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Im Schatten des Todes

von Martina Bernsdorf

Prolog

Energieleitungen pulsierten mit leisem, stetigem Summen, eine körperlose Musik, die den ganzen Borgkubus erfüllte.

Ein Lied der Macht.

Sie bewegte sich sanft in diesem beruhigenden Rhythmus, glitt langsam aus der Dunkelheit, zu ihrem Körper. Zu lange hatte sie in der Umarmung des Schiffes geruht, zu lange sich im pulsierenden Herzschlag von niederfrequenter Energie verloren.

Mit ihr erwachte langsam das Schiff wieder zum Leben, das Summen von Energie schwoll an, langsam, stetig, wie ein Wind, der sich zu einem Orkan ausdehnte.

Sie fühlte das Erwachen des Kollektivs.

Mit einem genussvollen Seufzen, das ein seltsam fleischlicher Laut war in diesem Crescendo von Energie und Plasma, welches in Funkenregen längst zerbrochene Leitungen übersprang und somit neue Verbindungen schuf, glitt sie in die Umarmung der Biomechanik.

Sie war nachlässig gewesen.

Die Schäden aus der letzten Schlacht, die sie geschlagen hatte in diesem letzten Aufbäumen gegen die Langeweile und die lähmende Einsamkeit ihres Daseins, waren zum größten Teil nicht mehr repariert worden.

Sie hatte sich zurückgezogen, tief in die kalte Umarmung des Schlafes und der Bewegungslosigkeit des Todes, der kein Tod war. Nicht für sie, sie war Borg.

Sie war die Königin der Borg.

Für sie gab es keinen Tod. Selbst wenn ihr Herz nicht mehr schlug, ihr Blut nicht mehr durch die humanoiden Bestandteile ihres Körpers floss, so war ihr Bewusstsein immer am Leben.

Langweile.

Tausende Reiche erobert, Tausende Rassen assimiliert. Manchmal hatte eine neu entdeckte Rasse ihre Aufmerksamkeit kurz gefesselt, um sie dann in neue Enttäuschung und noch mehr Einsamkeit zu treiben.

Niemand glich ihr.

Sie war die Königin des gesamten Borgkollektives, dies hatte sie sich in erbitterten Kämpfen vor Äonen von Jahren erstritten. In einer Zeit, als sich Imperien bildeten, die heute schon lange zu Staub zerfallen waren.

Es war die Zeit des großen Krieges gewesen, als dieser Quadrant, in den sie sich zurückgezogen hatte, wie ein sterbendes Tier, das doch nicht sterben konnte, im Kampf der Borgkollektive erbebte. Ihre Rasse war noch jung gewesen, und sie selbst hatte noch nicht den kalten Kuss der Einsamkeit und Langweile gekostet.

Macht hatte ihr Herz, fleischlich und mechanisch zugleich, zum Erzittern gebracht. Blut war heiß durch ihre Adern geströmt und Energie durch ihre biomechanischen Körperteile. Und es hatte so viel an Macht gegeben, Macht, um die Dutzende Borgherrscherinnen stritten.

Was für Kämpfe waren dies gewesen, als die Welt jung war und der Kampf noch etwas, das ihre Sinne erfreute.

Sie hatte ein feindliches Borgkollektiv nach dem anderen assimiliert oder vernichtet. Eine Borgherrscherin nach der anderen war unter ihrer Hand gefallen, sie hatte ihr Leben zerquetscht oder sie ihrem Kollektiv zugeführt. Sie hatte ihre Individualität ausgesaugt und ihre Hüllen mit ihrem Willen erfüllt, sie hatte sie zu einem Teil von sich selbst gemacht.

Die Borgqueen streckte sich in den biomechanischen Erweiterungen ihres Körpers, einst war es mehr Fleisch als Mechanik gewesen, doch sie hatte im Laufe der Zeit mehr und mehr der kühlen Präzision der Mechanik zugesprochen. Fleisch war schwach.

Sie fühlte, wie das Kollektiv erwachte, wie die Energie in ihren Synapsen brannte und wie sie gleichzeitig durch Tausende und Abertausende von Augen sah.

Sie war alle Borg an Bord dieses Kubus und auf anderen Borgschiffen zugleich, sie war jeder Gedanke, jede Bewegung.

Sie war Borg.

Wieder glitten ihre Gedanken zurück, zu der Zeit, als dieser Quadrant von den Disruptorenblitzen der Borgkuben erhellt worden war. Zu der Zeit, als sie ihre letzte Schlacht gegen eine Borgherrscherin geschlagen hatte.

Sie betrachtete ihre Hand, einst war sie eine Komposition aus Fleisch und Biomechanik gewesen, heute war sie nur noch kühles Metall.

Sie schloss langsam die Finger und erinnerte sich an das Gefühl, mit diesen Fingern in Fleisch und Biomechanik gewühlt zu haben. An die elektrischen Entladungen, die sich blitzend und zuckend an ihrer Hand entladen hatte, die sie tief in den Körper ihrer letzten Herausforderin gestoßen hatte. Sie hörte noch immer das elektronische Wimmern der versagenden Biomechanik ihrer Feindin, sie hörte den Schrei des Fleisches, sie fühlte das Blut an ihrer Hand entlang rinnen. Es war ein so berauschender Moment der Macht gewesen, diese letzte Borgherrscherin zu vernichten.

Sie hatte gesiegt und die Borg für alle Zeiten unter ihrem Willen und ihrer Macht vereint.

Sie war so eine Närrin gewesen.

Mit dem Tod der letzten Borgherrscherin hatte sie sich selbst zu einem Leben verdammt, in dem Einsamkeit die Macht vergiftete, sie schmälerte, sie verzerrte und immer unbedeutender machte.

Sie hatte die Leere in ihrem Bewusstsein damit zu füllen versucht, dass sie von einem Sonnensystem zum anderen gezogen war, die Grenzen des Quadranten überquert hatte, um Welten zu verschlingen. Leben zu verschlingen. Getrieben von einem Hunger, der keine Assimilation zu stillen vermochte.

Doch nach Tausenden von Welten war Macht zu einem schalen Wort geworden, war Macht zu ihrem Gefängnis geworden und war nichts mehr in der Lage, den Hunger zu stillen, der in ihrer Seele brannte.

Was nützte all ihre Macht? Was nützte sie gegen die Dunkelheit, die Leere und die Einsamkeit?

Sie war Borg, die einzige Borg.

Es gab keine Herausforderung mehr, es gab nur Welten, die man verschlingen konnte.

Langweile hatte ihr Bewusstsein vergiftet, von Sieg zu Sieg mehr, von Assimilation zu Assimilation.

Der Kampf gegen die Menschen bei Wolf 359 war eine kurze Ablenkung gewesen, kaum genug, um ihr Bewusstsein davor zu bewahren, sich erneut im Wiegenlied von Elektronik zu verlieren, in Schlaf zu flüchten, in Träume zu entgleiten - Träume von Kampf, Träume von ihr, ihrer letzten Gegnerin.

Es hatte ihr Bewusstsein kaum mehr als einen Hauch gestreift, als die Menschen und ihre Verbündeten einen Sieg davontrugen. Die Niederlage war ein kleines Aufwallen von Zorn gewesen, nicht mehr, und nicht genug, um sie aus der Trostlosigkeit ihrer Einsamkeit zu reißen.

Niemand war wie sie.

Sie hatte kurz gehofft, dass diese Rasse, die seit Äonen das erste Mal den Borg widerstanden hatte, ihr gleich sein könnte, dass ihr Geist nach der Assimilation ihr neue Erkenntnisse bringen würde, neues Wissen, und die Langweile vertreiben könnte.

Aber sie waren nach der Assimilation auch nichts weiter als ein Teil von ihr, Borg, und nichts in ihnen vermochte ihren Überdruss zu lindern.

Sie waren geflohen, zurück in die Umarmung des kalten, schwarzen Alls - zurück zu den Koordinaten, von denen sie einst gekommen waren. Dort, wo alles seinen Ursprung hatte. Dahin hatte sie sich zurückgezogen, und in ihre Träume, während der Borgkubus erloschen war und nur noch die leisen Geräusche der Notenergie ihren Schlummer begleiteten.

Es gab andere Borgkuben im Quadranten, die ihren primären Befehlen Folge leisteten, die Völker und Planeten assimilierten und ihre Macht vergrößerten, dazu musste ihr Bewusstsein nicht einmal wachen.

Träume.

Einsamkeit.

Bis ein winziger Impuls zu ihrem schlafenden Bewusstsein gedrungen war und sie geweckt hatte.

Die Borgqueen schloss mit einem genussvollen Lächeln die Augen, breitete die Arme aus, so als wolle sie das Universum umarmen. Die Borgherrscherin, die bis zuletzt gegen sie gekämpft hatte, war nicht tot, der Impuls, den sie aufgefangen hatte, war schwach gewesen, aber deutlich. Ein wiedererwachter Borgkubus! Ein wiedererwachtes Kollektiv, das nicht zu ihr gehörte. Die Präsenz einer Borgherrscherin, die sie selbst über diese unermessliche Entfernung an den Rändern ihres Bewusstseins fühlen konnte, prickelnd und lebendig.

Ihre Gegnerin lebte, war wiedererwacht und strebte nach Macht und Assimilation von Welten.

Die Borgqueen hielt die Augen geschlossen und schlang ihre Arme um sich, während das Schiff beschleunigte.

Das erste Mal seit Jahrhunderten fühlte sie sich wieder lebendig, fühlte sie Aufregung, Neugierde und vielleicht sogar eine Spur von Angst.

Sie folgte dem Impuls, der für sie so klar war wie ein Leuchtfeuer in der Dunkelheit, während sie sich fragte, ob sie zu ihrer einstigen Feindin eilte, um erneut gegen sie zu kämpfen oder um die Hand auszustrecken, um sich zu verbünden? Und war es nicht vollkommen gleichgültig, was geschehen würde?

Die Borgqueen lächelte leicht, streckte die Hand ins Nichts und schloss langsam die Finger.

Sie lebte wieder.

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