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Danach

von Heidi Peake

Kapitel 1

Zuhause ist dort, wo du hin gelangst,
wenn dir alle anderen Orte ausgehen.
(Barbara Stanwick, „Clash by night“)




‘Vertraue immer deinem anfänglichen Instinkt.’

Es war eine der großen Weisheiten, die Furel von seinen Ahnen bewahrt hatte - und er war es niemals müde geworden, die Wichtigkeit dieser Aussage jedem gegenüber zu betonen, der gewillt war ihm zuzuhören.

‘Je mehr Zeit man mit überlegen zubringt, desto größer wird der Raum für Fehlentscheidungen’, hatte er zu sagen gepflegt. In den Tagen der Besatzung war es ein guter Rat gewesen, also erinnerte er sie immer und immer wieder daran: Daran, den eigenen Instinkten zu vertrauen - und an irgendetwas Seltsames über eine Stampede.

Sie hatte ihn immer deswegen fragen wollen.

Doch nun war es natürlich zu spät dafür. Furel war tot, getötet durch einen cardassianischen Sprengstoff - und das fünf Jahre nach Ende der Besatzung. Getötet von einem missratenen Geschoss, das eigentlich für sie vorgesehen gewesen war. Getötet, weil er es zugelassen hatte, dass seine Instinkte eingelullt wurden.

Sie wünschte sich, sie hätte mehr Zeit gehabt, um von seiner großen Quelle der Weisheit zu schöpfen, sich an seinem erdverbundenen Humor zu erfreuen, von seiner anscheinend endlosen Fähigkeit zu lernen, alles zu akzeptieren und sich dem anzupassen, was das Schicksal ihm entgegen schleudern mochte.

Doch mehr als alles andere wünschte sie sich, sie hätte auf seinen Rat gehört.

Als sie im Besucherbereich der Versammlungshalle saß und auf den baldigen Ex-Premierminister Bajors wartete, war sich Kira nur allzu deutlich bewusst, dass alle ihre Instinkte sie davor gewarnt hatten, die feuergehärtete Freundschaft, die sie mit Shakaar Edon verband, gegen ein Gefühl so zerbrechlich und temperamentvoll wie Liebe einzutauschen.

Shakaar nicht zu lieben war niemals eine Option gewesen - aber es gab unterschiedliche Arten von Liebe. Und in der Aufregung ihrer wiedererwachten Freundschaft hatten sie die falsche gewählt.

Nun war es an ihr, ihn auf seiner letzten Mission zu begleiten, bevor er sich von dem Amt zurückzog, welches ihm gegen seine eigenen Wünsche auf die Schultern gelegt worden war - unter anderen unkontrollierbaren Begebenheiten vor allem auch von ihr selbst. Und alles, an was sie im Moment denken konnte, war, dass sie nicht wusste, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte. Bei den Propheten! Für mehr als fünfzehn Jahre war er ihr Freund gewesen, ihr Bruder, ihr Lehrer, ihr Beschützer, ihr Lebensretter und ihre Inspiration und nun war alles, was sie für ihn übrig hatte ein ‘Hallo’.

Mit einem gemurmelten Fluch schlug Kira ihre Faust in die Wand gegen die sie lehnte.

Diesen Augenblick wählte die Ministerialversammlung von Bajor, um ihre Sitzung zu beenden. Die Türen zur großen Halle schwangen auf. Bekleidet mit seiner Amtstracht und einem überraschten Stirnrunzeln stand Shakaar Edon im Türrahmen und betrachtete die wie wahnsinnig grinsende Erste Offizierin von DS9, die damit beschäftigt schien, hinter ihrem Rücken einen Knoten in ihre Hände zu bekommen.

Er neigte seinen Kopf für einen Moment, hauptsächlich um das breite Grinsen, das sich ob der offensichtlichen Verlegenheit Kiras auf seinem eigenen Gesicht ausbreitete, zu verbergen. Dann trat er auf sie zu.

„Es muss an diesem Gebäude liegen“, meinte er zur Begrüßung.

Kiras eben zurückerlangte Haltung wurde erneut erschüttert. „Ähem... was?“

Er bedeutete ihr, ihm den Korridor hinab zu folgen. „Ich fühle mich normalerweise ebenfalls in der Verfassung, ein paar Mauersteine zu zerbrechen, wenn ich hier herauskomme. Allerdings hatte ich immer gedacht, dass es daran lag, dass ich einem Raum voll von Schwachsinnigen zuhören musste. Doch nun schätze ich, dass es trotz allem am Gebäude selbst liegt.“

Für einen Augenblick versuchte Kira vergeblich ein ernstes Gesicht beizubehalten. „Genaugenommen habe ich gerade an Furel gedacht und daran, dass ich ihm öfters hätte zuhören sollen.“

„Du hast ihm zugehört“, antwortete Shakaar ruhig, schon ein paar Schritte vor ihr in seiner Eile aus den ihm verhassten Hallen hinauszugelangen. „Deswegen bist du heute hier.“

Seine Worte ließen sie innehalten. Er hatte niemals angedeutet, dass es irgendwie ihre Schuld gewesen war, dass Furel und Lupaza gestorben waren. Er war nicht so unsensibel. Kira Nerys allerdings war es und in ihren dunkleren Stunden war sie sich schmerzhaft bewusst, dass weder ihre Freunde noch Shakaar selbst die Sicherheit und den Frieden ihres Farmerdaseins verlassen hätten, wenn es nicht um sie gegangen wäre.

Sie wären heute noch am Leben. Und Shakaar selbst - nun immerhin hätte sie dann noch etwas, worüber sie mit ihm sprechen könnte.

„Der Gleiter ist bereit“, hörte sie sich selbst feststellen und verfluchte den formellen Ton ihrer Stimme ohne etwas dagegen tun zu können.

Ihre Unbehaglichkeit entging Shakaar nicht. Er hielt in seinem Schritt inne, wandte sich um und betrachtete sie für einen kurzen Moment. Als sie seinen Blick mied, glaubte sie, ihn seufzen zu hören.

„Nun, in diesem Fall“, sagte er schließlich, „lass uns gleiten.“





Für den Ersten Offizier einer Raumstation von der Größe und Komplexität von Deep Space 9, war das Fliegen der robusten aber einfach gehaltenen Gleiter, die für die meisten Bereiche auf Bajor verwendet wurden, etwa so anstrengend wie Gehen und Reden zur gleichen Zeit. Doch Kira gelang es in bewundernswerter Weise, diese Beschäftigung all ihre Aufmerksamkeit beanspruchen zu lassen. Es war nicht so, dass sie nicht mit Shakaar sprechen wollte, es war nur so, dass jedes Mal, wenn sie über etwas Unverfängliches nachgrübelte, ein gewisses Schuldgefühl von ihr Besitz ergriff. Er war viel zu wichtig für sie, um ihn mit Small Talk abzuspeisen. Unglücklicherweise war er auch viel zu wichtig, um ihn zu ignorieren.

Und er sah müde und verbraucht aus, so als benötigte er etwas, das ein wenig persönlicher war als das übliche ‘schöner Tag heute.’

Schließlich gab sie auf.

„Du siehst ziemlich grässlich aus“, bemerkte sie und bereute es fast augenblicklich, den Mund geöffnet zu haben. ‘Welch klassische Art, einen Ex-Liebhaber zu begrüßen’, dachte sie bitter.

„Es ist der Schmerz“, antwortete Shakaar, während er desinteressiert aus dem Fenster blickte.

Kira wandte sich mit überraschter Besorgnis zu ihm um. „Der Schmerz? Fehlt dir etwas?“

Sie bemerkte ein leichtes Zucken in seiner Kieferlinie als sie sein Profil studierte.

Er seufzte leise. „Der Schmerz, mein geliebtes Büro zu verlassen und all meine Freunde in den Ministerialkam...“ Er hätte es beinahe geschafft, den Satz zu beenden, bevor das Zucken in ein Lachen überging, und Kiras Ellbogen ihn zwischen die Rippen traf.

„Du Bastard! Ich habe mir Sorgen gemacht. Ich dachte, du wärst krank!“

Shakaar grinste breit. „Ja, ich hatte es beinahe geschafft, dass du mit mir sprichst, nicht wahr?“

Kira fühlte, wie sie rot wurde und drehte sich rasch wieder zu ihren Konsolen zurück.

„Ich... es ist einige Zeit vergangen“, murmelte sie. „Ich bin niemals eine großartige Rednerin gewesen.“

„Nein.“ Shakaar begann nun ebenfalls wieder die Szenerie unter ihnen zu studieren. „Nur eine großartige Freundin.“

Sie schloss ihre Augen für einen Augenblick. Sogar seine Stimme klang müde. Ihr wurde klar, dass ganz gleich, wie sehr er seine Pflichten gehasst haben mochte, er in diesen vergangenen Jahren alles aufgegeben hatte, um ihnen sein Leben zu widmen. Es gab nun faktisch nichts mehr, zu dem er hätte zurückkehren können. Nichts Familiäres und Bekanntes - außer ihr.

„Es tut mir leid, Edon. Ich bin einfach nervös. Ich glaube ich... habe nie kapiert, was eigentlich passiert ist...“

„Wir haben nicht auf Furel gehört - das ist passiert.“

„Was?“ Sie wandte sich überrascht zu ihm um. „Du meinst...?“

„‘Vertraue immer deinem anfänglichen Instinkt’“, intonierte Shakaar in perfekter Nachahmung ihres alten Freundes. „Jedes Fünkchen Verstand warnte uns davor, Freundschaft mit einer intimen Beziehung zu vermischen! Gestehe es, dasselbe hast du heute in der Versammlungshalle gedacht.“

Während er sprach hatte Kira leise zu kichern begonnen, nun schüttelte sie ihren Kopf mit hilflosem Grinsen. „Dies waren exakt meine Gedanken! Guter alter Furel. Er wäre so stolz auf unsere verspätete Einsicht gewesen.“

„Es ist niemals zu spät zu lernen“, erwiderte Shakaar ihr Lächeln, „wenn du also das nächste Mal wieder in Schwierigkeiten gerätst, vergiss nicht, auf die Stampede zu warten.“

Kira lachte nun laut. „Um was, im Namen der Propheten, ging es da eigentlich? Ich kann mich nicht mehr genau erinnern...“

„Irgendetwas Unverständliches über dunkle Nächte, hohe Berge, stürmisches Wetter und einer Menge von Bullen... was bedeutet dieses Blinken?“

„Ich erinnere mich nicht an ein Blinken... oh!“ Kira registrierte, dass Shakaars Aufmerksamkeit zur Realität ihrer Konsole und einer kleinen roten Anzeige zurückgekehrt war. „Jemand durchquert unseren Luftraum“, antwortete sie, während sie versuchte, die Quelle des Signals auszumachen.

„Nun, dann sag ihnen, dass sie zurückstehen sollen, der Premierminister fliegt vorbei!“ Shakaar lehnte sich in seinem Sitz zurück in einer Haltung von spöttischer Erhabenheit.

Kira schnitt ihm eine Grimasse. „Entschuldige, ich habe vergessen, die Flagge zu hissen!“ Sie berührte ein paar Sensorflächen, doch nichts geschah. Ihre Stirn legte sich in kleine Falten. „Ich habe ihm signalisiert, aber er scheint uns nicht bemerkt zu haben. Er kommt direkt auf uns zu.“ Ihre Finger flogen erneut über die Konsolen. „Ich hoffe, es wird deinen ministerialen Stolz nicht zu sehr verletzen, wenn wir ein kleines Ausweichmanöver...“

„Nerys.“ Shakaars leises Flüstern zwang ihre Augen, von den Armaturen aufzusehen. Sie konnten nun das andere Gefährt sehen, ein Gleiter ähnlich dem ihren. Er kam in einer Geschwindigkeit auf sie zu, die nicht zufällig sein konnte. Es kam als keine große Überraschung als sie registrierte, dass das andere Schiff seinen Kurs ihrem eigenen entsprechend geändert hatte.

„Was im Namen der Propheten...“, murmelte sie.

„Nerys, er ist bewaffnet.“

„Sei nicht albern, diese Dinger besitzen keine...“

Der Schuss war mit erstaunlicher Präzision gehalten. Er legte ihre Armaturen in einer sauberen Explosion lahm.

„Verdammt!“ Kira ließ eine ganze Reihe von Flüchen hören, als sie verzweifelt versuchte, aus der Reichweite des Fremden zu gelangen. „Kannst du versuchen, diese Funken davon abzuhalten, meine Augenbrauen anzusengen?“ schrie sie.

Shakaar befand sich schon ausgestreckt über einem Großteil der nicht so wichtigen Einrichtung und versuchte die kleineren Flammen mit seinem Jackett zu ersticken, während er sich den größeren mit passenderem Instrumentarium widmete. Seine Augen blieben auf den anderen Gleiter fixiert.

„Es ist einer von unseren“, hörte sie ihn sagen, als ein weiteres Sensorfeld in Funken aufstob.

„Was meinst du damit?“

„Es trägt das Emblem der Versammlung.“

„Was?“ Kiras Kopf schoss in die Höhe, sie fand sich in direktem Sichtkontakt mit dem Cockpit des anderen Gleiters wieder. Etwas fiel ihr ins Auge und ließ ihr Blut gefrieren, aber der Moment war vorüber ehe sie sich darüber klar werden konnte, was sie so irritiert hatte.

Der zweite Treffer ließ sie ohne Steuerdüsen zurück. Das kleine Schiff begann sich gefährlich nach einer Seite zu neigen, es kostete sie all ihre Aufmerksamkeit, das Gleichgewicht zu halten. Sie konnten nur hilflos zusehen, wie der andere Gleiter eine elegante Kurve zog, um sie das dritte Mal anzufliegen.

In einem plötzlichen Anflug von Zorn schlug Shakaar seine Faust auf die nun nutzlos gewordene Konsole. „Ich habe abgedankt, verdammt“, schrie er. „Was wollt Ihr denn noch mehr von mir?“

Kira fixierte den Gleiter als er wieder auf sie zuhielt. „Ich denke“, wisperte sie, „‘dein Leben’ wäre eine gute Antwort.“

Langsam erhob sie sich aus ihrem Sitz, ihren Phaser zog sie in dieser Bewegung. „Wir müssen gehen“, sagte sie.

„Gehen?“

„Ja...“ Mit der Anzeige fast im roten Bereich feuerte sie auf die Seitenpanele und sprengte damit die Einstiegsluke, „... gehen!“

Sie rollten sich bei der Landung ab. Instinkte, auf die Furel stolz gewesen wäre, übernahmen augenblicklich ihre körperlichen Reaktionen. Als schließlich ein Baum ihre Bewegung stoppte, hob Kira ihren Kopf, um zu sehen, wo Shakaar sich befand - nur um ihn sofort wieder ins Gras zurückgedrückt zu bekommen durch dessen Hand.

Innerhalb Sekundenbruchteilen brandete die Hitzewelle des explodierenden Gleiters über sie hinweg. Sie nahm ihr den Atem und bedeckte sie mit einem Regen kleinster Metallstücke. Etwas Scharfes, Schmerzliches traf die Seite ihres Kopfes und hinterließ den Eindruck eines Schlages. Sie presste ihr Gesicht in das kühlende Gras und wartete bis sich nichts mehr um sie herum bewegte. Dann hob sie vorsichtig ihre Augen und versuchte die zusammengekauerte Gestalt neben ihr auszumachen.

„Edon?“ flüsterte sie heiser.

Die Gestalt begann sich ein wenig auseinanderzurollen und zeigte dabei einen zerzausten Kopf von dunkelblondem Haar. „Ja?“ ließ sich eine gedämpfte Stimme von irgendwo unterhalb dieser Haare vernehmen.

Sie seufzte. „Willkommen im Ruhestand!“
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