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Asche 06 - Unter Erde und Sand

von Gabi

Kapitel 4

Commander Erika Benteen beendete die Verbindung. Das gewohnte Symbol der Föderation der Planeten erhellte nun den Monitor. Ich vertraue Ihrem Urteil. Ein großes Vertrauen war das, das musste sie schon sagen. Sie hatte Fähnrich Sito Jaxas Bericht erhalten und ihn dem Hauptquartier überspielt. Sie hatte eine persönliche Beurteilung der Situation beigelegt, in welcher sie sich als sehr verständig der jungen Frau gegenüber gegeben hatte. Es war ein großer Schritt für sie gewesen, denn Benteen lebte unter dem ständigen Eindruck, dass das Oberkommando sie beobachtete, ob sie dem milden Urteil gerecht wurde, welches nach Admiral Leytons Coup über sie verhängt worden war. Sie versuchte, sich so protokollgerecht wie möglich zu verhalten, um keinerlei Fragen aufzuwerfen. Nun eine Beurteilung zu schreiben, die sich nicht strikt an die Regeln hielt, war ihr schwer gefallen. Sie wollte aber auch nicht die Richterin sein, sie wusste nur zu gut selbst, was es hieß, in dem geölten Getriebe, welches die Sternenflotte darstellte, einen Fehler begangen zu haben.

Und so hatte sie sich zumindest erhofft, die Erste zu sein, die das Oberkommando vom Wiederauftauchen von Fähnrich Sito unterrichtete.

Wie sie eben erfahren hatte, war das nicht der Fall gewesen. Premierminister Shakaar musste noch in der Nacht, bevor er sie besucht hatte, mit Terra gesprochen haben.

Das Padd, von welchem sie den Bericht in das Terminal übertragen hatte, landete geräuschvoll auf dem Tisch. Bajoraner!

Sie rückte den Sessel zurück und stand auf. Sie überlegte, ob sie den Premierminister deswegen ansprechen sollte, oder die Sache einfach ignorierte. Als erstes würde sie sich jedenfalls auf den Weg zu Fähnrich Sitos Quartier machen, um ihr die Entscheidung des Oberkommandos mitzuteilen.

* * *


Allmählich sehnte sie sich nach Ruhe. Den gesamten Nachmittag hatte sie nun schon Besuche empfangen, die ihr und ihrem Sohn Glückwünsche überbrachten. Kasidy Yates war gerührt davon, wie viele Personen ihre Arbeit unterbrachen, um sie aufzusuchen, und sie spürte verstärkt den Eindruck und die Lücke, welche Benjamin Sisko hinterlassen hatte. Über die Hälfte derjenigen, die ihr gratuliert hatten, waren sicherlich aus Respekt vor ihrem verschwundenen Mann hier gewesen. Ein Besuch, der nur ihr gegolten hatte, waren allerdings Serina und ihre kleine Tochter gewesen. Die Cardassianerin wusste wenig von Benjamin Sisko und kümmerte sich auch nicht um dessen religiösen Ruf. Sie war in ihrer Rolle als Koordinatorin der Hilfslieferungen gekommen und als Mutter. Yates hatte amüsierte beobachtet, wie die kleine Katalya sich voller Interesse über den schlafenden Jeremiah gebeugt hatte. Wenn ihr Sohn alt genug war, würde sie versuchen, eine Bekanntschaft der beiden Kinder zu forcieren. Es würde ihrem Gerechtigkeitssinn gefallen, wenn die Spielkameradin des Sohns des Abgesandten ausgerechnet eine Cardassianerin würde – ja, das würde ihr sogar sehr gefallen.

„Störe ich?“ Sie hob den Kopf aus ihren Gedanken und sah Colonel Kira in der Tür stehen. Ein offenes Lächeln breitete sich auf Yates‘ Zügen aus. Die Bajoranerin war eine der wenigen, die sich danach erkundigte, ob sie vielleicht ihre Ruhe haben wollte. „Keineswegs, kommen Sie näher.“

Lautlos näherte Kira sich dem Bett. Yates konnte sich gut vorstellen, wie die Frau sich in den Zeiten des Widerstands angeschlichen hatte, sie beherrschte eine vorsichtige, elegante Art der Annäherung.

„Ich möchte ihn nicht wecken“, bemerkte Kira auf Yates‘ Blick hin.

„Wecken scheint kein Problem zu sein.“ Die Terranerin hob das Baby, welches neben ihr im Bett gelegen hatte, auf den Arm. „Er hat die Hälfte aller Gratulanten heute verschlafen. Und ein Teil davon war wirklich alles andere als geräuschlos.“

Kira lachte leise. „Ich wäre auch erledigt, wenn man mich aus einer schönen, warmen Umgebung an das grelle Licht dieser Krankenstation reißen würde.“ Sie stand nun neben dem Bett. Fast zaghaft bewegte sie ihre Hand. „Darf ich?“

Yates reichte ihr den schlafenden Jeremiah. Kira nahm ihn behutsam in den Arm und betrachtete das kleine Gesicht. Sie verspürte so etwas wie Ehrfurcht bei seinem Anblick. Sie hatte Captain Sisko als vorgesetzten Offizier kennen und schätzen gelernt, doch der tiefe Respekt, den sie ihm entgegenbrachte, beruhte nicht auf seinem militärischen Können sondern fast ausschließlich auf seiner Bedeutung für ihr Volk. Sie wusste, dass Captain Yates dies nur ungern hörte, doch für Kira war dieses Kind etwas ganz Besonderes, weil es ein Nachkomme Siskos war, nachdem diesen die Propheten berührt hatten. Sie würde sich allerdings hüten, das laut der Mutter gegenüber zu äußern.

„Er sieht so selbstzufrieden aus“, bemerkte sie lächelnd. „Als würde er ganz selbstverständlich voraussetzen, dass so ein Wirbel um ihn gemacht wird.“

„Ja“, Kasidy lachte. „Diesen Eindruck habe ich in der Tat auch. Ich werde aufpassen müssen, dass er nicht zu sehr verwöhnt wird.“

„Er hat es verdient, verwöhnt zu werden.“ Kira streichelte über die kleinen Finger, die über der Decke zu sehen waren. „Willkommen an Bord von DS9, Jeremiah“, flüsterte sie ihm zu. „Die Station wird dich lieben.“ Sie sah wieder zu seiner Mutter auf. „Was hat Jake zu seinem Bruder gesagt?“

„Oh, Jake ist wundervoll.“ Yates lächelte in sich hinein bei der Erinnerung an Jakes Reaktion auf den kleinen Stiefbruder. „Er platzt fast vor Stolz. Seine erste Tat zu Ehren des neuen Familienmitglieds wird ein langer Artikel in der Stationszeitschrift werden. Er hat sich sofort daran gesetzt. Kira, ich bin wirklich glücklich.“

Die Bajoranerin beugte sich hinunter, um ihr das Baby wieder anzureichen. „Das haben Sie auch verdient. Ganz gleich, was Sie brauchen, Sie können mich jederzeit kontaktieren, Kasidy.“

„Da wäre in der Tat etwas.“ Yates überlegte, wie sie das, was ihr auf dem Herzen lag, am besten hervorbringen konnte. „Es geht um Mr. Bareil.“

„Bareil?“ Kiras Gesicht war deutlich anzusehen, dass sie sich unter Hilfe für Kasidy und ihren Sohn etwas gänzlich anderes vorgestellt hatte.“

„Ich weiß, dass Sie allen Grund haben, ihm zu misstrauen, und dass es wahrscheinlich nicht meine Aufgabe ist, mich einzumischen. Aber ich habe enger mit ihm zusammengearbeitet als jeder andere hier und daher kann ich mir anmaßen zu sagen, dass er ein sehr aufmerksamer und hilfsbereiter Mann ist. Er ist immer für mich da ohne etwas dafür zu erwarten. Er ist nicht nur der Dieb, für den Sie ihn halten.“ Sie betrachtete Kiras misstrauisches Gesicht. Die Frau war so wunderschön, wenn ihre dunklen Augen einem Zuhörer ihre gesamte Aufmerksamkeit schenkten. Sie konnte Bareil seine fast kindlich anmutende Begeisterung nicht verübeln. „Ich maße mir nicht an zu behaupten, dass er Ihre Liebe verdient hat, Nerys. Aber er hat definitiv Ihre Freundschaft verdient. Würden Sie das für mich tun? Ihm einfach nur eine Chance geben?“

Kira richtete sich wieder auf. „Ich kann nicht behaupten, dass mich diese Bitte mit Begeisterung erfüllt.“

„Tun Sie es mir zuliebe. Ich werde mich in den nächsten Wochen nicht so sehr um ihn kümmern können, wie ich es bisher getan habe“, gestand Yates. „Und ich hätte einfach ein ziemlich schlechtes Gewissen, wenn ich nicht wüsste, dass er wenigstens nicht immer alleine essen muss. Sehen Sie es einfach so: Er vertritt mich in der nächsten Zeit, was die Koordination der Hilfslieferungen hier auf der Station angeht.“

Kira schenkte ihr ein schräges Grinsen. „Ich tu’s für Sie. Mehr nicht.“

„Das ist alles, worum ich bitte.“

Die Bajoranerin wollte sich wieder zum Gehen wenden, als ihr noch etwas einfiel. „Kasidy, Kai Sarius wollte wissen, ob Sie in der Laune wären, ihn zu empfangen. Er hielt es für ratsamer, mich vorzuschicken, und Sie nicht mit seiner Anwesenheit zu überfallen.“

„Du meine Güte“, Yates zog ein betroffenes Gesicht. „Ich muss mich wirklich ausgesprochen gastfreundlich bei seinem letzten Besuch verhalten haben. Natürlich, bitte sagen Sie ihm, dass mein Sohn und ich ihn sehr gerne sehen würden. Sie können ihm auch ausrichten, dass ich nach der Geburt wesentlich umgänglicher bin als davor.“

Kira lachte. „Ich bin sicher, er wird erfreut sein, das zu hören.“

* * *


Sito blickte erwartungsvoll auf, als sich die Tür nach einem kurzen Ankündigungston öffnete. Diese knappen Spannen reichten bei weitem nicht aus, sollte sich der Quartierbewohner in einer kompromittierenden Situation befinden. Sie hatte schon halb mit dem Gedanken gespielt gehabt, sich auszuziehen, um genau diesen Umstand zu demonstrieren. Doch sie wollte nichts mehr wagen, bis sie nicht wusste, wie sich ihre weitere Zukunft gestaltete.

„Und?“

Benteen warf ihr das Padd zu. „Das Oberkommando hat aufgrund Ihres ausführlichen Berichts entschieden, dass eine Strafe übertrieben wäre. Sie sind frei, Fähnrich. Die Sternenflotte, erwartet Ihre Rückmeldung zum Dienstantritt innerhalb der nächsten Woche.“

Sito starrte den kurzen Text an. Sie hatte nicht damit gerechnet, nicht wenn sie ehrlich sein sollte.

„Das habe ich Ihnen zu verdanken, nicht wahr?“ Die Bajoranerin sprang vom Bett auf und umarmte die überraschte Benteen. „Sie haben mich verstanden, ich wusste es. Sie sind nicht so unnahbar, wie Sie vorgeben.“

Die Terranerin versuchte, die Arme der jungen Frau wieder von ihrem Hals zu lösen. Sie war unvorbereitet auf eine solche Reaktion, und verspürte keine Lust, von jemandem als Frau mit Gefühlen angesehen zu werden. Das konnte nur gegen einen verwendet werden. So bemerkte sie, obwohl sie das hatte verschweigen wollen: „Danken Sie nicht mir, der bajoranische Premierminister hat sich für Sie eingesetzt.“

„Oh.“ Sito trat einen Schritt zurück und schenkte Benteen damit wieder den nötigen Raum, um ihre Autorität aufzubauen. „Wie kommt er dazu?“

„Fragen Sie mich nicht, Fähnrich. Ich frage mich das auch.“ Sie wandte sich um und ging zur Tür zurück.

„Ich danke Ihnen trotzdem, Commander“, rief Sito ihr hinterher. Als die Tür sich geschlossen hatte, fügte sie leise für sich hinzu: „Dir fehlt eindeutig eine zärtliche Hand, auch wenn du das nicht weißt.“

Auf dem Korridor lehnte sich Benteen kurz gegen die Wand. Sie wollte es sich nicht eingestehen, aber die Umarmung der Bajoranerin hatte in ihr längst vergessen geglaubte Gefühle wachgerufen. Der weiche Körper an ihrem hatte sich so angenehm angefühlt ... Sie schüttelte energisch den Kopf, richtete sich auf und ging den Korridor zurück.

* * *


„Kai Sarius“, Yates neigte den Kopf leicht. „Kommen Sie herein, und lassen Sie sich nicht von mir abschrecken.“ Sie sah das jungenhafte Glitzern in seinen Augen und war außerordentlich froh, dass Winn nicht mehr Kai war. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, wie sie mit dieser Frau mittlerweile schon aneinandergeraten wäre. Sarius jedoch schien ein Mann zu sein, der über die nötige Selbstironie verfügte.

„Ich freue mich, dass es Ihnen wieder so gut geht, dass Sie Scherze machen können, Captain Yates.“ Er hatte sein Gefolge vor dem Eingang zur Krankenstation gelassen und stand nun lediglich in Begleitung seines Beraters vor ihr.

„Vedek Gawen“, begrüßte Yates den anderen Mann. „Ich freue mich, Sie wiederzusehen. Wie Sie sehen können“, sie zeigte zu ihrem Sohn, „hat dieses Chaos mit den Alpträumen nun ein Ende. Ich habe mich glücklicherweise völlig umsonst gesorgt.“

Die ernste Miene des Vedeks schien sagen zu wollen, dass noch lange nicht mit einem Ende zu rechnen war. Yates zog die Augenbrauen misstrauisch zusammen, doch Kai Sarius lenkte sie davon ab, weiter das Gesicht des Vedeks zu studieren. Er reichte ihr eine kleine geöffnete Schatulle, in welcher ein kostbar verarbeiteter bajoranischer Ohrschmuck lag. „Ich weiß, dass Ihr Sohn ihn nie tragen wird, doch ich würde mich freuen, wenn Sie dieses Geschenk von mir für ihn annehmen würden.“

Yates nahm die Schatulle entgegen. Das edelsteinbesetzte Schmuckstück funkelte im klaren Licht der Krankenstation. „Das ist wunderschön. Ich danke Ihnen von Herzen. Ich werde es für ihn aufbewahren, bis er alt genug ist, um es zu schätzen.“

„Sie haben die Frage heute wahrscheinlich schon zur Genüge hören müssen und sind es leid, dass immer noch kein Ende abzusehen ist, aber ... darf ich?“

„Ich würde mich freuen“, erwiderte sie ehrlich, als sie erneut ihr Baby einem Besucher entgegen reichte.

Der Kai strich mit dem Zeigefinger über die Schläfe des Babys. „Ich heiße dich, Jeremiah Sisko, unter den Augen der Propheten willkommen. Mögest du immer auf dem richtigen Pfad wandeln und Freude denen bringen, denen du begegnest.“ Er blickte zu Yates auf. „Würden Sie mir erlauben, sein paghzu erfühlen?“

Sie setzte sich alarmiert auf. „Tun Sie ihm nicht weh!“

Sarius schüttelte den Kopf. „Es tut ihm nicht weh. Ich würde sein Ohr nur leicht berühren und nur, wenn Sie es gestatten.“

„Ihm kann nichts passieren?“

„Ihm kann nichts passieren.“

Sie nickte zögernd ihr Einverständnis.

Kai Sarius‘ Finger fuhr weiter an der Schläfe des Babys entlang, bis er am Ohr zu liegen kam. Der Geistliche schloss seine Augen, um sich auf die erwarteten schwachen Reaktionen zu konzentrieren.

Augenblicklich riss er die Augen wieder auf und nahm den Finger weg. Er starrte in das Gesicht des kleinen Jungen, der ihn nun unverwandt anblickte. Der Kai zwinkerte, um sich von dem Eindruck zu lösen, in die schwarzen Seen hinab gezogen zu werden. „Bei den Propheten“, flüsterte er. „Ich habe noch niemals ein so starkes pagh gespürt.“ Er wandte sich zu Yates um, die nun beinahe ängstlich im Bett saß. „Ihr Sohn ist schon längst von den Propheten berührt worden. Er wird Großes vollbringen.“

Vedek Gawen reichte dem Baby einen Finger, welchen dieses mit der kleinen Hand umschloss. Der Geistliche lächelte traurig. Es sind nicht die Propheten, die das Kind berührt haben. Doch um das zu erkennen, fehlt dir die nötige Erkenntnis der Vielschichtigkeit der Seele.

„Ich hatte gedacht, es sei vorbei“, flüsterte Yates.

„Oh, nein“, Gawen spielte weiter mit der kleinen Hand. „Es hat erst begonnen.“

* * *


So ziemlich das Letzte, was sie erwartet hatte, als ihr die Tür geöffnet wurde, war der Anblick einer Cardassianerin. Unwillkürlich trat Sito einen Schritt zurück. Ihr Gegenüber wirkte nicht bedrohlich, doch die graue Haut und die Schuppen reichten vollkommen aus, um ausgesprochen unangenehme Erinnerungen in der Bajoranerin hervorzurufen.

„Kann ich Ihnen helfen?“ fragte die Cardassianerin auf Bajoranisch. Es klang seltsam aus ihrem Mund.

„Entschuldigung“, beeilte Sito sich zu sagen. „Ich habe mich in der Tür geirrt.“

Ein schwaches Lächeln spielte auf den Zügen der schwarzhaarigen Frau, so als hätte sie diesen Satz nicht zum ersten Mal gehört. „Zu wem wollten Sie denn?“

„Zu Premierminister Shakaar.“

„Sie sind hier richtig.“ Die Frau trat beiseite, um Sito hereinzubitten. „Ich bin seine Frau.“

„Seine ...?“

Sito folgte ihr nun vollständig verwirrt. Wie lange war sie von Bajor fort gewesen?

Im Wohnbereich sah sie einen großen Bajoraner auf dem Sofa liegen und selbstvergessen mit einem cardassianischen Kind spielen.

„Edon?“ Der Bajoraner hob den Kopf. „Hier ist jemand, der dich sprechen möchte.“

„Ja?“ Er setzte das Kind auf das Sofa und erhob sich. Obwohl er lächelte, war Vorsicht in seinem Blick, seine Augen überprüften automatisch die Besucherin nach Waffen oder verräterischen Anzeichen in der Mimik und Gestik.

„Premierminister“, Sito neigte zur Begrüßung ein wenig den Kopf. „Ich wollte mich persönlich bei Ihnen bedanken.“

„Bedanken? Wofür?“ Shakaar hatte sie nun erreicht. Unbewusst hatte er sich dabei zwischen seine Besucherin und die Cardassianerin gestellt.

„Mein Name ist Sito Jaxa“, fiel der Bajoranerin endlich ein, sich vorzustellen.

Nun erhellte Erkenntnis das Gesicht des Premierministers. „Sito Jaxa, bitte setzen Sie sich doch.“ Shakaar wurde erst jetzt bewusst, dass er bisher gar nicht gewusst hatte, für wen er sich auf Bitten Kiras eingesetzt hatte. „Ich habe gehört, dass das Oberkommando Ihnen Gerechtigkeit hat widerfahren lassen.“

„Dank Ihres Einsatzes.“

Shakaar hob die Schultern. „Ich denke, Commander Benteen wäre auch von selbst zu dieser Lösung gelangt. Ich habe nur sichergestellt, dass sie es tut.“ Er bot Sito etwas zu trinken an. „Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich respektiere die Befugnisse der Sternenflotte voll und ganz. Allerdings war mir zu Ohren gekommen, dass Sie in einem cardassianischen Inhaftierungslager waren – und das ist etwas, was die Sternenflotte nicht vollständig verstehen kann. Sie haben bisher nur wenig Erfahrung mit dieser Art der Unterdrückung gemacht.“

„Auch die Föderation hat Krieg gegen Cardassia geführt“, berichtigte Sito.

„In Ordnung. Jedoch hat meiner Ansicht nach die Sternenflotte bis zum dominischen Krieg nicht wirklich erfahren, was es bedeutet, nicht auf der Gewinnerseite zu stehen.“ Er machte eine abwehrende Handbewegung. „Lassen wir dieses Thema. Die Hauptsache ist, dass Sie frei sind und Ihren Dienst wieder antreten können, ohne Nachteile erwarten zu müssen.“

„Ich werde meinen Dienst nicht mehr antreten. Ich werde die Sternenflotte verlassen.“

„Haben Sie sich so sehr an das freie Leben gewöhnt?“

„Nicht unbedingt.“ Sie hatte darüber nachgedacht, sich wieder mit Vash in Verbindung zu setzen, doch eine Anfrage bei Dr. Cuan hatte ergeben, dass niemand die terranische Archäologin gesehen hatte. Sie war vor einem Tag spurlos verschwunden. Sito ahnte, dass nicht nur Vash, sondern auch ein Teil der Ausgrabungsgegenstände fehlen dürfte, doch sie hatte ihren Mund gehalten. Vash war eine Einzelgängerin und würde es immer bleiben. Sito musste jedoch erst einen anderen Weg beschreiten, bevor sie sicher gehen konnte, was für sie das Richtige war. „Auch deswegen habe ich Sie aufgesucht.“ Sie betrachtete ihre Tasse. „Ich hatte mich gefragt, ob das bajoranische Militär jemanden wie mich gebrauchen könnte. Ich besitze eine fundierte Sternenflottenausbildung, die sicherlich hilfreich wäre ...“

Shakaar betrachtete sie nachdenklich. „Ich werde Sie mit General Ontkean bekannt machen.“ Dann erhob er sich und reichte ihr die Hand. „Willkommen auf Bajor, Sito Jaxa.“

* * *


Quark fühlte sich stets unwohl, wenn er es mit Angehörigen des geistlichen Stands zu tun hatte. Meist kamen sie, um Spenden für alle möglichen und unmöglichen Fonds zu erbetteln, und wenn das nicht der Fall war, dann besaßen sie einfach zu wenig Geld, um für ihn von Interesse zu sein. Ein bajoranischer Vedek, der von ihm etwas kaufen wollte, brachte ihn vollständig aus dem Gleichgewicht.

„Hören Sie, guter Mann, ich kann mich nur wiederholen, ich habe keine Ahnung, von was für einem Buch Sie reden.“

Vedek Gawen saß ihm gegenüber auf einem Barhocker. Ein seltsamer Anblick auch ohne das Ansinnen des Mannes. Leichte Frustration zeigte sich auf dem Gesicht des Geistlichen. Da er nicht die geringste Ahnung hatte, von was der Meister gesprochen hatte, war es ihm natürlich auch nicht möglich, dem Ferengi irgendwelche Auskünfte darüber zu geben, was er eigentlich suchte. Er hatte den Barbesitzer in der Annahme aufgesucht, dass dieser sofort wüsste, worum es ging.

„Wenn es am Geld liegt: Ich kann bezahlen, machen Sie sich darum keine Sorgen.“

Quark seufzte. „Es liegt nicht am Geld, sondern daran, dass ich nicht weiß, was Sie meinen. Können Sie mir sagen, was für ein Buch Sie suchen? Dann kann ich mich für Sie umhören.“

„Ich ... B’hala“, erklärte er einer plötzlichen Eingebung folgend.

Der Ferengi setzte eine betont neutrale Miene auf. Konnte es möglich sein, dass der Geistliche vor ihm lediglich versuchte herauszubekommen, ob Quark seine Finger in etwas hatte, wo sie nach bajoranischer Auffassung nicht hinein gehörten?

„B’hala?“ wiederholte er mit mildem Interesse. „Eine interessante religiöse Stätte – wie ich mir habe sagen lassen.“

„Das Buch stammt von B’hala.“ Noch während er es behauptete, fragte Gawen sich, was er da sagte. B’hala war so alt, dass es für Papier nicht ...

„Wenn mich nicht alles täuscht, dann ist B’hala seit 20.000 Jahren verschüttet. Das ist zu alt, als dass sich Papier da halten könnte. Wenn Sie ein Buch aus B’hala suchen, dann kann ich Ihnen gleich sagen, dass Sie nichts finden werden – selbst wenn ich zufällig überhaupt über Ausgrabungsstücke stolpern sollte“, fügte Quark sicherheitshalber noch einmal hinzu. Die Stücke, die Vash ihm verkauft hatte, waren allesamt Zeremoniengegenstände gewesen, keine Schriftrollen oder ähnliches. Es lag ihm fern, ausgerechnet einem bajoranischen Vedek auf die Nase zu binden, dass er in deren Besitz war.

„Halten Sie Ihre Ohren und Augen auf“, riet Gawen ihm. „Wenn Sie etwas von einem Buch hören sollten, dann kontaktieren Sie mich. Die Belohnung dafür wird größer sein als Sie es sich vorstellen können.“ Der Vedek hatte nicht die geringste Ahnung, mit was er den Ferengi überhaupt bezahlen sollte. Doch der Ausdruck von Gier, der sich nun auf dessen Zügen zeigte, sagte ihm, dass er jedenfalls die ungeteilte Aufmerksamkeit besaß.

* * *


Sie wusste nicht mehr, was sie dazu getrieben hatte, dieses Buch an sich zu reißen. Sie erinnerte sich noch sehr gut an ihre Gefühle, als sie es in der Kammer entdeckt hatte, an die Dringlichkeit, mit der sie sichergestellt hatte, dass niemand außer ihr von seiner Existenz erfuhr – besonders gut erinnerte sie sich an den Schmerz in ihrem Bein, als sie mitten in der Nacht zurückgeklettert war, um es aus seinem Versteck zu holen. Sie hätte wirklich im Bett bleiben sollen.

Alle anderen Stücke, die sie verschwinden lassen konnte, ruhten nun in Quarks Safe, während eine ansehnliche Menge an Geld ihr eigenes Konto bereichert hatte. Nur dieses Buch war übriggeblieben.

Vash kramte ein geeignetes Stück Metall aus ihrer Werkzeugtasche und machte sich daran, das mechanische Schloss zu knacken. Als es mit einem leisen Klicken nachgab, berührte sie vorsichtig den Einband. Sie wusste nicht warum, doch sie hatte das seltsame Gefühl, dass sich ihr auf den Seiten die Wahrheit des Universums offenbaren würde. Sie holte einmal tief Luft und schlug den Buchdeckel zurück. Sie stockte kurz, dann blätterte sie durch die ersten Seiten und immer rascher durch die folgenden, bis sie am Ende angelangt war.

„Was zum ...?!“

Alle Seiten des Buches waren leer.

Die nächste FF in dieser Reihe ist "Asche 07 - Die dunkle Seite des Mondes" von Martina Strobelt
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