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Schatzsuche

von Gabi

Kapitel 1

Colonel Kira Nerys strich ihre schulterlangen, dunklen Haare zurück. Ein anstrengender Arbeitstag lag hinter ihr und sie sehnte sich nach einem ruhigen Abend. Die Xhosa war heute Morgen von einem sechs Tage dauernden Transport zurückgekommen und sie hatte Bareil nur flüchtig gesehen, als sie ihm Sul übergeben hatte. Ihre Tochter war nun eineinhalb Jahre alt und sie hatten ein Arrangement gefunden, das einigermaßen funktioniert, so dass sie beide ihrer Arbeit nachgehen konnten und Sul nicht zu kurz kam. Auf kürzeren Strecken nahm Bareil ihre Tochter manchmal mit. Sie war bereits zu so etwas Ähnlichem wie einem Maskottchen der Xhosa geworden. Für Kira war das jedes Mal ein seltsames Gefühl und sie war heilfroh, wenn die beiden heil wieder auf DS9 eintrafen. Doch für Sul war es natürlich schöner den ganzen Tag bei ihrem Vater zu sein als bei ihrem Babysitter.

Kira lächelte in sich hinein, als sie die Tür ihres Quartiers erreichte. Wider Erwarten war der Trickbetrüger aus dem Spiegeluniversum ein Glücksgriff gewesen. Bareil ging vollkommen in seiner Vaterrolle auf, oder eher in der Rolle des verrückten großen Bruders. Manchmal fehlte es ihm in Kiras Augen noch an dem nötigen Ernst. Ihre größte Sorge war es, dass er Sul allerlei Unfug beibringen würde, der für ein ehrliches Leben nicht gerade von wichtigster Bedeutung war.

Jetzt freute sie sich allerdings auf einen entspannten Abend, an dem sie ihre Tochter beim Spielen beobachten konnte, während sie eine wundervolle Massage genoss. Denn hierfür waren die geschickten Finger eines Taschendiebs geradezu prädestiniert.

Der erste Schritt in ihr Quartier erfolgte beinahe gewöhnlich, der zweite glich bereits eher einem kunstvollen Ausfallschritt einer Turnvorführung. Lediglich der Umstand, dass sich neben der Tür ein Regal befand, an dem sie sich festhalten konnte, bewahrte sie vor einem Sturz.

„Was?! …“ Ihre Augen versuchten noch das Chaos in ihrem Quartier richtig aufzunehmen, als die Schlafzimmertür aufglitt und zwei Personen heraus stürmten.

„Mamiiii!“

Unter normalen Umständen wäre Kira entzückt über die Begeisterung ihrer Tochter und darüber, wie rasch die Kleine schon auf ihren Beinchen laufen konnte. Doch momentan sah sie lediglich, dass Sul in einem solchen Tempo auf sie zu stürmte, dass das Mädchen unmöglich rechtzeitig bremsen konnte. Kira versuchte sich noch zu stabilisieren, doch Sul prallte gegen ihr Standbein, hielt sich daran fest und hüpfte aufgeregt auf und ab.

Kira verlor den Halt und landete mit einem lauten Poltern auf dem Hintern. Sul erkannte begeistert, dass ihre Mutter die Spielhaltung eingenommen hatte und krabbelte auf ihren Schoß.

„Ist alles okay, Nerys?“ Bareil ging neben ihr in die Hocke. Seine Miene drückte Besorgnis aus und ein wenig Furcht, dass er für das Chaos verantwortlich gemacht werden würde – zu Recht!

Kiras rechter Arm umschloss automatisch Sul, um das Mädchen zu knuddeln, während ihr Blick entnervt auf ihrem Lebensgefährten ruhte. Mit dem linken Arm vollführte sie eine Kreisbewegung, welche die Eimer, Schaufeln, Förmchen und zahlreichen Sandspuren auf dem Boden des Wohnbereiches umschloss. „Was soll das?“

„Sand pielen!“ erklärte Sul fröhlich.

„Wir haben im Sand gespielt“, übersetzte Bareil überflüssigerweise. Wenigstens hatte er den Anstand ein klein wenig betreten dabei auszusehen.

Sie starrte ihn verständnislos an. „Wo, bei den Propheten, habt ihr hier auf der Station Sand gefunden?“

„Ich …“, setzte Bareil an, doch das Piepen von Kiras Kommunikator unterbrach ihn.

„Kira hier.“

„Colonel!“ Benteens Stimme gelang es, bereits in dieses eine Wort gereizte Missbilligung zu legen. „Mir liegt eine Beschwerde von Frachtraum 4 vor. Es befinden sich dort Mengen von …“

„… Sand“, seufzte Kira.

Die Leitung blieb einen Moment stumm. „Woher wissen Sie das?“ Die Gereiztheit hatte Verwunderung Platz gemacht.

„Ich habe geraten“, erklärte Kira, während sie Bareil mit Blicken festnagelte. „Kümmern Sie sich bitte um die Symptome, Commander, ich nehme mir die Ursache vor.“

„Sie soll den Sand aber nicht wegwerfen!“, rief Bareil, bevor Kira den Kontakt beendet hatte.

„Wie war das?“

Kira bedachte Bareil mit einem warnenden Blick. Der sah sie nur flehentlich an. In ihrem Schoß murmelte Sul immer noch begeistert „Sand pielen, Sand pielen!“

„Verbringen Sie den Sand in ein Behältnis, er wird offensichtlich noch gebraucht.“

„Auf welchen Namen soll ich den Stellplatz buchen?“

„Stellplatz und Rechnung auf Bareil Antos.“

„A-ha…“

„Richtig, a-ha, Kira Ende.“ Sie hatte ihren Blick nicht von Bareil genommen. „Also?“

„Soll ich dir aufhelfen?“ Bareil reichte ihr die Hand.

„Nein danke“, sie stützte ihre freie Hand auf dem Boden ab, „ich denke, ich bin sicherer, wenn ich das alleine mache.“ Sie setzte Sul neben ihrem Bein ab und begann sich aufzurichten. „Autsch!“ Es zog im verlängerten Rücken. Das würde blaue Flecken auf dem Steißbein geben.

Bareil fragte nicht erneut nach, sondern packte sie unter den Achseln, um ihr beim Aufstehen zu helfen. „Leg dich aufs Sofa auf den Bauch. Ich massier’s dir weg.“

Kira gedachte im ersten Moment erneut zu protestieren. Aber war eine Massage nicht genau das gewesen, was sie sich ersehnt hatte, als sie sich noch außerhalb dieses Chaos befand? Vielleicht konnte sie Bareils schlechtes Gewissen dazu ausnutzen, dass er sie ausgesprochen lange massierte. Sie humpelte zum Sofa hinüber und ließ sich auf den dunklen Bezug fallen.

Bareil räumte die Kissen beiseite, damit Kira bequem liegen konnte. Dann zog er ihr die Stiefel aus und ließ diese neben das Sofa fallen. Eine weitere Unordnung fiel nicht mehr auf. „Darf ich dir die Uniform ausziehen?“ fragte er, als er sich neben ihre Oberschenkel setzte. Seine Finger lagen bereits verführerisch an ihrer Taille.

Kira schüttelte den Kopf. „Wenn ich deine Hände auf meiner nackten Haut habe, kann ich dir nicht böse sein.“

„Das war auch der Sinn“, lachte er leise, doch er respektierte ihren Wunsch. Versiert begann er mit der Massage.

Den Kopf auf die Arme gelegt, beobachtete Kira, wie Sul ein paar Förmchen zusammen sammelte und sie ihr ans Sofa brachte, glückselig missachtend, dass sie dadurch noch mehr Sandspuren im Wohnbereich verteilte. Die Kommandantin seufzte erneut auf. Sie hatte sich zwar vorgestellt, ihre Tochter beim Spielen zu beobachten, während sie massiert wurde. Aber die Umgebung hatte in ihrer Vorstellung etwas anders ausgesehen.

„Jetzt erklär mir endlich, was der Sand in meinem Frachtraum und hier soll.“

„Als wir das letzte Mal Katalya besucht haben, hat Sul so riesigen Spaß im Sandkasten gehabt“, bemerkte Bareil, als ob dies das gesamte Chaos rechtfertigte.

Katalya war Shakaars Adoptivtochter. Kira und ihm war es sehr wichtig, dass ihre beiden Kinder sich so oft wie möglich sahen und gemeinsam aufwachsen konnten. So besuchten die Familien sich gegenseitig. Katalya konnte einen wunderbaren großen Sandbereich ihr eigenen nennen – allerdings stand dieser in einem großen Garten eines Hauses auf einer Planetenoberfläche.

„Wir wohnen auf einer Raumstation“, stöhnte Kira, „hier gibt es keine Sandkästen.“

„Und genau das wollte ich hiermit ändern.“ Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, doch die Stimme klang, als ob er grinste.

Sul türmte weiterhin ungerührt Sandförmchen auf dem Sofa auf.

„Wo hast du den Sand her?“

„Ein paar Tonnen davon hat mir jemand auf dem letzten Außenposten als Gegenleistung für eine kleine Gefälligkeit vermacht.“

„Will ich wissen, was für eine Gefälligkeit das war?“ fragte sie misstrauisch.

„Nein.“ Bareils Stimme war fest. Kira beschloss, es dabei zu belassen. Sie war froh, dass Bareil hier einen Job gefunden hatte. Doch ausgerechnet auf Kasidy Yates‘ Frachterrouten boten sich immer wieder fragwürdige Gelegenheiten für ihn. Er konnte so wenig aus seiner Haut heraus wie sie aus der ihren. Doch ihr Kommandobereich war diese Station und solange er sich hier an die Gesetze hielt, drückte sie beide Augen zu, was er außerhalb des bajoranischen Sektors anstellte.

„Ich habe mir überlegt, ob es nicht möglich wäre, einen unbenutzten Bereich auf der Promenade in einen kleinen Spielplatz mit echtem Sand für die Hort-Kinder einzurichten. Das wäre doch genial“, lenkte Bareil sie von ihren Gedanken ab.

„A-ha“, Kira dehnte den Hals, um über ihre Schulter einen Blick auf ihren Lebensgefährten erhaschen zu können. „Und da dachtest du, du bringst schon mal den Sand, bevor du dich um die wichtigen Details kümmerst?“

Er zuckte entschuldigend mit den Achseln. „War eine prima Gelegenheit.“

„Und was ist mit Frachtraum 4? Habt ihr da den Sand ausprobiert?“

Er nickte eifrig. „Du hättest sehen sollen, wie begeistert Sul war. Ich habe ihr ein paar Sandspielsachen mitgebracht.“

Kira schielte an dem Sandförmchenturm vorbei, den Sul vor ihrer Nase errichtete, und blickte auf das Bataillon an Eimern, Schaufeln und Sieben, die zwischen Sandspuren auf dem Boden verteilt waren. „Das kann ich sehen“, bemerkte sie leidenschaftslos. „Hast du dabei vergessen, dass wir nur ein Kind haben?“

Seine Finger stoppten für einen Moment, als er offensichtlich stutzte, dann war erneut sein leises Lachen zu vernehmen. „Ich konnte mich nicht entscheiden.“

„Auch das kann ich sehen.“

Das eine Kind beschloss, dass der Turm jetzt hoch genug war. Sul schlug mit ihrer kleinen Hand dagegen und freute sich, als die Förmchen in alle Richtung davon stieben. Kira konnte gerade noch den Kopf zurückziehen, um nicht von den bunten Kunststoffteilen getroffen zu werden. „Vorsichtig, Schatz“, ermahnte sie. „Mami liegt doch hier.“

Sul nickte ernsthaft und tätschelte Kira etwas unbeholfen die Wange. „Mami ei.“

„Genau, zu Mami müssen wir immer ei machen“, bestätigte Bareil, indem er ihren Po besonders intensiv bearbeitete.

Kira konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Manchmal fragte sie sich, ob sie ihren Status Partnerschaft mit Kind nicht mental in den Status Alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern umwandeln sollte. Bareil konnte ein solcher Kindskopf sein.

„Warum liegt der ganze Sand dann hier herum?“

Wie als Entschuldigung massierten seine Finger nun eine Stelle, an der es besonders gut tat. Kira knurrte leise. Sie hatte eigentlich vorgehabt wesentlich wütender zu sein.

„Meine Stiefel …“ Mehr brauchte Bareil nicht zu sagen. Kira stöhnte erneut auf. Bareil trug meist kniehohe Stiefel aus weichem Leder, welche Kira ziemlich sexy fand. Welche Mengen an Sand in diesen Schuhen Platz fanden, konnte sie sich lebhaft vorstellen.

„Und du konntest sie nicht vorher ausschütten?“

Sie glaubte sein Schulterzucken zu spüren. „Ich ahnte nicht, dass da Sand drin war.“

Bareil hatte die nervige Angewohnheit, seine Stiefel irgendwohin zu schleudern, wenn er in ihr Quartier kam. Dies ärgerte Kira schon im leeren Zustand.

„Und hast du auch vor, das hier mal aufzuputzen?“ fragte sie daher gereizt.

„Da habe ich auch was ganz Praktisches.“ Er legte beide Hände auf ihr Steißbein und lehnte sich nach vorne, um an Kira vorbei mit Sul sprechen zu können. Der Druck auf dieser Stelle löste Gefühle in Kira aus, die sie jetzt überhaupt nicht gebrauchen konnte. Bareil war eine Nervensäge, leider jedoch eine sehr anziehende Sorte von Nervensäge.

„Sul, magst Du Mami zeigen, was ich dir mitgebracht habe?“

Das Mädchen ließ davon ab, den Sand noch feiner auf dem Boden zu verteilen. Sie lachte ihren Vater an, sprang auf und stiefelte in Richtung des Schlafzimmers. Während Kira ihrer Tochter mit den Augen folgte, merkte sie, dass die Spur aus Sand und Chaos nicht vor der Schlafzimmertür Halt machte. Bevor sie wütend werden konnte, wurde sie jedoch von Geratter abgelenkt. Sul zog einen Apparat hinter sich her, der in etwa ihre eigene Größe hatte. Er war in fürchterlich grellen Farben gehalten, die Kira in den Augen schmerzten.

„Was ist das?“ fragte sie entsetzt. Das war ein weiterer der Punkte, weswegen sie und Bareil von Zeit zu Zeit Auseinandersetzungen hatten. Von jedem Trip schleppte er etwas für Sul an. Davon abgesehen, dass ihnen allmählich der Platz ausging, vermutete Kira stark, dass nicht alles davon auf ehrliche Weise erstanden war – und teilweise waren es schlicht und ergreifend völlig überflüssige Scheußlichkeiten.

„Das ist ein Staubsauger“, erklärte Bareil begeistert. „Die Farben und die Größe sind doch prima für Sul.“

„Das Teil ist scheußlich!“ Kira starrte es entsetzt an. „Was soll Sul denn damit?“

„Na, hier sauber machen für den Anfang.“

„Antos!“

Bareil sprang vom Sofa auf. Wenn Kiras Augen diesen Ausdruck annahmen, war es besser, sich nicht in unmittelbarer Nähe von ihr aufzuhalten. Er lächelte ihr entschuldigend zu und ging dann zu Sul hinüber. Das Mädchen hatte die Farbenentgleisung stolz aufgestellt und versuchte jetzt, das Teil irgendwie zu aktivieren. Bareil beugte sich hinunter und zeigte ihr, welchen Sensor sie berühren musste. Augenblicklich begann das Gerät zu schnurren und der feine Sand in direkter Nähe wurde eingezogen. Sul strahlte über das gesamte kleine Gesichtchen, als sie den Sauger stolz vor sich herschob. Bareil schenkte Kira einen Na-bitte-Blick. Unter den immer noch missbilligenden Augen Kiras dirigierte er seine kleine Tochter hierhin und dorthin, bis schließlich der gesamte Sand im Wohnbereich beseitigt war.

Die beiden Bajoraner und die bunte Geschmacklosigkeit befanden sich bereits auf dem Weg in Richtung Schlafzimmer, als Kira aufsprang.

„Stopp!“ Sie registrierte flüchtig, dass ihr Steißbein nach Bareils Behandlung tatsächlich nicht mehr schmerzte. Dann war sie mit großen Schritten am Durchgang. „Ich will erst mal sehen, was ihr hier angestellt ha…“

Das Schlafzimmer sah noch schlimmer aus als der Wohnbereich. Überall war Sand verteilt und dazwischen lagen ausgeräumte Taschen und Säcke, die Bareil offensichtlich von seiner Tour mitgebracht hatte. Es wirkte fast so, als sei eingebrochen worden.

Mit aufgerissenen Augen und ausgebreiteten Armen starrte sie Bareil an. Der kratzte sich verlegen am Kopf. „Ich dachte, du kommst später von der Arbeit.“

„Antos“, hauchte sie schließlich fassungslos, „wenn ich in einer Rumpelkammer wohnen wollte, hätte ich mir einen Frachtraum gemietet.“

„Wir waren auf Schatzsuche“, brachte er als völlig unzureichende Erklärung hervor.

Sul an seiner Seite hob den Kopf und freute sich. „Chatz!“

Kira schwieg, nagelte ihn weiterhin mit Blicken fest und wartete darauf, dass dieser Mann vor ihr endlich einen Sinn ergab.

„Ich hatte etwas für dich gekauft, aber ich konnte es nicht mehr finden“, gestand er schließlich. „Ich dachte, es sei vielleicht in die Sand-Boxen geraten …“

„Deswegen hast du die Unordnung in Frachtraum 4 veranstaltet?“

Er zuckte mit den Schultern. „Wir haben gespielt, dass wir einen Schatz suchen.“ Er beugte sich hinunter und nahm seine Tochter auf den Arm, die ihn bereits mehrfach am Hosenbein gezogen hatte. Jetzt befand Sul sich auf Gesichtshöhe mit ihren Eltern und das Gespräch erfolgte nicht mehr über ihren Kopf hinweg.

Kira verdächtigte Bareil, dass er das mit Absicht tat. Sie konnte nicht mehr so wütend auf den Mann sein, wenn sie das hübsche Gesicht ihrer Tochter genau neben dem Seinen sah. Sul begann, in Bareils Gesicht herumzufingern, was ein ernsthaftes Gespräch ebenfalls erschwerte.

„Also muss der Schatz doch irgendwo hier sein“, erklärte Bareil seiner Tochter. „Wir müssen ihn nur finden.“

„Chatz finden“, erklärte Sul mit Nachdruck. Sie begann, sich auf dem Arm zu winden, bis Bareil sie absetzte.

„Nerys, warum machst du es dir nicht einfach draußen auf dem Sofa bequem und entspannst dich ein bisschen“, schlug Bareil vor. „Wir überprüfen hier drin noch einmal unsere Schatzkarte.“

„Ich wollte einen ruhigen Abend“, murmelte Kira, doch sie wandte sich tatsächlich ab. Entspannen würde sie sich nicht können, aber wenn sie jetzt hier stehen blieb, wo sie die Verwüstung ihres Schlafzimmers vor Augen hatte, würden ihr vielleicht doch noch Worte herausrutschen, die sie in Gegenwart ihrer Tochter nicht äußern wollte.

Sie kehrte zum Sofa zurück, ließ sich darauf fallen und begann dann nervös mit dem Fuß auf den Boden zu tappen. Es ergab leider nicht das gewünschte Geklapper, weil ihre Stiefel sich irgendwo hinter dem Sofa befanden. Sie mutmaßte stark, dass sie es sich dort mit denjenigen von Bareil gemütlich machten. Wann war ihr bloß die Kontrolle über ihr Leben entglitten? Als sie sich mit Bareil Antos eingelassen hatte, war sie sich sicher gewesen, dass sie alles im Griff hatte. Selbst als ihre gemeinsame Tochter auf die Welt gekommen war, war Kira zuversichtlich gewesen, dass alles so lief, wie sie sich das vorstellte.

Doch mittlerweile erkannte sie ihre eigenen Räume nicht wieder. Bareil war so ziemlich das komplette Gegenteil von dem stets akkuraten und organisierten Odo. Es war für Kira eine enorme Umstellung gewesen, sich plötzlich an der Seite eines Mannes wiederzufinden, der so unzuverlässig war wie dieser Trickbetrüger. Und dennoch fühlte sie sich zu ihm hingezogen. Seine chaotische Natur barg etwas ungemein Liebenswürdiges. Wenn er bloß etwas verantwortungsvoller wäre …

„Chatz!“ erklang Suls erfreuter Ausruf aus dem Schlafzimmer.

„Zeig mal, Maus. Ja, du hast den Schatz gefunden. Das ist für Mami, das … komm, gib mir das …“


Sul kam aus dem Schlafzimmer gerannt. An ihren Körper gedrückt hielt sie etwas Glitzerndes. Bareil folgte ihr, um ihr das Teil abzunehmen. Doch das Mädchen war rascher und warf sich zwischen die Knie ihrer Mutter. Sie streckte beide Hände aus. „Mami!“

Bareil blieb hinter ihr stehen und lächelte verlegen. „Ich hab’s auch ehrlich gekauft.“

Kira starrte das Schmuckstück an, das Sul ihr in die Hand gedrückt hatte. Es handelte sich um ein Armband aus goldenen Doppelreihen, in deren Metall in bestimmten Abständen schwarze Steine eingelassen waren. Sie wirkten fast wie kleine Augen – diejenigen von Bareil, diejenigen von Sul, ihre eigenen. Kira starrte erst das Geschmeide an, dann Bareil. Auf seine Art handelte es sich tatsächlich um einen Schatz, es war ein …

„Ich glaube, Sul möchte dich damit fragen, ob du die Mama ihres Papas werden möchtest.“ Er konnte ihrem Blick nicht mehr standhalten und betrachtete den Boden. Sein Fuß stupste verlegen gegen eines der Sandförmchen. „Ist wahrscheinlich ein ganz blöder Augenblick, so ohne Kerzen und Essen und mit der Unordnung und so …“

Kira blickte in die zufriedenen Augen ihrer hübschen Tochter, betrachtete den schlaksigen, momentan sehr unsicheren Mann vor sich. Dann schweifte ihr Blick über die Armee von Sandspielzeug, das immer noch munter den Wohnzimmerboden belegte, hinüber zu der augenschmerzenden Farbensymphonie von Suls Staubsauger, und folgte dann der Sandspur ins Schlafzimmer hinein zu den achtlos aufgerissenen und ausgeleerten Taschen.

Sie konnte nicht anders, sie begann zu lachen. Das Verlobungsarmband glitt über ihre Hand und schmiegte sich perfekt an ihr Handgelenk.

„Oh doch, Antos, für dich ist das der perfekte Augenblick.“

ENDE

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