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Vor der Dämmerung

von Gabi

Kapitel 2

Dr. Crusher eilte zwischen den Krankenlagern hin und her. Sie hatte das medizinische Personal herunter beamen lassen, um die Kolonisten zu versorgen. Jeder der Verletzten musste untersucht werden, bevor sie seinen Transport auf die Enterprise freigeben konnte. Der Zustand der Menschen war weit entfernt von gut. Die Kolonisten hatten keinen Arzt mehr und so war die medizinische Versorgung nahezu zusammengebrochen. Bei bisher acht Patienten hatte die Ärztin nichts mehr ausrichten können. Mit jedem Laken, das sie über den Kopf eines der Kolonisten ziehen musste, stieg ihre Wut.

Troi war bei ihr. Anfangs eigentlich, um den medizinischen Assistenten zu helfen, aber mittlerweile fand sie sich immer häufiger an Crushers Seite, um deren Zorn zu beruhigen.

"Ich glaube es einfach nicht!" fluchte die rothaarige Ärztin, als sie erneut einem Assistenten das Freizeichen für einen weiteren Transport gab. "Hier existiert praktisch keine medizinische Versorgung mehr! Wie lange schon? Zwei Monate, drei?"

In Sekundenbruchteilen zauberte sie ein warmes Lächeln auf ihre Züge und beugte sich über einen Jungen, der den Arm gebrochen hatte. Flüchtig strich sie ihm durch die Haare. "So, wir bringen dich jetzt auf unser Schiff", redete Crusher leise auf ihn ein, "dort werden wir deinen Arm bald wieder in Ordnung gebracht haben."

Troi schüttelte lächelnd den Kopf. Darin war Crusher so gut. Die Welt konnte um sie herum zusammenbrechen, ein Patient würde wichtiger bleiben. Die Betazoidin wusste, dass dieser Umstand der Ärztin schon oft schlaflose Nächte und Selbstzweifel gebracht hatte, wenn sie - wie jetzt - Patienten einfach nicht mehr retten konnte. Aber Troi wusste genauso gut, dass Crusher um nichts in der Welt auf diese Warmherzigkeit verzichten wollte - und ganz bestimmt auch keiner ihrer Patienten.

Sobald der Junge im Transporterstrahl verschwunden war, versteinerten sich die Züge der Ärztin wieder. Durch die Reihen der Verletzten sah sie Captain Picard sich einen Weg bahnen.

"Genau der Mann, den ich brauche“, murmelte sie. Als er bei den beiden Frauen angelangt war, fuhr sie lauter fort. "Warum sind wir nicht schon früher hierhergekommen? Ich hätte diese Leute retten können, wenn ich rechtzeitig dagewesen wäre!"

"Beverly, fangen Sie nicht auch damit an“, Picard kannte die Ärztin zu gut, um über ihren Ausbruch überrascht zu sein, "wir sind so schnell wie nur möglich hierhergekommen, nachdem wir die Nachricht von Starfleet erhalten haben."

Sie schüttelte ihre langen Haare. "Diese Zustände hier sind schon seit ein paar Monaten so, „ sie zeigte auf die umliegenden Lager. "Diesen Leuten hätte geholfen werden können! Ich verstehe einfach nicht, warum sich bisher niemand um die Kolonie gekümmert hat."

Picard legte ihr eine beruhigende Hand auf die Schulter. "Wenn es dir irgendetwas helfen sollte, Beverly, ichverstehe es ebenfalls nicht vollständig."

Sie lächelte schwach, dann drückte sie seine Hand. "Okay."

Damit wandte sie sich auch schon wieder dem nächsten Verletzten zu.

Picard hielt Troi zurück. "Haben Sie etwas Zeit, Deanna?"

Die Betazoidin blickte sich im Lager um. "Ich schätze ja. Hier kann ich nicht viel ausrichten."

"Gut." Die beiden verließen die Kammer und gingen in den Gang hinaus.

"Ich weiß wirklich nicht mehr, was ich denken soll. War es wirklich nicht möglich, ein Schiff ein paar Monate eher hierherzuschicken?"

Die Counselor sah ihn nachdenklich an. "Das Dilithium hat tatsächlich den Ausschlag gegeben, nicht?"

Picard nickte langsam. "Ich fürchte ja." Seine Hände ballten sich zu Fäusten.

"Verdammt! ICH repräsentiere die Sternenflotte hier. Was soll ich den Leuten sagen? 'Ja, uns war das Dilithium wichtig und nicht wirklich ihr'... ist es das, was ich ihnen sagen soll?"

"Captain", Troi berührte seinen Arm. "Das einzige, was jetzt wichtig ist, ist der Umstand, dass Sie Stärke zeigen. Ganz gleich, was alles falsch gelaufen ist, es ist jetzt zu spät, daran etwas zu ändern. Das sind Dinge, die wir danach intern regeln müssen. Aber jetzt müssen wir dafür sorgen, dass die Kolonisten wieder Hoffnung schöpfen. Die Leute hier hängen von Tijut ab..."

"Ja, das ist wahr", bestätigte Picard, "Sie ist eine außergewöhnlich starke Anführerin..."

"Nein", Troi schüttelte den Kopf, "das ist sie nicht. Sie wurde in ihre Rolle gedrängt. Sie weiß, dass die Leute zu ihr aufsehen, und deswegen erscheint sie nach außen so resolut," die Betazoidin lächelte den Captain schwach an, "aber sie beginnt Ihnen zu vertrauen und damit geht einher, dass sie bereit ist, ihre Kompetenzen abzugeben. Es scheint so, dass sie nur auf den Tag gewartet hat, an dem jemand kommen würde, der sagt: 'Es ist in Ordnung, ab jetzt übernehme ich die Verantwortung.' Durch Ihre Art sind Sie der 'Jemand' für sie, Captain. Tijut ist mehr als bereit, die Verantwortung, die auf ihr lastet, einem anderen zu übergeben."

Picard blieb stehen. "Sie erscheint mir beim besten Willen nicht so, als wolle sie auch nur ein bisschen nachgeben, Counselor."

"Ja, das ist das äußere Bild von ihr. Sie müssen verstehen, sie hat wirklich eine enorme Verantwortung hier... Wie soll ich es sagen? Es steht zu viel auf dem Spiel für sie, als dass sie ihre Leute einfach einem Fremden anvertrauen kann - aber sie will es, sie sehnt sich danach. Sie ist einfach noch zu jung, um diese Aufgabe auf Dauer zu verkraften." Troi blickte ihren Captain ernst an. "Sorgen Sie dafür, dass sie Ihnen vertraut, Captain."

Picard lächelte und drückte den Arm der Betazoidin. "Das werde ich, Counselor. Zumindest das ist die Sternenflotte ihr schuldig."

+++++++

Die unterirdischen Gänge hatten sich in ein wahres Lagerhaus verwandelt. Seit zwei Stunden wurden Personal und Ausrüstung von der Enterprise hinunter gebeamt. Commander Riker und Lieutenant Worf überwachten die Aktivitäten. Sie verteilten Geräte an die wartenden Kolonisten und wiesen die neuangekommenen Sicherheitsoffiziere von der Enterprise kurz ein.

Tijut saß etwas abseits und beobachtete das Treiben argwöhnisch. Sie war sich immer noch nicht im Klaren darüber, wie weit sie den Sternenflottenoffizieren vertrauen sollte - und sie war auf keinen Fall bereit, die Leute unbewacht in ihren Gängen operieren zu lassen. Die junge Frau hatte sich in die Schatten zurückgelehnt, so dass sie nicht ohne weiteres vom Hauptkorridor aus zu erkennen war. Das war die einzige Privatsphäre, die sie sich seit Monaten genehmigen konnte. Seit ihr Vater bei dem Angriff ums Leben gekommen war, war sie Tag und Nacht auf den Beinen gewesen. Sie musste Anführerin und Trostspenderin zugleich sein. Es gab kaum einen Augenblick, den sie für sich allein hatte. Immer gab es jemanden, der ihre Hilfe benötigte und sie wusste sehr gut, wie wichtig es war, den Leuten Hoffnung zu machen - auch wenn es Augenblicke gegeben hatte, in denen sie selbst nicht an das geglaubt hatte, was sie mit tapferer Miene beteuerte. Jetzt, wo das Flottenschiff angekommen war, war es das erste Mal seit geraumer Zeit, dass sie wieder begann daran zu glauben, dass sie überleben konnten. Alleine dafür hätte sie den Offizieren dankbar sein sollen, aber alles, was sie fühlte, war Wut auf das System, das sie so lange im Stich gelassen hatte. Sie hasste die Art, wie die beiden Kommandooffiziere ihren Leuten Anweisungen gaben. Sie hasste die Art, wie sich das Enterprisepersonal sofort in den Höhlen breit machte. Sie hasste es, wie ihre eigenen Leute den Offizieren gehorchten. Sie hasste die Überheblichkeit der Gespräche - die Leute hatten überhaupt keine Ahnung, was es hieß, um sein Leben zu kämpfen. Sie hatten ihre Luxusschiffe, ihre sauberen Quartiere, ihre Überlegenheit im All. Keine Erde, die unter den eigenen Händen fruchtbar wurde, keine Häuser, die dem Wetter entgegen trotzten, keine Heimat...

"Darf ich mich zu Ihnen setzen?"

Tijut fuhr auf. Ihr Rücken versteifte sich sofort, die Träne, die sich vor Zorn in ihrem Auge gebildet hatte, wurde blitzschnell weggewischt und ihre Züge verhärteten sich. Das alles beanspruchte nur einen Sekundenbruchteil. Sie hatte in den Monaten gelernt, dass es niemandem etwas nutzte, wenn sie ihre Schwäche eingestand - außer ihr selbst...

Der Captain hatte sich zu ihr hinunter gebeugt und sah sie fragend an. Seltsamerweise war er der einzige, in dessen Stimme sie nicht die Überheblichkeit der Offiziere zu hören glaubte. Es war etwas in seinen Augen, was ihr ehrlich erschien - dennoch, er war Sternenflotte.

"Wenn Sie keinen anderen Fleck in diesen Höhlen finden, bitte", mit einer gewissen Genugtuung bemerkte sie die kurze Enttäuschung, die die Augen des Mannes auf diese unfreundliche Bemerkung hin verdunkelte. Sie sollten bloß nicht glauben, dass sie hier herein kommen konnten und ihnen dann jeder um den Hals fallen würde.

"Ich habe mit dem Hauptquartier gesprochen", begann er noch während er sich setzte, "und ihnen die dringende Lage hier klargemacht. Sie werden vier Kriegsschiffe schicken. Wir können sie in etwas weniger als einer Woche erwarten."

"Gut," diesmal musste sie sich sehr anstrengen, um die Erleichterung nicht in ihrer Stimme anklingen zu lassen. In einer Woche würde es vorbei sein, endgültig vorbei.

"Solange werden wir bei Ihnen bleiben und Ihnen jede mögliche Unterstützung geben. Aber ich würde vorschlagen, dass wir keine..."

"... keine Überfälle auf die Nariner-Posten mehr starten. Ich bin Ihrer Meinung. Das einzige, was jetzt wichtig ist, ist durchzuhalten." Sie bemerkte seinen überraschten Blick und fügte hinzu: "Mit meiner Weisheit wäre es wohl nicht weit her, wenn ich das nicht erkennen würde."

Der Captain schüttelte den Kopf. "Es tut mir leid. Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen, Tijut. Ich... es ist nur..."

"Weil ich so jung bin, „ bemerkte sie leidenschaftslos, "ich habe leider keine große Wahl, mich mit Dingen zu beschäftigen, die meinem Alter angemessener wären." Sie drehte sich leicht zu Picard um. "Ich habe hier das Kommando. Ich möchte, dass das Ihnen und besonders den beiden dort..." mit diesen Worten zeigte sie auf Worf und Riker, "... klar ist."

Picard nickte. "Ich kann mich nur wiederholen: Es tut mir leid. Ich wollte auf keinen Fall Ihre Kompetenz in Frage stellen..."

"Die Leute von der Enterprise werden hier unten meinen Anweisungen gehorchen. Können Sie auch damit leben?"

"Ich werde mit ihnen reden“, versicherte der Captain. "Hören Sie, ich möchte, dass wir so gut es geht zusammenarbeiten. Wir haben einfach keinen Raum für Machtkämpfe hier."

"Ganz meine Meinung," bestätigte Tijut. "Es freut mich, dass darüber Klarheit herrscht." Damit wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Transportpunkt zu. Der Transport des Sicherheitspersonals hatte aufgehört und es kamen nur noch Geräte in der Höhle an.

"Sind das alle Leute, die Sie haben?" fragte die junge Frau schließlich.

"Ja“, bestätigte Picard, "die Enterprise ist kein Kriegsschiff. Die Besatzung besteht zum größten Teil aus Wissenschaftlern und Zivilisten - und die werde ich nicht hier unten in Gefahr bringen!"

Tijut nickte, "Das kann ich verstehen."

Dann erhob sie sich. "Kommen Sie, Picard, lassen Sie uns die Parteien einander vorstellen."

Während der Captain aufstand, beobachtete sie ihn aus den Augenwinkeln. Sie wollte es nicht unbedingt vor sich zugeben, aber er war ihr sympathisch. Sie sehnte sich danach, ihm zu vertrauen, einfach ihre Schilde fallen lassen zu können - aber was, wenn er ihre Verwundbarkeit ausnutzte?

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Im Gang machte sich Lärm breit. Picard und Riker erhoben sich von den Kisten, auf denen sie für eine Besprechung gesessen hatten, und traten aus der kleinen Kammer hinaus. Am einen Ende des Ganges kam gerade Benaii in ihr Gesichtsfeld. Er rannte atemlos.

"Sie kommen! Sie sind in Abschnitt 3 eingedrungen!"

Tijut war sofort zur Stelle. Picard hatte nicht bemerkt, wo sie hergekommen war - sie war einfach da, nach außen ruhig und sicher. Riker wollte sich gerade daran machen, Worf und das Sicherheitspersonal zusammenzutrommeln, als Picard ihn zurückhielt.

"Jetzt ist es wichtig, dass es keinen Machtkampf gibt, Nummer Eins“, raunte er Riker zu. "Ich möchte, dass Sie das Lieutenant Worf und den anderen einbläuen. Ganz gleich, was passiert, es muss wenigstens so aussehen, als ob Tijut das Kommando hier hat, verstanden?"

Der erste Offizier versicherte. "Vollkommen, Sir. Machen Sie sich in diesem Punkt keine Sorge."

Picard nickte ihm dankbar zu und bahnte sich dann seinen Weg zu Tijut.

"Ganz ruhig, Benaii. Komm erst einmal zu Atem." Während die junge Frau den Mann väterlich beim Arm fasste, gestikulierte sie mit der anderen Hand den Umstehenden, dass sie die Waffen verteilen sollten.

"Wie weit sind sie und konntest Du erkennen, wie viele es sind?"

"Sie waren gerade dabei, die Höhle zu betreten. Ich konnte mich noch rechtzeitig zurückziehen. Sie haben mich auf keinen Fall bemerkt." berichtete Benaii etwas ruhiger.

"Wissen sie, dass wir hier sind?"

"Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht ist es nur einer der üblichen Spürtrupps."

"In Ordnung“, Tijut sah sich um. Mittlerweile hatten sich auch die Enterpriseleute um sie herum versammelt.

"Rogmur," sprach sie einen ihrer Leute an, "Deine Gruppe kommt mit mir nach Abschnitt 3. Die anderen warten hier. Verteilt Euch in den Gängen und Kammern und verhaltet Euch ruhig. Falls sie nicht wirklich wissen, dass wir hier sind, will ich nicht, dass sie durch unvorsichtige Geräusche aufmerksam werden. - Und wenn sie durch unsere Reihen durchbrechen können, dann bereitet ihnen hier einen Empfang vor, den sie nicht vergessen werden."

Worf warf Riker einen ungeduldigen Blick zu, als sich ein kleiner Teil der Kolonisten auf den Weg den Gang hinunter machte. "Sir?"

Der Unmut des Klingonen blieb von Tijut nicht unbemerkt. Sie blieb stehen. "Es hat keinen Zweck, wenn wir uns in den Gängen auf den Füßen herumstehen. Ihre Leute sind nützlicher, wenn sie hier das Lager verteidigen."

Picard trat vor, bevor Worf oder Riker etwas erwidern konnten. "Ich komme mit Ihnen, Tijut", verkündete er und als er bemerkte, dass sowohl Tijut als auch Riker den Mund zum Widerspruch öffneten, fügte er rasch hinzu: "Und es hat absolut keinen Zweck darüber jetzt zu diskutieren. Wir haben keine Zeit."

"Dann werden wir ebenfalls mitkommen", brummte Worf. Der Commander nickte bestätigend.

Tijut hob resigniert die Hände. "Meinetwegen. Aber den ersten, der versucht einen Alleingang zu machen, erschieße ich eigenhändig, ist das klar?"

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Die Gruppe blieb von Zeit zu Zeit stehen, um zu lauschen. Die ersten zehn Minuten war es ruhig im Gang vor ihnen. Dann kam die Vorhut zurück, die Rogmur ausgesandt hatte. Die Frau legte einen Finger auf ihre Lippen, als sie zur Gruppe stieß. "Sie befinden sich hinter den nächsten zwei Biegungen."

"Wie viele sind es?" wollte Tijut flüsternd wissen.

"Etwa zwanzig."

"Gut“, Tijut sah sich kurz um. "Es ist besser, wir bleiben hier und lassen sie kommen. Der Gang ist hier breiter." Mit raschen Handbewegungen verteilte sie ihre Leute an den Wänden. Picard blieb an ihrer Seite, während Worf und Riker Stellung an der gegenüberliegenden Wand bezogen.

"Versteckt Euch so gut es geht und unternehmt nichts, bis ich nicht das Signal gebe. Es darf keiner entkommen, der die anderen von unserem Stützpunkt informieren könnte“, raunte sie.

Rogmur, der die Kopfposition innehatte wandte sich um, und bedeutete den anderen zu schweigen. Sofort gingen sämtliche Taschenlampen aus und der Gang fiel in unheimliche Stille.

Picard spielte mit dem Gedanken, der neben ihm an die Wand gepressten Tijut die Hand zu drücken, um ihr etwas moralische Unterstützung zu geben. Aber er überlegte es sich anders. So wie er Tijut einschätzte, würde sie diese Geste als Beleidigung auffassen. Er konzentrierte sich stattdessen auf die allmählich deutlicher vernehmbaren Geräusche im Gang vor ihnen. Es dauerte nicht lange, bis sie einzelne gedämpfte Stimmen ausmachen konnten. Die Nariner waren nur noch eine Biegung entfernt. Picard verstärkte den Griff um seinen Phaser, als er eine Berührung an seiner freien Hand spürte. Erstaunt wandte er den Kopf zu Tijut um. Sie hatte seine Finger gefasst und drückte sie kurz.

"Viel Glück", flüsterte sie in sein Ohr.

Picard lächelte erleichtert in die Dunkelheit und erwiderte ihren Händedruck. Dann waren die ersten Nariner zwischen ihnen. Falls es überhaupt möglich war, pressten die Kolonisten sich noch flacher an die Wände. Jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, bis der erste Strahl einer Taschenlampe einen von ihnen erfasste.

Tijut behielt die Lichtkegel der vorübergegangenen Soldaten so angestrengt im Auge, dass sie im ersten Moment nicht reagierte, als ihr eigenes Gesicht von einem Licht erfasst wurde. Dann aber stieß sie sich von der Wand ab und rief: "Los!"

Von beiden Seiten des Ganges lösten sich die Kolonisten und stürzten sich auf die Nariner. Taschenlampen fielen, erloschen, Phaserschüsse erhellten stattdessen die Dunkelheit. Picard fragte sich flüchtig, wie man Freund von Feind unterscheiden sollte, und hoffte, dass die anderen ihre Phaser auf Betäubung gestellt hatten, bevor auch er in einem Handgemenge unterging.

Von Zeit zu Zeit unternahm ein Nariner den Versuch, den Kampfplatz von etwas außerhalb mit der Taschenlampe zu erhellen, was aber regelmäßig damit endete, dass sich einer der Kolonisten auf das nun gut sichtbare Ziel stürzte. Nach einiger Zeit versank der Gang in völliger Dunkelheit.

Picard hatte sich schon lange nicht mehr im Handkampf geübt und merkte nun, wie schwer es ihm fiel, einen Gegner zu packen, von dem er nichts sah. Ein stechender Schmerz fuhr durch sein Schulterblatt, als ihm von irgendwo aus der Dunkelheit ein spitzer Gegenstand in den Oberarm gestoßen wurde. Er rollte sich zur Seite, um einem weiteren Stoß zu entgehen und krachte dabei mit dem Rücken gegen die Höhlenwand. Fluchend robbte er an der Wand entlang, bis ein Fuß in den Bereich seiner Hände kam. Der Captain riss die Gestalt zu Boden und hoffte, dass es sich dabei nicht um einen Kolonisten gehandelt hatte.

Weiter zur Seite des Ausganges hin, war Tijuts Stimme zu vernehmen: "Da wollen welche fliehen. Lasst sie nicht entkommen!" Augenblicklich war die vordere Hälfte des Ganges erhellt vom Feuer der Phaser. In ihrem Licht konnte Picard erkennen, wie vier Nariner zu Boden stürzten. Zwei weitere verschwanden um die Biegung.

"Ihnen nach!" schrie Tijut, dann wandte sie sich zum rückwärtigen Teil des Ganges um. "Licht!"

An den Seiten wurden ein paar Taschenlampen eingeschaltet, die den Kampfplatz beleuchteten. Nur wenige Personen waren noch auf den Beinen. Tijut stand mit zwei weiteren Kolonisten und Worf am einen Ende des Platzes. Sie hatten ihre Phaser auf die Gegner gerichtet.

"Keine Bewegung!" befahl die Frau laut. "Los, mehr Licht."

Ein paar der Kolonisten begannen den Platz mit Taschenlampen abzugehen. Jeder Nariner, der es wagte sich zu bewegen wurde sofort niedergeschossen. Picard konnte den erbarmungslosen Blick Tijuts sehen - und fragte sich zum wiederholten Mal in den letzten paar Tagen, ob er wohl jemals hinter die Schutzschilde dieser Frau dringen konnte.

Er richtete sich an der Wand auf - darauf bedacht, Tijut zu signalisieren, dass er kein Nariner war. Ein kurzes Lächeln streifte die Augen der jungen Frau, als sie den Captain bemerkte.

"Sir, sind Sie okay?" erklang Rikers Stimme von der gegenüberliegenden Wand.

Picard nickte und berührte mit seinem unverletzten Arm den Communicator. "Dr. Crusher!"

Die Ärztin meldete sich sofort. Auch in ihrer Stimme war die Erleichterung zu hören, als sie die Stimme des Captain erkannte.

"Kommen Sie mit Ihren Leuten hierher, Doctor."

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Crusher desinfizierte die Wunde und applizierte einen Sprühverband. Ihre Hand ruhte auf Picards Schulter, "So, das wäre wieder in Ordnung, Jean-Luc. Beweg' den Arm in den nächsten Tagen nicht zu sehr."

"Danke Doctor, ich versuche es mir zu merken“, Picard griff mit der anderen Hand nach seiner Uniformjacke. Crusher half ihm, sie sich um die Schultern zu hängen, dann ging sie vor seinem Lager in die Knie. "Jean-Luc, was ist denn in dich gefahren?" fragte sie mit leichtem Tadel in ihrer Stimme, "es ist nicht deine Aufgabe, dich mit bloßen Fäusten in die Schlacht zu stürzen."

Ein fast jungenhaftes Grinsen huschte über sein Gesicht. "Ich schätze, in diesem Zusammenhang werde ich auch noch einiges von Will zu hören bekommen."

Crusher nickte bestätigend.

"Aber weißt du was, Beverly? Ich hatte das Gefühl, dass ich es den Leuten hier schuldig bin, zumindest symbolisch an ihrer Seite zu kämpfen..."

"Was aber niemandem etwas genützt hätte, wenn dieses Messer dich weiter rechts erwischt hätte."

"Wer weiß...", überlegte er laut.

Hinter ihm erklang eine bekannte Stimme: "Na, geht es wieder besser?"

Tijut trat um das Lager herum in sein Gesichtsfeld. Ihre Züge wirkten beinahe freundlich. Picard hob fragend die Augenbrauen.

"Ich freue mich, dass Ihnen nichts Ernsthaftes passiert ist“, beantwortete sie seine stumme Frage, was ein ehrliches Lächeln in seine Mundwinkel zauberte.

"Es tut gut, das aus Ihrem Mund zu hören, Tijut."

Crusher betrachtete die beiden stumm und entschied dann, dass es besser wäre, wenn sie einen unauffälligen Rückzug antreten würde.

"Also, das wäre dann alles, Jean-Luc. Ich werde mich jetzt um die anderen kümmern."

Picard nickte ihr dankbar zu, als sie sich abwandte und zu ihren Kollegen hinüberging.

"Darf ich mich setzen?" fragte Tijut und deutete auf die Bretteransammlung, die als Krankenbett diente.

Picard machte eine ausladende Geste mit seiner freien Hand. "Bitte", dann wurde sein Ausdruck ernster, "Wie geht es Ihren Leuten?"

Sie hob die Schultern. "Den Umständen entsprechend gut, würde ich sagen. Keine Toten, aber etliche Stichwunden - kaum Phaserverletzungen. Die anderen sind die dunklen engen Gänge einfach nicht so gewohnt wie wir..."

"Was ist mit den Narinern?"

Sie schwieg kurz, dann meinte sie: "Dank Ihrem Commander Riker, wurden die Verletzten und Gefangenen auf die Enterprise gebracht - ich hätte sie erschossen!"

Picard starrte sie ungläubig an.

"Wir haben kaum genügend Lebensmittel, um unsere eigenen Leute zu versorgen, „ fuhr sie auf, "und wir können es uns sicherlich nicht leisten, Leute für die Bewachung abzustellen!" Sie schüttelte den Kopf, "aber wenn Sie auf der Enterprise sich die Mühe machen wollen, dann soll es mir egal sein."

Der Captain betrachtete sie kurz, "Wahrscheinlich haben Sie von Ihrem Standpunkt aus gesehen sogar recht, Tijut. Es ist für mich nur schwer zu verstehen, wie Sie so gleichgültig über Leben sprechen können..."

Tijuts Kopf flog in die Höhe, in ihren Augen glitzerten Tränen. "Meinen Sie, ich empfinde nichts dabei?" wollte sie zornig wissen, "Ich will keine Toten mehr sehen!" Mit diesen Worten war sie aufgesprungen und eilte aus der 'Krankenabteilung', noch ehe Picard sie zurückhalten konnte.

Ärgerlich auf sich selbst blieb der Captain zurück.

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Eine halbe Stunde später betrat Picard die kleine Kammer, in der sich die Enterpriseoffiziere eingerichtet hatten. Riker und Worf sahen auf und der Commander erhob sich sofort.

"Captain! Gut, Sie zu sehen. Ich hätte es mir nie vergeben, wenn Ihnen etwas Ernsthaftes passiert wäre. Das nächste Mal..."

"Nummer Eins“, unterbrach Picard ihn gutmütig, "mein Leben ist nur zum Teil Ihre Verantwortung. Ich habe auch noch etwas mitzureden... wenn es auch nicht viel zu sein scheint“, fügte er reumütig hinzu.

Riker grinste. "Richtig erkannt, Sir!" dann wurde er wieder ernster, "Beverly hat uns gesagt, dass wir Sie nicht stören sollten, weil Sie hohen Besuch haben. Wie sieht es denn aus?"

Der Captain kniff den Mund zusammen. "Fragen Sie nicht, Nummer Eins. Man muss sehr aufpassen, was man sagt. Ich glaube nicht, dass sie ihre vernichtende Meinung über die Sternenflotte seit unserer Ankunft entscheidend geändert hat..."

"Sie hat nach dem Kampf mit mir gesprochen“, warf der bisher schweigsame Worf ein, "und es war ein...," er suchte kurz nach dem passenden Ausdruck, "... gutes Gespräch."

Sowohl Riker als auch Picard hoben überrascht die Augenbrauen. Der Klingone fuhr fort, etwas irritiert darüber plötzlich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen: "Sie lobte unseren Einsatz und den Umstand, dass wir auf ihr Kommando gehört haben."

Nachdenklich nickte der Captain. "Ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Pluspunkt. Meine Herren, ich wünsche, dass Sie in diesem Sinne auch in Zukunft mit Tijut zusammenarbeiten. Vielleicht besteht doch noch Hoffnung, auf eine freundschaftliche Basis... Nun aber, wie sieht es mit den Narinern aus?" wechselte er das Thema. "Tijut sagte, sie wären auf der Enterprise."

"Das ist richtig, Sir“, bestätigte Riker. "Ich habe veranlasst, dass sie so schnell wie möglich aus der Reichweite der Kolonisten transportiert worden sind – natürlich mit Tijuts Zustimmung."

"Das war eine sehr gute Entscheidung, Nummer Eins. Wissen Sie, ob alle Nariner gefasst worden sind?"

Worfs Miene verdunkelte sich. "Leider nein, Sir. Wir schätzen, dass zwei entkommen konnten."

"Hmmm..."

"Wenn Sie einen von uns erkennen konnten, dann wissen Sie, dass die Sternenflotte hier unten ist," folgerte Riker, "und dann können Sie sich ausrechnen, dass wir im Augenblick nicht genügend Macht haben, sie von hier zu vertreiben ... und sie können sich ausrechnen, dass wir um Hilfe nach gesandt haben..."

"Und was glauben Sie?" fragte Picard.

"Es gibt zwei Möglichkeiten," begann Riker, "entweder sie ziehen sich zurück, was das logischere Vorgehen wäre - oder sie greifen verstärkt an, um möglichst viel zu vernichten, bis die Flotte eintrifft... was das wahrscheinlichere Vorgehen wäre..."

"Sehen Sie da nicht ein bisschen zu schwarz, Nummer Eins? Es ist nicht einmal sicher, dass die Flüchtigen einen von uns dreien überhaupt gesehen haben. Vielleicht denken sie, dass wir immer noch im Orbit kreisen und die Lage sondieren."

"Hoffentlich, Sir."
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