TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Home Improvement

von Jimaine

1/1

Das waren dann die Tage, an denen er sich wünschte, in Florida geblieben zu sein. Er hätte ja Tauchlehrer werden können. Tauchen machte ihm Spaß... in der Welt unterhalb der Meeresoberfläche herrschte völliger Frieden, die Zeit schien stillzustehen und alles Leben eingeteilt in Atemzüge. Blaue, sonnendurchflutete Schwerelosigkeit. Und Stille. Nichts außer dem mechanischen Rauschen seines Atemgeräts und ab und an die Unterhaltungen einer Delphinfamilie in der Nähe.

Beep-beep.

Er öffnete die Augen, die zugefallen waren, ohne dass er es bemerkt hatte. Das Fiepen kam nicht von Delphinen, sondern von dem Kommunikator in seiner rechten Ärmeltasche. Beep-beep. Na, wunderbar... keine Rast für die Ruchlosen. Behände fingerte er das kleine Gerät hervor und beantwortete den Ruf: "Tucker hier."

"Commander, was ist mit der Störung im Plasmarückfluss von der Backbord-Gondel?"

"Ah, T'Pol, ich hatte schon Ihre Stimme vermisst. – Das Problem sollte behoben sein. Aktiveren Sie die Primärpumpe und sagen Sie mir Bescheid, wenn die Zirkulationsleistung 100 Prozent erreicht hat. Bis dahin", ließ er sie wissen, "habe ich noch eine lange Liste an Dingen, die schon gestern erledigt sein wollten..."

Die Stimme der Vulkanierin zeigte keine Spur von Mitleid, als sie zurückgab: "Dann nehmen Sie am besten auch gleich die Reparatur der lateralen Kurzstreckensensorenphalanx in Ihre Liste mit auf. Ohne diese ist es uns nämlich nur bedingt möglich, den Ansammlungen von potentiell gefährlichen Gaskonzentrationen in diesem Nebel auszuweichen. Die Polarisierung der Hüllenpanzerung hält der fortwährenden Belastung nur begrenzt stand; wir registrieren bereits eine Schwächung um 5,7% in einigen Sektoren an Steuerbord."

Und es war noch nicht einmal Mittag. Warum war er heute morgen bloß aufgestanden?

Müde nickend gab er sein Okay. "Geht in Ordnung, Sub-Commander. Ist notiert."

"Ich brauche Sie wohl nicht darauf hinzuweisen, dass die Sache höchste Priorität hat?"

_Nein, nein, wie kommen Sie denn darauf?_ "Selbstverständlich. Tucker Ende." Fantastisch, gab es heute irgend etwas, das nicht höchste Priorität hatte? Die Muskeln in seinem rechten Unterarm schmerzten schon, soviel hatte er in den fünf Stunden seit Schichtbeginn geschraubt und mit feinmechanischen Instrumenten gearbeitet. Wahrscheinlich würde er für die nächsten Tage keinen Stift mehr halten können.

Mit einer gewaltigen Anstrengung schob er sich – auf dem Rücken liegend – aus dem engen Tunnel hinaus und atmete erst mal tief durch. Manchmal war dieser Job wirklich... Den Rest des Gedankens verkniff er sich. Wenn nicht die tiefgründige Liebe zu seiner Arbeit wäre, hätte er schon mindestens sechs Mal innerhalb der letzten acht Monate seinen Rücktritt ersucht. Er kam auf die Füße und verschloss den Zugang zu dem Wartungstunnel, nahm seine Werkzeugtasche. Ein Muskel in seinem Rücken protestierte heftig, jedes einzelne seiner Jahre meldete sich lautstark. Doch er würde es schaffen.

Beep-beep.

Nein, er würde diesen Ruf nicht annehmen. Der nächste Punkt auf seiner Liste war ein Wasserrohrbruch auf dem B-Deck. Im Korridor J-17 tropfte es aus der Decke, ein klares Zeichen, das nicht missverstanden werden konnte.

**********

Auf der obersten Leiterstufe stehend und halb in der Decke verschwunden studierte er kritisch das Dilemma. Kein Wunder, dass es tropfte. Einen Meter hinter der Zugangsklappe befand sich die Verteilerpumpe für die Wasserversorgung der gesamten Sektion.

Eine defekte Verteilerpumpe. Ein kleines Teil von der Größe seines Daumennagels müsste getauscht werden, dann wäre die Sache erledigt.

Doch der Schein trog.

Ausgerechnet diese Sektion war das Reich des Versorgungsoffiziers, ein Mann, der Trip gerade bis zur Schulter reichte aber Chef an Einfluss und Bedeutung gleichkam. Ein sehr erschwerender Umstand.

Besser er sorgte dafür, dass Bekleidung, Nahrungsmittel (hauptsächlich Notrationen und Fertiggerichte, für die war Chef nicht zuständig) Geschirr, Handtücher, Bettwäsche, Toilettenpapier, elektronische Speichermedien und standardisierte Einrichtungsgegenstände (Stühle, Tische, Regale) sowie Tonnen von Formularen trocken blieben und die Seifenvorräte sich nicht in Schaum auflösten!

Noch unangenehmer war es dann, festzustellen, dass er zwar nur dieses eine Ersatzteil Nr. 0815 DOJB brauchte, jenes aber ausschließlich bei dem Mann erhältlich war, dessen Räume er vor den Wassermassen zu schützen beabsichtigte.

Aus zusammengekniffenen Augen funkelte ihn der kleine Grieche an. Im Schlafanzug. Hatte wohl mal wieder die Nacht durchgearbeitet und war erst jetzt zum Schlafen gekommen.

Würde er selbst auch gerne...

"Ja?" Kein 'Commander', kein 'Sir'. Stephan Atanopoulos machte bei seinen Mannschaftskameraden, ob Vorgesetzte oder nicht, keine Unterschiede, sie waren alle gleich, denn: sie waren auf ihn angewiesen!

Sich darum bemühend, nicht eingeschüchtert zu wirken, hielt er das leicht zerknitterte Formular hoch – er trug immer ein paar in der linken Ärmeltasche bei sich, da blieben sie halt nicht sauber und ohne Knicke – und reichte es weiter. "Entschuldigen Sie die Störung, Sir –" Weshalb eigentlich diese Katzbuckelei? Weil dieser Mann bestimmte, ob er übermorgen frische Bettwäsche bekam oder den ganzen nächsten Monat in der jetzigen weiter würde schlafen dürfen! "Zur Behebung des Wasserproblems über Ihren Lagerräumen brauche ich dieses Teil..."

Atanopoulos überflog das Bestellformular. "Ihre Handschrift wird auch nicht besser, Tucker... ich bin Versorgungsoffizier, kein Kryptograph!"

"Ja, Sir."

"Und wie oft soll ich's Ihnen sagen? Schmieren Sie gefälligst nicht so! Dies ist ein offizielles Dokument, ein Dokument, das für die nächsten zehn Jahre aufbewahrt wird. Da kann man doch etwas Sorgfalt walten lassen..."

"Ja, Sir."

Sich etwas in seinen nicht vorhandenen Bart murmelnd erreichte Atanopoulos die letzten Zeilen. "Moment." Damit schloss sich die Tür und hätte Trip nur einen Zentimeter weiter vorne gestanden, hätte sie seine Nasenspitze abrasiert. Zwei Minuten später folgte er einem schweigenden Atanopoulos vom E zurück aufs B-Deck. Mit keiner Silbe würdigte der Grieche Trips Bemühungen, Tische, Lagercontainer und Computerkonsolen sorgsam mit Plastikfolie abzudecken, damit die Wassertropfen, die hier und dort schon durch die Decke drangen, ja keinen Schaden anrichteten.

Trip vermutete, dass der Schacht in der Decke bereits nett gefüllt sein durfte; sie hatten die Notschotts geschlossen, um das Wasser in einer Sektion zu halten, aber dementsprechend stieg dort der Wasserpegel. Fünf Zentimeter pro Stunde.

Und kein Wort des Dankes von Atanopoulos. Stattdessen beschwerte sich der Grieche noch, dass er zwei extradicke Planen entfernen musste, um an seinen Computer zu gelangen. Dem Kerl konnte man auch gar nichts recht machten!

"Ersatzteil Nr. 0815 DOJB?", kam die Frage nach mehreren Minuten des Suchens im Computer.

Er bestätigte. "Ja, genau."

"Gibt's nicht mehr. Nicht einzeln, nicht das defekte Teilstück – da müsste man gleich eine ganz neue Verteilerpumpe nehmen." Er fixierte Trip mit einem Blick, der dem Ingenieur unterstellte, dass er gerade eigenhändig den Weltuntergang in Gang gesetzt hatte.

Dem begegnete Trip mit einem Achselzucken und arrangierte im Geiste seinen Tagesplan um, gab mindestens eine zusätzliche Stunde zu dieser Aufgabe hinzu. "Toll. Pumpe tauschen. Wird also eine richtig aufwendige Reparatur."

"Ich nenne es ein teures Ersatzteil!", knurrte Atanopoulos. "Es ist mein letztes, Commander, meine letzte Pumpe Nr. 4711 RUG, die nächste gibt's erst nach Wiederaufstockung bei Starfleet. Und das wird so früh nicht sein."

_Es sei denn, wir bestellen was und lassen es per VulEx zustellen, mit Warp 6.5..._, dachte der Ingenieur bei sich. "Kann ich's bitte trotzdem kriegen?", fragte er, überrascht darüber, wie fest seine Stimme klang.

Düsteres Grummeln. "Klar, klar. Nur beschweren Sie sich hinterher nicht bei mir, weshalb keine mehr da sind! Sie haben, was manche Teile angeht, einen enormen Verschleiß und meist sind es genau die Dinge, die nur über Starfleet zu beziehen sind. Leider sind wir etwas abseits der gängigen Versorgungsrouten..."

"Das Ersatzteil, bitte." Solange es genug Toilettenpapier gab, war die Versorgungsfrage nicht sein Problem. Er war froh, als ein mürrischer Atanopoulos wieder in Richtung seiner Kabine verschwand und ihn allein ließ mit zig Kubikmetern abzupumpenden Wassers und dem aufwendigen Pumpentausch.

Der dadurch verlängert wurde, dass er – aus anderen Schiffssystemen, die besser unerwähnt bleiben – kleine Kabelstücke zweckentfremden musste, denn sonst hätte er die neue Pumpe nicht anschließen können. Das beiliegende Kabel war viel zu kurz.

Im ganzen kosteten ihn diese Wasserspiele drei Stunden. Und keine Zeit zum Mittagessen.

*************

Wenigstens hatte er Gelegenheit gehabt, sich abzutrocknen und eine frische Uniform anzuziehen, bevor sein Kommunikator erneut piepte.

T'Pol und ihre Sensorenphalanx!!! Wie er es schaffte, diese Frau erneut auf später zu vertrösten, wusste er nicht.

Gerade wie er den Korridor entlang hastete, in Gedanken schon bis zu den Achseln tief in den Eingeweiden des Belüftungssystems, das ausgerechnet heute statt Frischluft muffig-warme Abluft in mindestens sechs Quartiere auf dem D-Deck pumpte, hielt ihn jemand am Arm fest. Fähnrich Calazzi ein entschuldigendes Lächeln schon parat. "Ja, Gian?"

Calazzi rieb sich verlegen die Hände und schien nicht ganz zu wissen, wie er dem Chefingenieur – seinem Abteilungsleiter – die Neuigkeit am besten präsentieren sollte, doch dann fasste er sich ein Herz und begann: "Sir, ich weiß, dass Sie vor lauter Arbeit nicht mehr wissen, wo Ihnen der Kopf steht. Ich habe auch bereits einige Teams für die kleinen, zeitraubenden Dinge wie Glühbirnenwechseln und Ausbeulen diverser Schotts und Stützrahmen eingeteilt, aber..."

"Spucken Sie's aus, Gian."

"Chef meldet, dass sein Backofen defekt ist. Außerdem muss der Filter seiner Dunstabzugshaube dringend erneuert werden, ansonsten gibt es heute Abend nur grünen Salat."

Und wieder verschob sich die Liste seiner Prioritäten. Chef in schlechter Laune war eine Naturgewalt, die man besser nicht herausforderte. Also war sein nächster Stop die Schiffsküche.

**********

Wie viel Schaden doch durch einen einzigen, kleinen kaputten Injektor (allerdings an einer strategisch ungünstigen Stelle) entstehen konnte! Aber man war immer besser beraten, sich mit dem Koch gut zu stellen. In seinem Rücken knackte etwas und er verzog das Gesicht. Ob der Captain dem Vorschlag, eine nuvianische Masseuse von Risa zu importieren, zustimmen würde? Wahrscheinlich nicht. Wenn er es noch mal überdachte, hatte er direkt Glück gehabt: einen halben Meter weiter entlang der Leitung und er hätte drei Hängeschränke abmontieren und zwei Quadratmeter Wandverkleidung entfernen dürfen. So hatte er eine Stunde auf dem Rücken und mit dem Kopf in der Bratröhre verbracht, während ein extrem ungehaltener Schweizer (pardon, Franko-Schweizer) fingertippelnd daneben stand und jeden Handgriff kommentierte.

Wie er schon vor einiger Zeit festgestellt hatte: das eigentliche horizontale Gewerbe war das des Ingenieurs!

Beep-beep.

_Ich bin nicht da, meine Sekretärin wird Ihre Nachricht aufnehmen!_ "Tucker hier."

"Reed."

"Oh. Hallo, Malcolm. Sag' mir bitte, dass du anrufst, um mich zum Abendessen einzuladen."

Schweigen am anderen Ende der Leitung und er konnte förmlich das Gesicht des Briten vor sich sehen... den skeptischen "Welches illegale Kraut haben Sie denn bitte geraucht?"-Blick komplett mit gehobener Augenbraue (hatte er sich das von T'Pol abgeguckt?), dann ein Räuspern und: "Commander, wenn Sie am Waffendeck vorbeikommen, könnten Sie einen Moment erübrigen? Es gibt da etwas, über das wir uns unterhalten müssen."

_Was sind wir heute wieder förmlich!_ "Kann noch nicht sagen wann... aber innerhalb der nächsten zwei Stunden."

"Gut. Ich werde hier sein."

Kaum hatte er die Verbindung unterbrochen, meldete sich T'Pol und erinnerte ihn abermals an die vermaledeite Sensorenphalanx. Wenn das so weiterging, konnte es ihm egal sein, ob sie eine Gaswolke übersahen und geröstet wurden, er würde schon lange vorher vor Erschöpfung zusammengebrochen sein. Er steckte den Kommunikator weg, nahm seine Werkzeugtasche und setzte sich in Bewegung. Mit dem Elan eines Siebzigjährigen.

Beep-beep.

"Ja?"

"Commander Tucker, wir haben ein Problem im Impulsantrieb. Anscheinend hat ein Spannungsstoß die Matrix überlastet und wir –"

Er schnitt seinem Mitarbeiter das Wort ab: "Fangt schon mal an, ich komm' dazu. Werd's mir ansehen... gleich nachdem ich auf dem Waffendeck fertig bin." Und der Kommunikator klappte zu.

Beep-beep.

Wie ein lästiges Insekt. Er hasste Insekten!

Beep-beep. Beep-beep.

Er traute sich kaum, das Gerät zu öffnen. "Tucker Reparaturservice, wir schätzen unsere Kunden mehr als Schlaf oder Essen, 24 Stunden, sieben Tage die Woche. – Ja, bitte?"

"Commander?"

"Hoshi."

"Ich weiß, Ihr Terminplan quillt über –"

_Gelinde gesagt!_

"- aber es ist wirklich ernst. Die Kommunikationsanlage auf dem B-Deck ist gestört, ich kann Signale durchstellen, aber da ist ein Fehler im System. Am anderen Ende hören die Leute nur ein schrilles Pfeifen und die Stimme des Anrufers wie von ganz weit entfernt..." Eine kurze Verlegenheitspause, dann: "Sir, es ist extrem unangenehm für jeden... stellen Sie sich vor, man pfeife direkt neben Ihrem Ohr in eine Bootmannspfeife... kontinuierlich..."

Eine Hand in die Hüfte gestützt lehnte er sich gegen die Wand, hätte am liebsten den Kommunikator auf den Boden geschmissen und wild darauf herumgestampft, bis nur noch Krümel übrig waren. "Hoshi, ich bin gerade auf dem Weg zum Waffendeck – schnappen Sie sich zwei meiner Jungs und nehmen Sie die Sache selbst in die Hand!"

Zurück kam ein flehendes: "Commander, bitte, ich bin kein Ingenieur."

"Es sind bestimmt nur einige falsch polarisierte Relais, ein Kurzschluss irgendwo... das sollten Sie schaffen", baute er sie auf, "schließlich sind Sie unsere Expertin."

"Commander!"

Bei aller Freundschaft verlor er jetzt langsam die Geduld. An manchen Tage hatte er den Eindruck als wäre er in dieser Crew der einzige Fachmann. Unselbständigkeit wohin er blickte! Als hielte er eigenhändig alles am Laufen... vom Warpantrieb bis hin zur letzten Klospülung. _Der erste, der mich wegen einer defekten Toilette ruft, ist tot!_ schwor er sich. "Hoshi", er schlug einen bewusst schmeichelnden Ton an, "Sie sind unser Kommunikations-As, wenn Sie die Systeme täglich benutzen, müssen Sie auch lernen, wie sie funktionieren. Von Grund auf. Jeden Schaltkreis. Ziehen Sie sich die Pläne aus dem Computer und versuchen Sie erst einmal, das Problem selbst zu beheben! Bitte!" Ob sie das Flehen in seiner Stimme hörte?

Mehrere Sekunden der Stille verstrichen, bevor ihre knappe Antwort kam. Sie klang nicht sonderlich glücklich; er würde es beizeiten bei einem Essen erklären, irgendwann, wenn sich die Lage etwas entspannt hatte.

"Verstanden, Sir."

Er fühlte sich genötigt, ihr zumindest etwas Aufmerksamkeit in Aussicht zu stellen, also meinte er noch: "Wenn Sie es bis morgen nicht schaffen, werde ich mich dann als erstes darum kümmern. Versprochen. Heute ist es allerdings wirklich übel..."

"Ich werde es versuchen, Sir. Sato Ende."

So... und jetzt weiter zum Waffendeck!

**************

"Hoch... höher... nein, etwas weiter links..."

Die zwei Männer hievten den Torpedo mit einem Scheppern auf die oberste Aufhängung des Regals und griffen nach dem nächsten. Eine Knochenarbeit, er beneidete sie nicht darum. Speziell nicht, wenn man sie unter dem wachsamen Blick des Sektionschefs verrichten musste, der selbst aber auch nicht faul war, sondern den Inhalt von sechs großen Transportcontainern kontrollierte und dabei drei PADDs jonglierte, einen Ausdruck verbissener Konzentration auf dem Gesicht. Lieutenant Malcolm Reed im für ihn so typischen Profi-und-Perfektions-Modus, und natürlich erwartete er von seinen Leuten die gleiche Leistung. Mindestens.

"Malcolm", unterbrach Tucker ihn mit einem Zuruf und kletterte die Leiter hinunter. Hoffentlich würde der taktische Offizier nicht allzu viel seiner Zeit in Anspruch nehmen; er hatte auf seiner Liste noch zwei Neuinstallationen im Maschinenraum und die hatten – wie alles – 'höchste Priorität'. Direkt nach dem verfluchten Lüftungsproblem, über das sich alle fünf Minuten jemand beschwerte. Ach, ja, und T'Pol mit ihren Sensoren... Er sollte seinen Kommunikator irgendwo liegen lassen... oder einen Anrufbeantworter dazuschalten. Dass er jetzt hier war, war ein reiner Freundschaftsdienst. "Wo brennt's?"

Der Brite blickte zu ihm hoch und brauchte gar nichts zu sagen. Tucker kannte diesen Ausdruck, der in die schiefergrauen Augen trat, wenn Reed absolut nicht zum Scherzen aufgelegt war. "Nirgendwo", lautete die brüske Antwort und der kühle Tonfall untermauerte die Vermutung, genauso die vor der Brust verschränkten Arme. Bei Reed bedeutete diese Geste weniger Defensive als Angriff. "Noch nicht." Er hielt dem Ingenieur eines der PADDs entgegen. "Commander, ich vermisse eine beträchtliche Anzahl von verschiedenen Komponenten – hauptsächlich Elektronikbauteile, Datenchips, Energiezellen, zwanzig Spannungsregler, drei Meter optisches Fiberglaskabel und noch so manches mehr... Die Ersatzteile sollten sich in diesen Containern befinden, doch weicht der Inhalt von den Inventurlisten ab, die ich bei unserem Auslaufen erstellt habe. Unerklärlicherweise", fügte er spitz hinzu.

"Vielleicht haben Sie sich verzählt?", versuchte er es auf die Mein-Name-ist-Hase-Tour.

Doch Reed hörte gar nicht zu. "Und keiner meiner Leute würde sich ungefragt an Ressourcen vergreifen, die offiziell zur Verwendung der taktischen Abteilung – sprich MIR – deklariert sind."

Nein, das würde niemand, der Malcolm Reed jemals beim Kampfsporttraining gesehen hatte, auch nur im Traum wagen!

"Irgendwie muss dieses Schiff ja am Laufen gehalten werden! Da ist etwas... Initiative gefragt!", verteidigte er sich, gestand damit seine Schuld ein. Er hatte einfach nicht die Zeit für eine aufwendige Lüge.

Die Tatsache, dass der Ingenieur es so freimütig zugab, anstatt erst zig Ausflüchte zu machen, nahm Reed den Wind aus den Segeln und er stutzte. Für eine Sekunde. Dann fand er seinen Faden wieder und trat vor den größeren Mann, sah ihm direkt in die Augen. "Commander, bei allem Respekt, dieses Ersatzteillager ist kein Selbstbedienungsladen für die übrigen Abteilungen! Ich habe vollstes Verständnis für die Notwendigkeit Ihrer... Handlungen, aber ich hätte es begrüßt, wenn Sie mich davon in Kenntnis gesetzt hätten."

"Einen Zettel mit 'Habe drei Flaschen Dichtungsmittel entnommen. Werde sie ersetzen. Gruß, Trip'?"

"So in der Art."

"Manchmal fehlt die Zeit, Lieutenant." So wie jetzt.

"Zweifellos."

"Ich verspreche, in Zukunft etwas rücksichtsvoller zu sein."

"Danke, Commander." Reeds ernste Miene taute etwas auf, war aber von einem Lächeln noch weit entfernt. "Jetzt wo wir das geklärt haben, Trip... die Temperaturkontrollen in meinem Quartier sind ausgefallen. Als ich heute morgen ging, herrschten frostige minus zehn Grad. Meine Dusche war bereits vereist und ich musste bei Mayweather duschen, weil du ja bereits schon auf und davon warst, als ich klingelte."

_Wenn's weiter nichts ist... wenigstens nimmt er vom 'Sie' Abstand...._ "Frühschicht. Und sie dauert immer noch an, wie du siehst."

Auch für Reed waren Doppel- und Dreifachschichten kein Fremdwort. "Der sprichwörtliche Wurm ist drin, hm?"

"Eine ganze Dose Würmer, Malcolm", stöhnte er und rieb sich die brennenden Augen. "Ich versuche, das irgendwo einzuschieben oder ich schicke jemanden, der sich um dein Problem kümmert. Aber heute ist eine ganz neue Kategorie Alptraum."

"Kommst du klar?"

Trip tippte sich in einem Halbsalut an die Stirn und brachte ein Lächeln zustande. "Sicher. Ich bin Mitglied des Ingenieur-Geheimbundes, IKEA."

"Ikea?"

"Ingenieure Können Einfach Alles."

"Aha."

"Ich bin dann unterwegs zum G-Deck."

Malcolm verzog den Mund, zeigte ein Minimum an Mitgefühl für seinen Kollegen und Freund. "Der Biomaterie-Umwandler, huh?" Groß was anderes gab es da unten nicht, das kaputtgehen konnte.

"Du hast es erraten... und danach darf ich das Schwerkraftfeld in der Krankenstation und drei weiteren Sektionen auf dem E-Deck neu kalibrieren."

"Der Tag hat nur 24 Stunden und wenn die nicht reichen, nehmen wir die Nacht dazu."

"Das Schicksal des Ingenieurs." Damit verließ er das Waffendeck, überließ Malcolm seinen Torpedos und Malcolms Mitarbeiter dem Perfektionismus ihres Vorgesetzten.

**************

Eine Viertelstunde später robbte er durch fingerdicken Staub und kaum dass er eine Hand ausstreckte, einige Schläuche berührte, überzog eine klebrige, schwarze Schmierschicht alle fünf Finger. Angeekelt zog er die Hand zurück und leuchtete mit der Lampe die Länge des engen Tunnels aus. "Verflucht, was für ein Dreck! Hat hier denn noch nie jemand saubergemacht?"

Hinter ihm ließ Calazzi einen Laut des Mitgefühls hören. "Sir, in diesem Tunnel hat seit der Konstruktion des Schiffs niemand Wartungsarbeiten durchgeführt... und Staubwischen ist keine Routineaktivität. Diese Sektion gehört zu den am seltensten begangenen überhaupt... allein die Tatsache, dass es hier was zu reparieren gibt, ist höchst ungewöhnlich."

"Na toll... unerschrocken dort zu wischen, wo noch nie zuvor jemand gewischt hat!"

"Wir sehen uns im Maschinenraum, Sir."

"Ja gut, bis in drei Jahren. Wenn ich dann nicht wieder aufgetaucht bin, schicken Sie bitte Lieutenant Reed mit einem voll ausgerüsteten Suchtrupp los."

"Wer bekommt Ihre Comicsammlung, wenn Ihnen etwas zustößt?"

"*Sie* gewiss nicht, Gian! Also, bis nachher – ich hab' hier etwas Arbeit zu erledigen und da es etwas eng ist, um mir zu helfen, wie zum Beispiel das Werkzeug anreichen, nehmen Sie bitte Nyberg mit und kümmern sich um die Krankenstation."

Calazzi strengte sein Gedächtnis an. "Was war da noch das Problem? Temperatur?"

"Nein, das war Lieutenant Reeds Kabine. Dieses Problem erfordert Ihre Expertise: Schwerkraftfluktuationen." Heute war er nicht leitender Ingenieur, sondern lei-*den*-der Ingenieur, aber warum sollte er der einzige sein? Gian Calazzi hatte einen schwachen Magen, mit dem alle Reparaturen in Zonen mit variierender Schwerkraft zum Drahtseilakt wurden. Schadenfreude war auch eine Freude. Hoffentlich verteilte der junge Techniker nicht sein Frühstück in der halben Krankenstation... vielleicht konnte ihm Phlox ja vorher was gegen die Übelkeit geben, aus reinem Eigeninteresse.

"Ich seh' Sie dann, Sir."

"Ja ja..." Er schob sich noch einen halben Meter vor, drehte seinen Körper soweit es ging auf die Seite und herum, kam auf dem Rücken zu liegen. Das Snakelight schlang er sich um den Nacken und bog es dann gen Decke. Wo waren jetzt die undichten Ventile?

Ah, dort... hinten. Die Ränder waren durch das austretende Gas schon extrem korrodiert, da würde ein Klecks Dichtungsmittel nicht reichen, er würde sie austauschen müssen. Irgendetwas Dickflüssiges, Klebriges tropfte ihm auf die Stirn... und widersetzte sich seinen Bemühungen, es wegzuwischen. Er verteilte es lediglich ungleichmäßig, kleisterte es in seine Haare und Augenbrauen. Besser er wusste nicht, worum es sich handelte!

Er wusste nur, dass er sich auf die nächste Dusche mehr freute als auf Weihnachten.

**********

Früher Abend im Maschinenraum... die Sensoren funktionierten wieder und auch die vom Lüftungsproblem betroffenen Bewohner des D-Decks erfreuten sich wieder an frischer, aufbereiteter Luft...

Captain Archer stand eine Etage höher auf der Plattform vor der Intermixkammer und diskutierte über irgendetwas mit Lisa Hess, lachte und studierte abwechselnd das PADD in seiner Hand und die Anzeigen auf der Kontrolltafel vor ihm. Er trug Zivil, Jogginghosen und ein blaues T-Shirt, das, wie er Hess auf Nachfrage bestätigte, australischen Ursprungs war. Die Traumzeitbilder waren eindeutig. Schlangen, Schildkröten und Schnabeltiere in hypnotischen Linien und Punkten.

Michael Rostov und sein Kollege William Bennett bemerkten erst im letzten Moment, wie der treue vierbeinige Gefährte des Captains eine unmissverständliche Position vor dem geöffneten Panel einnahm, hinter dem die Relais für die halbe Stromversorgung des D-Decks lagen.

"Porthos!"

"Oh Gott, der Hund wird doch wohl nicht –"

Sie konnten nur mit hilflosem Entsetzen zusehen, wie das Drama seinen Lauf nahm. Prompt knisterte und knallte es einige Male lautstark und aus dem Inneren der Jeffries-Röhre kam ein barsches, "Hey! Wer hat das Licht ausgemacht?" Dem folgte ein Laut, der beängstigend klang wie Kopf-trifft-Metall, und ein deftiger Fluch.

Alles war dunkel, nur das gleichmäßige purpurne Pulsieren des Warpantriebs erhellte den Raum. In dieser surrealen Beleuchtung kletterte Archer die Stufen zum unteren Teil des Maschinenraums hinunter und streckte seinen Kopf in den Wartungstunnel, in dem sich irgendwo sein Chefingenieur verbarg. "Trip?", rief er etwas besorgt. "Alles okay?"

Etwas flog heraus und landete mit einem Scheppern direkt vor Archers Füßen. Ein Phasenregulator. Gefolgt von einem Fluxkompensator, einem Schraubenschlüsselset und einigen anderen Instrumenten, die einzeln aus dem Dunkel angesegelt kamen.

"Ihr raubt mir alle noch mal den letzten Nerv! "

"Trip?"

"Ich kündige, Cap'n! Hörst du? Ich *kündige*!"

"Trip!"

"Fristlos. Zumindest erst mal bis übermorgen... Hess, der Laden gehört bis auf weiteres Ihnen."

Auch Porthos hielt Sicherheitsabstand von dem Ingenieur, der erschöpft aus dem Maschinenraum wankte, sich die Beule am Kopf rieb und weiter vor sich hin fluchte.

Archer sah ihm nach und schwankte zwischen Mitleid und Belustigung. Das Mitleid siegte. Besser er folgte ihm, um ihn zu warnen, dass die Atmosphäre in seinem Quartier im Moment keine Spur von Sauerstoff enthielt. Porthos hätte sicher nichts gegen einen Übernachtungsgast...

FINIS
Rezensionen