TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Asche 07 - Die dunkle Seite des Mondes (Teil I)

von Martina Strobelt

Teil 2

Den Arm voll Zweigen einer Pflanzenart, die das ganze Jahr über grün war, betrat Serina das Büro ihres Mannes im Regierungsgebäude. Shakaars Büro konnte ein wenig Grün vertragen, daher hatte die Cardassianerin ihre eigene Mittagspause genutzt, um den Busch unter dem Fenster ihres Büros zu plündern. Sie hatte ihren Besuch nicht angekündigt, um Shakaar zu überraschen.

„Serina?“ Der Premierminister spähte durch die mit üppigen Nadeln bedeckten Zweige, hinter denen ihr Gesicht kaum auszumachen war.

Lachend schüttelte Serina den Schnee aus ihrem Haar und ließ die grüne Pracht etwas sinken, als ihr Blick auf einen älteren Terraner fiel, der sich bei ihrem Eintreten höflich erhoben hatte.

„Entschuldige, ich wusste nicht, dass du Besuch hast, Edon.“

Shakaar erhob sich, trat hinter seinem Schreibtisch vor und nahm Serina die Zweige aus den Händen. „Darf ich Ihnen Serina vorstellen“, wandte er sich an seinen Gast, während sie ihren Mantel auszog. „Leiterin der bajoranischen Hilfsorganisation für Cardassia - und meine Frau. Serina, das ist Donnavan McCullen, Vorsitzender der interplanetaren Handelsvereinigung der Föderation. Du hast sicher schon von diesem Verband gehört.“

„Natürlich.“ Serina reichte dem Terraner die Hand. „Obwohl Cardassia in der Vergangenheit selbst keinen Anteil am interplanetaren Handelsverkehr hatte, haben wir trotzdem die alljährlich unter der Schirmherrschaft Ihrer Organisation stattfindende Handelskonferenz stets mit Interesse verfolgt. Ich persönlich habe Ihre Arbeit immer sehr bewundert, und ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen, Mister McCullen.“

„Ich fühle mich geehrt, Madame. Premierminister, erlauben Sie mir die Bemerkung, dass Sie ein beneidenswerter Mann sind, da Ihre Gattin ebenso schön wie charmant ist.“

„Da widerspreche ich Ihnen nicht“, erwiderte Shakaar mit unverhohlenem Stolz. „Serina, der Besuch von Mister McCullen ist von großer Bedeutung für Bajor, daher hätte ich dich im Anschluss an dieses Gespräch meinerseits aufgesucht. Da du mir zuvorgekommen bist, sollst du die Neuigkeit sofort erfahren, sofern Sie keine Einwände haben, Mister McCullen.“

„Warum sollte ich.“ Der Terraner lächelte. „Wenn Sie Ihre reizende Frau nicht einweihen, tue ich es selbst. Allerdings“, ergänzte er mit einem Blick auf die Zweige, die Shakaar auf einen kleinen Beistelltisch gelegt hatte, „sollten Sie vorher veranlassen, dass die Zweige Wasser bekommen, sonst vertrocknen sie, und das wäre wirklich schade.“

„Sie haben recht.“ Shakaar aktivierte die interne Kommunikation und bat seinen Assistenten, ihm eine Vase zu bringen. Er ließ es sich nicht nehmen, die Zweige selbst in die Vase zu stellen, die er auf seinem Schreibtisch platzierte.

„Eine außerordentlich attraktive Pflanze“, bemerkte McCullen. „Haben Sie jemals erwogen, Samen und Ableger zu exportieren? Ich könnte mir vorstellen, dass sich vielerorts Interessenten dafür finden ließen, vorausgesetzt, die Pflanze ist in der Lage, sich den klimatischen Bedingungen anderer Welten anzupassen.“

„Um ehrlich zu sein, dachte ich bisher in erster Linie an den Export von Kattapottbohnen“, gestand Shakaar.

„Kattapottbohnen sind zweifellos ein attraktiver Exportartikel, doch ich bin sicher, dass Bajor noch weitaus mehr zu bieten hat, das für die interplanetaren Märkte von Interesse ist. Ich freue mich schon sehr auf meine diesbezüglichen Gespräche mit Ihrer Wirtschaftsministerin.“

Shakaar akzeptierte den diskreten Hinweis darauf, dass er als Premierminister sich natürlich weniger gut in wirtschaftlichen Belangen auskannte als die Wirtschaftsministerin, mit einem Lächeln.

„Ich bin sicher, Ministerin Asim wird nicht minder erfreut sein, sich mit Ihnen ausführlich über dieses Thema zu unterhalten. Entschuldige bitte, Serina“, reagierte Shakaar auf ein Räuspern der Cardassianerin.

„Ich bin es, der Sie um Verzeihung bitten muss, Madame“, meinte McCullen höflich. „Weil ich Ihren Mann abgelenkt und ihn mit meiner Fachsimpelei davon abgehalten habe, Ihnen den Grund meines Besuches zu nennen.“

„Die Handelsvereinigung hat beschlossen, die diesjährige interplanetare Handelskonferenz hier auf Bajor abzuhalten“, sagte Shakaar.

„Wir hatten Ihnen lediglich ein Angebot unterbreitet, Premierminister“, berichtigte McCullen. „Selbstverständlich lag die Entscheidung darüber allein bei Ihrer Regierung.“

„In deren Namen ich das Angebot akzeptiert habe. Nun“, Shakaar sah Serina erwartungsvoll an, „was hältst du davon, dass die mit Abstand größte und bedeutsamste Handelsmesse des Alpha-Quadranten auf Bajor stattfinden wird?“

„Ich halte das für eine wundervolle Neuigkeit. Wurde bereits ein Termin festgelegt?“

Shakaar zögerte. „Ja, von heute an gerechnet in genau zwei Wochen.“

„In zwei Wochen?!“ entfuhr es Serina. „Bei allem Respekt, Mister McCullen, aber ist es nicht üblich, die Welt, auf der die Konferenz stattfinden soll, ein klein wenig früher zu kontaktieren?“

„Wie ich Ihrem Mann bereits erklärt habe, gibt es einen konkreten Grund dafür, dass Bajor so kurzfristig erst informiert wurde. Da ich annehme, dass Ihr Mann keine Geheimnisse vor Ihnen hat, will ich Ihnen mit derselben Offenheit antworten wie ihm. Seit Gründung der Handelsvereinigung hat es nur sehr wenige Fälle gegeben, in denen der Vorstand, wenn gelegentlich auch erst nach längeren Debatten, sich letztlich nicht einstimmig für einen Tagungsort ausgesprochen hat. Ich kann und will Ihnen nicht verhehlen, dass die Entscheidung zugunsten Bajors lediglich eine mehrheitliche war, und es sich im Ergebnis nur um eine knappe Mehrheit handelt. Eine starke Minderheit wollte Betazed den Vorzug geben.“

„Ich nehme an, weil Betazed zur Föderation gehört.“

„Dies war ein Argument“, bestätigte McCullen. „In der Regel erhalten Welten, die nicht Teil der Föderation sind, nur in besonderen Ausnahmefällen den Zuschlag. Doch Bajor steht ja praktisch kurz davor, der Föderation beizutreten, womit ich keineswegs andeuten will, dass eine Zugehörigkeit zur Föderation meiner Meinung nach eine Bedingung dafür sein sollte, den Zuschlag zu bekommen, obwohl etliche meiner Vorstandskollegen leider diese Auffassung vertreten. Wie dem auch sei, Bajor beabsichtigt, in naher Zukunft der Föderation beizutreten, eine Tatsache, die durchaus hilfreich war, die für eine Mehrheit erforderlichen Stimmen zu gewinnen. Weitaus schwieriger, um nicht zu sagen, unmöglich, war es, diejenigen Vorstandsmitglieder zu überzeugen, die der Ansicht sind, Betazed, das während des Krieges furchtbar unter der Besatzung des Dominions gelitten hat, würde den Zuschlag eher verdienen als Bajor, das infolge seiner Neutralität keine eigenen Verluste erlitten hat.“

„Deutlicher ausgedrückt: Bajor verdient den Zuschlag nicht, weil es die Föderation und ihre Alliierten im Stich gelassen und mit dem Feind paktiert hat“, stellte Serina fest. Sie wollte lieber nicht wissen, wie der Vorstand der Handelsvereinigung zu Cardassia stand. Vermutlich durfte ihre Heimat sich nicht einmal in tausend Jahren eine schwache Hoffnung machen, je zum Tagungsort der Messe ausgewählt zu werden.

„Wie ich Ihnen bereits versichert habe, teile ich diese Meinung nicht“, sagte McCullen. „Und um bezüglich des Gedankens, der Ihnen zweifellos gerade durch den Kopf gegangen ist, zwischen uns keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, Madame, ich bin der Letzte der nicht der Ansicht ist, dass Cardassia keine Hilfe verdient, und ich befürworte das, was Sie und Bajor in dieser Sache für Ihre Heimat leisten, aus tiefstem Herzen. Aber die Ausrichtung der Handelskonferenz ist ein Privileg, das einer Nation, die gegen die Föderation Krieg geführt hat, nicht zuteilwerden kann. Ich hoffe, Sie verstehen das.“

„Natürlich“, erwiderte Serina leise. „Ich danke Ihnen für Ihre Offenheit, Mister McCullen.“

„Wir sollten dieses Thema nicht weiter vertiefen“, meinte Shakaar ruhig. „Vor uns liegt eine Menge Arbeit.“

„Wenn ich irgendwie helfen kann“, bot Serina an. „Ich nehme an, außerhalb der eigentlichen Messe erwarten die Konferenzteilnehmer ein Rahmenprogramm. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Führung zu den bedeutsamsten Kulturstätten Bajors?“

„Eine ausgezeichnete Idee“, sagte McCullen. „Mir ist zu Ohren gekommen, dass hier kürzlich eine ganze Stadt ausgegraben wurde, und ich weiß, dass einige Mitglieder der Handelsdelegationen, die ihre Teilnahme angekündigt haben, sich für Archäologie interessieren. Nebenbei, ich bin selbst ein begeisterter Hobbyarchäologe und würde nur zu gern einen Blick auf dieses geheimnisvolle B’hala werfen und mich einmal persönlich mit dem Leiter der Ausgrabung unterhalten.“

„B’hala ist eine heilige Stätte“, wandte Shakaar ein. „Als solche untersteht sie der alleinigen Zuständigkeit unseres geistlichen Oberhauptes, Kai Sarius. Ohne die ausdrückliche Genehmigung des Kai kann und darf ich keinem Nichtbajoraner den Zutritt zu diesem Ort gestatten.“

„Wenn das so ist, dann fragen Sie ihn doch bitte“, meinte McCullen. „Ich versichere Ihnen, dass niemand dieser heiligen Stätte den nötigen Respekt schuldig bleiben wird. Wir werden sämtliche religiösen Gepflogenheiten beachten, das garantiere ich.“

Shakaar berührte das Display des Terminals auf seinem Schreibtisch und stellte eine Verbindung zur Residenz des Kai her.

Das Gesicht eines jungen Prylaren erschien auf dem Schirm.

„Die Propheten mögen mit Ihnen sein, Premierminister“, begrüßte er Shakaar. „Womit kann ich Ihnen dienen?“

„Ich würde gerne mit Kai Sarius sprechen.“

„Es tut mir sehr leid, Premierminister“, sagte der Prylar bedauernd. „Seine Eminenz der Kai ist momentan nicht hier zu erreichen. Er befindet sich auf dem Weg nach DS9.“

* * *


Jeremiah ruhte an Kasidys Brust und schlief. Mit seinem dichten, lockigen Haar und den langen, gebogenen Wimpern, die wie gemalt auf seiner zarten Haut lagen, hätte man ihn für ein Mädchen halten können. Obwohl Jake in seinem bisherigen Leben erst wenige Babys zu Gesicht bekommen hatte, war er überzeugt, dass sein kleiner Halbbruder eines der hübschesten war, das die Natur jemals geschaffen hatte. Kein Wunder, dass die Bajoraner sich vor Bewunderung für das schöne Kind ihres Abgesandten förmlich überschlugen. Jeremiahs winzige Fäuste hatten sich im Schlaf fest in die Bluse seiner Mutter vergraben. Seine kleine, perfekt geformte Nase steckte zwischen zwei lockeren Falten des weichen, blauen Stoffes, der sich im Rhythmus der gleichmäßigen Atemzüge des Babys bauschte.

„Was hat der Techniker gesagt?“ fragte Kasidy.

Jake zuckte mit den Achseln. „Nicht viel. Er lässt das Padd untersuchen. Vermutlich irgendein technischer Defekt.“

Der Türmelder summte.

Auf Kasidys „Herein!“ betrat Kai Sarius, gefolgt von Vedek Gawen das Quartier.

„Die Propheten grüßen Sie“, sagte das geistliche Oberhaupt Bajors freundlich.

„Und ich grüße Sie beide“, erwiderte Kasidy zurückhaltend. „Was verschafft mir die Ehre Ihres unerwarteten Besuches?“

„Unerwartet, in der Tat“, bestätigte der Kai lächelnd. „Doch hoffentlich nicht unerwünscht?“

„Verzeihen Sie mir, ich wollte nicht unhöflich sein.“ Kasidy machte eine einladende Geste in Richtung der Sessel zu beiden Seiten der Couch, auf der sie saß. „Bitte nehmen Sie Platz. Wenn Sie etwas trinken möchten, wird Jake es Ihnen sicher gerne replizieren. Ich würde es selbst tun, aber ich will Jeremiah nicht aufwecken, indem ich aufstehe.“ Kaum, dass sie es ausgesprochen hatte, ärgerte Kasidy sich über sich selbst, weil sie das Gespräch damit exakt auf das Thema gebracht hatte, über das sie mit Sarius nicht sprechen wollte. Mochte Sarius auch, daran bestand kein Zweifel, gekommen sein, um ihr einmal mehr gegen ihren Willen ein Gespräch über Jeremiah abzuringen, musste sie ihm schließlich nicht noch dabei helfen, indem sie Jeremiah erwähnte.

Wie erwartet zögerte Sarius keine Sekunde, die Brücke zu beschreiten, die sie ihm durch ihre unbedachte Bemerkung gebaut hatte.

„Es liegt mir fern, den Sohn des Abgesandten in seinem Schlaf zu stören“, sagte der Kai mit dem ihm eigenen sanften Ton, der es Kasidy immer wieder aufs Neue unmöglich machte, darauf mit jener Schärfe zu reagieren, die der Situation ihrer Meinung nach mehr als angemessen gewesen wäre. Mit welchem Recht mischte der Kai sich ständig in das Leben ihres Kindes und damit zugleich auch in ihr Leben ein? Beinahe wünschte Kasidy, Winn würde an der Stelle von Sarius jetzt neben ihr sitzen. Es hätte die Sache vereinfacht, denn Winn gegenüber hätte sie keine Hemmungen gehabt, unhöflich zu sein. Die verstorbene Kai war eine intrigante, machtbesessene Frau gewesen, und hätte sie Kasidy in dieser Form überfallen, hätte sie keine Sekunde gezögert, ihr die Tür zu weisen. Sarius indessen war jemand, den sie schätzte, ja, dessen Freundschaft sie hätte suchen mögen, wäre er nicht derart erpicht darauf, ihr Kind in seine Religion zu integrieren.

„Wir befanden uns gerade auf DS9, als wir zufällig gehört haben, dass sich hier kürzlich ein seltsamer Zwischenfall ereignet hat“, fuhr Sarius fort. „Vedek Gawen und ich kamen in der Hoffnung, mehr darüber zu erfahren, und natürlich auch, um uns persönlich davon zu überzeugen, dass alle wohlauf sind.“

„Sie meinen, um zu sehen, ob der Sohn des Abgesandten, wohlauf ist“, bemerkte Jake.

Sarius’ Lächeln vertiefte sich. „Unsere Sorge galt nicht nur dem Sohn des Abgesandten.“

„Dann wären Sie auch gekommen, wenn lediglich Kasidy und ich betroffen gewesen wären?“

„Das wäre ich nicht“, antwortete Sarius ruhig. „Aber das bedeutet nicht, dass Ihr Wohl und das von Captain Yates mir und der bajoranischen Geistlichkeit nicht am Herzen liegen.“

„Wie Sie sehen, geht es uns allen gut“, sagte Kasidy zurückhaltend.

„Den Propheten sei Dank“, ließ sich nun erstmals Vedek Gawen vernehmen, der bisher geschwiegen hatte. Diese Frau und ihr abweisendes, ja beleidigendes Verhalten irritierten ihn.

„Die Propheten haben damit nichts zu tun“, meinte Kasidy abwehrend. „Ein Datenpadd hatte einen technischen Defekt. Nichts, das Ihre Anwesenheit erfordert.“

Sarius richtete seinen Blick von Kasidy auf das friedliche Gesicht des schlafenden Kindes an ihrer Brust und versuchte, all die dunklen Vorahnungen zu verdrängen, die Visionen, die ihn quälten.

„Das hoffe ich, Captain Yates.“

* * *


Shakaar blickte von dem Datenpadd in seiner Hand auf, als Lwaxana Troi, gehüllt in eine Wolke aus violetten Schleiern, Federn und schimmernden Perlen, in sein Büro rauschte. Er war gerade dabei gewesen, seinen Teil der offizielle Erklärung zu formulieren, mit der er in rund zwei Stunden gemeinsam mit Donnavan McCullen die Völker des Alpha-Quadranten darüber informieren würde, dass die diesjährige Handelskonferenz der Föderation auf Bajor stattfinden würde.

Lwaxana befand sich in Begleitung seines Assistenten, dessen Gesicht Bände sprach. Shakaar hatte ihm die Anweisung erteilt, ihn nach Möglichkeit nicht zu stören, und er war sicher, dass sein Assistent nichts unversucht gelassen hatte, um Lwaxana Troi zu überzeugen, ihren Besuch auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Shakaar empfand Mitleid mit dem jungen Mann, dessen Miene schuldbewusste Verzweiflung widerspiegelte. Hätte er geahnt, dass die betazoidische Botschafterin zu ihm kommen würde, hätte er seinem Assistenten empfohlen, sie sämtlichen anders lautenden Befehlen zum Trotz widerstandslos passieren zu lassen, und ihm damit einen zermürbenden verbalen Kampf erspart, in dem seine Chancen auf den Sieg von Anfang an aussichtslos gewesen waren. Nichts und niemand hielt Lwaxana Troi davon ab, das zu tun, was sie sich in den Kopf gesetzt hatte.

Der Premierminister erlöste seinen Assistenten mit einem verständnisvollen Blick von seinen Gewissensnöten, bevor er ihn mit einem Wink hinausschickte und sich seiner Besucherin zuwandte.

„Botschafterin Troi, was verschafft mir das unerwartete Vergnügen?“

„Die Handelskonferenz natürlich, mein Lieber, was sonst könnte mich wohl veranlassen, eine reizende Teegesellschaft zu verlassen und zu Ihnen zu eilen, ohne mir auch nur die Zeit zu nehmen, mich vorher umzukleiden. Ich muss gestehen, es enttäuscht mich, dass ich eine derartige Neuigkeit von anderen erfahren muss. Sie sollten sich wirklich schämen.“

Shakaar fragte nicht, woher Lwaxana ihre Kenntnis hatte. Immerhin wäre die Entscheidung des Vorstands der interplanetaren Handelsvereinigung beinahe zugunsten Betazeds ausgegangen, da war es kaum überraschend, dass sie noch vor der offiziellen Bekanntgabe davon erfahren hatte.

„Es tut mir sehr leid, Botschafterin Troi.“ Shakaar drehte das Datenpadd in seinen Fingern, während er angestrengt überlegte, wie er diese prekäre Situation diplomatisch handhaben sollte, ohne Lwaxana noch mehr zu erzürnen.

„Schon gut“, Troi ließ sich schwungvoll in den Besuchersessel sinken. „Ich verzeihe Ihnen.“

„Wirklich?“ vergewisserte Shakaar sich erstaunt.

„Aber natürlich, obwohl es nicht sehr nett von Ihnen war, mir nicht sofort Bescheid zu geben. Was soll’s, wie könnte ich einem so attraktiven Mann schon länger ernstlich böse sein. Doch Sie müssen mir versprechen, mir nie wieder eine so wichtige Neuigkeit vorzuenthalten.“

Allmählich dämmerte es Shakaar, dass Lwaxana offenbar gar nicht hier war, um irgendeinen Unmut über die Entscheidung der Handelsvereinigung zu äußern.

„Sie haben mein Wort“, versicherte er. „Gibt es sonst noch etwas, das ich für Sie tun kann?“

„Eigentlich bin ich hier, um etwas für Sie zu tun.“

„Für mich?“ sagte Shakaar erstaunt.

„Ganz recht, ich bin hier, um Ihnen meine Unterstützung anzubieten. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, mein Lieber, ich möchte Sie nicht kränken, doch ich befürchte, Sie haben weder ein übermäßig ausgeprägtes Talent noch ausreichende Übung darin, eine gute Party zu organisieren.“

„Eine Party?“

„Ich bin sicher, Sie haben sich bereits etliche Gedanken über ein Rahmenprogramm gemacht, das wahrscheinlich diverse Führungen zu interessanten Kulturstätten sowie einen offiziellen Empfang beinhaltet. Doch als Schirmherrin mehrerer betazoidischer Messen will ich Ihnen verraten, dass jeder Teilnehmer einer Konferenz, ganz gleich zu welchem Thema, daneben durchaus ein wenig profaner unterhalten sein möchte. Mit Ausnahme der Mitglieder der vulkanischen Delegation werden alle eine ausgelassene Feier erwarten, eine endlos lange Nacht angefüllt mit Musik, alkoholischen Getränken und jeder Menge Sinnlichkeit, wenn Sie verstehen, was ich meine.“

„Ich denke, das tue ich, Botschafterin“, erwiderte Shakaar zögernd. „Bei allem Respekt, das klingt für mich nach einer ziemlich wilden Party. Ich bezweifle ernsthaft, ob ...“

„Vertrauen Sie mir, ich weiß wovon ich rede. Falls Sie mir nicht glauben, dann fragen Sie bei Gelegenheit unseren gemeinsamen Freund Donny, was er davon hält.“

„Donny?“

„Donnavan McCullen.“ Lwaxana lachte. „Der gute Don liebt solche wilden Parties sehr, und er wird mit Begeisterung auf einer von mir organisierten Party mitfeiern, das versichere ich Ihnen.“

Verzweifelt versuchte Shakaar, den seriösen McCullen mit dem Bild in Einklang zu bringen, das Lwaxana gerade von ihm entwarf. Sprachen sie wirklich beide von ein und demselben Mann?

„Ich bin Ihnen für Ihr freundliches Angebot wirklich sehr verbunden, Botschafterin“, meinte er schließlich. „Ich werde ... bitte entschuldigen Sie“, unterbrach er sich selbst, aufrichtig dankbar für das Summen des Interkoms.

„Verzeihen Sie die Störung, Premierminister“, sagte sein Assistent, nachdem er sich gemeldet hatte. „Der Botschafter von Ferenginar möchte Sie in einer dringenden Angelegenheit sprechen. Soll ich ihn bitten, Sie später noch einmal zu kontaktieren.“

„Nein“, erwiderte Shakaar schnell. Ganz gleich wie dringend Brunts Anliegen tatsächlich war, in jedem Fall war es eine höchst willkommene Unterbrechung. „Stellen Sie ihn durch. Mit Ihrer Erlaubnis, Botschafterin Troi“, meinte er in Lwaxanas Richtung. „Diese Sache wird sicher nur kurze Zeit in Anspruch nehmen.“

„Ich grüße Sie, Botschafter Brunt“, sagte Shakaar höflich, als das Gesicht des Ferengis auf dem Schirm erschien. „Worum handelt es sich bei dieser dringenden Angelegenheit?“

„Um die interplanetare Handelskonferenz“, kam es zurück. „Um genau zu sein, um die eine oder andere Teilnahmebedingung, über die ich gerne mit Ihnen reden möchte.“

Shakaar runzelte unwillkürlich die Stirn. Woher wusste der Ferengi, dass die Konferenz auf Bajor stattfinden würde? Andererseits, als Botschafter einer Nation, deren gesamte Gesellschaft auf dem Handel aufgebaut war, erfuhr er solche Dinge vermutlich früher als andere.

„Bei allem Respekt, Botschafter, es will mir nicht recht einleuchten, warum Sie mit mir über die Teilnahmebedingungen der Konferenz sprechen wollen. Ich bin sicher, die Handelsvereinigung wird Ihnen bereitwillig eine detaillierte Auskunft über die Voraussetzungen einer Teilnahme geben.“

„Ich kenne sämtliche Details“, wehrte Brunt ab.

„Dann verstehe ich nicht ganz ...“, Shakaar verstummte, als ihm der tiefe Sinn dieser Aussage bewusst wurde. „Gehe ich recht in der Annahme, dass es weniger die Bedingungen als solche, als ihre Interpretation ist, über die Sie mit mir reden möchten?“ fragte er schließlich gefährlich sanft.

„So könnte man es nennen.“

„Ich vermute, Sie sind der Meinung, dass die Handelsvereinigung die Teilnahmebedingungen etwas engherzig auslegt, zu engherzig vielleicht? Und Sie fragen sich, ob ich als der Repräsentant der Nation, welche die Konferenz ausrichten wird, die Voraussetzungen einer Teilnahme möglicherweise ein wenig aufgeschlossener beurteile?“

„Sie sind ein einflussreicher Mann, Premierminister“, schmeichelte Brunt. „Ich bin sicher, Sie und ich könnten uns in dieser Frage in einer für beide Seiten vorteilhaften Weise verständigen, wenn Sie verstehen, was ich meine.“

„Ich denke, ich verstehe Sie, Botschafter.“ Shakaar schlug mit einer flachen Hand hart auf die Platte seines Schreibtisches. „Ich verstehe Sie nur zu gut! Im Interesse der ungetrübten Beziehungen zwischen unseren Nationen bin ich bereit, zu vergessen, dass diese Unterhaltung jemals stattgefunden hat. Doch ich möchte Ihnen dringend empfehlen, niemals wieder ein derartiges Ansinnen an mich zu richten. Ich hoffe, ich habe mich deutlich genug ausgedrückt.“

„Sie haben mich völlig missverstanden, ich ...“

„Wenn das alles war“, unterbrach Shakaar Brunts wortreiche Unschuldsbeteuerung, „bitte ich Sie, mich zu entschuldigen. Guten Tag, Botschafter.“ Damit beendete er die Verbindung und wandte sich wieder Lwaxana Troi zu, der die Empörung über diesen unverfrorenen Bestechungsversuch ins Gesicht geschrieben stand.

Die Betazoidin holte tief Luft, zweifellos in der Absicht, ihrer Verachtung für die Ferengi im Allgemeinen und Brunt im besonderen Ausdruck zu verleihen.

Doch das erneute Summen des Interkoms kam ihr zuvor.

Mit einem entschuldigenden Blick aktivierte Shakaar das Display, auf dem einmal mehr das Gesicht seines Assistenten erschien.

„Bitte verzeihen Sie, Premierminister“, sagte er. „Aber ein gewisser Quark lässt fragen, ob Sie einige Minuten Ihrer Zeit für ihn erübrigen können. Soll ich ihn abwimmeln?“

Shakaar gestattete sich ein heimliches Seufzen. Blieb ihm denn heute wirklich nichts erspart?

„Im Namen der Propheten, stellen Sie ihn durch. - Ich wäre Ihnen äußerst dankbar, wenn Sie sich kurz fassen würden, Quark“, begrüßte er den Ferengi, dessen Gesicht dasjenige des Assistenten ersetzte. „Ich bin momentan stark beschäftigt.“

„Natürlich sind Sie das.“ Quark zwinkerte vertraulich. „Zwei knappe Wochen, um eine Messe von der Bedeutung der interplanetaren Handelskonferenz zu organisieren, da wäre sogar jemand mit meinem Organisationstalent beinahe überfordert.“

„Darf ich fragen, woher Sie wissen, dass die Handelskonferenz auf Bajor stattfinden wird?“

„Ich habe meine Quellen.“

„Was für Quellen sind das?“ hakte Shakaar nach. Vielleicht sollte er sein Büro gründlich nach versteckten Wanzen absuchen lassen.

„Bedaure, das unterliegt dem Geschäftsgeheimnis. Um auf die Konferenz zurückzukom ...“

„Wenn Sie vorhaben, mit mir über meine Interpretation der Teilnahmebedingungen zu reden, dann muss ich Sie leider enttäuschen.“

„Nichts liegt mir ferner. Ich beabsichtige lediglich, Ihnen die bescheidenen Dienste meines kleinen, jedoch erlesenen und äußerst flexiblen Partyservices anzubieten. Ich versichere Ihnen, ganz gleich, wessen speziellen Geschmack es zu befriedigen gilt, denjenigen von Andorianern, Rigellanern, Klingonen, Romulanern, Menschen, ja sogar Vulkaniern, meine Angestellten und ich garantieren eine individuelle Rundumversorgung, die keine kulinarischen Wünsche offenlässt, und das alles gegen eine geringe Gebühr, kaum mehr als eine Aufwandsentschädigung.“

„Mister Quark, ich glaube nicht, dass ...“

„Falls Sie Referenzen wollen, dann wenden Sie sich ruhig an die verehrte Botschafterin Troi. Sie wird Ihnen sicher gern bestätigen, was für ein wundervolles Buffet ich damals für Sie arrangiert habe, und das zu einem mehr als fairen Preis.“

Auf der anderen Seite des Schreibtisches, außer Sichtweite des Ferengis, schnaubte Lwaxana erbost auf.

„Haben Sie das gehört?“ fragte Quark.

„Nein, was denn?“

„Dieses seltsame Geräusch.“

„Jetzt, wo Sie es erwähnen.“ Shakaar warf Troi einen um Verständnis heischenden Blick zu. „Da scheint eine Art statisches Rauschen in der Leitung zu sein. Offenbar haben wir einen schwachen Kanal erwischt, ich kann Sie kaum noch sehen.“

„Also, ich kann Sie sehr gut sehen, Premierminister, und ich ...“

„Wie bitte? Bedaure, aber ich fürchte die Verbindung reißt ab.“ Shakaar berührte das Display, worauf Quarks Bild erlosch.

„Dieser habgierige, kleine Troll!“ entfuhr es Lwaxana.

„Wir sollten nicht ganz so streng über ihn urteilen, Botschafterin“, sagte Shakaar. „Er ist nun einmal ein Ferengi. Habgier liegt ihm im Blut. Doch er hat auch seine positiven Seiten. Während der Besatzung von DS9 durch das Dominion hat er erstaunlich viel Mut bewiesen.“

„Tatsächlich?“

„Tatsächlich.“ Shakaar lächelte. „Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, schlage ich Ihnen vor, bei Gelegenheit Colonel Kira zu diesem Thema zu befragen. Sie kann Ihnen ...“

Erneut summte das Interkom.

Shakaar versuchte vergeblich, den Ton zu ignorieren. Schließlich meldete er sich genervt:

„Falls das wieder Quark ist, dann vertrösten Sie ihn auf später, Jamil.“

„Das habe ich bereits getan“, erwiderte der Assistent. „Botschafter Weyoun möchte Sie gerne sprechen.“

„Dann vertrösten Sie ihn auch. – Gibt es sonst noch etwas?“ erkundigte er sich, als der junge Bajoraner zögerte.

„Bei allem Respekt, Premierminister, Botschafter Weyoun befindet sich in Begleitung eines Jem’Hadars, der nicht so aussieht, als würde er sich vertrösten lassen.“

„Soll das heißen, Weyoun steht draußen vor der Tür?“ vergewisserte Shakaar sich erstaunt.

Jamil nickte unglücklich. Es war offensichtlich, dass ihn die Gegenwart eines Jem’Hadars in seinem Büro nervös machte, und Shakaar konnte sich sehr lebhaft vorstellen, wie wenig seinem Assistenten die Vorstellung behagte, einem Jem’Hadar erklären zu müssen, sein Vorta und er sollten zu einem späteren Zeitpunkt wiederkommen.

Shakaar konnte nachvollziehen, wie sein Assistent sich gerade fühlte, und darüber hinaus war seine Neugier geweckt. Was war so wichtig, dass Weyoun deswegen eigens nach Bajor flog, anstatt ihn via Interkom zu kontaktieren? Aber wie konnte er Lwaxana höflich hinaus komplimentieren?

Troi schien zu erraten, welche Gedanken ihm durch den Kopf gingen.

„Sie beabsichtigen doch nicht etwa, diesen ... Mann zu empfangen?“ erkundigte sie sich spitz.

„Dieser Mann ist Botschafter des Dominions.“

„Umso schlimmer!“ Lwaxana erhob sich mit einem Ruck und raffte all die violetten Schleier mit einer Geste zusammen, aus der ehrlich empfundener Ärger sprach.

„Botschafterin, bitte ...“, versuchte Shakaar die Wogen zu glätten.

Doch Lwaxana Troi war bereits mit einem eisigen: „Bemühen Sie sich nicht, ich finde allein hinaus!“ aus dem Büro gerauscht.

Shakaar konnte gerade noch sehen, wie sie mit hoch erhobenem Haupt grußlos an Weyoun und dem Jem’Hadar neben ihm vorbei stolzierte, bevor die Tür mit einem lauten Knall hinter ihr ins Schloss fiel. Der bajoranische Premierminister seufzte. Ein diplomatischer Eklat war das letzte, was er gebrauchen konnte. Er würde sich etwas überlegen müssen, womit er die betazoidische Botschafterin wieder versöhnen konnte. Aber das musste warten, bis er mit Weyoun gesprochen hatte.

Shakaar berührte das Display des Terminals. „Sie können den dominischen Botschafter und seinen Begleiter jetzt hereinbitten, Jamil.“

Während Weyoun, gefolgt von seinem Ersten Omet’iklan, eintrat und sich leicht verneigte, wunderte Shakaar sich einmal mehr, wie der Vorta es schaffte, ungeachtet seiner weniger imposanten Statur ein solches Maß an Autorität auszustrahlen. Vielleicht lag es an der Art, wie der Jem’Hadar in Habachtstellung hinter ihm Position bezog, als er stehenblieb und grüßend den Kopf neigte, kaum mehr als ein leichtes Nicken, gerade ausreichend, um dem allgemein üblichen Protokoll im Umgang mit einem Staatsoberhaupt zu genügen.

„Ich freue mich, Sie zu sehen, Premierminister. Bitte verzeihen Sie, dass ich es versäumt habe, meinen Besuch anzukündigen, ich hoffe, er kommt für Sie nicht ungelegen.“

Ein feiner Unterton in Weyouns höflicher Stimme strafte seine stolze Haltung Lügen. Shakaar war sicher, dass Weyoun sich deutlich bewusst war, dass es ihm ohne weiteres möglich gewesen wäre, ihn auf unbegrenzt lange Zeit im Vorzimmer warten zu lassen, oder ihn sogar wieder fortzuschicken, ohne einen Gedanken an diplomatische Konsequenzen verschwenden zu müssen. Das Dominion war nicht in der Position, Beschwerden, gleich welcher Art, vorzubringen. Mit Ausnahme der Föderation war Bajor die einzige Nation, die überhaupt bereit war, im Dominion mehr als einen besiegten Feind und in Weyoun etwas anderes als einen Kriegsverbrecher zu sehen, der am besten am nächsten Pfahl aufgehängt werden sollte.

„Botschafterin Troi ist eine impulsive Frau“, begegnete Shakaar Weyouns Anspielung.

„Ist sie das?“ Weyoun lächelte mit einem Hauch von Bitterkeit. „Auf mich wirkte sie eher ein wenig zurückhaltend.“

„Was führt Sie zu mir, Botschafter?“ wechselte Shakaar das Thema.

„Ich bin hier, um Sie zu beglückwünschen, Premierminister. Es ist ein besonderes Privileg, die interplanetare Handelskonferenz auszurichten, und es hat mich glücklich gemacht zu erfahren, dass in diesem Jahr Bajor diese Ehre zuteilwird. Sie können stolz darauf sein, von der Handelsvereinigung ausgewählt worden zu sein.“

„Das bin ich. Darf ich fragen, woher Sie bereits wissen, dass die diesjährige Messe auf Bajor stattfindet, Botschafter? Die offizielle Ankündigung erfolgt erst in einer Stunde.“

„Spielt das eine Rolle?“ erkundigte Weyoun sich leichthin.

„Im Grunde nicht.“ Shakaar forschte in der ausdruckslosen Miene des Vorta nach etwas, das ihm den wahren Anlass seines Besuches verriet. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Weyoun nach Bajor geflogen war, nur um Glückwünsche zu überbringen. Wahrscheinlicher war, dass er gekommen war, um zu erreichen, dass er eine Einladung zu dem Empfang bekam, mit dem die Konferenz offiziell eröffnet werden würde. Tatsächlich hatte McCullen keineswegs die Absicht gehabt, einem Vertreter des Dominions diese Ehre zuteilwerden zu lassen, und schon gar nicht Weyoun. Seine Bereitschaft zu verzeihen, beschränkte sich auf Cardassia, daran hatte er keinen Zweifel gelassen. Cardassia hatte einen Fehler gemacht, ihn jedoch rechtzeitig genug korrigiert, um dazu beizutragen, dass der Krieg zugunsten der Föderation und ihrer Alliierten ausgegangen war. Cardassia hatte sein Unrecht vor dem Ende des Krieges eingesehen, und auf dem Altar der geschuldeten Wiedergutmachung hatte es achthundert Millionen cardassianischer Leben geopfert. In McCullens Augen hatte Cardassia für seine Verfehlungen ausreichend gesühnt. Es war vom Universum selbst bestraft worden, und eine weitere Bestrafung durch die Völker des Alpha-Quadrantens hielt er angesichts der hohen Verluste, die das cardassianische Volk erlitten hatte, für unangebracht. Das Dominion indessen durfte nicht mit seiner Nachsicht rechnen. McCullen befürwortete zwar die Entscheidung der Föderation, keine Truppen in den Gamma-Quadranten zu schicken - schließlich waren sie keine Invasoren, sondern hatten lediglich ihre Heimat verteidigt. Doch das hieß nicht, dass er mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen einverstanden war. Seiner Auffassung nach hätte diese Seite des Wurmlochs vermint werden müssen, um sicherzustellen, dass niemals wieder ein Schiff von der anderen Seite in den Alpha-Quadranten eindrang, und damit hätte es sich gehabt.

Da es sich bei der Handelsvereinigung um eine Organisation der privaten Wirtschaft handelte, stand es ihr frei, an wen Einladungen zur Teilnahme am Eröffnungsempfang ergingen. Diplomatische Zwänge galten für sie nicht.

Kira zuliebe, die Odo versprochen hatte, alles zu tun, damit Weyoun wenigstens von Seiten Bajors akzeptiert wurde, hatte Shakaar seine ganze Überzeugungskraft aufgebracht, um McCullen zu überreden, Weyouns Namen auf die Gästeliste zu setzen. Als Zeichen seiner Wertschätzung für Bajor hatte der Vorsitzende der Handelsvereinigung schließlich nachgegeben. Jedoch unter der Bedingung, dass weder Weyoun noch das Dominion in den offiziellen Begrüßungsansprachen namentlich erwähnt wurden. Shakaar hatte McCullen lediglich das Zugeständnis abringen können, die übrigen geladenen Botschafter, ebenfalls nicht namentlich zu begrüßen, sondern sich darauf zu beschränken, die Völker des Alpha-Quadrantens Willkommen zu heißen. Vom Ergebnis ging das zwar in dieselbe Richtung, aber es war weniger auffällig als einzelne Begrüßungen unter Ausschluss von Weyoun, und es war die einzige Konzession, zu der McCullen bereit gewesen war.

Je mehr er darüber nachdachte, umso deutlicher wurde Shakaar sich bewusst, wie demütigend dieser Besuch für Weyoun sein musste. Er hätte sich in seinem Stuhl zurücklehnen und darauf warten können, dass der Vorta die Frage der Einladung von sich aus zur Sprache brachte, doch er hatte kein Interesse daran, Weyoun zu erniedrigen.

„Ich danke Ihnen für Ihre Glückwünsche, Botschafter“, sagte er daher freundlich. „Nebenbei, wäre es wohl möglich, dass Sie zum offiziellen Eröffnungsempfang ohne Ihren Ersten erscheinen? Ich weiß, dass er Sie für gewöhnlich überallhin begleitet, aber der Vorsitzende der Handelsvereinigung, macht sich Sorgen, die Anwesenheit eines Jem’Hadar könnte die anderen Gäste nervös machen.“

Das war eine sehr höfliche Umschreibung der Tatsache, dass McCullens Zugeständnis sich auf Weyoun und seinen Assistenten Kyle beschränkte, ohne Omet’iklan einzuschließen.

„Es liegt weder in der Absicht des Dominions noch in meiner, jemanden nervös zu machen“, versicherte Weyoun sofort. „In diesem Fall wird Omet’iklan auf DS9 bleiben. - Ich danke Ihnen, dass Sie mich darauf hingewiesen haben, dass diesbezüglich Seitens Mister McCullens ein Anlass zur Sorge besteht“, ergänzte er in einem Ton, der neben dem ausgesprochenen Dank einen unausgesprochenen für Shakaars Unterstützung und seinen Takt enthielt.

Gerade als Shakaar, wie es von einem Politiker in so einer Situation erwartet wurde, Weyoun für sein Verständnis danken wollte, summte das Interkom.

„Sie gestatten, Botschafter.“ Shakaar aktivierte das Display. „Wer ist es diesmal, Jamil?“

„Colonel Kira“, kam es zurück.

Shakaar zögerte. Er wollte nicht in Weyouns Gegenwart mit Kira reden, noch weniger wollte er ihr durch seinen Assistenten ausrichten lassen, dass er momentan keine Zeit für ein Gespräch hatte.

Weyoun, dem das Zögern des Bajoraners nicht entging, verneigte sich leicht.

„Ich denke, ich habe Sie lange genug von Ihren Pflichten abgehalten, Premierminister“, sagte er höflich. „Erster!“ Er bedeutete Omet’iklan, ihm zu folgen.

Shakaar wartete, bis die Tür sich hinter Weyoun und dem Jem’Hadar geschlossen hatte, dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Schirm.

„Stellen Sie Colonel Kira durch, Jamil! Ich freue mich sehr, dich zu sehen, Nerys“, empfing er die Bajoranerin. Obwohl sie beide seit Jahren nur noch gute Freunde waren und er inzwischen ein glücklich verheirateter Mann war, versetzte ihr Anblick ihm jedes Mal aufs Neue einen winzigen Stich. Er wusste, dass es müßig war, sich zu fragen, wie die Dinge gekommen wären, hätten die Propheten ihre Beziehung gebilligt, dennoch ertappte er sich einmal mehr dabei, dass er genau das tat, ohne sich den Grund dafür erklären zu können. Er liebte Serina und bereute nicht, sie geheiratet zu haben.

„Hallo, Edon, ich hoffe ich störe nicht?“

„Du störst nie, Nerys“, erwiderte er, und es war die Wahrheit. Kira gehörte zu dem kleinen, überschaubaren Kreis derjenigen, deren Gesellschaft ihm stets willkommen war, ganz gleich wie viel Arbeit sich auf seinem Schreibtisch häufte und wie wenig Zeit er hatte. „Worum geht es?“

Kira lächelte verschmitzt. „Ich wollte einfach nur die erste sein, die dir gratuliert, dass die diesjährige Handelskonferenz auf Bajor stattfinden wird.“

„Danke“, meinte Shakaar mit einem verzweifelten Seitenblick auf das Datenpadd, das seinen ersten Formulierungsentwurf seiner offiziellen Erklärung enthielt. All diese unerwarteten Gespräche hatten zur Folge, dass ihm nun nicht mehr genügend Zeit blieb, um an seiner Rede zu feilen. Er würde an etlichen Stellen aus dem Stehgreif improvisieren müssen, etwas, das ihm ein absoluter Gräuel war.

Andererseits, wen außer ihm und McCullen interessierte überhaupt noch irgendeine offizielle Erklärung? Anscheinend wusste ohnehin bereits jeder im Umkreis von zehn Lichtjahren Bescheid ...

* * *


Gawens Blick folgte dem blonden Bajoraner, der einer eingesperrten Raubkatze gleich von einer Seite der kleinen Kapelle zur nächsten und wieder zurück wanderte. Es wäre ein fataler Irrtum gewesen, aus seinem Verhalten zu schließen, dass er nervös oder gar beunruhigt war. Ungeachtet der kurzen Dauer ihrer Bekanntschaft hatte der Vedek längst erkannt, dass der Mann, den er heimlich in einem Nebenraum der Kapelle seines Klosters beherbergte, soweit davon entfernt war, Unruhe oder gar Furcht zu empfinden, wie man davon nur entfernt sein konnte. Bisweilen fragte Gawen sich, ob sein Gast überhaupt zu irgendeiner Emotion fähig war. Ihm gegenüber jedenfalls hatte er bislang kein Gefühl, gleich welcher Art, gezeigt. Doch er schien nur so vor Energie zu strotzen, es war, als würde jede Faser seines Körpers damit förmlich durchdrungen sein, und Gawen wusste, dass die Wanderung dem anderen Bajoraner als ein erforderliches Ventil diente, ohne das er vermutlich an der Energie, die ihn durchströmte, von innen heraus verbrannt wäre.

„Wie lange noch?“

„Bald“, versicherte der Vedek.

„Bald“, flüsterten die Wände, während die Flammen der Kerzen vor dem Altar unter einem kalten Windhauch flackerten.
Rezensionen