TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Im Schatten der Vernichtung

von Martina Bernsdorf

Schiff der Vernichtung – Teil 2

Ein roter punktueller Lichtstrahl wanderte über die Brücke der Defiant, Metall war zerborsten, elektronische Feuer glühten noch immer in manchen überlasteten Systemen, Metallstücke und Plastikscherben lagen auf dem Boden, dichter Qualm von einem elektronischen Feuer wogte. Hände griffen nach den verletzten Besatzungsmitgliedern der Defiant, zogen sie mit sich.

Plastik knirschte unter schweren Stiefelsohlen, der Lichtstrahl wanderte über die am Boden liegenden Menschen, in Rauch und Dunkelheit gehüllt, bahnten sich die Borg ihren Weg auf die Brücke der Defiant. Noch waren sie wenige, noch war das Bewusstsein, das sie verband, isoliert, gefangen in den Dateien des Hauptcomputers des Borgschiffes, ohne Körper.

Noch waren sie nur wenige, doch das würde sich schon bald ändern.

* * *


Kiras erste Gedanken waren diffus, verschwommen, es war, als triebe sie auf einem Meer von Erinnerungen, Träumen und Ängsten. Ihre Augen bewegten sich unter den Lidern, als sie danach trachtete, die letzten Schleier der Bewusstlosigkeit abzustreifen, ein Hustenreiz quälte ihre Lungen, doch ehe sie diesem Reiz nachgeben konnte, legte sich eine große Hand über ihren Mund und unterdrückte das Geräusch. Kira blinzelte, es war dunkel, kurz meinte sie sich in die Zeiten der Besatzung zurückversetzt, war es Shakaars Hand auf ihrem Mund? Waren sie in eine Falle der Cardassianer geraten? Mit einem erneuten Blinzeln vertrieb Kira die Schleier vor ihren Augen ebenso wie die vor ihrem Bewusstsein, sie erinnerte sich daran, dass die Besatzung längst vorbei war und der Feind, mit dem sie hier konfrontiert war, weitaus gefährlicher war, als jeder Cardassianer hätte sein können.

Die Hand löste sich zögernd von ihrem Mund, und Kira unterdrückte mühsam den Hustenreiz, Rauch trieb auf dem Boden des Schachtes, nur diffuses Notlicht drang in ihr Versteck, aber genug, um in der Dunkelheit Worf ausmachen zu können, dessen Hand es gewesen war, die verhinderte, dass sie mit einem Geräusch ihren Aufenthaltsort verriet.

Kira drehte sich in dem engen Schacht, soweit sie feststellen konnte, war es ein Zugang zu den Jeffreysröhren, in dem sie sich befanden, der direkte Einstieg von der Brücke aus. Worf musste sie in den Schacht gezogen haben, und dazu musste er einen guten Grund gehabt haben. Kira spähte durch das Gitter auf die Brücke, das Notlicht ließ groteske Schatten an den Wänden tanzen, aber es war hell genug, um Einzelheiten zu erkennen. Sie sah die gebrochenen Augen des Navigators, sah die roten Lichtstrahlen, die aufblitzten, wenn die Dioden der künstlichen Borgaugen die Dunkelheit durchdrangen. Sie sah, wie die Borg sich steif auf der Brücke bewegten und systematisch die Toten und Verletzten wegschleppten.

Ein Phaserstrahl zuckte hinter einer Konsole auf, traf einen Borg und schleuderte ihn gegen eine der Wände, wo er scheppernd zu Boden stürzte, um mit zuckenden Gliedern liegenzubleiben. Ein weiterer Strahl traf den nächsten Borg, der das Schicksal seines Kameraden teilte. Die Borg schienen seltsam steif, sie bewegten sich eckig, ungelenk, verharrten manchmal für Sekunden bewegungslos, so als müssen sie erst Befehle erhalten.

„Haben Sie einen Phaser, Worf?“ Kira senkte ihre Stimme zu einem kaum vernehmbaren Flüstern, der Klingone rückte dichter an sie. „Nein, Major.“ Die Feststellung kostete Worf Mühe, nichts hätte er lieber getan, als diesen engen Schacht zu verlassen, um zu kämpfen, aber es musste bessere Möglichkeiten geben, als unbewaffnet auf der Brücke den letzten Kampf zu führen.

Kira beobachtete, wie der nächste Phaserstrahl an einem Körperschild der Borg abprallte. „Justiere den Phaser neu!“ Kiras Flüstern war eindringlich, aber sie wusste, dass es sinnlos war, sie konnte dem einsamen Kämpfer auf der Brücke nicht helfen, und die Kraft ihrer Gedanken konnte ihn auch nicht dazu bewegen, den Phaser neu einzustellen.

Hilflos beobachteten Worf und Kira, wie der Ensign hinter der Konsole hervor gezerrt wurde, der mechanische Arm des Borg bohrte sich in seine Körpermitte, und sein Schrei hallte laut und schrill über die Brücke der Defiant. Es dauerte viel zu lange, ehe er starb, und die ganze Zeit beobachtete der Borg, an dessen mechanischem Arm das Blut des unglücklichen Ensign herabfloss, das Sterben, ohne dass auch nur der Hauch einer Regung in seinem starren, kalkweißen Gesicht zu erkennen war.

* * *


Eine Abdeckplatte in der Decke eines Mannschaftsganges löste sich unter heftigen Tritten und krachte laut auf den Boden. Kira schwang ihren Oberkörper durch den engen Schacht, während Worfs Hand sie am Gürtel ihrer Uniform festhielt. Kira ließ ihren Blick durch den Gang huschen, nichts deutete darauf hin, dass jemand das Geräusch vernommen hatte.

Wenn es noch Besatzungsmitglieder gab, die sich vor den Borg verbargen, dann würden sie sich auf dieses Geräusch hin noch tiefer in ihre Verstecke verkriechen, wenn es Borg gehört hatten, würden sie bereits auf dem Weg sein, den Ursprung des Geräusches zu finden. Kira zog sich in den Schacht zurück und wartete mit Worf darauf, ob Borg den Gang stürmten, nach einer Zeitspanne, die sich unermesslich lange zu dehnen schien, aber in Wirklichkeit nur einige Minuten andauerte, schwang sich Kira, Stiefel voran, in den Gang, hielt sich kurz mit den Händen an der Kante der Deckenplatten fest, ehe sie losließ und, in den Knien abfedernd, auf dem Boden landete. Worf folgte ihrem Beispiel. Rücken an Rücken sahen sie sich um, nirgendwo war Bewegung auszumachen, keine Borg, keine Besatzungsmitglieder.

Kira schlich zur nächsten Gangabzweigung und riskierte einen Blick um die Ecke, noch immer wurde die Defiant von Notenergie versorgt, das Lichtniveau war auf niedrigem Level und erzeugte Schatten, in denen sich der Feind verbergen konnte. Kiras Augen tränten bei dem Versuch, die Dunkelheit zu durchdringen. „Versuchen wir es.“ Sie trat in den Gang, nichts warf sich aus dem Schatten auf sie, keine Laserstrahlen trafen ihren Körper, nur Stille und Schatten.

Wenig später erreichten sie eine der Waffenstationen, die über das ganze Raumschiff verteilt waren, die Phasergewehre mochten nicht ausreichen, um einen Krieg gegen die Borg erfolgreich zu führen, aber sowohl Worf wie auch Kira fühlten sich weitaus wohler, als sie endlich die Waffen in Händen hatten.

Die Bajoranerin strich sich über die Stirn und betrachtete finster das Blut daran. „Haben Sie gesehen, was passiert ist, nachdem wir versucht haben, dem Traktorstrahl zu entkommen?“ An Worfs Uniform waren mehrere schwarze Brandspuren auszumachen, und eine Seite seines Gesichts war von einer Plasmaverbrennung gezeichnet.

„Die Defiant ist dem Traktorstrahl entkommen, aber fast alle Systeme samt den Schilden sind dadurch kurzzeitig zusammengebrochen. Sie waren wie die meisten Besatzungsmitglieder bewusstlos, und an mehreren Orten beamten sich Borg an Bord. Ich habe Sie dann in den Schacht gezogen, dies mag ein guter Tag zum Sterben sein, Major, aber ich möchte so viele Borg mitnehmen wie möglich.“

Kira widerstand der Versuchung, demonstrativ die Augen zu verdrehen bei Worfs Worten über das Sterben. „Ich denke, das ist ein guter Tag, um zu überleben, Worf! Wir müssen versuchen eine Sonde mit einer Warnung an die Förderation abzusetzen!“

* * *


Die Welt schien nur noch aus Donner, Rauch und einem Boden zu bestehen, der sich wild unter ihren Füßen bewegte. So hatte sich Ensign Catlyn McDogal ihre erste Mission nach Abschluss der Akademie nicht vorgestellt.

Mit Warpenergie einem Traktorstrahl entkommen zu wollen, McDogal war sich sicher, dass so ein Manöver nicht in den Lehrbüchern der Akademie stand, höchstens unter dem Punkt, wie man am besten Selbstmord beging. Ein gewaltiger Ruck ging durch die Defiant, Cat McDogal befand sich zu ihrer Verwunderung plötzlich in der Luft, auf einem Flug, der nur unsanft enden konnte. Sie krachte gegen eine der Wände des Maschinenraums, und ihr Bewusstsein flüchtete sich in Dunkelheit.

McDogal blinzelte, ein Funkenregen sprühte aus zerstörten Leitungen, ihr Blick huschte wild zu den Kühlmittelleitungen, auf der Akademie war dies eine der ersten Lektionen, dass ein Maschinenraum mit einem Kühlmittelleck eine Todesfalle war. Zu ihrer Erleichterung war nirgendwo die weiße Wolke, die austretendes Kühlmittel verursachte, zu entdecken. Die Defiant wurde nur noch von Notenergie gespeist, das Licht flackerte unter Energiefluktuationen in der Hauptenergie. Ihr Rücken war ein einziger Schmerz, sie drehte sich vorsichtig zur Seite, wodurch Plastikteile und Metallsplitter von ihrer Uniform regneten.

Ihr Blick suchte nach O´Brien, dem Chefingenieur, aber in dem Chaos im Maschinenraum konnte sie ihn nicht ausfindig machen, überall lagen Besatzungsmitglieder, manche waren bereits wieder auf den Beinen, andere würden sich wohl nie mehr erheben. Mit eisigem Schrecken erkannte sie, dass der Warpkern erloschen war, das Wissen von der Akademie flackerte in ihrem Bewusstsein auf, sie wusste genau, wie lange es dauern würde, einen Warpkern neu zu starten, und sie wünschte kurz, sie wusste es nicht, dann wäre die Aussichtslosigkeit ihrer Situation nicht so niederschmetternd gewesen.

Borg, wie alle an der Akademie kannte sie die Berichte, kannte sie die Simulationen auf dem Holodeck, kannte sie den Wolf 359-Test für angehende Sternenflottenoffiziere. Dieses Szenario hatte den berühmten Kobayashi Maru Test abgelöst. Ein Szenario, in dem es keinen Sieg gab, sondern nur die Niederlage. McDogal hatte ihn dreimal absolviert, nie zufrieden mit ihrer Leistung, bis ihr klar wurde, dass es keinen Sieg gab und kein Überleben in diesem Test. Beim drittenmal hatte ihr Kampf immerhin drei Stunden gedauert, ehe sie vernichtet wurde, soweit sie wusste, war das die Bestleistung ihres Jahrganges gewesen.

McDogal schloss die Augen und ballte die Fäuste, mit der Macht ihres Willens versuchte sie sich zurückzuwünschen, zu dieser Simulation, warum konnte nicht ein Admiral durch die Türe des Holodecks treten und sagen: „Gratuliere, Ensign McDogal, sie sind tot?“

Der Klang von Schritten ließ sie ihre Augen aufreißen, und ihr wurde schonungslos bewusst, dass dies keine Hologramme waren, die den Maschinenraum betraten. Rote Lichtstrahlen zuckten über Wände, schwere Schritte ließen Metall- und Plastiksplitter knirschen. Das Zischen eines Phasers erklang, einer der Borg stürzte. McDogal robbte vorsichtig über den Boden, zu einer der Konsolen, dort waren Phaser in einer Wandhalterung angebracht.

Weitere Phaserschüsse erhellten das Szenario im Maschinenraum mit glühenden Blitzen, doch die Borg erwiderten das Feuer, Ensign McDogal roch das versengte Fleisch des Lt. Commander, durch dessen Brust sich ein Borgphaserstrahl bohrte und ihn auf der Stelle tötete.

Phaserstrahlen brachen sich an Körperschilden der Borg, und ehe der Schütze dazu kam, seine Waffe neu zu justieren, schlug ein künstlicher Borgarm zu und zerschmetterte den Arm seines Angreifers.

Schreie, Rauch, McDogal presste die Hände auf die Ohren und verkroch sich weiter unter die Konsole, der Phaser war vergessen, den sie hier zu finden hoffte. Sie presste nur die Augenlider zusammen, hielt sich die Ohren zu und wünschte sich weit weg, wünschte, sie hätte nie die Akademie besucht, wünschte, sie hätte die Sterne Sterne sein lassen, hätte nie den Wunsch gehabt, sie zu erforschen, nie den Traum geträumt, einmal Sternenflottencaptain zu werden.

Sie war erst neunzehn, sie wollte nicht sterben. Doch vielleicht war der Tod sogar ein Geschenk an Bord der Defiant, sie wusste, was die Borg mit Humanoiden taten, die sie lebend fingen, sie wusste auch, was es bedeutete, dass die Borg die Verletzten und Toten systematisch aus dem Raum zerrten.

Assimilation.

Einer von ihnen werden.

Kein eigenes Bewusstsein mehr, nur noch eine Marionette unter einem kollektiven Bewusstsein, ein Werkzeug, um andere Völker zu assimilieren, ein Teil einer gefräßigen Maschinerie der Vernichtung. Catlyn McDogal öffnete ihre Augen wieder, und ihre Finger glitten über die Wandhalterung, in der die Phaser steckten, sie zog beide Waffen heraus, steckte einen in die Halterung an ihrem Uniformgürtel und stellte den anderen auf Töten.

Sie erhob sich auf die Knie, kauerte unter der Konsole und blickte sich um, die Borg hatten fast alle Besatzungsmitglieder aus dem Maschinenraum gebracht. Nur zwei Borg befanden sich noch im Raum. Mit Schrecken sah sie, wie sie einen bewusstlosen Mann unsanft an den Armen aus dem Raum zerren wollten, Blut und Ruß klebte an seinem Gesicht, und doch erkannte sie Chief O´Brien.

McDogal wusste, dass sie eine Entscheidung zu treffen hatte, sie hatte in ihren Träumen immer eine Heldin sein wollen, hatte das Abenteuer gesucht, war deshalb zur Akademie gegangen und hatte sich nie mit etwas zufrieden gegeben, dass nicht das Beste gewesen wäre. Sie wusste, dass sie kämpfen konnte oder aufgeben. Der Tod oder die Assimilation, es war erstaunlich, wie leicht die Entscheidung fiel.

Der Phaserstrahl traf den Borg direkt am Kopf und ließ ihn in einem Funkenregen explodieren, seinen Händen entglitt O´Briens Arm, und zuckend krachte der Borg zu Boden. McDogal fühlte die Hitze des Borglasers, der nur Millimeter an ihrer Wange vorbeistrich und ein Stück der Konsole neben ihr verbrannte. Sie schob den Regler auf eine andere Justierung und traf den verbliebenen Borg mitten in die Brust, um die eigene Achse torkelnd taumelte er durch den Raum.

Cat McDogal ignorierte ihren protestierenden Rücken und sprang auf die Beine, sie wusste, dass sie nur wenig Zeit hatte, vielleicht nicht mal Sekunden, ehe noch mehr Borg den Maschinenraum stürmen würden. Schlitternd kam sie neben dem bewusstlosen Chief O´Brien zu stehen.

„Vielleicht ist er ja tot“, mit äußerster Willensanstrengung bannte die Ensign diesen Gedanken und schüttelte den Mann an den Schultern. Er war viel zu schwer für sie, um ihn zu bewegen, in ihrer Akademieklasse hatte man sie gerne wegen ihrer geringen Körpergröße aufgezogen.

Blut und Ruß waren auf dem Gesicht des Chefingenieurs verschmiert, aus einer Platzwunde an der Stirn sickerte noch immer Blut, welches sein lockiges, blondes Haar verklebte. „Chief O´Brien!“ McDogal erlaubte sich nicht mehr als ein etwas lauteres Flüstern, während ihr Blick panisch zum offenen Schott des Maschinenraumes glitt, in der Erwartung, durch den Rauch gleich Borg treten zu sehen.

Sie schüttelte den Mann erneut an den Schultern, er war immerhin ein Senioroffizier, er hatte Erfahrung, er musste wissen, was sie nun tun konnten, er würde wissen, wie man den Borg entkommen konnte. McDogal fühlte die Tränen, die sich ihren Weg über ihre Wangen bahnten, und schüttelte den Kopf. „Gottverdammt!“ Sie holte mit der flachen Hand aus und schlug gegen die Wange des Chefingenieurs. In ihrem Kopf meldete sich eine Stimme, die ihr ernst erklärte, was es für Strafen nach sich zog, wenn man einen hochrangigen Offizier schlug.

„Zur Hölle damit, Cat!“ erklärte sie sich selbst und schlug erneut zu. Die Augenlider des Iren flatterten. „Los doch, Chief!“ McDogals Blick huschte wieder zu dem offenen Schott, war es eine Sinnestäuschung oder sah sie nicht ein blitzend rotes Licht in diesem Rauch und Schatten? Ein Licht, wie es in den künstlichen Augen von Borg glomm?

O´Brien hustete. „Was ist passiert?“

McDogal zog bereits energisch an seinem Arm, viel ausrichten konnte die kleine Ensign damit nicht, aber O´Brien erkannte, dass ihre Aktion von einer Hast geprägt war, die einen Grund haben musste. Er versuchte auf die Beine zu kommen und konnte sehen, wie sich im offenen Schott zum Maschinenraum etwas bewegte, groß, schwarz, mit eckigen Bewegungen, Borg!

O´Brien packte die junge Ensign, deren Namen ihm momentan nicht einfiel, am Arm und zog sie hinter sich her. Rasch öffnete er eine der Abdeckplatten der Kabelschächte. „Da hinein!“ Die junge Frau kroch geschickt in den engen Schacht, O´Brien hatte mehr Schwierigkeiten damit, durch den engen Einstieg zu gelangen, mühsam drehte er sich auf den Rücken und zog die Abdeckplatte zu. Er robbte weiter, bis der Kabelschacht etwas breiter wurde und er zumindest auf Händen und Knien kriechen konnte. Das Notlicht in dem Kabelschacht war nur schwach. Er blickte die junge Ensign an, die ihn mit katzengrünen, schockgeweiteten Augen ansah. „Was machen wir nun, Sir?“ O´Brien sah in diese hoffnungsvollen Augen, die sich von einem alten, erfahrenen Offizier ein Wunder erwarteten, eines, das es nicht gab.

* * *


Kira studierte die Anzeige des Computers und hieb mit der Faust gegen die Konsole, ehe sie sich zu Worf umdrehte, der mit dem Phasergewehr im Anschlag an der Gangbiegung stand. „Sie haben die gesamte Hauptenergie gekappt, und auf die meisten Notsysteme bekomme ich bereits keinen Zugriff mehr.“ Worf blickte sie stumm an, er wusste wie Kira, dass dies bedeutete, dass die Borg bereits damit begannen, die Defiant zu assimilieren.

Kira umging einige defekte Systeme, um zumindest den Schiffsstatus abzurufen und schloss kurz die Augen, Erschöpfung brannte in ihrem Körper, sie waren stundenlang durch die Jeffreysröhren gekrochen, auf der Suche nach einem Zugang zu den Kommunikationssystemen, die jedoch unter voller Kontrolle der Borg zu stehen schienen. Einige vereinzelte Borg hatten sie bei dieser Suche vernichtet, aber Worf und sie wussten genau, dass die Borg ihre Reihen auffüllen konnten, an Bord der Defiant waren über 100 Besatzungsmitglieder, selbst wenn nur ein Teil davon überlebte und assimiliert wurde, würden das mehr Gegner sein, als sie besiegen konnten.

„Der Warpkern ist kollabiert, wir bewegen uns mit Impulsenergie auf den Borgwürfel zu, ich denke, in weniger als einer Stunde wird sich die Defiant innerhalb des Kubus befinden.“ Kira war bewusst, dass in ihrer Stimme ein Hauch von Resignation schwang. Wenn der Borgwürfel die Defiant erst Mal verschluckt hatte, würde er das Schiff nicht mehr freigeben, höchstens als Teil des Kollektivs.

Eine Bewegung an einer der Abdeckplatten des Kabelschachts ließ Kira und Worf links und rechts neben den Schacht treten, es war unwahrscheinlich, dass die Borg diese Zugänge benützten, aber sich auf Unwahrscheinlichkeit zu verlassen, konnte einen auf höchst unschöne Weise umbringen.

Kira richtete ihr Phasergewehr auf den Schachtzugang.

* * *


O´Brien schob sich durch den schmalen Zugang, es wäre Ensign McDogal leichter gefallen hindurch zu schlüpfen, aber der Chief wollte verdammt sein, wenn er ein Mädchen, das gerade von der Akademie kam und deren Uniform mit dem roten Schulterteil noch nicht mal richtig zu passen schien, in einem Raumschiff vorschickte, in denen Borg ihr Unwesen trieben.

Niemals hatte O´Brien gedacht, dass es ihm einmal Freude bereiten würde, in die Mündung eines Phasergewehres zu sehen. Er ließ seinen Blick den Lauf entlang gleiten, zu einer rothaarigen Frau, deren Gesicht wie sein eigenes von Blut und Rußspuren gezeichnet war, aber das durch und durch vertraut wirkte.

„Nerys!“ O´Brien schob sich mühsam vollends aus dem Schacht, während die Bajoranerin ihr Phasergewehr senkte und Worf mit einigen langen Schritten wieder seine Stellung an der Gangbiegung einnahm.

„Miles.“ Kira erlaubte sich kurz den Chefingenieur zu umarmen, wer wusste schon, ob sie noch einmal die Chance haben würden, dies zu tun, der Ire war ein guter Freund, und es gab nur noch so wenig Tröstliches, Vertrautes an Bord der Defiant.

O´Brien löste die Umarmung und half der kleinen Ensign auf die Beine, in deren Augen sichtlich Hoffnung aufglomm, als sie Kira und Worf sah.

Kira fühlte sich ebenso unwohl unter diesem hoffnungsvollen Blick wie O´Brien zuvor, die Ensign erhoffte sich von dem kommandierenden Offizier der Defiant einen Plan, der sie alle retten würde. Einen Plan, Kira hoffte, dass sie in den nächsten Stunden, in einem apokalyptischen Augenblick, nicht gezwungen sein würde, ihr Phasergewehr an den Kopf der Ensign zu legen und abzudrücken, um zu verhindern, dass sie als Borg weiterexistierte.

Kira klärte O´Brien knapp über die Lage auf und sah, wie sich in die Augen des Chefingenieurs eine Müdigkeit und Leere schlich, die sicher ihre Entsprechung in ihren eigenen Augen fand.

* * *


Ein Plan, Kira fragte sich, ob man ihre Flucht durch die Gänge der Defiant einen Plan nennen konnte, aber zumindest blieben sie in Bewegung, und das würde ihnen vielleicht einige Stunden schenken. Sie versuchten einen der Shuttelhangar zu erreichen, vielleicht konnten sie die Defiant verlassen, die Chancen, dass sie den Borgwürfel unentdeckt entkommen konnten, war zwar verschwindend gering, aber immer noch besser, als die Überlebenschancen an Bord der Defiant. Vielleicht gelang es ihnen sogar, eine Subraumnachricht abzusetzen, und wenn sich die Borg allein auf die Defiant konzentrierten, hatten sie vielleicht mit mehr als Glück auf ihrer Seite die Chance zu entkommen. Ob sie die Raumsektoren des Dominion ohne Tarnvorrichtung unentdeckt durchqueren konnten, war eine andere Frage, aber Kira hätte sich im Moment lieber noch in die Gefangenschaft des Dominions begeben, als länger an Bord der Defiant zu bleiben.

Es war eine verschwindend geringe Chance, aber es war zumindest eine Chance.

Vielleicht waren die Propheten mit ihnen, Kira erlaubte sich einen schwachen Anflug von Hoffnung, als sie das Hangarschott erreichten, ohne auf Borg zu treffen, mühsam stemmte Worf das Schott auf, da die Energieversorgung nicht reagierte. Dunkelheit empfing sie, Kira starrte in diese Schwärze, was verbarg sich dort? Eine Chance zur Flucht, ein Heer von Borg?

Sie konnte ihren eigenen Herzschlag hören, ein rasendes Stakkato, sie hatte Angst, all ihre Instinkte warnten vor dieser Dunkelheit. War es nur eine närrische Angst, vor einem Ort, an dem sie nicht sehen konnte, was sich darin verbarg? Die Angst vor dem Unbekannten, das diesen Hangar beherrschen konnte? Was verbarg sich dort? Kira lauschte in die Dunkelheit, und mit einer knappen Handbewegung hielt sie Worf davon ab, den Hangar zu betreten. Der Klingone zögerte, und Kira blickte ihn zwingend an, dies war ihre Mission gewesen, ein einfacher Auftrag, nur die Kartographierung von fremden Systemen im Gammaquadranten, der sich von einer Sekunde zur anderen zu einem Alptraum verwandelt hatte.

Kira betrat die Dunkelheit und wies den anderen an zurückzubleiben. Ihre Hand tastete sich an der rechten Wand entlang, auf diesem Weg musste sie über kurz oder lang an eine Computerkonsole kommen, und dort müsste sie, auch ohne etwas zu sehen, fähig sein, die Notenergie einzuschalten.

Ihre Finger wanderten die Wand entlang, sie war kühl und glatt, Kira tastete sich vorwärts, jede Sekunde erwartete sie, dass ihre Finger gegen etwas stießen, das nicht an diesen Ort gehörte, etwas, das sich bewegte, etwas, das auf grässliche Weise lebte und gleichzeitig künstlich war.

Sie zitterte, Kira konnte dieses unkontrollierte Zittern nicht unterdrücken, ihre Nackenhaare waren gesträubt, ihre Sinne schrien protestierend gegen jeden Schritt an, den sie weiter in die Dunkelheit tat. Sie drehte den Kopf ruckartig, als sie das Gefühl hatte, etwas streife ihren Nacken, eine winzige Berührung, nicht mehr als ein Lufthauch, aber wovon erzeugt? In ihrer Phantasie sah sie einen Borg, der hinter ihr stand, dessen mechanische Finger nur Millimeter von ihrem Nacken entfernt waren. Schweißtropfen fingen sich in ihren Augenbrauen, brannten in ihren Augen, die sie weit aufgerissen hatte, obwohl sie wusste, dass sie damit die Dunkelheit nicht durchdringen konnte. Ein schwacher Lichtschein vom Schott, an dem sie Worf, O´Brien und McDogal ausmachen konnte, war aller Trost, den sie hier hatte, und mit jeden Schritt, den sie in die Finsternis tat, wich dieser Trost ein Stück weiter.

Ihre Fingerspitzen stießen gegen eine vorspringende Kante, Kira konnte nicht verhindern, dass sie scharf die Luft einzog, ehe ihr bewusst wurde, dass dies kein Borg war, sondern die Konsole, die sie suchte. Ihre Finger glitten über die vertrauten Displays, und mit einem Stoßgebet an die Propheten aktivierte sie die Notenergie des Shuttelhangars.

Worfs Phasergewehr entlud sich zischend und traf den Borg, der direkt neben Kira stand, in die Brust, schleuderte ihn zu Boden. Die Notenergie erhellte den Hangar nur mit schwachem Licht, doch hell genug, um die Borg zu sehen. Kira wusste nicht, was ihre Aufgabe in diesem Hangar war, vielleicht die Shuttles zu deaktivieren? Die Technik zu assimilieren? Vielleicht waren sie auch nur abgestellt, um Besatzungsmitglieder, die noch frei waren und zu entkommen versuchten, abzufangen.

Der Schuss aus ihrem Phasergewehr traf den Borg, der ihr am nächsten stand, und Kira konnte fühlen, wie Splitter seines Anzugs gegen sie geschleudert wurden. Sie warf sich mehr aus einem Instinkt heraus als einer bewussten Wahrnehmung folgend auf den Boden, ein Laserstrahl zischte über ihren Kopf hinweg und verdampfte einen Teil der Konsole.

„Nerys!“ O´Briens Schrei, Kira kam wieder auf die Beine, entging dem zugreifenden Arm eines Borg mit einer raschen Körperdrehung, sie hörte, wie Worf fluchte, weil die Borg sich bereits auf sein Phasergewehr eingestellt hatten. McDogals Phaser zischte nur Zentimeter an Kiras Schulter vorbei und traf einen Borg.

Ein Laserstrahl brachte die Wand neben Worf zum Glühen, und der Klingone warf sich herum, der Schuss war aus dem Gang hinter ihnen gekommen, dort rückten Borg vor.

„Wir müssen hier weg!“ Worf packte O´Brien am Ärmel seiner Uniform. „Verschwinden Sie mit dem Mädchen!“

O´Brien warf einen wilden Blick zurück in den Shuttlehangar, für einen Bruchteil von Sekunden sah er Kira direkt in die Augen, dann wurde die Bajoranerin von einem Borglaser am Arm getroffen, taumelte, stürzte zu Boden, das Phasergewehr krachte mit einem endgültig wirkenden Geräusch auf den Boden, rutschte auf dem Metall weiter, aus ihrer Reichweite. Das Schott schloss sich krachend, und Worf konnte sich nur mit einem Sprung zurück davon bewahren, zerquetscht zu werde, die Borg hatten anscheinend die volle Kontrolle über die Systeme der Defiant.

Metallsplitter regneten gegen O´Briens Wange, als ein weiterer Laserstrahl ein Loch in die Wand neben seinen Kopf sprengte.

McDogal schoss auf die anrückenden Borg, aber deren Körperschilde lenkten die Strahlen ab. „Bewegt euch, ich halte die Borg auf!“ Worf änderte die Modulation seines Phasergewehres und feuerte weiter auf den langsam, aber unerbittlich vorrückenden Feind.

O´Brien wusste, dass es keine Chance gab, Kira zu helfen, und er wusste auch, dass es sinnlos wäre, Worf zu widersprechen.

„Wir können doch nicht einfach...“, was immer auch Ensign McDogal für einen Protest auf den Lippen hatte, sie verstummte, als ein Borglaser die Wand neben ihr zum Kochen brachte. Der Chief deutete den noch leeren Gang hinab. „Dort lang, Ensign!“ O´Brien warf keinen Blick mehr zurück, es reichte, dass er hörte, wie die Phaserentladungen schließlich verstummten.
Rezensionen