorsicht war immer besser als Vertrauenswürdigkeit. Das war die erste Regel seines Berufsstandes.

Der Abriachaner bemerkte die rasche Bewegung. Er wandte seinen Blick fort von der weitläufigen Aussicht, die zu ihren Füßen lag, wo sich zwei Stadtstaaten bis zum Horizont erstreckten. Das leise Lachen war nicht beleidigend gedacht, es lag eine sanfte, höfliche Note darin. „Sie müssen keine Angst haben, Botschafter. Es kann Ihnen nichts passieren. Selbst wenn er versuchen sollte auszubrechen ... ich bin schneller.“

Godonov betrachtete den jungen Mann. Die Bemerkung war nicht als Aufschneiderei gedacht gewesen, es war lediglich eine Feststellung von Tatsachen. Colonel Kira hatte ihn vor Chailleach gewarnt. Der Botschafter hatte die Zeit der Anreise genutzt, um mit der Bajoranerin über die Dinge zu sprechen, die nicht in den offiziellen Akten über Abriachan standen.

Die Kommandantin von DS9 und ihre Offiziere hatten vor einem Jahr den ersten Kontakt mit den Bewohnern des erdähnlichen Planeten hergestellt. Sie hatten nun auf offizielle Einladung Chailleachs Godonov und seinen Stab begleitet. Sie sollten mithelfen, die erste föderale Botschaft zu errichten, welcher die Aufgabe zukam, die Tauglichkeit Abriachans für eine Aufnahme in den Planetenbund zu überprüfen. Von Colonel Kira wusste er, welche Gefahr von Chailleach ausgehen konnte. Er würde nicht den Fehler begehen, dessen kämpferische oder manipulative Fähigkeiten zu unterschätzen. Der blonde Mann war schön und kalt - eine Beschreibung, die wahrscheinlich auf die gesamte abriachanische Gesellschaft zutraf - und es war nur allzu leicht, sich in seiner Gegenwart zu verfangen.

„Es ist einige Zeit her, dass ich geritten bin“, erklärte Godonov, während er unauffällig versuchte, die Zügel lässiger zu halten. „Ich frage mich, warum Sie nicht einfach einen Gleiter genommen haben, um mir die Aussicht hier oben zu zeigen? Welche Absicht lag hinter dem Manöver?“

Wieder lachte der andere. In gespielter Demut hob er die Handflächen. „Sie haben mich durchschaut. Ich wollte, dass Sie durch den anstrengenden Ritt hier herauf und die ungewohnte Anspannung so erledigt sind, dass Sie zu allem, was ich vorschlage, nur noch 'ja' sagen können.“

Der Botschafter betrachtete den anderen nachdenklich. Sein Gesicht war harmlos und freundlich, mit dem kaum merklichen Zucken in den Mundwinkeln, das einen geübten Beobachter über die scherzhafte Natur der Bemerkung informierte.

Chailleach musste davon ausgehen, dass Godonov ein guter Beobachter war. „Sie werden mir jetzt wahrscheinlich erklären, dass das nur ein Scherz war, und Sie in Wirklichkeit einfach nicht an eine andere Möglichkeit gedacht haben. Aber wahrscheinlich ist die Wahrheit eher im rein menschlichen Bereich angesiedelt, dass Sie mir zeigen wollten, wie gut Sie auf den Gebieten sind, die Sie beherrschen. Ich möchte Sie gleich vorwarnen, Chailleach, man hat mir von Ihrer Wirkung berichtet und ich bin nicht sehr leicht zu beeindrucken.“

Das Lächeln auf dem Gesicht des jungen Mannes veränderte sich nicht, doch in die Augen schlich sich ein wachsamer Zug. Triumphierend verbuchte Godonov diesen Punkt für sich.

„Es lag mir fern, Sie beeindrucken zu wollen“, erklärte der Abriachaner, während er sein Tier zügelte. Er ließ es einen engen Kreis gehen, und kam neben dem Botschafter zum Stehen. Er beugte sich ein wenig im Sattel vor und ergriff die Zügel des Braunen.

„Jetzt sind Sie sicher“, lächelte er freundlich. „Sie können sich bedenkenlos umsehen.“

Godonov nickte. Er hatte das Gefühl, seinen Standpunkt deutlich gemacht zu haben. Als Botschafter war er es gewohnt, dass er stets etliche mehr oder weniger gut geschauspielerte Begegnungen hinter sich bringen musste, bevor er zum wahren Gesicht einer neuen Kultur vordringen konnte. Er hatte Geduld.

„Abriachan besteht aus einer Reihe von Stadtstaaten, wie diejenigen, die ich Ihnen hier zeigen möchte“, fuhr Chailleach fort, offensichtlich unbeeindruckt von der Zurechtweisung. „Hier auf der linken Seite ist Rossa, von wo wir aufgebrochen sind. Sie ist mehr als doppelt so groß wie Althena, die sich von der rechten Seite anschmiegt.“

„Woran liegt es, dass eine Stadt größer als die andere ist? Wenn ich das richtig verstanden habe, entstehen alle durch denselben Prozess ...?“

Chailleach nickte. „Im Allgemeinen sind die Städte mehr oder weniger gleich groß, wenn nicht eine Katastrophe zu einer Dezimierung der Einheiten führt. Althena ist deswegen kleiner, weil sie später gegründet wurde. Ganz selten ist es passiert, dass eine Königin nicht nur einen Embryo mit ihren Eigenschaften austrägt, sondern zwei. Eine der beiden neuen Königinnen übernimmt nach ihrer Pubertät die Stadt ihrer Mutter, die andere gründet eine neue Stadt.“

„Deswegen gibt es auf dem gesamten Planeten nur 52 Städte?“

„Genau.“

„Und dieses Prinzip ist jetzt aufgelöst ...“ Godonov nahm seinen Blick von den Städten und fixierte stattdessen den jungen Abriachaner. „Mich interessiert, wie groß der Widerstand gegen Ihre Pläne zur Demokratisierung der Gesellschaft ist, und wie Sie mit Ihren Gegnern umgehen. Versuchen Sie erst gar nicht, mir ein heileres Bild vor zu malen als es der Realität entspricht. Ich habe mehr als eine Monarchie oder Oligarchie erlebt, die den Übergang zur Demokratie nicht geschafft hat, sondern in der Diktatur endete ...“
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