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Vereinigt

von Emony

Kapitel 1

„Ensign Tigan“, wurde sie knapp angesprochen, kaum dass sie die Krankenstation der USS Destiny betrat. „Danke, dass Sie gekommen sind.“

„Kein Problem. Was kann ich für Sie tun?“ Die drei ernsten Gesichter, die sie auf der Krankenstation in Empfang nahmen, darunter der Chefarzt, Captain Raymer und der Erste Offizier, verhießen nichts Gutes. Beinahe sofort breitete sich ein ungutes Gefühl in ihrer Magengegend aus. Hatte sie etwas falsch gemacht? Jeder an Bord wusste, dass sie eine Counselor-Assistentin und noch keineswegs mit der Ausbildung fertig war. Deshalb gab man ihr eigentlich so gut wie nie wirklich problematische Fälle. Nun ja, bis auf die Sache mit …

„Ensign“, wandte sich Captain Raymer an sie.

Der Ausdruck im Gesicht der Frau, bereitete Ezri zunehmend Unbehagen. Ihr Herz begann unwillkürlich zu rasen.

„Wie Ihnen vielleicht bekannt ist“, fuhr Raymer fort, „haben wir einen Symbionten an Bord.“

Ezri nickte knapp. „Ja, Captain.“

„Der Zustand des Symbionten ist auf ein kritisches Niveau gesunken“, mischte sich nun auch der Chefarzt ein.

Ein schwaches Nicken war erneut alles, was Ezri zustande brachte. Dann, nach einem längeren Moment der stillen Überlegung, begann sie zu ahnen, weshalb man ausgerechnet sie auf die Krankenstation gerufen hatte. Sie schluckte schwer.

„Das zu hören tut mir leid“, erwiderte Ezri, sobald sie ihre Stimme wieder gefunden und den ersten Schrecken überwunden hatte.

„Sie sind die Einzige, die den Symbionten jetzt noch retten kann. Er wird sterben, ehe wir auf Trill eintreffen.“

„Aber ich …“ Ihre Gedanken begannen zu rasen. Sie wusste, dass es unzählige Trills gab, die ein Leben lang dafür arbeiteten, was man ihr soeben angeboten hatte. Allerdings gehörte sie keineswegs zu diesen Leuten. Der bloße Gedanke an eine Vereinigung bereitete ihr unglaubliche Angst, nein eigentlich war es eher Panik. „Ich sehe ein, warum Sie zu mir gekommen sind. Aber ich bin nicht die einzige Trill an Bord.“

„Nein, aber die einzige unvereinigte Trill im idealen Alter“, erklärte ihr der Arzt. „Hören Sie, Ensign, wenn Sie sich dagegen entscheiden, könnte ich es verstehen. Aber ohne Ihr Einverständnis kann ich für den Symbionten nichts tun. So weit ich weiß, ist er schon einige hundert Jahre alt und hat rund sieben oder acht Leben hinter sich.“

„Sieben oder acht Leben?“, wiederholte Ezri gelähmt. Sie versuchte sich vorstellen, was auf sie zukam, sollte sie zustimmen den Eingriff vornehmen zu lassen, aber sie hatte einfach keine Ahnung. Bisher hatte sie ihr Leben immer im Griff gehabt und sich auch schon ganz genau überlegt gehabt, wie es mit ihrer Karriere weitergehen sollte. Sie hatte sich bereits auf den Abschluss ihrer Ausbildung gefreut und einige Bewerbungen geschrieben. Sie wollte irgendwann eine Familie gründen und dann vielleicht auf einer der Föderations-Welten (nicht unbedingt Trill) sesshaft werden. Im Weltall fühlte sie sich nicht besonders wohl, aber zu ihrer Ausbildung gehörte es nun mal dazu, dass sie einige Zeit im Außendienst auf Raumschiffen diente und dort Erfahrungen sammelte.

„Ich bin keine Initiantin und wollte es nie werden“, ließ sie die drei Führungsoffiziere schließlich wissen, um klare Verhältnisse zu schaffen. Die beiden Männer und ihr Captain sahen sie verständnisvoll, aber auch mit einer gewissen, ungeduldigen Erwartung an.

„Es ist Ihre Entscheidung, Ezri“, sagte Captain Raymer.

Ihre Kommandantin hatte sie nie zuvor mit dem Vornamen angesprochen. Eigentlich hatten sie bisher auch nie besonders viel miteinander zu tun gehabt. Dadurch fühlte Ezri sich zusätzlich verunsichert.

Ihr nächster Impuls war es, die Krankenstation fluchtartig zu verlassen, um zuhause anzurufen. Sie wollte so gerne mit ihrem Bruder Norvo darüber sprechen, aber dazu war keine Zeit. Norvo war stets verständnisvoll gewesen und letztlich war er auch der Einzige aus ihrer Familie, mit dem sie sich noch gut verstand.

„Wo ist er?“, fragte sie dann und sah sich suchend in der Station um. Sie wollte den Symbionten sehen, ehe sie eine Entscheidung treffen konnte. Der Arzt führte sie in eins der hinteren Zimmer, wo der Symbiont in einem transparenten Zylinder in milchiger Flüssigkeit aufbewahrt wurde. „Das ist er?“ Sie stand nur wenige Zentimeter von dem Behälter entfernt. Der Symbiont darin wirkte bereits ziemlich leblos.

Im offenen Zugang standen der Captain und ihr Erster Offizier, während direkt neben ihr der Arzt auf ihre Entscheidung wartete. Sie sah in die drei erwartungsvollen Gesichter und dann zurück zu dem Lebewesen, das im Sterben lag. Sieben oder acht Leben … waren das nicht genug?

Ezri wäre schon froh, ein einziges Leben, ihr einziges Leben, leben zu können. Sie wollte ihre Identität nicht aufgeben und eine ganz andere Person werden. Sie wusste, dass sie nie mehr dieselbe sein würde. Dass diese Entscheidung ihr gesamtes künftiges Leben unwiderruflich beeinflussen würde.

Und noch während sie diesem Gedanken nachging, wurde sie sich der Tatsache bewusst, dass sie sich bereits unbewusst entschieden hatte. Sie konnte dieses Lebewesen nicht einfach sterben lassen. So feige und egoistisch war sie nicht. Was für ein Counselor sollte aus ihr werden, würde sie nicht versuchen anderen zu helfen, wenn es doch in ihrer Macht stand?

Sie atmete tief durch und straffte dann entschlossen die Schultern. „Was muss ich tun?“

Im Gesicht des Arztes zeichnete sich sofort deutliche Erleichterung ab, auch wenn ihm eine komplizierte Operation bevorstand, die er noch nie zuvor durchgeführt hatte. Er musste es Ezri gar nicht erzählen, sie wusste es auch so. Denn außerhalb der Trill-Heimatwelt war es nie vorher zu einer Vereinigung gekommen. Die Symbiose-Kommission war in dieser Hinsicht sehr streng.

„Sie können sich dort hinten umziehen“, erklärte ihr der Arzt und bat dann sowohl den Captain als auch den Ersten Offizier, ihn nun in Ruhe arbeiten zu lassen. Lediglich eine Krankenschwester stand dem Doktor letztlich helfend zur Seite.

In einen OP-Kittel gekleidet stand Ezri wenige Minuten später vor einem kleinen Wandspiegel und betrachtete sich. „Leb wohl“, sagte sie zu sich selbst. Nichts würde je wieder so sein wie jetzt, ganz besonders nicht sie selbst.

Schließlich nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und betrat den OP-Saal, indem inzwischen alles vorbereitet worden war. Der Doktor erklärte ihr die Prozedur und was in etwa auf sie zukommen würde, dann ging es auch schon los.

Dank einer örtlichen Betäubung spürte sie keine Schmerzen, dennoch kribbelte es seltsam, als der Symbiont sich langsam in ihrem Körper einnistete. Sie versuchte etwas zu sehen und hob den Kopf, durfte sich aber nicht bewegen und so schloss sie letztlich die Augen und ließ es einfach über sich ergehen.

Mit einem Mal erinnerte sie sich an ihre erste Vereinigung, dann an ihre zweite und dritte und vierte … Erinnerungen an unglaublich viele Momente strömten einem Wasserfall gleich über sie herein und ließen sie weinen. Aus Angst und Freude, Liebe und Trauer, Schmerz und Behagen … Erinnerungen an Gesichter, die ihr fremd und doch so vertraut erschienen, ließen sie überwältigt die Luft anhalten.

„Es funktioniert“, hörte sie den Arzt wie durch einen dichten Nebel zu ihr sprechen. „Sein Zustand verbessert sich zunehmend.“

„Wie fühlen Sie sich?“, fragte die Schwester und nahm Ezris Hand, und war ihr somit ein Anker in der Realität.

Ezri weinte ohne ersichtlichen Grund und schüttelte nur den Kopf. Sie war viel zu überwältigt, um in Worte fassen zu können, wie es ihr in dem Moment erging. Das war es also. So fühlte es sich an, wenn man den eigenen Verstand plötzlich mit einer Lebensform verband, welche die Erfahrungen – die Seelen - der vorherigen Wirte bewahrte.

Von jetzt auf nachher war Ezri mehrfach Mutter und Vater zugleich, verheiratet, verwitwet, gestorben und wiedergeboren, Mann und Frau, Wissenschaftlerin, Komponist, Sportlerin, Pilot …

„Entspannen Sie sich, Ensign. Die Operation ist gut verlaufen“, drang die Stimme des Arztes in ihren völlig verwirrten Verstand vor.

Sie konnte sich jedoch nicht entspannen. Es würde Zeit brauchen, sich daran zu gewöhnen. Vielleicht würde es ihr nie gelingen …

Abends stand sie vor dem großen Spiegel in ihrem Schlafzimmer und betrachtete sich eingehend. Jeden einzelnen Fleck nahm sie genau in Augenschein, aus Angst auch ihr Äußeres habe sich verändert. Zunächst sah sie einfach nur sich selbst, doch dann lächelten ihr plötzlich nacheinander acht unbekannte und gleichzeitig vertraute Gesichter aus dem Spiegel entgegen. Torias, Lela, Emony, Tobin, Audrid, Joran, Curzon und Jadzia. Und es kam ihr so vor, als spüre sie die Dankbarkeit der vorigen Wirte, wenngleich es surreal erschien, da sie doch alle gestorben waren. Gestorben, doch dank ihr auch wiedergeboren …

Die Frau im Spiegel war nicht länger die unscheinbare, knapp zwanzig Jahre junge Ezri Tigan, sie war nun die erfahrene über dreihundert Jahre alte Ezri Dax.

Ich kann nicht fassen, dass ich mal eine Story aus Ezris Perspektive geschrieben hab. Bin gespannt was ihr davon haltet.^^
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