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Aus dem Nebel

von Gabi

Kapitel 1

Die junge Bajoranerin kauerte im Windschatten einer Gruppe von mannshohen Felsen und wartete darauf, dass der Nebel nachließ. Auf ihren Knien lag ein kleiner Empfänger, der ihr über Infrarotsignaturen anzeigte, wenn sich ein warmblütiges Lebewesen ihrem Standort näherte. Leider wurde die Anzeige nach den ersten hundert Metern recht ungenau. Sendende Geräte waren im Augenblick verboten, da sie sich in einem Gebiet befanden, in welchem erhöhte cardassianische Aktivität gemeldet worden war. Das machte ihr Unterfangen ein wenig schwierig, denn ihre Aufgabe bestand darin, auf ein Lichtsignal zu warten, welches ihr mitteilen würde, dass die Vorbereitungen des Aufklärungstrupps erfolgreich abgeschlossen wurden. Ein Lichtsignal!

Angestrengt spähte Kira in den Bereich, aus welchem sie das Signal erwartete. Im Augenblick hätte sie wahrscheinlich nicht einmal ein Leuchtfeuer gesehen, wenn es zehn Meter entfernt von ihr entzündet worden wäre. Dieser verdammte Nebel! So willkommen er ihnen war, wenn sie sich auf der Flucht vor cardassianischen Truppen befanden, so hinderlich war er nun.

Die Nacht war klar gewesen, doch mit der Dämmerung waren die feinen Schwaden aufgezogen. Die ersten zögerlichen Sonnenstrahlen hatten dann endgültig eine dicke Suppe entstehen lassen. Kira vermutete, dass es mit der Schlucht zusammenhing, an deren südwestlichem Abstieg sie sich befand. Das Gebiet war ihr nicht geheuer, auch wenn sie keinen rationalen Grund für ihre Ablehnung angeben konnte.

Zu ihrer Linken nur wenige Schritt hinter der Felsengruppe schloss sich eine Ansammlung von niedrigem Gebüsch und Sträuchern an. Durch diese führte ein kleiner Trampelpfad über lockeres Geröll einen schmalen Abhang hinunter. Kira war einmal bis etwa zur Hälfte hinunter geklettert und wusste wie trügerisch der Abstieg war. Der Boden wirkte stellenweise trittsicher, nur um dann augenblicklich nachzugeben, wenn sich ein Fuß haltsuchend darauf gestellt hatte. Wie tief die Schlucht schließlich war, wusste sie nicht, und sie legte auch keinen Wert darauf, es herauszufinden. Kira hegte eine tiefsitzende Abneigung gegen Ort, an denen sie keinen Überblick hatte. Auf dem Grund einer Schlucht mochte man sich zwar für einige Zeit erfolgreich verbergen können, doch es war eher eine Falle als eine Zuflucht. Man hatte keinen Überblick, wer von oben oder von der Seite kam. Nein, Kira hatte schon vor einiger Zeit entschieden, dass sie die Avalach-Schlucht überhaupt nicht mochte. Sie vermutete, dass die Schlucht auch an dem Nebel schuld war. Sie war stellenweise so schmal, dass Sonnenstrahlen den Grund nicht überall erreichten. Die Luft war etliche Grad kälter am Boden der Tiefe. Hier am Rand vermischte sich die wärmere Luft der Ebene mit ihr und kondensierte.

Kira wechselte die Haltung, bevor ihre Beine einzuschlafen drohten. Sie lehnte den Rücken gegen einen der Felsen, streckte die Füße aus und legte ihr Plasmagewehr quer über die Beine. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sich vor ihr immer noch nichts anderes als undurchdringliche Undurchdringlichkeit befand, nahm sie den kleinen Empfänger und schwenkte ihn versuchsweise im Halbkreis. Es war ihr unangenehm den Abstieg zur Schlucht im Rücken zu haben. Doch sie konnte ihre Stellung nicht wechseln, sonst würde ihr das verdammte Lichtsignal entgehen, so der Nebel sich endlich verzog. Also überprüfte sie von Zeit zu Zeit ihre Umgebung, um sicherzugehen, dass sich niemand anschlich. Wahrscheinlich würde sie in dieser Suppe nur dann entdeckt werden, wenn ein Trupp Cardassianer aus Versehen auf sie trat. Dennoch fühlte sie sich wohler mit der Anzeige, die momentan ihre visuellen Sinne ersetzte.

Nicht weit von ihrem Standpunkt entfernt bewegte sich ein kleiner roter Punkt in unregelmäßigem Muster über die Ebene. Die Größe und die Art der Fortbewegung identifizierten ihn als einen der kleinen Nager, die hier heimisch waren. Kira nickte und schwenkte das Gerät weiter. Sie wusste nicht, ob die Reichweite bis zum Grund der Schlucht reichte. Doch sie fühlte sich wesentlich sicherer, wenn sie von Zeit zu Zeit den Bereich in ihrem Rücken überprüfte. Nichts. Einigermaßen beruhigt legte sie das Gerät wieder zur Seite und beschäftigte sich erneut damit, die Anhöhe anzustarren, von der sie wusste, dass sie sich auf der anderen Seite des Nebels befinden musste.

Beobachtungsposten war eine der undankbarsten und gleichzeitig wichtigsten Aufgaben. Kira war stets froh, wenn sie der Einteilung entgehen konnte. Es erforderte oft stundenlanges Verharren am gleichen Platz mit der ständigen Gefahr, dass man in Gedanken abdriftete oder gar einnickte. Ein Versagen am Beobachtungsposten zog oft ungleich größere Gefahr für die gesamte Gruppe mit sich als ein Fehltritt an jeder anderen Stelle. Normalerweise schickte Shakaar seine Leute stets in Zweiertrupps aus, um wenigstens die Gefahr des Eindösens zu verhindern. Doch momentan waren sie unterbesetzt. Zu viele Mitstreiter waren auf anderen Missionen unterwegs, zu viele pflegten ihre Wunden des letzten Zusammenstoßes mit den Cardassianern.

Kira bewegte den Rücken ein wenig gegen die raue Oberfläche des Felsens. Dieses vollkommen reale Gefühl gab ihr Sicherheit in der ansonsten eher unrealen Nebelwelt um sich herum. Sie rieb sich ein wenig eine Stelle zwischen den Schulterblättern, an die sie mit der Hand nicht heranreichte. Ein angenehmes Gefühl.

Sie hielt inne.

Da war etwas gewesen. Sie hatte nichts gesehen, sie hatte nichts gehört.

Sie hatte etwas gespürt.

Irritiert blickte Kira sich um. Keine Bewegung war auszumachen, die Nebelschwaden verharrten reglos. Unbewusst hielt sie die Luft an. Trotz der langsam zunehmenden Wärme des Morgens hatte sich Gänsehaut auf ihren Unterarmen gebildet.

Ein rascher Blick auf das Display des Wärmedetektors zeigte ihr nur einen blanken Bildschirm. Sie hob das Gerät an und überprüfte rasch, ob es noch eingeschaltet war. Woher kam nur dieses plötzliche Gefühl der Vorsicht? Fast hätte sie es Angst nennen wollen.

Kira wurde es unangenehm bewusst, dass jemand neben ihr stehen konnte, sie hätte ihn durch den Nebel nicht gesehen. Oder direkt hinter den Felsen, die ihr als Deckung dienten und ihr plötzlich wie eine Falle vorkamen…

Sie schalt sich eine Närrin. Der Detektor zeigte immer noch einen blanken Bildschirm. Wenn es einem Cardassianer gelingen sollte, sich in ihre Nähe zu schleichen, wäre er augenblicklich als roter Punkt auf der Anzeige erschienen. Die Körpertemperatur der Cardassianer lag zwar einige Grad unterhalb derjenigen der Bajoraner, doch noch längst nicht außerhalb der Detektionsgrenzen. Noch einmal nahm sie das Gerät zur Hand, noch einmal überprüfte sie dessen Funktionstüchtigkeit.

Was war nur los mit ihr?

Möglichst geräuschlos erhob sie sich, das Plasmagewehr fest in der rechten Hand. Die Felsen als Schutz im Rücken begann sie mit der Linken den Detektor abermals im Halbkreis zu schwenken. Schwache Ausschläge zeigten ihr vorbei eilende Tiere an. Sonst nichts. Langsam zog sie ihren Schwenk zur Schlucht hinüber. Sie zögerte einen Moment, erneut erfasste sie dieses unbeschreibliche Unbehagen. Es kribbelte in ihren Armen und Fingerspitzen. Hastig wandte sie den Kopf, da sie das Gefühl bekam, jemand würde ihr über die Schulter sehen. Als sie mit der Wange beinahe gegen den Felsen hinter sich schrammte, schalt sie sich erneut. Sie war doch sonst nicht der nervöse Typ …

Nun zeigte der Detektor direkt auf die Schlucht und sie hielt den Atem an. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte, doch das beharrliche Ausbleiben jeder Infrarotsignatur enttäuschte sie fast. Ein rascher Blick über die Schulter versicherte ihr, dass sie immer noch keine Chance hatte ein wie auch immer geartetes Lichtsignal ihres Aufklärungstrupps zu erkennen. Dann trat sie ein paar Schritte aus dem Schutz der Felsen heraus zu dem Strauchwerk hin, welches den Abstieg in die Schlucht kennzeichnete. Beim Näherkommen nahmen einzelne Äste und Zweige gespenstische Formen an, als sie sich allmählich aus dem dichten Weiß des Nebels schälten, so als ob sie aus einer anderen Dimension in diese hier übertraten. Kira wurde unweigerlich an knorrige Hände erinnert, die sich ihr entgegenstreckten, um sie festzuhalten. Unbewusst nahm sie das Gewehr ein wenig höher.

Auf dem Detektor huschte ein weiterer kleiner Punkt vorüber, nichts sonst.

Nun befand sie sich zwischen den Zweigen. Die Büsche um sie herum hatten eine beruhigend solide Form angenommen, doch nur Schritte vor ihr lag weiterhin die Nebelwelt. Beinahe hätte sie aufgeschrien als sich zu ihren Füßen etwas bewegte. Während sie sich zwang ruhig zu atmen, sah sie gerade noch den Schwanz einer kleinen Echse im Strauchwerk verschwinden.

Bei den Propheten, Nerys, was ist nur los mit dir?

Vorsichtig schob sie die Äste vor sich mit dem Lauf des Plasmagewehrs beiseite. Den Blick hielt sie auf den Boden gerichtet. Irgendwo hier musste … ja, da war die kleine Lücke, die den Beginn des Abstiegs kennzeichnete. Sie zwängte sich durch eine Reihe von Sträuchern, dann weitete sich der Bereich vor ihr. Ein paar Schritte weit konnte sie den lockeren Boden erkennen, dann wurde er vom Nebel verschluckt. Schon bei klarer Sicht war der Abstieg nicht unproblematisch, im Nebel war er halsbrecherisch. Sie zögerte.

Dann hörte sie den Schrei.

Nein, das war die falsche Beschreibung, sie fühlte den Schrei. Er besaß eine solche Frequenz, dass er eher in ihrem Körper widerhallte als in ihren Ohren. Er klang wie nichts, das sie jemals gehört hatte, oder jemals hatte hören wollen.

Sie bewegte sich hastig, um sich wieder in das vermeintlich sichere Buschwerk zurückzuziehen und achtete dabei für einen Moment nicht auf den Boden. Ein kleiner Fehltritt genügte.

Kira spürte, wie sie den Halt verlor, wollte mit dem anderen Fuß nachsetzen, brachte einen weiteren Stein ins Rollen und machte alles nur noch schlimmer. Das Plasmagewehr fest umklammernd, verlor sie den Infrarotdetektor, als sie zu rutschen begann. Zwei Schritte schaffte sie noch aufrecht, dann stürzte sie und wurde von dem lockeren Geröll nach unten getragen.

Der erste Strauch, an den sie sich um Halt klammerte, löste sich mitsamt Wurzeln aus dem lockeren Boden und begleitete ihre Abwärtsbewegung. Der zweite besaß zu ihrer unendlichen Erleichterung tiefere Wurzeln.

Eine Hand am Gewehr, die andere im Geäst des Strauches verkrallt lag sie auf dem Rücken und versuchte, ihren Atem wieder unter Kontrolle zu bringen. Als das Pochen ihres Pulses nicht mehr so laut in den Ohren widerhallte, verharrte sie lauschend. War da ein Geräusch? Sie war sich nicht sicher. Das schwache Poltern der Steine rührte noch von ihrem Sturz her. Doch von oben, vom Schluchtrand war jetzt ein leises Klappern zu vernehmen.

Kira versuchte sich so vorsichtig wie möglich aufzurichten. Den Strauch benutzte sie als Halt und als Stütze. Sie hoffte, dass er nicht nachgab. Als sie ihre Beine weit genug angezogen hatte, kauerte sie sich oberhalb des Gewächses zusammen. Das Gewehr nahm sie in den Anschlag. Sie starrte in den Nebel, versuchte ihn mit der Kraft ihres Blicks zum Weichen zu zwingen.

Als das Klappern lauter wurde, erkannte sie schließlich, um was es sich handelte. Der Infrarotdetektor war ihrem Sturz des geringeren Gewichts wegen nur langsam gefolgt. Nun schlitterte er auf ihre Stellung zu. Erleichterung machte sich in ihrer Brust breit – doch nur für einen Moment.

Sie packte das Instrument.

Sie starrte auf das Display.

Die großen Punkte bewegten sich langsam und zielstrebig auf ihre Position zu.

Kira starrte in den Nebel, starrte in die Schlucht und spürte die Kälte in ihre Glieder kriechen. Die feinen Haare auf ihrer Haut richteten sich auf. Kein Laut war zu vernehmen. Keine normale Person konnte sich auf diesem Geröll so lautlos bewegen.

Die Kälte erreichte allmählich ihr Herz und drohte sie handlungsunfähig zu machen. Was sollte sie tun? Würde sie es rasch genug den Hang wieder hinauf schaffen? Rasch genug für was? Konnte sie darauf vertrauen, dass der Nebel sie verbarg? Nein! Ihr Sturz hatte ihre Position mehr als deutlich verraten. Ihr Atem ging rascher als sie die Optionen abwog, die ihre blieben.

Dann ertönte abermals der Schrei und löschte jeden anderen Impuls aus. Flucht! Sie stolperte auf die Füße und machte sich daran, den Hang hinaufzuklettern. Sie kam vorwärts, doch nicht so rasch wie sie das wollte. Leise Panik begann Kiras rationales Denken zu blockieren. Ein Blick auf den Detektor verriet ihr, dass sich die Wesen bereits direkt hinter ihr im Nebel befinden mussten. Sie war nicht schnell genug, sie würde es nicht schaffen.

Kira ließ sich fallen, riss das Plasmagewehr hoch und schoss. Sie konnte nicht sehen, wohin sie schoss, sie konnte nicht sehen, ob sie irgendetwas traf. Auch machte sie sich keinerlei Gedanken darüber, ob hinter ihr überhaupt jemand kam, der ihr feindlich gesinnt war. Sie verspürte nur noch Angst und den alles überlagernden Überlebensinstinkt.

Schreie, lauter dieses Mal, drangen an ihr Ohr. Dann fielen die Punkte ein wenig zurück. Kira packte Waffe und Detektor und rannte, wie sie noch nie in ihrem Leben gerannt war. Sie stürzte immer wieder, doch keine Macht der Welt hätte sie davon abhalten können weiterzulaufen. Ihre aufgeschürften Knie, ihre schmerzenden Knöchel, das alles war zweitrangig. Alles was zählte, war zu entkommen.

Als sie schließlich das Gebüsch am Rand der Schlucht erreichte, spürte sie Sonnenstrahlen auf ihrer zerschundenen Haut. Die Nebelwand begann sich in Schwaden aufzulösen.

Hektisch richtete sie den Infrarotdetektor auf den Abstieg. Das Display blieb dunkel - als ob es nie anders gewesen wäre.

Kira stolperte durch die Büsche zu der Felsformation hinüber. Über die Ebene hinweg konnte sie das Aufblitzen der Lichtsignale sehen. Hastig setzte sie ihrerseits das vereinbarte Zeichen, dass sie verstanden hatte. Dann begann sie zum Basislager zurück zu rennen, um die Nachricht zu überbringen.

Fort von den Felsen, fort von der Avalach-Schlucht.

Fort von dem, was dort unten lauerte.



Ende
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