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Asche 05 - Die Legende vom heiligen Kelch

von Martina Strobelt

Kapitel 1

Es war ein kleines Gebäude, doch die hohen, schlanken Säulen, die das Portal säumten, und der anmutig geschwungene Balkon mit dem filigranen Geländer, den sie trugen, ließen es größer wirken. Die schlichte Eleganz des Hauses, das sich zur einen Seite an einen sanften, grünen Hügel schmiegte und auf der anderen von alten Bäumen und blühenden Sträuchern umrahmt wurde, wollte nicht recht zu der auffälligen Erscheinung der Frau passen, die bei seiner Betrachtung vor Entzücken in die Hände klatschte.

„Beim heiligen Kelch von Riix, was für eine reizende Villa. Premierminister“, wandte sie sich an den blonden Bajoraner, der neben ihr stand. „Ich bin sprachlos.“

Obwohl Shakaar Lwaxana Troi erst wenige Stunden kannte, war er überzeugt, dass dieses Kompliment das höchste war, das sie zu vergeben hatte. Er erwiderte ihr Lächeln und deutete eine leichte Verneigung an. „Ich freue mich, Ihren Geschmack getroffen zu haben, Botschafterin.“

„Bitte“, sie schenkte ihm einen koketten Augenaufschlag, „genug der Förmlichkeiten. Nennen Sie mich Lwaxana.“

„Das würde ich liebend gerne“, wich er höflich aus. „Doch die übrigen Botschafter nehmen das Protokoll sehr ernst und könnten Ihre Geste falsch verstehen, sie möglicherweise sogar als ein Zeichen der Missachtung Ihres diplomatischen Status‘ betrachten, und das wäre“, er zögerte, suchte nach einem geeigneten Wort, „unpassend.“

Den zahlreichen Berichten der Sternenflotte zufolge hatte Botschafterin Troi ein nicht unerhebliches Talent, ihre Umgebung in Verlegenheit zu bringen, was sie seit ihrer Ankunft auf Bajor bereits mehrfach unter Beweis gestellt hatte. Vor einem Monat hatte Lwaxana sich offiziell mit dem betazoidischen Minister für kulturelle Angelegenheiten, Roffa Ehlan verlobt. Was sie indessen nicht davon abhielt, mit Shakaar zu flirten. Er ahnte, dass es nichts zu bedeuten hatte; dass es wohl einfach ihrer Natur entsprach. Trotzdem irritierte ihn ihr Verhalten mehr als er zugeben wollte. Es lag daran, dass er diese Art Frau nicht gewöhnt war. Bajoranerinnen waren zwar nicht weniger direkt, doch auf eine ganz andere Weise. Wenn sie einem Mann ihre Zuneigung zeigten, dann spielten sie nicht nur mit dem Feuer, sondern meinten es ernst. Einmal mehr wünschte Shakaar sich, Serina wäre jetzt hier. Doch seine Frau befand sich auf DS9, um gemeinsam mit Kira die letzten Vorbereitungen zu treffen, die erforderlich waren, um die Abwicklung der Hilfslieferungen über die Station reibungslos zu gewährleisten. Mochten Jaro Essa und Bojan Eli vor Wut kochen, sie waren machtlos, und Shakaar gönnte sich den Luxus, diesen Triumph auszukosten.

„Vielleicht haben Sie recht“, drang Lwaxanas Stimme in seine Gedanken. „Ich kann Ihnen gar nicht genug danken“, wechselte sie das Thema, bevor Shakaar sich von seiner Überraschung über die unerwartete Zustimmung erholt hatte. „Ich hätte es nicht ertragen, auf dieser grässlichen Station zu leben. Diese entsetzliche Enge. Und dazu die Vorstellung, unversehens einem Jem’Hadar gegenüber zu stehen. Oder einem dieser ... Vorta.“

Botschafterin Troi schauderte, und der Ausdruck ihrer dunklen Augen erinnerte Shakaar an die Berichte über grausame genetische Experimente, die vom Dominion während der Besetzung von Betazed an der einheimischen Bevölkerung durchgeführt worden waren. Kein Wunder, dass sie sich weigerte, die Namen von Weyoun und seinem Assistenten Kyle auszusprechen, und es abgelehnt hatte, dem Beispiel der anderen Welten folgend die betazoidische Botschaft an Bord von DS9 einzurichten. Stattdessen hatte sie die bajoranische Regierung ersucht, ihr ein passendes Gebäude auf Bajor zur Verfügung zu stellen.

Bajor und Betazed teilten dasselbe Schicksal. Ihre beiden Völker hatten Ähnliches erlitten. Beide hatten gegen fremde Eroberer gekämpft. Shakaar wäre es nie in den Sinn gekommen, den Wunsch einer Frau abzuschlagen, die genau wie er im Widerstand gewesen war und für die Freiheit ihres Volkes gestritten hatte. Der Föderationsrat war nicht sonderlich begeistert gewesen. Shakaar vermutete, dass es innerhalb der Föderation viele gab, denen Bajors Neutralität während des Krieges nach wie vor ein Dorn im Auge war. Doch Lwaxana war keine Frau, die sich vom Föderationsrat beeindrucken ließ. Ein passendes Haus war schnell gefunden, und heute nun sollte die Botschafterin es im Namen ihrer Regierung in Besitz nehmen.

In einer anmutigen Geste hielt Lwaxana Shakaar ihre Hand hin. „Würden Sie mir die Ehre erweisen, mich hineinzuführen, Premierminister?“

Er reichte ihr seinen Arm. „Die Ehre ist ganz auf meiner Seite, Botschafterin.“

* * *


Alles im Kasino glänzte und funkelte. Doch Quark, der die Bemühungen der Kellner und Dabo-Mädchen, jeden Fleck der Bar zu polieren, koordinierte, war immer noch nicht zufrieden.

„Das Geländer dort ist stumpf“, stellte er fest, auf den Handlauf der Treppe deutend, die zur oberen Galerie führte. „Was soll der große Nagus denken? Wollt ihr mich ruinieren?“

„Ihr Bruder hat das Geländer oft genug geputzt, um zu wissen, dass das Metall zu verkratzt ist, um auf Hochglanz gebracht werden zu können“, wandte ein Dabo-Mädchen ein. „Außerdem ist Rom ein viel zu netter Mann, um jemanden wegen eines stumpfen Geländers zu ruinieren.“

Von allen Seiten regte sich Zustimmung.

Quark griff einen Lappen und trat zu der Sprecherin, einer Bajoranerin, die er als Ersatz für Leeta eingestellt hatte. „Ich dulde nicht, dass einer meiner Angestellten derart respektlos über meinen Bruder, den großen Nagus, redet. Und jetzt“, er drückte ihr den Lappen in die Hand, „putzen Sie das Geländer. Oder ich hole mir jemand anderen dafür und ziehe Ihnen die Kosten vom Gehalt ab.“

„Der Nagus! Er kommt!“ Mit diesen Worten stürmte der Kellner, den Quark beauftragt hatte, Rom ein Quartier zu besorgen, ins Kasino.

„Sie müssen sich irren“, widersprach Quark. „Mein Bruder, ich meine, der große Nagus, hat sich erst für Morgen angekündigt.“

„Sein Schiff hat vor zehn Minuten angedockt“, bekräftigte der Kellner. „Der große Nagus ist vermutlich bereits auf dem Weg hierher.“

„Also schön“, wandte Quark sich an seine Angestellten. „Jeder auf seinen Platz! Sie“, er riss dem bajoranischen Dabo-Mädchen den Lappen aus der Hand, „geben Sie das her! Der große Nagus will sich amüsieren. Hören Sie auf zu putzen und gehen Sie an Ihren Dabo-Tisch!“

Der Ferengi hatte seinen Satz noch nicht beendet, als die Tür des Kasinos aufschwang und den Blick auf zwei hünenhafte nausikaanische Wachen freigab.

„Geliebter Bruder.“ Quark eilte den Besuchern entgegen, verneigte sich, als die Wachen zur Seite traten, und küsste das goldene Zepter, das vor seinem Gesicht auftauchte. „Großer Nagus.“

„Hallo Quark.“

Der so Begrüßte zuckte zurück und starrte fassungslos in die vertrauten Züge von ...

„Brunt!“

„Botschafter Brunt, wenn ich bitten darf“, berichtigte der andere. „Köstlich, ein Jammer, dass Sie sich in diesem Moment nicht selbst sehen können.“ Brunt lachte.

„Botschafter?“ echote Quark.

„Ganz recht, mein Lieber. Vor Ihnen steht der Mann, der künftig die Interessen aller Ferengi im direkten Auftrag des großen Nagus vertreten wird. Hier auf dieser Station, um genau zu sein.“

„Ein Alptraum“, stöhnte Quark. „Hey, du“, er zupfte einen der Kellner an der Jacke, „weck mich auf. Schnell.“

„Vergessen Sie es, Quark“, bemerkte Brunt süffisant. „Das ist kein Traum.“

„Ist es nicht?“

„Nein. Ihr Bruder, der große Nagus Rom, hat in seiner unendlichen Weisheit entschieden, mir die diplomatische Verantwortung für Ferenginar anzuvertrauen. Was sagen Sie dazu?“

„Er muss verrückt geworden sein!“

„Der große Nagus wird nicht sehr erfreut sein, das zu hören. Nun, wie dem auch sei“, winkte Brunt ab. „Ihr Bruder lässt Ihnen ausrichten, dass wichtige Geschäfte ihn daran hindern, die Station zu besuchen. Außerdem sind Sie angewiesen, mich nach besten Kräften zu unterstützen. Noch Fragen?“

Quark sank auf einen Stuhl. „Das kann einfach nicht sein.“

Brunt lächelte überlegen. „Ich werte das als nein.“

* * *


Colonel Kira tauschte einen Blick mit Commander Erika Benteen, bevor sie ihre Aufmerksamkeit erneut auf Lwaxana Troi richtete.

„Bei allem nötigen Respekt, Botschafterin. Es handelt sich um einen offiziellen Empfang, der im Namen Bajors und der Föderation als den gemeinsamen Betreibern dieser Station veranstaltet wird. Gul Madred, Brunt und auch Weyoun vertreten ihre Nationen und befinden sich in dieser Eigenschaft nicht nur mit Billigung, sondern auf Wunsch des Rates der Föderation an Bord von DS9. Sie genießen diplomatischen Status. Ich kann keinem von ihnen die Teilnahme an diesem offiziellen Ereignis verweigern.“

„Es wäre eine Verletzung des Protokolls“, ergänzte Commander Benteen. „Ich versichere Ihnen, Botschafterin, dass wir jede erdenkliche Möglichkeit, den offiziellen Empfang für Sie ohne die drei stattfinden zu lassen, in Betracht gezogen und überprüft haben. Die drei nicht einzuladen wäre eine grobe Beleidigung. Und der Föderation liegen die diplomatischen Beziehungen zum Dominion, Cardassia und auch zu Ferenginar am Herzen.“

„Mehr als die zu Betazed?“ erkundigte Lwaxana sich.

„Betazed ist Mitglied der Föderation“, erwiderte Benteen ruhig. „Auswärtige Beziehungen zu Nichtmitgliedern müssen demgegenüber ein wenig diplomatischer gehandhabt werden.“

„Botschafterin“, begann Kira, „bitte verstehen Sie doch ...“

„Ich denke, ich verstehe Sie sehr gut“, wurde sie von Troi unterbrochen. „Was sind Betazeds Verluste schon im Vergleich zur Aussicht, freundschaftlich mit Völkern zu verkehren, für die Lügen, Betrügen, Stehlen, Unterdrücken und Morden so natürlich ist wie Essen und Trinken.“

Erneut tauschte die Colonel einen Blick mit ihrem ersten Offizier. Zum ersten Mal seit sie das Kommando über DS9 übernommen hatte wünschte Kira sich an einen anderen Ort. Und zum ersten Mal seit Benteen die Station betreten hatte, hatte die Bajoranerin das Gefühl, dass die Terranerin ihre Gedanken und Empfindungen teilte; und zwar uneingeschränkt. Doch sie beide waren Offiziere, und als solche waren sie an Regeln gebunden.

„Es tut mir leid, Botschafterin“, sagte Kira. „Ich habe keine Wahl.“

„Ich schon“, versetzte Lwaxana. „Wenn kein offizieller Empfang ohne Weyoun, Madred und Brunt stattfinden kann, dann wird es eben keinen geben. Ganz unter uns“, ergänzte sie lächelnd. „Ich mag diese Förmlichkeiten ohnehin nicht sonderlich, und ich schätze, Sie und Ihre Offiziere sind gern bereit, auf die steifen Galauniformen zu verzichten und stattdessen an einer ungezwungenen Party in meinem Haus auf Bajor teilzunehmen. Keine Widerrede“, kam sie Kira zuvor. „Ich verspreche, alle werden sich blendend amüsieren. Glauben Sie mir, Colonel, auf diesem Gebiet bin ich eine Expertin. Sie und Ihre Offiziere sind herzlichst eingeladen, natürlich mit Begleitung. Ich freue mich schon sehr darauf, Sie alle kennenzulernen. Vielleicht hätte Premierminister Shakaar auch Lust, uns Gesellschaft zu leisten, was meinen Sie?“

„Ich halte das für eine ausgezeichnete Idee“, antwortete Kira. „Vorausgesetzt Ihre Einladung schließt Premierminister Shakaars cardassianische Ehefrau und meinen Sicherheitschef, der, nebenbei erwähnt, Ferengi ist, ein.“

„Ihr Sicherheitschef ist ein Ferengi?!“

„Ganz recht. Und Serina Tirek ist eine Cardassianerin. Ich hoffe, das stellt kein Problem dar?“

Kiras Tonfall machte deutlich, dass sie, jeglichem Verständnis, das sie für Lwaxanas Gefühle aufbrachte, zum Trotz, an keiner Feier teilnehmen würde, auf der Lieutenant Nog und Shakaars Frau nicht willkommen waren.

Botschafterin Troi runzelte die Stirn. Sie verabscheute Ferengi, und sie hatte mehr als einen Grund, die Cardassianer als die ehemaligen Verbündeten des Dominions zu hassen. Andererseits, ein Ferengi, der in der Sternenflotte diente, und eine Cardassianerin, die einen Bajoraner geheiratet hatte, verdienten es, eine Chance zu erhalten. Einmal abgesehen davon, dass es offensichtlich war, dass ihre Party unter akutem Mangel an Gästen leiden würde, sollte sie Kiras Frage bejahen.

Daher schüttelte sie den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden. Ich muss mich um die Vorbereitungen kümmern.“

Lwaxana nickte Kira und Benteen freundlich zu und wandte sich zum Gehen. In der Tür stieß sie mit einem Bajoraner zusammen, der just in diesem Moment das Büro betreten wollte.

„Entschuldigen Sie. Ich hoffe“, der Mann ergriff die Hand der Betazoidin und zog sie galant an seine Lippen, „ich habe Ihnen nicht wehgetan.“

Lwaxana schenkte ihm ein Lächeln. „Das haben Sie nicht, Mister ... ?“

„Bareil.“ Er erwiderte das Lächeln, „Bareil Antos. Zu Ihren Diensten, Botschafterin Troi.“

„Sie wissen, wer ich bin?“ vergewisserte sie sich überrascht.

„Es ist eine ziemlich kleine Station, und der Ruf Ihrer Schönheit eilt Ihnen voraus“, erwiderte Bareil mit dem für ihn typischen Charme, der seine Wirkung auf Lwaxana nicht verfehlte.

„Es ist eine recht große Station“, hauchte sie kokett.

„Nun, dann ist es gut, dass Ihr Ruf umso größer ist, nicht wahr?“

„Sie sind ein gefährlicher Schmeichler.“ Lwaxana klopfte ihm spielerisch mit ihrem Fächer auf den Unterarm. „Wenn ich nicht verlobt wäre ... Wie der Zufall es will, gebe ich heute Abend eine kleine Party in meinem Haus auf Bajor. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie kommen würden. Es wird mit Sicherheit mehr als unterhaltsam werden.“

„Das wird es zweifellos.“ Über die Schulter der Betazoidin zwinkerte Bareil Kira zu, deren Miene sich zusehends verfinstert hatte. „Davon bin ich überzeugt.“

* * *


Rom stand das schlechte Gewissen deutlich ins Gesicht geschrieben. Zu recht, wie Quark fand, der im Verlauf der letzten Stunden mehr als einmal vergeblich versucht hatte, eine Verbindung zu Ferenginar herzustellen. Seine Laune hatte mittlerweile ihren absoluten Tiefpunkt erreicht.

„Hallo, Bruder.“ Rom lächelte zaghaft.

„Welchen Bruder meinst du?“ fragte Quark bissig. „Denjenigen, der sein Kasino geschlossen und erhebliche finanzielle Einbußen in Kauf genommen hat, um alles für den Besuch des großen Nagus vorzubereiten? Oder denjenigen, der vom großen Nagus versetzt wurde? Oder vielleicht gar denjenigen, der Botschafter Brunt, den ganz offiziell vom großen Nagus ernannten Repräsentanten aller Ferengi, in seiner Bar bewirten durfte? Nein, warte, ich hab’s, du meinst denjenigen Bruder, der vom großen Nagus angewiesen wurde, Botschafter Brunt in jeder Hinsicht zu unterstützen.“

„Du bist böse auf mich.“

„Böse? Ich?“ Quark warf den Kopf in den Nacken und lachte. „Wie kommst du bloß darauf?“

„Ich kann alles erklären.“

„Ach ja?“ Quark lachte erneut laut auf. „Da bin ich aber gespannt.“

„Wir schulden ihm etwas.“

„Brunt? Was?“

„Er hat uns dabei geholfen, Moogie zu retten.“

„Wofür er mehr als großzügig bezahlt wurde.“

„Er hat gedroht, meine führende Rolle bei der Gründung einer“, Rom senkte die Stimme, „Gewerkschaft überall auf Ferenginar bekannt zu machen.“

„Soweit mir bekannt ist, hast du das nie verheimlicht. Im Gegenteil, so unverständlich es auch ist, du bist stets stolz darauf gewesen. Außerdem passt eine solche Vergangenheit doch perfekt zu den veränderten Verhältnissen auf Ferenginar.“

„Leider ändern die Verhältnisse sich nicht ganz so schnell.“

„Der große Nagus, der mächtigste Mann auf Ferenginar, lässt sich einfach so mir nichts dir nichts erpressen? Dass ich nicht lache!“

„Was hätte ich denn tun sollen?“

„Du hättest Brunt vom Handelsturm werfen lassen können, um nur eine der unendlich vielen Möglichkeiten zu nennen.“

„Aber das hätte er nicht überlebt.“

„Wie unüberlegt von mir, das zu übersehen“, bemerkte Quark ironisch. „Idiot! Natürlich hätte er das nicht. Weshalb sonst werden auf Ferenginar Leute wohl vom Handelsturm geworfen?“

„Das geschieht nicht mehr.“

„Wie bitte?“

„Ich habe es verboten. Siehst du, ich hätte Brunt gar nicht vom Handelsturm werfen lassen können, weil ich damit gegen das Gesetz verstoßen hätte.“

„Gesetze sind dazu da, gebrochen zu werden.“

„Bruder!“

„Schon gut. Du hast Brunt zum Botschafter ernannt und nach DS9 geschickt, um hier seinen permanenten Wohnsitz zu nehmen. Was soll’s, ich habe die cardassianische Besatzung überstanden, den Krieg gegen die Klingonen, gar nicht zu reden vom Dominion, und Tag für Tag schaffe ich es, allen heiligen Prinzipien der Föderation und den engen bajoranischen In- und Exportbeschränkungen zum Trotz zu überleben. Was macht es da schon aus, mich mit Brunt auseinandersetzen zu müssen. Er hat mich früher nicht schlagen können, und er wird es auch in Zukunft nicht schaffen. Doch eines verspreche ich dir. Von Bruder zu Bruder. Für den Fall, dass du mit deiner Liberalisierung unserer Gesellschaft jemals den Punkt erreichst, an dem das Amt des großen Nagus zum Gegenstand einer demokratischen Wahl herabgewürdigt wird, solltest du besser nicht mit meiner Stimme rechnen.“

* * *


Gul Madred gab sich nicht einmal den Anschein, diplomatisch oder wenigstens höflich sein zu wollen. Kaum, dass er sich die Mühe gemacht hatte, den Türmelder zu betätigen, bevor er so schnell in Kiras Büro gestürmt war, wie sein steifes Bein es erlaubte, und sich vor ihrem Schreibtisch aufgebaut hatte.

„Es ist empörend! Cardassia wird diese Beleidigung nicht hinnehmen!“

„Welche Beleidigung?“ erkundigte Kira sich, während Benteen, die dem Cardassianer gefolgt war, sich unaufgefordert neben den Stuhl ihrer Vorgesetzten stellte. Ein zufälliger Beobachter hätte das Verhalten der Commander als eine beschützende Geste interpretiert. Doch Kira wusste es besser. Sie war in der Lage, ohne fremde Hilfe mit jedem Cardassianer fertig zu werden, sollte es nötig sein, und sie zweifelte nicht daran, dass Benteen sich darüber im Klaren war. Sie beide wussten, dass es der ersten Offizierin allein darum ging, jeglichen persönlichen Differenzen zum Trotz zu dokumentieren, dass Bajor und die Föderation, zumindest auf dieser Station, eine Einheit bildeten.

Der cardassianische Botschafter reagierte auf die stumme Demonstration, indem er sich fast augenblicklich um einen höflicheren Ton bemühte. Es war offensichtlich, dass er keinen Wert darauf legte, Benteen als die ranghöchste Vertreterin der Föderation auf DS9 zu beleidigen.

„Im Namen Cardassias protestiere ich hiermit in aller Form gegen unseren Ausschluss von den offiziellen Feierlichkeiten anlässlich der Ankunft von Botschafterin Troi“, sagte Madred in Benteens Richtung.

Allen guten Vorsätzen zum Trotz spürte Kira, wie allmählich Zorn in ihr aufstieg. Botschafter hin, Botschafter her, wenn Madred sich einbildete, sie ignorieren zu können, irrte er sich. Sie würde keinem Cardassianer erlauben, die Autorität einer bajoranischen Kommandantin in ihrem eigenen Büro derart zu missachten.

„Bei allem Respekt, Botschafter“, erklärte sie kühl. „Soweit ich informiert bin, findet auf ausdrücklichen Wunsch von Botschafterin Troi kein offizieller Empfang statt. Ich sehe nicht, worin eine Kränkung Ihrer Regierung liegen soll, wenn Mrs. Troi von ihrem natürlichen Recht Gebrauch macht, eine private Party mit Freunden zu veranstalten.“

„Freunde?“ Madred schnaubte verächtlich. „Soweit ich informiert bin, stehen die klingonische Botschafterin und der romulanische Botschafter auf der Gästeliste, und weder Grilka noch Tomalek sind Mrs. Troi näher bekannt.“

„Wie können Sie das wissen, Botschafter?“ erkundigte Benteen sich. „Mrs. Troi soll eine sehr gesellige Frau sein. Im Übrigen, soweit ich informiert bin, gehören weder Botschafter Weyoun noch Botschafter Brunt zu den geladenen Gästen. Es kann somit wohl keine Rede davon sein, dass es sich um ein offizielles Ereignis handelt.“

„Falls Sie befürchten, das Fehlen cardassianischer Repräsentanz könne von Außenstehenden missverstanden werden, kann ich Sie beruhigen, Botschafter“, bemerkte Kira seidenweich. „Ich bin überzeugt, die Anwesenheit von Serina Tirek auf der Party wird in dieser Sache für sich sprechen.“

„Serina Tirek?“

„Die Ehefrau von Premierminister Shakaar.“ Kira versuchte, ihr Lächeln im Interesse der Diplomatie nicht allzu boshaft wirken zu lassen. „Ich hörte, Sie kennen sich.“

„Flüchtig“, erwiderte Madred mit mühsam unterdrückter Wut. „Nicht so gut, wie ich Ihren Mann kannte. Wenn Sie mich nun entschuldigen würden.“

Kiras Blick folgte dem Cardassianer, der mit steifen Schritten über die OPS zum Turbo-Lift humpelte. Aus dir wird nie eine Diplomatin, tadelte sie sich innerlich, weil sie der Versuchung nicht hatte widerstehen können, Madred diesen kleinen Seitenhieb zu verpassen.

Doch es war ein halbherziger Tadel, der durch zufriedene Genugtuung abgemildert wurde.
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