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Aufforderung zum Tanz

von Gabi

Kapitel 1

„Dr. Bashir, kommen Sie bitte unverzüglich zu Holosuite 2. Wir haben einen Notfall.“

Während der Arzt mit der einen Hand den Kommunikator berührte, um den Ruf zu bestätigen, griff er mit der anderen bereits nach seiner Notfalltasche. Im Hinauseilen rief er seiner Assistentin noch ein paar Anweisungen zu. Diese nahm sie nickend zur Kenntnis. Sie und Bashir waren in den gemeinsamen Jahren auf DS9 ein eingespieltes Team geworden, bei dem nicht viele Worte nötig waren.

Während er die Promenade entlang hastete, malte er sich bereits verschiedene mögliche Szenarien aus, die ihn erwarten konnten. Wenn Quark nicht daran herumgebastelt hatte, waren die Holosuiten mit Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet, welche eine Verletzung aus dem Programm heraus unmöglich machten. Wahrscheinlich handelte es sich um eine Sportverletzung. Er hatte ebenfalls schon recht delikate Verletzungen behandeln müssen, welche durch die überenthusiastische Verwendung spezieller Programme entstanden waren. Ein Lächeln huschte über die Züge des jungen Arztes, als er mit einem knappen Gruß an Quarks Tresen vorbeisprintete und die Stufen in die obere Etage nahm. Da der Ruf von Kira gekommen war, schloss er diese Möglichkeit aus.

Die Holosuite war nicht verriegelt. Auf die Berührung der Sensoren hin glitten die Türen augenblicklich beiseite.

Das erste, was er wahrnahm, war die Musik. Sie mutete ihn bajoranisch an, ein wenig meditativ und ein wenig zu laut. Dann erkannte er die beiden Gestalten.

Kira Nerys stand vor dem Eingabeterminal der Holosuite. Ihre Züge verrieten, dass ihre ohnehin meist knapp bemessene Geduld sich einem raschen Ende näherte. An der gegenüberliegenden Wand lehnte, die Arme vor der Brust verschränkt, der Premierminister Bajors. Beide wirkten gänzlich unversehrt.

„Nerys? Was soll das?“ Bashir hielt die Arzttasche ein wenig anklagend in die Höhe. „Ich hatte einen Notfall erwartet.“

Die Bajoranerin blickte vom Terminal auf. Offensichtlich hatte sie ihn nicht hereinkommen hören. Ihre angespannten Züge hellten sich augenblicklich auf. „Julian, bin ich froh, dass du hier bist.“ Sie trat auf ihn zu, fasste ihn am Oberarm und zog ihn zum Terminal hinüber Bashirs Einwand gänzlich ignorierend.

„Kannst du tanzen?“

„Äh …? Ja, genaugenommen habe ich an der Akademie mehrere Preise in terranischem Latein und Standard gewonnen …“ Seine Stimmbänder übernahmen automatisch die Aufzählung seiner Leistungen, während sein Gehirn noch damit beschäftigt war, die Frage in irgendeinen sinnvollen Kontext einzuordnen.

Kira schenkte ihm einen triumphierenden Blick. „Das habe ich mir doch fast gedacht. Hier.“ Sie deutete mit einem anklagenden Finger auf das Terminal. „Ich kann keine Tanzprogramme finden.“

„Du kannst … was? Nerys, was soll das? Würdest du mir bitte erklären, was los ist?“

Die Bajoranerin hob beide Hände in einer entwaffnenden Geste, als sie erkannte, dass Bashir ohne eine weitere Erklärung nicht gewillt war ihr zu helfen. „Heute Abend findet der diplomatische Empfang statt.“

Bashir nickte.

„… mit Abendessen und anschließendem Tanz!“

Allmählich dämmerte dem Arzt, um was es hier ging. Ein wissendes Grinsen breitete sich auf seinen Zügen aus, als er sich kopfschüttelnd zu dem bajoranischen Premierminister umwandte. „Und Sie wissen nicht, wie man tanzt?“ mutmaßte er schließlich.

„Wie Nerys es sagte“, ließ sich endlich die Stimme Shakaars vernehmen, der bisher eher teilnahmslos an der Wand gelehnt hatte. „Es handelt sich um einen Notfall.“

* * *


In der Tat war in der Holosuite-Datenbank kein Tanzlehrprogramm zu finden. Die Cardassianer und Bajoraner hatten keine Verwendung für ein solches Programm und auch die Dateien, welche in den Jahren der Föderationspräsenz hinzugefügt worden waren, beinhalteten alle möglichen Freizeitbeschäftigungen – nur nicht Tanzen.

„Also gut“, gestand Bashir den Bajoranern schließlich zu. „Ich werde Ihnen helfen. Aber dafür habe ich etwas gut bei dir, Nerys.“

Kira nickte ergeben. „Das ist nur fair.“

„Die bajoranische Regierung ist Ihnen zu Dank verpflichtet. Sie ersparen mir eine diplomatische Peinlichkeit“, erklärte Shakaar ernsthaft.

„Na, so schlimm kann es doch wohl nicht sein, wenn Sie heute Abend nicht tanzen wollen?“ erkundigte sich Bashir.

Shakaar zuckte mit den Schultern. „Das hatte ich mir auch gedacht. Doch während der Besprechungen heute Vormittag klang es von den etwas bornierteren Seiten der Föderation so an, als ob sie von mir nicht annähmen, dass ich den gesellschaftlichen Standard-Pflichten genügen würde.“ Er hob die Hände, als Bashir etwas zur Verteidigung der Föderations-Repräsentanten einwerfen wollte. „Oh, nicht in so vielen Worten natürlich, aber der Sinn war klar. Ich bin es leid, dass mir mit diesem mitleidigen Unterton begegnet wird, weil Bajor immer noch als rückständig angesehen wird und ich als Farmer. Und wenn das bedeutet, dass ich Tanzen lernen muss, dann werde ich Tanzen lernen!“

Bashir musste lachen. „Das ist der richtige Kampfgeist. Ich werde sehen, was ich machen kann.“

Der Arzt stellte nun endlich seinen Notfallkoffer an der Wand der Holosuite ab. Dann meldete er sich in der Krankenstation und versicherte sich, dass seine Assistentin für die nächste Zeit alleine zurecht kam. Er erwähnte nicht, was genau er tat, nur dass es sich um eine wichtige bajoranische Angelegenheit handelte. Dies geklärt nahm er Verbindung zu der Crew auf, welche für die Ausrichtung des abendlichen Banketts zuständig war. Er ließ sich die Musik-Liste für die Veranstaltung in die Holosuite übermitteln, damit er einen etwaigen Anhaltspunkt für die zu verwendenden Tänze erhielt.

Als er den organisatorischen Teil erledigt hatte, blickte er auf und sah, wie die beiden Bajoraner ihn erwartungsvoll ansahen.

„Als erstes müssen wir die Musik ändern“, erklärte er. „Ihre bajoranische Musik ist sehr schön, aber recht unbrauchbar um darauf zu tanzen.“

„Dafür war sie auch nie gedacht“, verteidigte Kira wie zu erwarten augenblicklich ihr bajoranisches Kulturgut.

„Eben.“ Bashir wandte sich an den Computer und orderte einen der Titel von der Liste für den Abend. Augenblicklich wurden die meditativen Töne durch einen flotten Rhythmus und eher weltliche Instrumente ersetzt. Der Arzt sah Kiras Brauen sich zusammenziehen. Bevor die Bajoranerin den Mund aufmachen konnte, kam er ihr zuvor: „Ich weiß, was du sagen möchtest, Nerys. Nicht zu vergleichen mit euren Komponisten. Aber du sollst darauf tanzen können und nicht meditieren, okay?“

„Okay“, gab sie murrend zurück.

„Also, ich möchte, dass Sie sich erst einmal versuchen, in die Musik einzufühlen, den Rhythmus zu spüren, denn das ist das Wichtigste. Ohne Rhythmusgefühl werden Sie nur auf der Tanzfläche herumstaksen und dann ist es eleganter überhaupt nicht zu tanzen…“

Die nächste Stunde verbrachte Bashir damit Kira und Shakaar die Grundbegriffe von Schrittfolgen, Beinarbeit, Hüftbewegungen und Oberkörperhaltung beizubringen. Was sich anfangs ein wenig mühsam anließ, gewann bald Formen, da Shakaar mit verbittertem Willen bei der Sache war. Kira hatte sich eher heraushalten wollen. Aber da ein Paartanz nun einmal einen Partner benötigte, blieb ihr nichts anderes übrig, als die weiblichen Schrittfolgen zu erlernen.

Bashir schüttelte nach ein paar Minuten den Kopf. „Nerys, du musst versuchen, irgendwie deine Beine mehr voreinander als nebeneinander zu platzieren.“

Sie sah ihn unwirsch an. „Und was soll das heißen?“

„Na ja …“, der Mediziner zuckte entschuldigend die Achseln. „Du läufst wie ein Seemann … oh, was ganz prima wäre, wenn du den männlichen Part beim Tanzen übernehmen würdest“, fügte er im Angesicht von Kiras Miene rasch beschwichtigend hinzu. „Aber ich denke mal, das sollte doch besser Shakaar tun.“

„Ich bitte darum“, bestätigte der Premierminister mit einem Grinsen.

Ein paar Versuche später, schüttelte Bashir abermals den Kopf. „Du erinnerst dich doch noch an die Intendantin aus dem Spiegeluniversum?“ wollte er schließlich von Kira wissen.

„Natürlich“, antwortete sie verwirrt. Es war schwierig genug, sich auf die Füße zu konzentrieren, ablenkende Themen kamen ihr momentan nicht gelegen.

„So wie sie gelaufen ist …“

„Was?!“ Kira blitzte ihn an. „Dieses nuttige Getue?!“

Bashir lächelte entwaffnend. „Eignet sich ganz gut. Komm“, er berührte Kira am Arm und zeigte auf eine der Linien, welche die Holosuite im Ruhezustand als Gitter durchliefen. „Versuch jetzt einfach mal hier entlang zu gehen und die Füße immer auf die Linie zu setzen, nie daneben.“

„Meinetwegen.“ Kira entfernte sich von den beiden Männern zu anderen Seite der Holosuite. Sie versuchte sich in Erinnerung zu rufen, wie die Intendantin ihre Hüften bewegt hatte. „Das ist ziemlich unbequem“, murrte sie am Ende der Linie, dann wandte sie sich um – und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. „… aber offensichtlich wirkungsvoll.“

Beide Männer lehnten an der gegenüberliegenden Wand und konnten ihren starrenden Blick nicht rechtzeitig verbergen.

„Sehr viel besser“, bemerkte Bashir ein wenig heiser. Shakaar nickte enthusiastisch mit dem Kopf.

Kritisch wurde es, als die nächste Stufe, das Tanzen mit Partner, an die Reihe kam. Bashir musste für die ersten Demonstrationen wohl oder übel den weiblichen Part in Shakaars Armen übernehmen. Der großgewachsene Bajoraner überragte ihn um gut einen Kopf und beiden Männer war es sichtlich unbehaglich, so eng umschlungen voreinander zu stehen. Das Schlimmste jedoch war der Heiterkeitsausbruch, der Kira bei diesem Anblick überfiel. Erst als sie sich zur Wand umdrehte, schaffte Bashir es so rasch wie möglich die wichtigsten Prinzipien der Partnerhaltung zu erklären.

Mit Kira wurde es jedoch schlimmer. Zwar fühlte es sich richtiger an, die Bajoranerin im Arm zu halten – doch das war es dann auch mit den positiven Aspekten. Sich führen zu lassen war ein Prinzip, welches zutiefst gegen Kiras Natur verstieß. Es dauerte nicht lange, bis die ersten blauen Flecken Bashirs Schienbeine zierten. Er biss die Zähne zusammen und beschloss für sich, dass Kira ihm hierfür einen sehr großen Gefallen schuldete.

Der Arzt war erleichtert, als Shakaar eingriff. „Lassen Sie das mich machen, Doktor. Ich denke, ich hab die Prinzipien verstanden. Tanzen ist weniger wie Kriegsführung eher wie Sex.“

Erleichtert ließ Bashir die Bajoranerin los und hob mit etwas überraschtem Ausdruck die Arme. „Besser …äh … hätte ich es nicht ausdrücken können.“

Shakaar schenkte ihm ein entwaffnendes Lächeln. „Dann korrigieren Sie jetzt von außen und schonen Ihre Füße.“

Kira warf ihrem Liebhaber einen Blick zu, der deutlich machte, was sie von dessen Kommentar hielt. Aber es wurde tatsächlich besser. Anders als Bashir hatte Shakaar keine Berührungsängste vor Kiras Körper. Er wagte die Bajoranerin fester anzupacken und ihr deutlich zu machen, wer hier ausnahmsweise das Sagen hatte.

Kira ihrerseits brachte ihrem ehemaligen Kommandanten einen ganz anderen Respekt entgegen, als ihrem Offizierskollegen. So dass sie leichter dessen Führungsrolle akzeptieren konnte.

Zwar war es immer noch deutlich, dass Kira sich schwer tat sich in die Musik einzufühlen. Aber Bashir hatte zum ersten Mal das Gefühl, dass es kein desaströser Abend werden würde.

Schließlich verabschiedete er sich von den beiden Bajoranern, da er beim besten Willen nicht noch mehr seiner Arbeitszeit verschwenden konnte. Er hatte den Eindruck gewonnen, dass der Premierminister die Grundprinzipien von ein paar Tanzarten verstanden hatte und sich heute Abend nicht blamieren würde.

Kira und Shakaar blieben in der Holosuite und übten für sich weiter.

* * *


In Galauniform gekleidet, mit einem Drink in der Hand, verfolgte Jadzia Dax das Bankett. Bashir hatte sich zu ihr gesellt. Ihm war anzusehen, dass er den Drink gut gebrauchen konnte.

„Was ist los, Julian?“ lächelte die Trill ihm entgegen, „heute viel Arbeit gehabt?“

Der Arzt schüttelte den Kopf, weniger um zu verneinen als um die Erinnerungen des Kampftrainings vom Nachmittag zu verscheuchen, seine Schienbeine schmerzten immer noch. „Das kannst du laut sagen. Ich …“

„Da drüben ist Nerys!“ Dax streckte ihr Glas in Richtung der Eingangstür. „Ich glaube, ich habe sie noch nie in einem Kleid gesehen.“

Arm in Arm betraten der bajoranische Premierminister und der erste Offizier von DS9 den Raum. Shakaar hatte Kira gebeten, ausnahmsweise nicht in offizieller Militärfunktion und somit in Galauniform zu erscheinen, sondern als seine Partnerin für den Abend. In ein bodenlanges Kleid aus grünblauem fließendem Stoff gekleidet, sah die Bajoranerin hinreißend aus. Der Schnitt ließ eine elegante helle Schulter frei, den nackten Oberarm zierte ein zum Kleid harmonisierendes Schmuckstück.

Bashir stieß einen leisen Pfiff aus. „Sie sieht toll aus.“

„Wer hätte gedacht, dass in unserer Nerys eine Dame steckt?“

„Also ich sicherlich nicht“, bemerkte Bashir mit von Herzen kommender Offenheit. Er hielt den Atem an, als die Musik einsetzte und zum Tanz aufgefordert wurde. Als er seinen Blick über den Raum schweifen ließ, erkannte er, was Shakaar gemeint hatte. Die Aufmerksamkeit der anwesenden Föderations-Diplomaten lag eindeutig auf dem bajoranischen Paar. Nicht offen, doch unter versteckten Andeutungen und verborgenen Blicken wurde deutlich, dass keine großen gesellschaftlichen Fähigkeiten erwartet wurden.

Glücklicherweise war der bajoranische Premierminister zwar leicht zu frustrieren, aber schwer zu entmutigen. Er nickte Kira zu, die seine Geste tapfer erwiderte, dann traten die beiden auf die Fläche hinaus, welche zum Tanzen freigehalten worden war. Anfangs etwas zögerlich doch immerhin im Rhythmus begannen sie ihre ersten Schritte.

Jetzt lag das Interesse der Gesellschaft ganz offen auf dem bajoranischen Paar. Es war Kira anzusehen, dass sie sich unwohl fühlte. Sie versuchte sich ganz auf Shakaar zu konzentrieren und alles andere auszublenden, was bei ihr für einen roten Kopf gesorgt hätte.

Als die beiden an Bashir und Dax vorbeikamen, raunte der Mediziner ihnen noch ein paar Korrekturen zu, die beide mit dankbarem Nicken annahmen. Ein paar Takte weiter hatten sie dann schließlich in ihren Rhythmus gefunden.

„Ich bin platt“, ließ sich Dax anerkennend vernehmen. „Ich muss gestehen, dass ich nicht gedacht hätte, dass die beiden tanzen können.“

„Damit stehst du nicht alleine.“ Ein breites Grinsen hatte sich mittlerweile auf Bashirs Zügen ausgebreitet. Er deutete mit seinem Glas in die Runde der Föderationsdelegierten, die untereinander zu tuscheln begonnen hatten. Niemand sonst betrat die Tanzfläche, alle waren zu überrascht von dem, was sie geboten bekamen.

In dem Moment blickten beide Bajoraner zu Bashir hinüber und sahen die Begeisterung auf dessen Gesicht. Beide sahen sich wieder an und begannen nun ebenfalls zu lachen. Shakaar packte Kira fester in der Taille und wirbelte sie herum. Das lange Kleid folgte der Bewegung wie ein eleganter Schleier.

Ende

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