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Endzeit

von Gabi

Kapitel 1

Wie verzweifelt ein Krieg ist,
lässt sich stets daran erkennen,
mit welchen Waffen er gekämpft wird.



Die Flüssigkeit war leuchtend blau. Es war ein ausgesprochen schönes Blau, klare Bergseen hatten diese Farbe, der Himmel an manchen Tagen hatte diese Farbe. Wenn Licht auf die Phiole fiel, brach es sich diamantartig, das Fläschchen schien von innen zu leuchten. Und wenn man es aus der Lichtquelle nahm, phosphoreszierte es noch ein wenig nach. Als hätten sich kleine Sonnen in der Flüssigkeit verirrt, die nun erst langsam wieder ihren Weg aus dem Labyrinth der Moleküle herausfanden.

Geschmeide waren von dieser Qualität, edle Steine, kostbare Glasskulpturen - Gift.

„Es ist bereit für den ersten Probelauf.“ Xarna Kapet stellte das Glas in die dafür vorgesehene Halterung zurück. Ihre Hände waren von Handschuhen bedeckt, ihren Mund schützte eine Maske.

„Wie gefährlich ist es für Cardassianer?“ wollte eine Stimme hinter einer dicken Schutzscheibe wissen. Sie gehörte einem der Männer, die dort warteten.

„Ich habe keine Ahnung“, gestand die Wissenschaftlerin. Trotz der Maske war ein spöttisches Lächeln auf ihren Zügen auszumachen. „Noch hat sich keiner freiwillig für einen Test gemeldet. Sie können gerne in Ihren Divisionen nachfragen.“ Sie ging zur Wand hinüber, die bis auf eine Bedienungskonsole leer zu sein schien. Bevor sie eine Tastenkombination eingab, wechselte sie die Handschuhe.

Die Konsistenz der Wand veränderte sich, sie wurde durchsichtig und gab den Blick in einen abgeschlossenen Raum frei, der nun auch gut von der anderen Seite, auf welcher die Soldaten hinter einer ähnlichen Scheibe standen, eingesehen werden konnte. An einer Wand saßen zwei nackte Bajoraner, eine Frau und ein Mann, beide jung und gesund. Von ihrer Seite aus war die Wand zum Labor hin offensichtlich immer noch eine undurchsichtige Barriere, denn in ihrer Haltung und ihren Blicken änderte sich nichts. Sie wirkten verloren und unsicher darüber, was in diesem kargen Raum auf sie zukommen würde.

„Doch wir werden gleich sehen, welche Wirkung es auf Bajoraner hat“, sprach Kapet weiter. Sie tippte eine erneute Sequenz in das Kontrollfeld. Im Raum änderte sich nichts.

„Ich zerstäube die Lösung nun in der Kammer“, erklärte sie. „Der Dampf ist so fein, dass wir ihn nicht sehen können.“

Die beiden Bajoraner begannen sich zu bewegen, offensichtlich traf die feine wässrige Lösung ihre Haut. Unsicher blickten sie nach oben, während sie ihre Schultern mit den Händen abwischten.

„Und was passiert jetzt?“ wollte einer der Offiziere wissen.

Kapet sah missmutig von den Anzeigen auf, die sie über dem Kontrollfeld studiert hatte. „Gedulden Sie sich gefälligst. Wo läge der Nutzen, wenn wir hier etwas synthetisieren, was sie auf der Stelle umbringt? Im ersten Testlauf dauerte es zwei Tage, bis sich eine Wirkung gezeigt hat. Das Testobjekt verlor dann recht rapide seine Kräfte und Hustenanfälle und Krämpfe setzten ein...“

„Wie lange hat es überlebt?“

„Das kann ich Ihnen nicht sagen“, sie zuckte mit den Schultern. „Wir haben es eliminiert, damit wir die Wirkung auf die inneren Organe besser studieren konnten. Von diesen Ergebnissen her würde ich sagen, dass der Verlauf nicht unbedingt letal sein muss. Doch die Schwächung wird auf jeden Fall so groß, dass sich die Infizierten nicht mehr auf den Beinen halten können. Und das ist doch das, was Ihnen vorschwebt, nicht wahr?“ Die Wissenschaftlerin deutete wieder auf die Sichtscheibe. „Ich habe die Dosis heute erhöht, der Effekt müsste also früher eintreten.“

Wie als hätte er auf dieses Stichwort gewartet, begann der Mann im Raum zu husten. Die Bajoranerin sah ihn erschrocken an, als der Hustenanfall kein Ende mehr nehmen wollte. Vorsichtig rutschte sie zu ihm hinüber und streichelte ihm über den Rücken. Ihr eigener Atem ging nun auch nicht mehr so gleichmäßig wie noch kurz zuvor. Über die Lautsprecher konnten die Cardassianer sie leise, aber eindringlich seinen Namen nennen hören. Als sich der junge Mann immer mehr zusammenkauerte und schließlich sogar damit begann, Blut zu husten, riss die Frau verzweifelt den Kopf in die Höhe. Ihr Blick suchte die Wände fieberhaft nach einem Fluchtweg ab. Schließlich begann sie, um Hilfe zu rufen.

Kapet stellte den Lautsprecher ab. Das musste sie sich nicht auch noch anhören.

„Und das überlebt er?“ fragte einer der Offiziere.

„Ich denke schon“, erwiderte die Wissenschaftlerin.

„Warum macht es der Frau nichts aus?“

„Das kommt noch, die Inkubationszeit ist bei jedem Testobjekt verschieden.“

„Und es ist ansteckend?“

Kapet wandte sich von der Konsole ab und blickte die Soldaten direkt an. „So wollten Sie es doch, oder?“ Auf das Nicken der Besucher hin fügte sie hinzu: „Wenn Sie weiter hier bleiben wollen, habe ich nichts dagegen, aber Sie werden nichts Spektakuläres mehr sehen. In ein, zwei Tagen liegen die beiden da drin einfach nur auf dem Boden, weil alles andere zu viel Kraft kostet. Ich rate Ihnen jedoch, mit dem Stoff sehr sorgfältig umzugehen. Wir haben keinerlei Langzeiterfahrungen. Und das Gegenmittel mag nur bedingt wirksam sein.“ Sie deutete auf eine farblose Flüssigkeit in einer Flasche neben der blauen Phiole. „Kommen Sie nicht in Kontakt damit und betreten Sie mehrere Tage kein Gebiet, in welchem Sie es ausgebracht haben.“

„In Ordnung, Kapet.“ Die Stimme gehörte einem Mann, der bisher geschwiegen hatte. „Wenn sich das Mittel auch im Freiversuch erweist, werde ich Sie für eine Belobigung vorschlagen. Gute Arbeit.“

Die Wissenschaftlerin nickte dem Mann zu, Gul Elt’een, Mitglied des Obsidianischen Ordens, und ihr höchstpersönlicher Henker, sollte sie Personen außerhalb des cardassianischen Geheimdienstes etwas von diesem Projekt mitteilen.

Die Soldaten wandten sich vom Fenster ab. Sie konnte noch hören, wie einer von ihnen im Gehen meinte: „Schade, dass sie so ein hübsches Mädchen verwendet hat, die Kleine hätte man noch gut für andere Dinge nutzen können...“ Dann waren sie zu weit von den Lautsprecheranlagen entfernt. Xarna Kapet unterbrach alle Verbindungen zur Besucherlounge und verwandelte schließlich die Wand zum Testraum wieder in eine undurchsichtige Substanz. Sie lehnte sich gegen diese Wand zurück. Sie konnte es nicht ertragen, die bajoranischen Testobjekte leiden zu sehen. Es gab Tage, da hasste sie den von ihr so geliebten Beruf, und diese Tage hatten fast stets etwas damit zu tun, dass der Obsidianische Orden mit ihr Kontakt aufnahm. Es hatte nicht nur Vorteile, auf ihrem Gebiet eine Kapazität zu sein.

Indem sie alle Gedanken an das bajoranische Paar hinter der nun wieder undurchsichtigen Mauer beiseiteschob, begann sie, in ihrem Labor aufzuräumen.

* * *


Kira Nerys stand im Schutz eines großen Baumes und blickte zu den Misthraal-Bergen hinauf. Die Art, wie der cardassianische Gleiter dort flog, erschien ihr ungewöhnlich. Von Zeit zu Zeit fingen sich Sonnenstrahlen im Bereich unterhalb des Fliegers, wo ihr Glitzern darauf hin deutete, dass ein feiner Flüssigkeitsnebel versprüht wurde. Was Kira daran so sehr irritierte, war die Tatsache, dass bis vor zwei Wochen in diesen Bergen der Stützpunkt der Shakaar gewesen war. Es konnte sich nicht um Zufall handeln, dass der Gleiter gerade dort seine Kreise zog.

Ein Rascheln neben ihr ließ sie den Kopf umwenden. Lupaza stand dort, einen schweren Sack über die Schulter geworfen, in welchem sie essbare Wurzeln sammelte - was Kira ebenfalls getan hatte, bis sie auf den Gleiter aufmerksam geworden war.

„Was gibt es da zu sehen?“ wollte die große Bajoranerin wissen.

Kira deutete mit dem Finger zu den Bergen empor. Dort machte sich der Cardassianer gerade daran, den Rückflug anzutreten. „Er hat irgendetwas dort oben gesprüht.“

„Und du meinst, das hat etwas mit unserem Stützpunkt zu tun?“

„Dessen bin ich mir ziemlich sicher. Es sieht so aus, als würden den Cardies die Optionen ausgehen. Ich will verflucht sein, wenn das nicht ein Versuch ist, uns zu vergiften.“ Als sich Kira wieder zu ihrer Freundin umwandte, stand Sorge in ihren Augen. „Und dagegen werden unsere Dämmfelder nichts nützen.“

* * *


Shakaar hatte die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Sie befanden sich auf einer Lichtung am Waldrand, wo seine Einheit im Augenblick dabei war, einen neuen Stützpunkt in verlassenen Gebäuden in den Außenbereichen der Siedlung einzurichten. „Wir müssen in die Nähe einer Stadt. Was immer es war, das Nerys gesehen hat, sie können es in den Bergen und Wäldern anwenden, aber nicht in der Nähe ihrer eigenen Städte.“

„Und was ist, wenn das genau ihre Absicht ist?“ fragte Lupaza, die nachdenklich auf einem Felsblock saß. „Was, wenn sie versuchen, uns aus dem Umland zu treiben? In der Nähe der Städte sind wir für ihre Patrouillen viel leichter zu fassen.“

„Eine gute Bemerkung“, stimmte Furel ihr zu. „Ist es nach dieser einen Beobachtung nicht zu früh, darauf schließen zu wollen, was sie beabsichtigen?“

„Ihr mögt recht haben.“ Shakaar ließ sich neben Lupaza nieder. „Aber ich möchte, dass ab jetzt jeder ein doppelt wachsames Auge auf den Himmel hat. Es behagt mir nicht, einem Insekt gleichgesetzt zu werden, welches man durch Sprühaktionen ausrotten kann.“

* * *


Zwei Tage lang blieb es ruhig, dann erschien wieder ein cardassianischer Gleiter über der Ebene. Kira lag auf ihrem Beobachtungsposten, einem verlassenen Schuppen am Waldrand. Ihre Gruppe war gerade dabei, ein neues Waffenlager einzurichten, was immer ein besonders heikler Moment war, da sie für kurze Zeit mit etlichen Instrumenten umgingen, die leicht auf cardassianischen Sensoren zu entdecken waren. Das Wichtigste war daher, dass diejenigen Gruppenmitglieder, die für die Dämmfelder verantwortlich waren, ganze Arbeit leisteten. Das Zweitwichtigste war, dass die Wachposten verstärkt wurden und jede noch so kleine Veränderung in den cardassianischen Bewegungen registrierten.

Der Gleiter machte sich als beweglicher Punkt auf Kiras Sensoren bemerkbar. Sie vergewisserte sich kurz, dass sich das Signal wirklich Dahkur näherte, dann erhob sie sich von ihrem Platz und trat vor die Hütte. Berichterstattung hatte in solchen Augenblicken ohne Hilfe der Technik zu geschehen. Ein Funkspruch hätte viel zu leicht bis an die Grenze der Dämmfelder verfolgt werden können. Kira hatte deswegen Shakaars Entscheidung, sich aus den Bergen zurückzuziehen und für einige Zeit in der Ebene in der Nähe eines Dorfes Stellung zu beziehen, anfangs für nicht so glücklich gehalten. Denn es war ungleich komplizierter, in dieser waldigen Gegend ein funktionierendes Kommunikations-System aufzubauen. Der Sichtkontakt betrug oftmals weniger als zehn Meter, während es in den kargen Bergen für sie möglich war, Spähersysteme über mehrere Kilometer hinweg zu errichten. Doch mit ihrer Beobachtung des cardassianischen Gleiters vor zwei Tagen hatte sie innerlich Shakaar zu seinem treffsicheren Instinkt gratuliert.

Sie wiederholte etwa eine Minute lang eine bestimmte Kombination von Armbewegungen, bis sie sich sicher sein konnte, dass der nächste Posten auf sie aufmerksam geworden war und seinerseits die Nachricht weitergeben würde. Dann kehrte sie kopfschüttelnd vor ihre Sensoren zurück. Manchmal war es einfach lachhaft, auf welch archaische Mittel sie zurückgreifen mussten. Doch das hatte sie mittlerweile gelernt: Je ausgeklügelter die Technik wurde, desto weniger rechnete man mit den einfachsten manuellen Methoden. Ein strahlungssicheres Körperschutzfeld konnte mit Leichtigkeit von einem Messer durchdrungen werden.

Der Punkt auf ihrem Schirm hatte sich weiter dem Zentrum genähert. Kira schaltete ihn ab, ihr lag nicht viel daran, wegen des Betriebs eines elektronischen Gerätes unnötige Aufmerksamkeit zu erregen. Sie packte ihr Fernglas und begab sich wieder vor die Tür. Natürlich konnten die Cardassianer sie hier im Wald fernab von jedem Dämmfeld mit Leichtigkeit mittels Infrarot aufspüren. Doch sie befanden sich in der Nähe einer Siedlung, deren Bewohner oft im Wald arbeiteten. Es würde für die Besatzer nur aussehen wie ein weiterer Arbeiter unter den Bäumen. Und trotz mancher Vermutungen hatten die Cardassianer bisher noch nie ganze Dörfer ausgerottet, um an einzelne Bajoraner heranzukommen. Solch eine Vorgehensweise würde nicht einmal in ihrer eigenen Bevölkerung auf Verständnis stoßen. Vor allem, weil immer das äußerst humane Prinzip des „Verlusts von guten Arbeitskräften“ bei solchen Diskussionen zur Sprache gebracht wurde.

Während sie das Fernglas an die Augen führte, schnaubte Kira verächtlich in Gedanken an solche „Informationssendungen“, die sie auf großen Bildschirmen in den Städten verfolgt hatte. Den Gleiter hatte sie rasch lokalisieren können. Er flog eine gerade Linie, die ihn auf die von ihnen abgewandte Seite der Misthraal-Ausläufer bringen würde. Kira wusste, dass sich dort ein kleines Dorf befand, welches wenig Verbindung zu den übrigen Niederlassungen in der Ebene hatte. Ihre Stirn runzelte sich in unguter Vorahnung, als sie wiederum die kleinen Lichtflecken unter dem Rumpf des Schiffes tanzen sehen konnte.

* * *


Der Raum war nur spärlich beleuchtet. Fast schien es, als ob die Anwesenden nicht unbedingt großen Wert darauf legten, untereinander erkannt zu werden. Das war natürlich sinnlos, denn jeder wusste sehr genau, wer seine Gesprächspartner waren. Dennoch hatte man die Beleuchtung in einer stummen Übereinkunft so weit wie möglich gedämpft. Nicht, dass es überhaupt eine cardassianische Angewohnheit wäre, Räume hell zu beleuchten.

„Auf das Waffenlager in Ganarain ist heute Morgen ein Anschlag verübt worden, der deutlich die Handschrift der Shakaar trägt. Ich dachte, Sie hätten mir versichert, dass Sie den vermutlichen Stützpunkt der Gruppe weitläufig versorgt hätten?“ Gul Elt’eens Stimme klang wenig angetan.

Der Einsatzführer der Sektion Dahkur räusperte sich, bevor er zu einer Verteidigung ansetzte: „Das haben wir auch. Doch wer sagt uns, dass das Mittel überhaupt außerhalb des Labors wirkt?“

„Gestern ist ein weiterer Probelauf geflogen worden, diesmal über einem unbedeutenden Dorf.“ Xarna Kapet war die einzige Frau in der Runde. Sie war entsetzt gewesen, als sie von Gul Elt’eens Absicht gehört hatte, ein ganzes Dorf von mehr oder weniger Unschuldigen den Versuchen auszusetzen. Doch Entsetzen war ein Luxus, den man sich im Gesicht des Obsidianischen Ordens nicht leisten konnte. Die immer wieder aufkeimenden nagenden Gewissensbisse hatte sie mit einer Flasche Karnar und der Versicherung Gul Elt’eens, dass das Dorf völlig zurückgezogen war und sicherlich nichts davon an die Öffentlichkeit dringen würde, erstickt. „Und heute Morgen haben Aufklärer folgende Aufnahmen geschickt.“ Sie berührte ein Bedienungsfeld, welches vor ihr in die Tischplatte eingelassen war. An einer Wand kam ein Bildschirm zum Leben, welcher die Aufzeichnungen des Aufklärers abspielte. Aus der Höhe waren Bajoraner zwischen den Häusern zu erkennen, bei mehrfacher Vergrößerung konnte man deutlich sehen, dass einige von ihnen in leicht gebeugter Haltung liefen, ihre Hände fast ununterbrochen an ihrem Hals oder vor ihrem Mund. Die Anzeichen eines starken Hustenanfalls waren unverkennbar. „Das ist die erste Phase“, erklärte Kapet emotionslos. „Das Mittel wirkt.“ Sie warf dem Sektionsleiter einen schadenfrohen Blick über den Tisch hinweg zu. „Sie müssen den Fehler also schon bei sich selbst suchen!“

Gul Elt’een wandte sich ebenfalls wieder dem cardassianischen Offizier zu.

„Dann hat sich die Shakaar nicht mehr in den Bergen befunden.“

„Das würde ich auch so sehen.“ Der Gul trommelte nachdenklich mit den Fingern auf der Tischplatte. „Sorgen Sie dafür, dass Sie in etwa den neuen Unterschlupf lokalisieren können. Die Dörfer sind mir dabei gleichgültig. Aber passen Sie um alles in der Welt auf die Städte auf! Wenn auch nur einem cardassianischen Bürger etwas passiert, rollte Ihr Kopf, verstanden?“

Der Angesprochene nickte, wagte aber nicht zu widersprechen.

„Ich will innerhalb der nächsten Woche Ergebnisse sehen!“

Gul Elt’een lehnte sich in seinem Stuhl zurück, als die anderen schließlich den Konferenzraum verließen. Wenn der Offizier in einer Woche nicht gute Ergebnisse lieferte, würde nicht nur dessen Kopf in Gefahr sein. Der Gul hatte das Projekt gegen den Willen etlicher einflussreicher Mitglieder des Obsidianischen Ordens durchgesetzt. Er hatte seine Hand dafür ins Feuer gelegt, dass die Aktion sauber laufen würde. Ein gewagtes Versprechen, wenn man mit instabilen Variablen spielte, wie im Fall dieser biotechnischen Waffe. Doch eine Elimination der verhassten Shakaar auf seinem Konto verbuchen zu können, wäre der Triumph, der dem Gul noch fehlte, um endlich der Stationierung auf diesem drittklassigen Planeten zu entgehen. Und es wäre sein ganz persönlicher Triumph über einen intimen Feind, den Präfekten von Bajor, Gul Dukat, dessen Militärregime nicht die geringste Ahnung von den Plänen des Obsidianischen Ordens hatte. Ihm war es in den letzten Jahren nicht gelungen, Ruhe in die Dahkur-Provinz zu bringen. Dukat würde nicht sonderlich ruhmreich dastehen, wenn einem anderen dies gelang. Gul Elt’een gönnte sich ein knappes Lächeln - ja, das war fast noch mehr wert als die in Aussicht stehende Rückversetzung nach Cardassia Prime.

* * *


Keuchend fiel sie Shakaar in die Arme. Lupaza hatte das Gefühl, ihre Lunge würde zerspringen. Sie war ohne Pause einzulegen beinahe eine Stunde lang gerannt. Sie war keine ausdauernde Läuferin, aber der Schreck über das, was sie mitbekommen hatte, hatte ihr die Kraft verliehen, um so rasch wie möglich zu ihrer Gruppe im Dorf zurückzukehren.

„Lupaza...“, Shakaar hielt sie mit einem fragenden Lächeln fest, bis sie wieder einigermaßen zu Luft gekommen war. „Was ist denn passiert?“

„Sie... haben das... Dorf... vergiftet...“ Sie nahm die Wasserflasche dankbar an, die Furel ihr reichte. Nach etlichen langen Zügen wischte sie sich über den Mund. „Sie haben das Dorf vergiftet“, wiederholte sie noch einmal zusammenhängend.

Kira war gerade dabei, mit anderen Gruppenmitgliedern die erbeuteten Waffen vom Morgen zu sortieren und zu überprüfen. Als Lupaza in den Keller, der ihnen im Augenblick als Lager diente, hereingestürmt war, hatte sie von ihrer Arbeit aufgesehen. Lupazas Worte ließen sie mit zwei Schritten bei der kleinen Gruppe sein. „Der Gleiter, den ich gestern gesehen habe?“

Lupaza nickte. „Ordain war in der Nähe. Als der Cardassianer sich dem Dorf genähert hat, hat er sich in Sicherheit gebracht. Doch er konnte beobachten, wie der Flieger etwas aus seinen Tanks über der Siedlung abließ. Und heute Morgen leidet fast das gesamte Dorf an schwerem Husten und ähnlichen Symptomen. Ordain wagte sich nicht mehr ins Dorf, weil er Angst vor einer Ansteckung hat, stattdessen hat er sich auf den Weg über die Ebene gemacht.“

Shakaar lehnte sich gegen die nächste Wand, er brauchte jetzt eine Art von Halt. Den drei übrigen ging es nicht anders. Kira und Furel vertrauten ihr Gewicht einem hinter ihnen stehenden Tisch an, während Lupaza sich langsam auf den Boden gleiten ließ, weil ihre Beine nach Pause schrien. Sie alle schwiegen und versuchten, die Bedeutung dessen, was die Bajoranerin ihnen eben mitgeteilt hatte, zu verdauen.

„Das können sie nicht machen“, bemerkte Kira schließlich tonlos. Sie blickte zu ihrem Anführer hinüber. „Edon, dafür können sie doch keine Unterstützung in ihren eigenen Reihen haben?“

Shakaar erwiderte ihren Blick hilflos.

„Warum dieses Dorf?“ Furel stieß sich vom Tisch ab und begann auf und ab zu gehen. „Es ist so weit von jedem strategisch wichtigen Punkt entfernt...“

„Genau deswegen...“ Shakaar rieb sich nachdenklich über die Nasenrippen. „Nerys hat doch zuvor denselben Gleiter über den Misthraal-Bergen gesehen. Alles, was es dort oben gibt, ist unser Stützpunkt. Sie müssen gehofft haben, uns zu erwischen, waren sich dann aber der Wirkung nicht sicher. Ich kann mir vorstellen, dass sie an dem Dorf nichts weiter als einen Test veranstaltet haben.“

„Einen Test?“ Kira spuckte verächtlich auf den Boden. „Warum nach der Aktion über den Misthraal-Bergen?“

„Aus irgendeinem Grund waren sie sich nicht sicher, ob es überhaupt gewirkt hat. Bei den Propheten...“ Er atmete tief durch. „Ist euch klar, was das bedeutet? Sie sind imstande, die gesamte Ebene zu vergiften ohne dass wir es irgendwie verhindern könnten.“

„Wir haben doch das schwere Geschütz, das uns Razka Karn verkaufen konnte. Damit sind wir imstande, Gleiter aus der Luft zu holen“, bemerkte Lupaza.

Shakaar schüttelte den Kopf. „Zu gefährlich. Wenn du einen Flieger zerstörst, der eine biologische Waffe an Bord hat, kannst du sehr leicht eine noch wesentlich größere Katastrophe auslösen.“ Er hatte sich zu einer Entscheidung durchgerungen. „Kommt mit“, rief er den anderen zu, als er zur Kellertreppe eilte. „Wir müssen dafür sorgen, dass in den gefährdeten Siedlungen bekannt wird, was hier passieren könnte. Die Leute müssen in die Städte, dort ist es sicher!“

* * *


Die Information der Verwaltungsbehörden geschah durch unbeteiligte Überbringer. Shakaar und seine Leute konnten es sich auch in den zentrumfernen Bereichen von Dahkur nicht leisten, öffentlich aufzutreten. Sie kannten diejenigen Bajoraner, denen sie vertrauen durften, damit musste es genug sein. Gerade hier in dieser Provinz hatte die cardassianische Präsenz so stark zugenommen, dass sich kein Bajoraner in einer etwas einflussreicheren Position erlaubte, mit den Rebellen gemeinsame Sache zu machen. Es war für die Beteiligten wesentlich sicherer, auf einer einigermaßen soliden Basis mit den Cardassianern zusammenzuarbeiten. Etliche Beamte waren schon bei Nacht- und Nebel-Aktionen verschwunden und nicht wieder aufgetaucht, nachdem sie es gewagt hatten, etwas gegen die Besatzer verlauten zu lassen.

Erwartungsgemäß war die Reaktion gespalten. Diejenigen Bajoraner, welche die Mitteilung über das Schicksal des Dorfes auf direktem Weg durch Shakaar-Mitglieder erfahren hatten, reagierten mit Entsetzen und unterdrückter Panik. Der neutrale oder Cardassia duldende Teil der Bevölkerung reagierte verhalten, da die Nachricht über Hörensagen von jemandem kam, der sie von jemandem gehört hatte, und niemand da war, der direkt etwas bestätigten oder verneinen konnte. Zudem traute man den Cardassianern eine solch unspezifische Vorgehensweise eigentlich nicht zu. Es war natürlich bekannt, mit welcher Grausamkeit die Soldaten gegen diejenigen vorgingen, die sich der Besatzungs-Regierung widersetzten. Aber völlig Unschuldige? Das war ein gänzlich anderes Thema.

Die Nachricht breitete sich auch in die weitere Umgebung aus und hinterließ überall eine gewisse Ratlosigkeit. Man wusste nicht, was man von solchen Berichten halten sollte.

Als einen Tag später erneut ein cardassianischer Gleiter die Provinz überflog, wurde er von tausenden von Augenpaaren mit alarmiertem Misstrauen verfolgt.

* * *


Kira ließ ihr Fernglas sinken. „Er steuert auf den Wald zu!“ rief sie über die Schulter hinweg. „Sie müssen ahnen, wo wir uns aufhalten.“

Shakaar nahm ihr das Instrument aus der Hand. Auf maximaler Vergrößerung konnte man den Bug des Gleiters mühelos ausmachen. Die Richtung war eindeutig. In einer knappen Minute würde er über den ersten Bäumen angekommen sein.

„Weg von hier. Sofort! Wir sind hier am Dorfrand wahrscheinlich noch viel zu nah am Wald!“ Seine Gruppe brauchte keine zweite Aufforderung. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht im südlichen Bezirk der Siedlung. Als der Gleiter eine Minute später über dem Waldstück seine Düsen aktivierte, befand sich ein Teil des Dorfes auf der Flucht nach Norden.

Aus hoffentlich sicherer Entfernung beobachteten die Bajoraner, wie der Cardassianer zwei Runden drehte, und dann wieder abflog. Die Flüssigkeitswolke war durch das Streulicht deutlich zu erkennen. Sie erreichte nicht den Rand der Siedlung, sondern blieb direkt über den Bäumen.

„Sie lassen das Dorf in Ruhe“, bemerkte Kira hoffnungsvoll.

„Vorerst...“ Shakaar klang weit weniger überzeugt. „Solange wir hier sind, ist keiner sicher. Wir müssen in die Stadt und dafür sorgen, dass sie das auch mitbekommen.“

„Das wird sicherlich kein Problem sein“, bemerkte Lupaza verächtlich. „Ich wette, das Wissen über unser Hiersein haben wir auch schon gewissen Kreisen im Dorf zu verdanken.“

Der Kommandant nickte. Er wollte sich erheben, doch eine Bewegung Lupazas ließ ihn innehalten. Die rothaarige Bajoranerin wandte sich ab und begann zu husten. Sie klopfte sich auf die Brust. „Ist gleich vorüber“, murmelte sie mit einem entschuldigenden Grinsen. „Ich muss mich verschlu...“ Ein weiterer Hustenanfall brach ihren Satz ab. Mit ungläubigen Augen starrte sie auf die Hand, die sie eben noch vor den Mund gehalten hatte. Kleine Blutspritzer hatten sich in die Feuchtigkeit gemischt. Ihr Unglaube wich Entsetzen, als sie aufblickte. Die Bajoraner in ihrer Nähe traten langsam zurück.
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