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Kein kleines Mädchen

von VGer

Schatz

Miral Paris saß auf dem Boden des Balkons, an die kalten Fliesen gelehnt und starrte hinaus in die Nacht, dem Tanz der Polarlichter mit den Augen folgend. So vieles auf diesem Planeten war ihr im Laufe der vergangenen Jahre zur Selbstverständlichkeit geworden, doch dieses Schauspiel in all seiner Schönheit, die man auf einem kargen und unbezähmbaren Planeten wie diesem nicht erwartete, faszinierte sie immer wieder aufs Neue. So vieles, von dem sie anfangs geglaubt hatte sich nie daran gewöhnen zu können, würde sie schmerzlich vermissen, wenn morgen alles anders sein würde. Es war wieder einmal ein Abschied, und auch wenn sie froh über den Neubeginn und all die verlockenden Möglichkeiten die er ihr präsentierte war, hasste sie Abschiede inbrünstig. Sie seufzte in die schwüle Winternacht.

Das leise Klicken und Quietschen der Türe kündigte an, dass sie nicht länger allein war. Nirgendwo in dem weitläufigen Haus konnte man sich wirklich verstecken.

„Darf ich?“
„Was willst du?“
„Zunächst einmal, ich will nicht streiten.“
„Das wäre ja mal was ganz was Neues.“

Mirals Stimme war beißend vor Zynismus, und doch nickte sie, bedeutete ihm sich zu setzen. Sein riesiger lederner Umhang wehte im aufkommenden Wind, als er sich neben ihr niederließ.

„Vergib uns. Nein, vergib deiner Mutter und sei weiter böse auf mich, wenn es sein muss, aber vergib deiner Mutter.“ Miral schmunzelte kurz und antwortete nicht. „Wir machen uns nur Sorgen um dich.“
„Das ist mir wohl klar. Ich verstehe nur nicht warum, Worf, es ist ja nicht so als würdet ihr mich nie wieder sehen, schließlich gehe ich nicht gedankenlos irgendeiner ungewissen Zukunft entgegen. Ich gehe zur Sternenflotte, gerade ihr beide solltet das doch verstehen.“
„Das ist mir wohl klar. Und irgendwann bald wird auch deine Mutter verstehen, dass du kein kleines Mädchen mehr bist und dass du den richtigen Weg für dich wählen wirst.“
„Das klingt fast so, als wüsstest du das schon.“
„Ja. Ja, Mir, das weiß ich schon lange. Du warst nie ein kleines Mädchen.“

Miral lachte leise und Worf stimmte mit ihr ein.

Sie schwiegen für einen Moment oder etwas länger, und während Miral weiter auf die Polarlichter starrte, kramte Worf in den Tiefen seines Umhangs. Als sie ihn wieder ansah, hielt er einen glänzenden eiförmigen Gegenstand, groß wie eine Männerfaust doch in der Dunkelheit konnte sie nur vage Umrisse erkennen, in der Hand und drehte ihn unschlüssig herum.

Er griff nach ihrer rechten Hand und drückte sie kurz, bevor er ihre Finger ausstreckte und den Gegenstand hinein legte.

„Was ist das?“
„Es ist für dich, es soll dich begleiten. Ein altes Familienerbstück, ein Schatz, wenn du so möchtest.“

Miral betrachtete es im dunkelrot glühenden Zwielicht, das von den flackernden Polarlichtern und der fahlen Beleuchtung des Parks, der das Haus umgab, getränkt war.

„Sieht nicht gerade aus wie eine Waffe, und auch nicht wie traditionelle klingonische Handwerkskunst.“
„Ist es auch nicht. Es ist von der Erde und vermutlich seit Jahrhunderten im Besitz der Rozhenkos. Man nennt es Matrjoschka, das bedeutet Mütterlein.“
Worf lächelte ein seltenes Lächeln, dieses das er nur für Miral und Alexander reserviert hatte und das er vehement leugnen würde sollte es je bemerkt werden, denn es passte so gar nicht zum würdigen klingonischen Krieger, der zu sein er sich nun einmal entschieden hatte.
„Meine Mutter hat es mir vererbt als ich zur Akademie gegangen bin. Sie war so abergläubisch und fest davon überzeugt, dass es mir Glück bringen würde. Damals habe ich mich darüber amüsiert, aber wer weiß, vielleicht hat es das sogar.“ Er hielt kurz inne und räusperte sich, die Stimme schwer vor Erinnerungen, bevor er weitersprach. „Es gehört dir, Mir.“

Miral schaute verdutzt und war zum ersten Mal seit langem völlig sprachlos. Sie drehte und wendete die schlichte Puppe in ihren Händen, studierte die filigran bunte Bemalung, die an manchen Stellen schon feine Risse und Splitter im Lack aufwies.

„Versteh’ mich jetzt bitte nicht falsch, Worf, ich freue mich und ich weiß es zu schätzen ... aber wenn es ein altes Familienerbstück ist, solltest du es nicht lieber Alexander geben?“
„Meine Mutter hat es mir geschenkt und nicht Nikolaj. Ich hätte viele Gelegenheiten gehabt es Sascha zu schenken, aber es ist für dich und ich habe meine Gründe dafür.“

Irgendwas an seinem Tonfall ließ Miral das Gesagte einfach mit einem kurzen Nicken hinnehmen anstatt weiter nachzufragen, obwohl ihr die Neugier doch in den Fingern brannte. Worf durchschauen zu wollen hatte sie schon lange aufgegeben, also wandte sie sich wieder der Puppe zu. Erstaunt bemerkte sie, dass sie sich öffnen ließ und in zwei Teile zerfiel bevor eine zweite, kleinere Puppe zum Vorschein kam. Bei genauerem Hinsehen erkannte sie, dass ihre Bemalung etwas anders aussah.

„Sie gehören zusammen, keine ist genau gleich, und jede Generation wächst in der vorherigen.“

Unvermittelt füllten sich Mirals Augen mit Tränen der Rührung. Sie hieb ihre Faust auf die Brust, dorthin wo ihr Herz war, weil ihr die Worte fehlten.

„Du wirst gehen, Mir, und wenn die Zeit reif ist wirst du zurückkehren. Q’apla!“

Miral nickte stumm und legte ihren Kopf versöhnlich an Worfs Schulter. Sie schauten noch lange auf die Polarlichter in jener Nacht, bis ihr blutroter Tanz verblasste und sich allmählich rosa und golden verfärbte. Keiner von ihnen sprach mehr, doch sie verstanden.
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