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Asche 05 - Die Legende vom heiligen Kelch

von Martina Strobelt

Kapitel 3

Nog starrte trübsinnig in seinen Drink, während er versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Bareil und Quark, objektiv betrachtet das perfekte Team. Nur, dass er nicht objektiv war. Die Tatsache, dass Quark sein Onkel war, hatte, entgegen der Ansicht von Colonel Kira und Commander Benteen nichts damit zu tun. Es lag an seinen Ohren, die nach wie vor juckten.

„Ich vermute, du wirst weitere Ermittlungen anstellen“, meinte Jake, der Nog gegenüber im Chez Meret saß.

„Das würde ich gern. Leider sehen Colonel Kira und Commander Benteen die Sache anders.“

„Dann vertrauen sie deinen Ohren wohl nicht?“

„Für sie ist der Fall klar, und sie haben mir den Befehl erteilt, ihn als erledigt zu betrachten.“

„Und, wirst du ihn befolgen? Schon gut, vergiss es“, fuhr Jake angesichts der Bestürzung in Nogs Miene fort. „Ich verstehe, bei der Sternenflotte ist es nicht üblich, Befehle zu missachten. Die Kommandokette muss um jeden Preis eingehalten werden, nicht wahr? Du meine Güte. Nog, du bist der Sicherheitschef von DS9. Es ist deine Pflicht, den Täter zu ermitteln.“

„Was soll ich deiner Meinung nach machen?“

„Hm“, Jake überlegte. „Was wäre, wenn ich an deiner Stelle ermitteln würde? Hey, wir wären bestimmt ein prima Gespann. So wie Mable und Scott.“

„Wie wer?“

„Die Helden einer Reihe von Kriminalgeschichten, die Chief O’Brien so gern liest. Sie spielen Ende des 21. Jahrhundert auf der Erde. Mable ist Journalistin und Scott ist ein Cop.“

„Ein Cop?“ echote Nog verständnislos.

„So bezeichnete man damals Polizisten. Mable und Scott arbeiten bei der Aufklärung von Verbrechen zusammen. Sie sind ein klasse Team. Genau wie wir!“

„Ich fass’ es nicht, du meinst das wirklich ernst, oder?“

„Warum nicht? Eine beiläufige Frage hier, eine Unterhaltung dort. Was meinst du, wie viel ich auf diese Weise in Erfahrung bringen kann. Und du erfährst alles, was ich herausbekomme, zuerst.“

* * *


Quark sprang von seiner Pritsche auf und hastete an das Kraftfeld, das die Zelle vom Rest des Arrestbereiches trennte. „Brunt! Ich wusste, Sie würden auftauchen. Sie müssen mir helfen!“

„Wie jämmerlich Sie doch sind“, bemerkte der andere Ferengi.

„Wenn Sie gekommen sind, um sich an meiner Lage zu weiden, schön, tun Sie es nur. Doch vergessen Sie dabei nicht, dass ich der Bruder des großen Nagus bin, der tief in Ihrer Schuld stehen würde, wenn Sie seinem über alles geliebten Bruder helfen.“

„Sprechen Sie von dem Bruder, der den großen Nagus jahrelang gezwungen hat, Geländer zu polieren? Oder vielleicht von dem Bruder, der den großen Nagus in Verlegenheit gebracht hat, weil er so dumm gewesen ist, sich erwischen zu lassen?“

„Verspotten Sie mich ruhig“, meinte Quark. „Genießen Sie diesen Moment in vollen Zügen, nur holen Sie mich hier raus! Ich zahle jeden Preis, den Sie verlangen.“

„Vergessen Sie es“, ließ Bareil sich von seiner Pritsche vernehmen. „Ich wette zehn zu eins, dass er uns nicht einmal dann helfen würde, wenn er es könnte.“

„Irre ich mich, oder versucht Ihr Freund gerade, mich zu manipulieren?“ bemerkte Brunt.

„Er ist kein Freund von mir“, berichtigte Quark. „Im Grunde kenne ich ihn praktisch kaum.“

„Was heißt, dass er Ihnen für meine Freiheit kein Latinum bietet“, übersetzte Bareil trocken. „Aber das spielt letztlich keine Rolle, da Sie sowieso nicht vorhaben, bei Kira zu protestieren, oder?“

„Beachten Sie ihn gar nicht“, mischte Quark sich ein. „Er ist kein Ferengi. Er begreift nicht, dass alles im Universum käuflich ist. Sagen Sie mir einfach, was Sie wollen, Brunt.“

„Nichts“, antwortete Bareil an Stelle des Ferengis. „Sie sind ein Narr, Quark. Sehen Sie denn nicht, dass er längst bekommen hat, was er wollte?“

„Sie sind erstaunlich scharfsichtig“, kam Brunt Quarks Erwiderung zuvor. „Bedauerlich, dass Sie in diese Sache verwickelt wurden. Jemand mit Ihrer Intelligenz hätte es weit bringen können.“

Quarks Blick irrte zwischen Brunt und Bareil hin und her. Dann sank er auf seine Pritsche.

„Sie haben Recht“, klagte er in Richtung des Bajoraners. „Ich bin ein Narr.“

„Wer hätte gedacht, dass Sie und ich einmal einer Meinung sind“, sagte Brunt spöttisch.

* * *


Lwaxana nippte an ihrem Tee, ohne ihren Besucher aus den Augen zu lassen. „Sie sind ein Freund von Lieutenant Nog. Falls Sie gekommen sind, um sich für seinen Onkel zu verwenden, können Sie sofort wieder gehen. Dieser elende, kleine Troll! Ich hoffe, dass er viele Jahre in einem Gefängnis verbringen muss!“

„Ich versichere Ihnen, dass ich nicht wegen Quark hier bin“, log Jake. „Ich bin ein ... Freund von Mister Bareil, und als ich gehört habe, dass Sie ebenfalls von seiner Unschuld überzeugt sind ...“

„Ein Freund von Bareil.“ Lwaxanas Gesicht wechselte den Ausdruck. „Das ist etwas anderes. Möchten Sie vielleicht eine Tasse Tee? Oder“, sie nickte in Richtung einer silbernen Platte, die auf dem Tisch neben dem Sofa stand, „ein Stück Kuchen?“

„Nein, danke“, lehnte Jake ab. „Erlauben Sie mir, Ihnen eine Frage zu stellen, Botschafterin?“

„Natürlich, was möchten Sie wissen?“

„Wenn wir davon ausgehen, dass Quark die kostbare Reliquie, die Ihnen entwendet wurde, in Kommission genommen hat, um sie zu verkaufen, wer außer Bareil könnte sie ihm beschafft haben?“

„Zweifellos hat Quark sie selbst gestohlen.“

Jake schüttelte den Kopf. „Er war den ganzen Abend mit Lieutenant Dax zusammen.“ Zum Ärger von Doktor Bashir, ergänzte er in Gedanken. „Sie haben über Pudding gesprochen, Kawliga getanzt, und nachdem die Party vorbei war, haben sie noch einen Abstecher ins Kasino gemacht, um eine Runde Tongo zu spielen.“

Lwaxana zuckte mit den Achseln. „Wenn nicht Quark, dann eben dieser andere Ferengi.“

„Botschafter Brunt?“

Botschafter.“ Die Betazoidin zog das Wort verächtlich in die Länge. „Ein Ferengi bleibt ein Gauner, Betrüger und Dieb, ganz gleich was für einen Titel er sich zulegt.“

* * *


Nog lehnte sich in seinem Stuhl zurück und nickte zustimmend. „Brunt. Ja, das würde in der Tat einen Sinn ergeben. Er hasst meinen Onkel und hätte sicher nichts dagegen, wenn Quark einige Zeit hinter Gittern verschwinden würde. Er könnte hinter dem Diebstahl stecken, und auch hinter der anonymen Botschaft, aufgrund derer Fähnrich Monroe das Kasino durchsucht hat.“

„Bleibt die Frage, was wir tun können, um unseren Verdacht zu beweisen“, meinte Jake, der neben seinem Freund im Chez Meret saß. „Als Botschafter genießt Brunt diplomatische Immunität.“

„Ein guter Einwand.“ Nog runzelte die Stirn.

„Ich würde sagen“, Jake lächelte hintergründig, „wir brauchen Unterstützung.“

* * *


Ezri Dax strich das kurze blaue Kleid glatt, Garaks Abschiedsgeschenk, das er ihr im wahrsten Sinne auf den Leib geschneidert hatte. Sie atmete tief durch, dann betätigte sie den Melder.

„Oh, verzeihen Sie“, hauchte sie, als ein großer Nausikaaner öffnete. „Ich habe mich offenbar in der Tür geirrt. Ich dachte, dies wäre das Quartier von Botschafter Brunt.“

„Was wollen Sie von ihm?“ fragte der Hüne.

„Es handelt sich um eine delikate Angelegenheit, die ich gern mit ihm direkt erörtern würde. Meinen Sie“, Dax platzierte ihre Hand auf dem muskulösen, beharrten Arm des Leibwächters, „dass er die Zeit hat, mich zu empfangen?“

„Das kommt darauf an, was Sie von mir wollen“, erklang es hinter dem Nausikaaner, was Dax zum Anlass nahm, sich an dem Mann vorbei in das Quartier zu schlängeln. Sie schenkte Brunt, der in einem bequemen Sessel saß und ein Datenpadd studierte, ein strahlendes Lächeln.

„Mein Name ist Ezri.“

„Ich erinnere mich an Sie.“ Brunts Blick glitt über Dax und blieb an ihren Ohrläppchen, die mit funkelnden Perlen geschmückt waren, hängen. „Und an Ihre ganz entzückenden Ohrläppchen.“

„Wirklich?“ In einer betont lasziven Geste liebkoste Ezri die Perlen mit den Fingerspitzen.

Die Augen des Ferengis folgten der Bewegung ihrer Finger. „Warum sind Sie hier?“

„Schulden.“ Scheinbar verlegen senkte Dax die Lider. „Spielschulden, um genau zu sein. Sie müssen wissen, ich spiele für mein Leben gern Tongo, und ...“

Sie spielen Tongo?“

„Quark hat es mir beigebracht“, erwiderte die Trill unschuldig. „Er war der Meinung, es würde der Völkerverständigung dienlich sein.“

„Eine Weibliche, die Tongo spielt.“ Brunt schien aufrichtig erschüttert zu sein.

„Leider nicht sehr gut“, log Dax. „Inzwischen schulde ich Quark zehn Barren Latinum, und ich hoffe ...“

„... dass ich Ihnen die Summe leihe?“

„Um ehrlich zu sein, hatte ich gehofft, Quark gar nichts mehr zahlen zu müssen, nun da er im Gefängnis sitzt. Dass es vielleicht einen anderen Weg gibt, meine Schulden aus den Geschäftsbüchern zu tilgen, bei dem Sie, Botschafter, mir behilflich sein könnten.“

„Unmöglich“, sagte Brunt im Tonfall aufrichtigen Bedauerns.

Ezris Augenlider flatterten. „Ein Mann wie Sie macht alles möglich. Davon bin ich überzeugt, und glauben Sie mir, ich wäre Ihnen dankbar, überaus dankbar“, wisperte sie verheißungsvoll.

Brunt zögerte. Trotz allem war Quark immer noch ein Ferengi, und seine Geschäftsbücher ...

Andererseits, die Ohrläppchen dieser Weiblichen, die jetzt anfingen, unter ihrem Schluchzen zu beben, waren wirklich entzückend.

„Vielleicht kann ich es möglich machen“, meinte der Ferengi, um anzüglich zu ergänzen: „Für schöne Frauen in finanziellen Notlagen habe ich stets ein offenes Ohr.“

„Dann“, Ezri beuge sich vor und berührte Brunts linkes Ohr mit ihren Fingern, „haben wir eine Vereinbarung?“

Brunt warf die letzen Zweifel über Bord. „Das haben wir“, bestätigte er.

* * *


In der Bar war es dunkel, doch Brunt benötigte kein Licht, um seinen Weg zu finden. Er war bereits mehrere Male hier gewesen, und wie alle Ferengi besaß er ein fast fotografisches Gedächtnis. Es war eine nützliche Eigenschaft, um seine Geschäftspartner besser betrügen zu können.

Natürlich wusste Brunt nicht, wo Quark seine Geschäftsbücher aufbewahrte. Das war auch gar nicht nötig. Zumindest was das anging, dachte Quark wie ein Ferengi, weswegen es für Brunt nicht weiter schwer war, das Versteck zu finden. Er suchte einfach dort, wo er die Bücher verstaut hätte, und der Sicherheitscode, mit dem Quark seinen Wandtresor geschützt hatte, stellte für einen Ferengi ebenfalls kein Problem dar.

Kopfschüttelnd beugte Brunt sich über die Seiten. So viele ausgezeichnete Gelegenheiten, die von Quark vergeudet worden waren. Erlassene Schulden, Spenden an den bajoranischen Waisenfond und Profitspannen, die eine einzige Beleidigung waren. Hätte Brunt Haare besessen, hätten sie sich angesichts all dessen vor Entsetzen gesträubt. Quark hatte sich zwar sehr große Mühe gegeben, seine unprofitable Großzügigkeit geschickt unter Bergen scheinbarer Profite zu verschleiern, doch Brunt war nicht umsonst jahrelang der erfolgreichste Liquidator der Ferengihandelsbehörde gewesen. Nun, darum würde er sich später kümmern. Für den Moment würde er sich damit begnügen, seinen Teil der Vereinbarung mit Dax zu erfüllen. Brunt arbeitete rasch und gründlich, und als er fertig war, hätte nicht einmal Quark selbst die Manipulation seiner Bücher bemerkt.

Ohne Vorwarnung flammte das Licht auf.

Geblendet schloss Brunt die Augen, und als er sie wieder öffnete, starrte er in die Mienen von Ezri Dax, Jake Sisko und Nog. „Was hat das zu bedeuten?“ entfuhr es ihm.

„Hast du alles drauf?“ Nogs Frage galt Jake, der eine tragbare Holokamera in der Hand hielt.

Jake nickte. „Einige Male habe ich das Bild versehentlich leicht verwackelt, aber ich denke, die Qualität der Aufnahme wird für deinen Vater genügen. Und für die Ferengihandelsbehörde.“

„Was hat das zu bedeuten?“ wiederholte Brunt.

„Es bedeutet, dass Sie, Botschafter, auf frischer Tat dabei ertappt wurden, wie Sie heimlich die Geschäftsbücher eines anderen Ferengi gefälscht haben“, antwortete Ezri sanft.

„Womit Sie vorsätzlich eines der wenigen Gesetze gebrochen haben, die auf Ferenginar neben den Erwerbsregeln Geltung haben“, ergänzte Jake.

„Eine Tat, die mit dem Entzug der Handelslizenz bestraft wird“, fügte Nog hinzu.

Brunts Blick irrte von einem zum anderen. „Sie haben mich reingelegt!“

Ezri sah Jake an. „Er ist scharfsichtig.“

„Sehr scharfsichtig“, stimmte Jake zu.

„Überaus scharfsichtig“, bestätigte Nog. „Nur hilft ihm das nicht. Die Ferengihandelsbehörde nimmt derartige Verstöße nämlich ernst.“

„Sehr ernst“, pflichtete Jake ihm bei.

„Überaus ernst“, bekräftigte Ezri.

„Das können Sie nicht tun!“ entfuhr es Brunt. „Ich genieße diplomatische Immunität.“

„Gegenüber Bajor und der Föderation“, erklärte Nog. „Jedoch nicht gegenüber Ferenginar.“

„Also schön“, gab Brunt nach. „Was verlangen Sie für den Film und Ihr Schweigen?“

* * *


Bareils Blick wanderte von Dax über Jake zu Nog und wieder zurück. „Ich weiß zwar nicht, wieso Sie das für mich getan haben, aber ich danke Ihnen trotzdem.“

Wie durch Zauberhand war der verschwundene Kelch in Lwaxanas Villa wieder aufgetaucht. Zusammen mit der wortreichen Entschuldigung eines Unbekannten, sich lediglich einen harmlosen Scherz erlaubt zu haben. Eine alkoholbedingte Laune, die er aufrichtig bereuen würde, da sie zwei Unschuldigen zu einem unfreiwilligen Aufenthalt in einer Arrestzelle verholfen hätte. Sowohl Bareil als auch Quark hatten in ihren Quartieren je einen Beutel mit Latinum gefunden. Eine Entschädigung für das erlittene Unrecht, die Brunt notgedrungen gezahlt hatte, um sich ihr Schweigen zu erkaufen.

„Danken Sie lieber mir.“ Quark entkorkte die Flasche, die er zur Feier des Tages aus seinem privaten Keller geholt hatte, und füllte den Inhalt in fünf langstielige Gläser. „Es liegt doch wohl auf der Hand, dass mein Neffe, sein Freund Jake und Ezri das allein für mich getan haben. Sie hatten lediglich Glück.“

„Onkel!“ Nog sah Bareil verlegen an, jedoch ohne zu widersprechen.

Jake schwieg. Er hatte weniger an Bareil und Quark als an eine gute Story gedacht, und jetzt, im Nachhinein zog er seine Motive in Zweifel. Sein Vater hatte Ungerechtigkeit gehaßt. Er hätte sich nicht engagiert, um eine gute Story zu bekommen, sondern, um Quark und Bareil zu helfen.

Dax war die einzige, die protestierte. „Lassen Sie sich nichts einreden, Bareil. Unser Freund Quark hat schon immer an übertriebenem Selbstbewusstsein gelitten. Als Counselor würde ich ihm zu einer Therapie raten.“

„Jederzeit.“ Quark zwinkerte der Trill zu. „Sagen Sie mir nur wann und wo.“

„Eines muss man deinem Onkel lassen, Nog“, bemerkte Jake. „Er ist wirklich hartnäckig.“

„Sehr hartnäckig“, stimmte Nog zu.

„Überaus hartnäckig“, bestätigte Ezri.

Die nächste FF in dieser Reihe ist „Asche 06 - Unter Erde und Sand“ von Gabi Stiene
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