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Asche 09 - Unbekannte Partner

von Gabi , Martina Strobelt

Kapitel 1

Martina Strobelt: 1. Absatz, Last Chance
Gabi Stiene: DS9, Ilvian
Die Frau stand reglos am Rand der Klippe. Windböen zerrten an ihrem Gewand. Zu ihren Füßen rollte die Brandung gegen die spitzen Felsen. Gischt spritzte in wirbelnden Fontänen in die Höhe und zerfaserte in feuchten Schleiern, die sich in Milliarden winziger Tröpfchen auflösten, die mit dem Sturm davonstoben. Hoch über dem Kopf der Frau, der von einer Kapuze verhüllt wurde, trieb ein einzelner Seevogel in den Luftströmen. Er stieß schrille Schreie aus, während er den wilden Elementen trotzte. Ein Krieger im Kampf gegen die Urgewalt der Natur. In gewisser Weise glichen sie einander, der Vogel mit den breiten Schwingen und die einsame Frau auf der Klippe. Beide waren sie jung, stark und unerschrocken. Doch im Gegensatz zu ihr ließ der Vogel sich allein von Instinkten leiten. Er kämpfte, weil es in seinen Genen verankert war, ohne zu wissen, warum, mit dem einzigen Ziel, das Überleben seiner Art zu sichern. Sie indessen wollte so viel mehr. Und sie war imstande, die Kriegerin in ihr zu kontrollieren. Sie hatte sich in Geduld geübt. Aber jetzt war die Zeit des Wartens vorbei. Das Schicksal hatte ihr eine Gelegenheit in die Hände gespielt, ihrem Ziel einen Schritt näher zu kommen, und sie wollte verdammt sein, wenn sie diese nicht ergriff.

* * *


Er strich sich einem Reflex folgend die Haare aus der Stirn. Sein militärisch ordentlicher Haarschnitt hätte es zwar ohnehin keiner Strähne erlaubt, aus der Reihe zu tanzen, doch diese althergebrachte Geste half nach wie vor beim Nachdenken.

„Computer, das Ganze noch mal von vorne“, seufzte Bashir, während er sich schwer gegen die Stuhllehne zurückfallen ließ.

Bitte spezifizieren Sie den Befehl.“ Zu seinem Ärger hatte der medizinische Analysecomputer in der Krankenstation immer noch nichts in Sachen Intuition hinzugelernt.

„Wiederhole den letzten Vergleich“, verbesserte er sich. Seine Schultern begannen allmählich zu schmerzen. Nach dieser Analyse würde er für heute aufhören, ein wenig trainieren und sich vielleicht eine Massage gönnen ...

Als ob seine Gedanken gelesen worden wären, legten sich zwei Hände auf seine Schultern und begannen mit leichtem Kreisen.

„Hmmmmm ...“, seufzte Bashir wohlig. „Genau das Richtige!“

„Woran arbeitest du?“

„Jeremiah.“ Er nickte auf den Schirm.

Dax beugte sich über seine Schulter und betrachtete die Anzeigen. Ihre vergangenen Leben hatten genügend Wissenschaftler beherbergt, dass ihr die Daten etwas sagten. „Er wächst immer noch zu rasch.“

„Genau. Und er neigt zu Gewalttätigkeit.“

„In dem Alter?“

„In welchem Alter? ... Das ist ja eines meiner Probleme.“

Bashir änderte die Anzeige, rief statt des Genvergleichs zwei Krankenakten auf. „Hier.“ Er deutete auf den ersten Text. „Vor einer Woche hat er die Tochter von Shakaar Serina angegriffen. Platzwunde und Haarriss in der Schädelplatte. Seine einzige Waffe war ein Stofftier.“

„Muss sich um klingonisches Spielzeug gehandelt haben ...“

Bashir sah sie irritiert von der Seite an, dann widmete er seine Aufmerksamkeit der zweiten Datei. „Und vor zwei Tagen ist wieder etwas ähnliches passiert. Kasidy war beim Friseur und hat ihn in der Spielecke des Geschäfts gelassen. Dort hat er einem anderen Kind eine Quetschung am Bein verabreicht.“

„Und die beiden sind nicht gestürzt oder haben sich verklemmt?“ Dax schüttelte ungläubig den Kopf.

„Angeblich nicht. Kas ist ziemlich fertig.“

„Das kann ich mir gut vorstellen. Ich werde mit ihr reden.“

Bashir wandte sich auf dem Stuhl um, bis sein Gesicht nur wenige Zentimeter von Dax entfernt war. Der Hauch von Parfum, den sie trug, roch gut aus dieser Nähe. „Was willst du ihr vorschlagen? Psychotherapie für ein Baby?“

„Nein.“ Ihr Blick wurde von seinen Lippen angezogen. „Eher für die Mutter. Kein Kind in dem Alter verhält sich aggressiv, wenn es nicht durch Beispiele dazu verleitet wurde.“

„Das wirst du ihr aber nicht so sagen.“ Bashir hob sein Kinn.

Dax platzierte einen flüchtigen Kuss auf seinen Mund. „Nein ...“ ein weiterer folgte „das werde ich natürlich ...“ noch ein Kuss „nicht.“

Er fasste um die Stuhllehne herum und zog sie auf seinen Schoß. Ezri Dax war so zierlich, dass sie sich wie eine Feder anfühlte, wenn er sie in den Arm nahm.

Als sie sich zum Luftholen wieder trennten, funkelten Dax‘ Augen schelmisch. „Unsere wissenschaftliche Zusammenarbeit gefällt mir, das muss ich schon sagen.“

„Nicht wahr?“ Bashir grinste. „Es stehen sogar genügend Betten zu unserer Verfügung.“

„Hier?“ Dax blickte zweifelnd zur momentan unbelegten Intensivstation hinüber.

„Ich wollte ohnehin Schluss für heute machen.“ Er trug sie auf Händen in den angrenzenden Raum, wo er sie in einer der Nischen auf dem Bett ablegte. „Bleib, wo du bist.“

Dax schüttelte lachend den Kopf, als er zurückging, die Lichter löschte und die Zugangstür verriegelte. Dann schloss er die Tür zur Intensivstation ebenfalls und dämmte das Raumlicht auf einen romantischen Rotton.

„Lieutenant Dax, ich glaube, Ihre Gesundheitsuntersuchung ist an der Reihe ...“

* * *


Der Raumhafen Last Chance, berüchtigter Umschlagplatz für verbotene Waren, oder zumindest solche, deren Herkunft im Dunkeln blieb. Nicht weniger zwielichtig waren die Händler, welche in den Nischen der schummerigen Bar ihre Geschäfte abwickelten.

Obwohl Quark es mit den Gesetzen, ganz gleich, von wem sie erlassen worden waren, selbst nicht übertrieben genau nahm, und für gewöhnlich Orte, an denen sich günstige Gelegenheiten boten, Profit zu machen, schätzte, verspürte er ein Jucken in seinem linken Ohr. Ein deutliches Zeichen für Nervosität. Seine Erinnerungen an Last Chance waren alles andere als erfreulich, und er hätte es vorgezogen, seinen Auftraggeber nicht ausgerechnet hier zu treffen. Leider war der Treffpunkt nicht verhandelbar gewesen.

Wie vereinbart schwang der Ferengi sich auf einen freien Hocker vor der schmuddeligen Theke. Eine Karte war nirgends zu entdecken, doch Quark bezweifelte ohnehin, dass der Barkeeper, ein Rigelianer, auf dessen muskulösen Unterarmen die Bilder orionischer Sklavenmädchen tätowiert waren, fähig war, einen Samarian Sunset zu mixen. Wer Last Chance aufsuchte, war nicht an ausgefallenen Drinks interessiert. Quark war sicher, dass das Repertoire des Barkeepers sich darauf beschränkte, billigen, hochprozentigen Fusel einzuschenken und im Übrigen dafür zu sorgen, dass die Zeche beglichen wurde.

„Ein romulanisches Ale“, bestellte er, als der Wirt ihm vom anderen Ende der Bar einen Blick zuwarf. An jedem anderen Ort hätte sich Quarks genetisch bedingter Fluchtinstinkt automatisch aktiviert, aber auf Last Chance konnte die finstere Miene des Barkeepers auch ohne angeborenen Hang zum Leichtsinn unter der Rubrik: zuvorkommende Aufforderung, eine Bestellung abzugeben, eingeordnet werden.

Der Rigelianer langte unter die Theke und fischte eine braune Flasche ohne Etikett aus einer Kühlbox. Die Kante der Theke ersetzte den Öffner. Mit einer lässigen Drehung seines Handgelenks schickte der Wirt die Flasche auf ihren Weg. Der wohl dosierte Schwung beförderte sie mit einer, angesichts der von Dreck stumpfen Platte der Theke, erstaunlichen Geschwindigkeit in Richtung des Ferengi, der sie aufhielt, bevor sie mit der Flasche seines Nachbarn kollidierte. Quark verkniff sich, nach einem Glas zu fragen. Misstrauisch beäugte er den Inhalt der Flasche, soweit dieser durch das dunkle Glas erkennbar war, und schnupperte an der Öffnung. Mindere Qualität, aber zumindest roch es nach Ale, wenn Quark auch bezweifelte, ob das Gebräu Romulus jemals gesehen hatte. Vermutlich brannte der Wirt es in seinem Keller selbst. Vorsichtig probierte der Ferengi einen Schluck. Natürlich kein Vergleich mit echtem Romulanischen Ale, doch nicht alle seiner Kunden auf DS9 besaßen eine feine Zunge. Vielleicht ergab sich ja die Möglichkeit, ein profitables Arrangement mit dem Barkeeper auszuhandeln. Zu beiderseitigem Vorteil. In Gedanken überschlug Quark bereits die beträchtliche Gewinnspanne, die ihm winkte, wenn er dieses Gebräu in seiner eigenen Bar ausschenken würde. Zum Preis von echtem Romulanischen Ale, verstand sich. Diese überaus angenehme Träumerei wurde jäh beendet, als Quarks Thekennachbar aus unerfindlichen Gründen beschloss, Ferengi nicht zu mögen, und dieser spontanen Gefühlsaufwallung dadurch Ausdruck verlieh, dass er dem Hocker, auf dem der Gegenstand seiner Abneigung saß, einen Tritt versetzte.

Unter dem Gelächter derjenigen Anwesenden, die der Sache überhaupt Beachtung schenkten, kippte der Barhocker um, und der erschrockene Quark fand sich auf dem Boden wieder. Sekunden später folgte die Flasche Ale, vom Ellbogen seines unfreundlichen Nachbarn einfach von der Theke gefegt. Das dunkle Glas erwies sich als bemerkenswert bruchfest. Es überstand den Aufprall, und auch der brutale Stoß, mit dem der Klingone, an dessen Stiefel die Flasche rollte, sie an die nächste Wand schleuderte, konnte dem Glas nichts anhaben. Quark nahm sich vor, den Wirt bei Gelegenheit zu fragen, aus welcher Quelle er seine Flaschen bezog. Glas, das ein Klingone nicht zu Bruch bekam, könnte sich als gewinnbringende Investition erweisen. Für den Moment indessen erschien es sicherer, sich der Theke nicht wieder zu nähern, jedenfalls nicht solange, wie der Mann, der dem Hocker den Tritt gegeben hatte, sich dort aufhielt. Quark dankte sämtlichen Göttern des Handels, dass es seinem unfreundlichen Nachbarn offenbar genügte, ihn von seinem Platz vertrieben zu haben. Er hatte kein Bedürfnis, sich dem Mann, der sich mit einem zufriedenen Grunzen wieder seinem Drink zugewandt hatte, durch irgendeine Form von Protest in Erinnerung zu bringen. Daher krabbelte er so schnell wie möglich in eine schummerige Nische. Dort stand er auf, ließ sich auf den ersten freien Stuhl sinken, wobei er darauf achtete, nicht weiter aufzufallen.

Die Bewegung war leicht. Kaum mehr als ein flüchtiger Hauch. Doch Quarks ohnehin schon ausgeprägte Sensoren, stets zu fühlen, wenn sich ihm jemand näherte, waren durch das unangenehme Zwischenspiel an der Theke in höchster Alarmbereitschaft. Er glitt vom Stuhl und lag geduckt unter dem Tisch, noch bevor die Frau den Mund geöffnet hatte, um ihn anzusprechen:

„Hallo, Quark.“

Ihre Stimme klang weder irritiert noch amüsiert ob seines Verhaltens. Ein beherrschter Ton, der nicht verriet, was sie dachte. Ihre Augen, die von einem so intensiven Blau waren, wie Quark es noch nie zuvor gesehen hatte, musterten ihn ausdruckslos. Zwei klare, glänzende Spiegel, ohne jeden Funken von Wärme. Ihr Gesicht war hell und wurde vollkommen von den Augen beherrscht, deren Blick den Ferengi unwillkürlich an ein Raubtier erinnerte. Ein Eindruck, der durch die Art, wie sie sich bewegte, als sie sich setzte, verstärkt wurde. Sie trug eine graue Robe, unter deren schweren Falten ihr Körper nur schwach zu erahnen war. Trotzdem war Quark überzeugt, dass er schlank und muskulös war. Ihr Haar, sofern sie welches hatte, wurde von einer Kapuze verdeckt.

„Stehen Sie auf, Quark“, sagte sie. „Wir fangen an, Aufmerksamkeit zu erregen.“

Sie hatte recht. Ein Ferengi, der vor einer verhüllten Frau auf den Knien lag, mochte an einem Ort wie diesem zwar nicht gerade eine Sensation sein, aber dem einen oder anderen Gast schien das Bild, das sie boten, zumindest einen gelangweilten Blick wert zu sein. Es war besser, das Bild wieder dem Gewohnten anzupassen, bevor irgendjemand anfing, sich ernsthaft für sie zu interessieren.

Quark erhob sich und nahm ihr gegenüber Platz. Er fragte weder, woher sie seinen Namen kannte, noch erkundigte er sich nach ihrem. Ersteres wäre unprofessionell gewesen, letzteres riskant. Es war offensichtlich, dass die Frau im Auftrag desjenigen handelte, der ihn nach Last Chance bestellt hatte, oder sogar identisch mit ihm war. So genau wollte Quark das nicht wissen. Wenn sie sich ihm nicht vorstellen wollte, war das ihre Sache. Allerdings würde er dann auf Vorkasse bestehen.

Als hätte sie seine Gedanken erraten, zog sie einen schmalen Chip hervor und schob ihn über die zerschrammte Tischplatte. Ihre Hände waren schmal, doch kräftig, lange, feingliedrige Finger mit kurzgeschnittenen Nägeln. Wie viele fremde Leben mochten diese Hände bereits ausgelöscht haben? Denn, dass diese Frau keine Skrupel hatte zu töten, wenn es ihren Zielen diente, bezweifelte er keine Sekunde. Ein Grund mehr, sich in keinster Weise für ihre Identität zu interessieren. Wissen war zwar ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor, aber bisweilen war es gefährlich, und das war so ein Fall.

„Wir haben bei der Handelsbank auf Ferenginar ein Konto auf Ihren Namen eingerichtet. Der Zugangscode befindet sich auf diesem Chip.“

Wir ...

Quark wünschte, sie hätte das nicht gesagt. Wir, das verriet, dass sie Teil einer Organisation war, oder zumindest einer Gruppe. Wir, das war eine Information, die er nicht besitzen wollte, wenn es auch nur ein winziges Teilchen des Puzzles war, für seinen Geschmack war es bereits ein Teilchen zu viel. Er hoffte, dass die Frau nicht ebenso empfand.

„Was soll ich für Sie tun?“ fragte er rasch, um ihr keine Gelegenheit zu geben, die gleichen Überlegungen wie er anzustellen.

„Das, worauf Sie sich am besten verstehen“, erwiderte sie.

* * *


„Oh, Jadzia ...“

Sie saß mit einem Ruck auf. „Jadzia?“

Bashir rollte sich träge auf den Ellbogen. Dax saß auf der Krankenliege, ihre Augen glitzerten im Halbdunkel des Raums. Er fand sie einfach anbetungswürdig, wie sie sich mit nacktem Oberkörper und wütendem Gesicht über ihm aufrichtete. Die dunklen Flecken standen in reizvollem Kontrast zu ihrer sehr bleichen Haut.

„Was ist, Ezri?“ Schläfrig streckte er eine Hand nach ihr aus, um sie zu streicheln.

„Du hast mich gerade Jadzia genannt!“

„Das habe ich nicht.“

„Doch, das hast du!“

„Ezri ...“ Er setzte sich nun ebenfalls auf. Ein wenig ungehalten über die jähe Unterbrechung ihrer wohligen Tätigkeit fasste er sie um die Taille. Sie machte sich mit einer Drehung von ihm los.

„Was soll das?“

„Du hast mich Jadzia genannt.“

„Das habe ich nicht“, versicherte er.

Sie starrte ihm angriffslustig in die Augen. „Du merkst es nicht einmal, wenn du das tust.“ Sie rutschte von der Liege. Noch mehr nackte Haut lenkte Bashirs Konzentration von dem momentanen Streit ab.

„Gibt es eigentlich etwas an mir, Ezri, das dir gefällt – oder ist alles immer nur Jadzia?“

„Ezri ...“ Jetzt hatte sich sein Tonfall von ärgerlich zu resigniert gewandelt. „Wir hatten das doch schon mehrfach. Ich liebe dich, nicht Jadzia.“

„Das ist eine Lüge.“

„Also, gut: Ich habe Jadzia geliebt. Aber ich liebe auch dich, Ezri.“

„Ich habe es gemerkt.“ Die Counselor war nicht gewillt, seinem Charme nachzugeben. Er rührte immer und immer wieder ungewollt an Unsicherheiten tief in ihrem Inneren. Es war schlimm genug, auf andere Personen eifersüchtig sein zu müssen, aber auf sich selbst? Das war unerträglich. Es war ein Wettstreit, den man niemals gewinnen konnte.

„Komm wieder, wenn du weißt, was du möchtest.“ Sie drehte sich um und wollte zur Tür hinausstürmen. Sie war verriegelt.

Ärgerlich drehte sie sich um. „Mach die Tür auf, Julian.“

Er seufzte und fischte nach ihrer Uniform. „Möchtest du nicht wenigstens etwas anziehen, bevor du in gerechtem Zorn auf die Promenade hinausstürmst?“

Sie kam zurück und nahm ihm mit ärgerlichem Schnauben die dargebotene Kleidung ab.

Als er in seine eigene geschlüpft war, deaktivierte er die Türverriegelungen der Intensivstation und der Eingangstür. Ezri Dax rauschte an ihm vorbei, ohne sich noch einmal umzusehen.

Er wusste, dass es in dieser Stimmung sinnlos war, dennoch versuchte er es noch einmal: „Ezri, können wir nicht reden ...?“

Sie hob den Kopf als Antwort nur noch ein wenig höher – und rannte frontal in einen abendlichen Spaziergänger auf der Promenade.

Bashir lehnte seine Stirn gegen den Türrahmen und seufzte.

* * *


Die Nordküste der bajoranischen Provinz Ilvian lag im Mittagslicht. Auf der nördlichen Hälfte Bajors herrschte Spätsommer. Ein kühler Wind blies vom Ozean her und nahm der Sonne die Hitze. Die Brandung schlug spielerisch gegen die Felsen, Gischt spritzte auf und fiel wieder in sich zusammen. Das Tosen der Brandung mischte sich mit dem Geschrei der Seevögel.

Serina genoss es, hier zu stehen. Nur in den Temperaturen des Sommers fühlte sie sich richtig wohl. Für ein paar wertvolle Momente ließ sie den Frieden auf sich einwirken, bevor sie die Augen wieder öffnete und ihre Familie beobachtete.

Katalya hatte sich recht gut von dem Schrecken erholt, den der Sisko-Sohn ihr verursacht hatte. Kasidy Yates hatte sich vielfach bei Serina entschuldigt. Die Cardassianerin wusste, dass solche Vorfälle immer passieren konnten, wenn Kinder zusammen spielten. Sie hatte der Terranerin zu keiner Zeit eine Verletzung der Aufsichtspflicht vorgeworfen. Dennoch war es ihr ein Rätsel, wie der kleine Junge einen solchen Schaden hatte anrichten können. Sie war sich sicher, dass Katalya sich im Umfallen den Kopf irgendwo gestoßen haben musste.

Mit ihrem Mann sah es schlechter aus.

Shakaar stand am Rand der Klippe. Normalerweise kamen sie hierher, damit er seinem Hobby, dem Klippenspringen, nachgehen konnte, während sie mit Katalya hier oben picknickte und hoffte, dass er heil wieder herauf kam. Doch momentan war gar nichts von dem athletischen Taucher in seiner Haltung. Trotz der Wärme trug er einen leichten Sommermantel, so als versuche er, einer inneren Kälte zu entgehen. Sein sonst stets leicht sonnengebräuntes Gesicht war kreidebleich, die Wangen eingefallen. Er konnte auch noch nicht lange Zeit auf den Beinen bleiben.

Serina ging zu ihm hinüber. Sie hatte aus dem Gleiter eine Decke und einen Picknickkorb geholt.

„Edon? Setzen wir uns.“ Sie legte die Decke hinter ihm aus.

Er blickte sich um und lächelte leicht. Sie hätte ihn für dieses Lächeln umarmen können.

„Danke.“

Ein wenig steif ließ er sich nieder, so als ob ihm noch nicht alle Muskeln wieder gehorchen wollten. Sie hatten den Austausch geheim gehalten. Die einzige nicht eingeweihte Person, die davon wusste, war die Bajoranerin Sito Jaxa, und Kira hatte es dieser geglaubt, als sie versichert hatte, den Mund zu halten. Allgemein war verlautet worden, dass Shakaar sehr krank geworden war. Manche der Reaktionen des anderen Shakaar hatten sie versucht, auf den Beginn der Krankheit zu schieben. Doch es lag noch ein weiter Weg der Schadensbegrenzung vor dem Premierminister. Er hatte Entschuldigungsschreiben an die Botschaften der verschiedenen Völker verfassen lassen, an die Delegationen der Handelskonferenz und hatte mit sofortiger Wirkung die Hilfslieferungen für Cardassia wieder aufnehmen lassen. Sowohl in der Bevölkerung als auch in der Ratskammer hatte er damit für Verwirrung gesorgt. Im Augenblick lag es an Kai Sarius, so viele der Wogen wie möglich zu glätten, bevor Shakaar wieder vor der Kammer erscheinen würde.

Auf Anraten seines Arztes war er nach Ilvian geflogen, um Sonne zu tanken und sich zu entspannen. Gleichzeitig konnte er diese Tage aber auch mit einer vor-Ort-Besichtigung der neuesten Entdeckung verbinden: Orbitale Scans hatten ergeben, dass sich auf dem Meeresgrund vor der ilvianischen Nordküste reiche Vorkommen an Peronium befanden. Bajor selbst war momentan noch nicht in der Lage, diese Stätten abzubauen und so war im Rat entschieden worden, zeitlich begrenzte Lizenzen an ein nichtbajoranisches Förderkonsortium zu vergeben. Dem Wirtschaftsministerium lagen schon mehrere Anträge dafür vor. Die Entscheidung würde von der besten Bezahlung und den umweltschonendsten Abbaumethoden abhängen.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich hier bald Versorgungs- und Verarbeitungsanlagen breit machen könnten. Alles in mir sträubt sich dagegen, dieses Land an ...“ Er stoppte sich rechtzeitig, um fortzufahren: „eine Industrie abzugeben.“

Sie schenkte ihm einen Becher Tee ein. „Du sträubst dich dagegen, es an Nicht-Bajoraner zu geben“, bemerkte sie, als sie ihm das Getränk reichte. „So vollkommen unähnlich wart Ihr euch gar nicht.“

„Vielleicht hast du recht ...“ Er nahm einen Schluck. Die warme Flüssigkeit tat ihm gut. „Ich bin für eine Aufnahme in den Planetenbund, ich bin für eine Öffnung unserer Universitäten, unserer Kunstakademien – aber ich bekomme nach wie vor eine Gänsehaut, wenn ich daran denke, dass Fremde aus bajoranischer Erde abbauen. Es ist zu lange geschehen.“

Sie vergewisserte sich, dass Katalya gerade nicht mit der Absicht liebäugelte, sich über eine der Klippen zu stürzen, dann rutschte sie zu ihm hinüber. Sie kniete sich neben ihn, nahm seinen Kopf in ihren Schoß. „Deswegen sind die Lizenzen zeitlich begrenzt. Niemand wird Bajor noch einmal ausbeuten.“

„Ich weiß“, er drehte sich so, dass sein gesamtes Gesicht ihre Liebkosung genießen konnte. „Und wir brauchen das Geld. Ich kann es nicht von der Hand weisen, dass mein Doppelgänger in der einen Hinsicht recht hatte: Einer Krisenzeit ist die bajoranische Wirtschaft noch nicht gewachsen. Die Angebote, die uns bisher vorliegen nennen enorme Summen.“ Er lächelte ein wenig. „Es war mir gar nicht bewusst, wie viel Geld manche Industrielle besitzen.“

Sie beugte sich hinunter und küsste ihn auf die Stirn.

„Willkommen in der Welt der Privatwirtschaft, Shakaar Edon.“
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