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Asche 09 - Unbekannte Partner

von Gabi , Martina Strobelt

Kapitel 2

Autorin: Martina Strobelt für das gesamte Kapitel
Stimme und Gestik des Bajoraners waren ausgesucht höflich. Doch der Ausdruck seiner Augen stand im Gegensatz zum Inhalt seiner Worte. Die meisten Bajoraner waren nicht fähig, ihre wahren Gefühle zu verbergen, und sie waren schlechte Lügner. Ihre Augen verrieten sie. Es war eine der zahllosen Schwächen dieses Volkes. Der cardassianische Botschafter beendete die geheuchelte Entschuldigung, indem er die Verbindung unterbrach. Der Bajoraner hatte gelogen. Blieb die Frage, ob sich das auch darauf bezog, dass Premierminister Shakaar sich momentan nicht in seinem Büro aufhielt, oder sich auf die Beteuerung beschränkte, wie außerordentlich der Sekretär diesen Umstand bedauern würde.

Wie er es hasste, Shakaar um einen Gesprächstermin ersuchen zu müssen. Einen Bajoraner. Einen Mann, der einst der Führer einer bajoranischen Terrorgruppe gewesen war. Einen Mann, der literweise cardassianisches Blut vergossen hatte. Einen Mann, der die Ehefrau eines cardassianischen Guls verführt und dazu verleitet hatte, ihrem Gatten die Treue zu brechen, ihn zu verlassen und sein einziges Kind mit sich zu nehmen. Einen Mann, der alles daran setzte, dieses Kind seiner Heimat und seinem eigenen Volk zu entfremden. Einen Mann, der ihn wie einen lästigen Bittsteller durch einen Untergebenen abwimmeln ließ, während er in seinem Büro saß und über ihn lachte. Vielleicht war ja auch Serina Tirek bei Shakaar, und sie beide lachten ihn aus. Oder wälzten sie sich womöglich sogar in diesem Moment gemeinsam auf dem Teppich und besudelten das Andenken von Gul Tirek?

Botschafter Madred zwang sich, langsam und gleichmäßig zu atmen. Dies war weder der Ort noch die Zeit, um sich dem Hass hinzugeben. Eines Tages würden Shakaar und seine cardassianische Hure für alles bezahlen. Bis dahin würde er die Rolle spielen, die von ihm erwartet wurde. Skakaar wollte nicht mit ihm sprechen, aber er würde sich nicht unbegrenzt verleugnen lassen können. Er war kein selbsternannter Rebellenführer mehr, und in der Politik gab es Regeln.

Angeblich hatte der Sekretär keine Ahnung, wann der Premierminister geruhen würde, in sein Büro zurück zu kehren. Natürlich hatte er die nicht. Schließlich täuschte Shakaar seine Abwesenheit nur vor. Madreds Blick streifte den Chronometer in seinem Quartier auf DS9. Er würde Shakaars Büro in Abständen von zehn Minuten weiter kontaktieren. Solange, bis der Bajoraner sich bequemte, mit ihm zu sprechen. Es war erniedrigend, doch er hatte keine andere Wahl. Er musste wissen, was genau dort unten auf Bajor an der ilvianischen Nordküste vor sich ging. Die Informationen, die ihn über die offiziellen Kanäle erreicht hatten, waren gleichermaßen vage und beunruhigend. Es hieß, auf dem Meeresgrund wären Vorkommen von Peronium entdeckt worden, jedoch gab es keine exakten Angaben hinsichtlich des konkreten Fundortes.

Die Nordküste der Provinz Ilvian war lang. Zwar ließ sich das betreffende Gebiet anhand der gesteigerten Aktivitäten wissenschaftlicher Forschungsteams in der Region eingrenzen, aber das war zu ungenau. Er musste mit Shakaar sprechen. Er musste so viel wie möglich erfahren, um, falls nötig, angemessene Vorkehrungen zu treffen. Er konnte das Risiko nicht eingehen, abzuwarten und darauf zu vertrauen, dass das, was dort unten auf dem Grund des Meeres nun schon seit so vielen Jahren verborgen und vergessen ruhte, weiterhin unentdeckt blieb.

* * *


Colonel Kira Nerys beobachtete die Bewegung, mit welcher der dominische Botschafter seinen Löffel in ein Glas Tulabeerengelee tauchte, um danach die Portion Gelee gleichmäßig auf einem halben Brötchen zu verteilen.

„Beabsichtigen Sie, dieses Brötchen zu essen, oder geht es Ihnen darum, es möglichst perfekt mit Gelee zu bestreichen?“ fragte sie, nachdem einige Minuten verstrichen waren, in denen der Vorta sich mit Hingabe der Verteilung des Gelees gewidmet hatte.

„Faszinierend.“

„Wie bitte?“

„Ist Ihnen aufgefallen, dass die meisten humanoiden Rassen ein ausgedehntes Frühstücksritual entwickelt haben?“

„Tatsächlich.“ Kira dachte daran, dass ihr Frühstücksritual sich für gewöhnlich auf eine Tasse Raktajino und ein Früchtebrötchen aus dem Replikator beschränkte, beides an ihrem Schreibtisch in ihrem Büro auf der OPS rasch zu sich genommen, zwischen Datenpadds, Berichten, Besprechungen mit ihren Offizieren und sonstigen Verpflichtungen. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie sich das letzte Mal die Zeit für ein ausgiebiges Frühstück genommen hatte. Das hieß, sie konnte sich erinnern, aber sie wollte es nicht. Sie wollte nicht an den Tag denken, an dessen Ende Odo sie verlassen hatte, um in die große Verbindung zurückzukehren.

„Bitte verzeihen Sie.“ Weyoun hörte auf, das dunkelrote Gelee glattzustreichen und legte die Brötchenhälfte auf seinen Teller. „Es liegt nicht in meiner Absicht, Sie zu langweilen.“

Eine Diplomatin hätte dem dominischen Botschafter höflich widersprochen und beteuert, dass es sie in absolut keinster Weise langweilen würde, ihm dabei zuzusehen, wie er eine Brötchenhälfte mit Gelee bestrich, ganz gleich wie viel Zeit diese profane Sache beanspruchte. Aber Kira war keine Diplomatin. Sie war Kommandantin dieser Station. Eine Position, die durchaus ein gewisses Maß an Diplomatie verlangt, flüsterte jene kleine, überaus lästige Stimme in ihrem Hinterkopf, die sich für Kiras Geschmack viel zu oft unaufgefordert zu Wort meldete. Die Bajoranerin besänftigte sie mit der stummen Versicherung, dass Weyoun ihr ein solches Lippenbekenntnis ohnehin nicht geglaubt hätte, es womöglich als Beleidigung seiner Intelligenz empfunden hätte. Und sie hatte keinen Grund, ihn zu beleidigen. Auch wenn sein praktiziertes Frühstücksritual, die einfachsten Handgriffe unendlich in die Länge zu ziehen, ihre von Natur aus schwach ausgeprägte Geduld einer harten Prüfung unterzog.

„Bitte verzeihen Sie“, wiederholte Weyoun. „Hätte ich geahnt, wie ungern Sie offenbar von Ihrer morgendlichen Routine abweichen, hätte ich Sie in Ihrem Büro aufgesucht, anstatt Sie zu einem gemeinsamen Frühstück einzuladen.“

Kiras Gedanken waren dabei gewesen, zu ihrem Schreibtisch abzudriften, oder vielmehr zu der Arbeit, die sich darauf stapelte. Nun sprangen sie mit einem Satz zurück ins Chez Meret und zu ihrem Gegenüber. Sie hätte es sich denken können, dass Weyouns Einladung nicht lediglich das Ziel verfolgte, Zeit mit ihr zu verbringen. Nicht, dass er ihre Gesellschaft nicht schätzte. Kira war sicher, dass der Vorta ihre gelegentlichen Gespräche genoss. Umso mehr als sie eine der wenigen Bewohner von DS9 war, die freiwillig mehr als ein unvermeidbares Minimum an Worten mit dem verhassten Repräsentanten des Dominions wechselten. Doch Weyoun tat niemals irgendetwas einfach nur so. Es lag in seiner Natur als Vorta, jede Sekunde seiner Existenz effizient zu nutzen. Dieser Drang war in seiner genetischen Struktur verankert.

„Über was möchten Sie mit mir reden?“ fragte sie ohne Umschweife.

„Über die ilvianische Nordküste.“

„Falls Sie darauf hoffen, dass ich irgendeinen Einfluss darauf habe, wer die Schürfrechte für das Peronium-Vorkommen erhält, muss ich Sie enttäuschen.“ Selbst wenn ich es könnte, würde ich Ihnen nicht behilflich sein, ergänzte Kira in Gedanken. Nicht einmal, wenn Odo sie persönlich darum bitten würde. Die bloße Vorstellung, Weyoun könnte ernsthaft der Meinung sein, sie würde einen Versuch des Dominions unterstützen, auf Bajor in dieser Weise Fuß zu fassen, war bereits absurd.

„Was veranlasst Sie, anzunehmen, dass das Dominion Interesse am Erwerb von Schürfrechten auf Bajor haben könnte?“ Entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten machte Weyoun keinen Hehl aus seinem Erstaunen. Die vom Dominion kontrollierten Raumsektoren des Gamma-Quadranten waren reich an Peronium-Vorkommen. Die bloße Vorstellung, Kira könnte ernsthaft der Meinung sein, das Dominion hätte es nötig, sich um diese lächerlichen Schürfrechte zu bewerben, war bereits absurd.

„Wenn das Dominion kein Interesse an den Schürfrechten hat, warum führen wir dann dieses Gespräch?“ erkundigte sich Kira.

„Weil Cardassia sich dafür interessiert.“

„Wie kommen Sie darauf?“ Kira erinnerte sich vage, dass Shakaar ihr gegenüber in einem Satz erwähnt hatte, dass der cardassianische Botschafter Interesse an der ilvianischen Nordküste bekundet hatte. Shakaar vermutete, dass es Gul Madred darum ging den Schein zu wahren, seine Regierung sei in der Lage, die Schürfrechte zu erwerben. Obwohl Cardassia nach dem Krieg weder die finanziellen Mittel noch das nötige Equipment besaß, um irgendetwas zu fördern. Einmal davon abgesehen, dass Cardassia die Schürfrechte auch nicht erhalten würde, wenn es sich den Erwerb hätte leisten können, selbst dann nicht, wenn es der einzige Bewerber gewesen wäre. Cardassia hatte Bajors Bodenschätze lange genug ausgebeutet. Shakaar würde cardassianische Förderanlagen auf bajoranischem Boden niemals dulden, eher würde er die Schürfrechte verschenken. Kira fragte sich, woher Weyoun wusste, dass Madred Shakaar in dieser Sache kontaktiert hatte, und nahm sich vor, bei Gelegenheit darüber mit ihrem Sicherheitschef zu reden. Solange die Botschafter sich im Rahmen des Üblichen gegenseitig bespitzelten, hielt sie sich raus. Sollte Weyoun jedoch Wanzen in Madreds Quartier versteckt haben, betraf das ihren Kompetenzbereich, und es wäre ihre Pflicht, dagegen einzuschreiten.

„Wollen Sie denn nicht erfahren, warum Cardassia an der ilvianischen Nordküste interessiert ist“, meinte Weyoun, ohne auf Kiras Frage einzugehen.

„Bei allem Respekt, Botschafter, ich habe keine Zeit für solche Spielchen. Wenn Sie etwas zu sagen haben, dann tun Sie es, bitte.“

„Es geht nicht darum, was ich zu sagen habe.“ Weyoun nahm das halbe Brötchen vom Teller und betrachtete es. „Erstaunlich nicht wahr? Wer würde unter dieser glatten Oberfläche Unebenheit erwarten? Scheinbar optische Perfektion kann täuschen - so wie eine scheinbar logische Erklärung.“

* * *


Quark hatte seine Bar eben zum Frühstück geöffnet. Da seine in der Not geborene Idee der internationalen Wochen so gut eingeschlagen war, hatte er sie sofort verlängert. Es war ein Versuch gewesen, die allgemeine schlechte Stimmung gegen das Verhalten der bajoranischen Regierung etwas zu besänftigen – und Colonel Kira zu zeigen, dass er ein nicht zu unterschätzender Faktor für das Wohlergehen der Stationsgemeinschaft war.

Zugegeben, die Speisen, die er angeboten hatte, waren anderswo auf der Station ebenfalls in Restaurants oder Replikatoren zu erhalten, jedoch die dazugehörigen Getränke nicht, und sicherlich nicht das Ambiente. Er hatte es sich nicht nehmen lassen, jeden Thementag auch außerhalb der Speisekarte entsprechend zu gestalten. Das bot kein Replikator.

Er war gerade dabei, eine deltanische Statue, welche eine Nische der Bar zierte, auf Hochglanz zu polieren, als die ersten Gäste eintrafen. Colonel Kira hatte gar nicht wissen wollen, wie Quark so rasch an all die Verzierungen, Statuen, Wandbehänge und andere Ausstellungsstücke gekommen war, die er den Tagen entsprechend in der Bar verteilte. Sie war einfach nur froh, dass die Botschafter die Geste so wohlwollend annahmen.

„Die Dame, die dir Model gestanden hat, hätte ich auch gerne kennengelernt“, zischte Quark, als er zum wiederholten Mal mit dem Tuch über die hochaufgerichteten nackten Brüste der Tänzerin fuhr. „Sehr schön ...“

Als er sich zur Theke umwandte, bemerkte er die Frau dort. Er hatte sie zuvor noch nicht auf der Station gesehen. Er schätzte sie auf Mitte Vierzig, eine ausgesprochen elegante Erscheinung, deren Züge ausdrückten, dass sie in ihrem Leben noch nicht viel Widerspruch hatte hinnehmen müssen. Interessiert näherte er sich seiner frühen Kundin.

„Guten Morgen, Madame.“ Von vorne konnte er erkennen, dass es sich um eine Trill handelte. „Darf ich Ihnen das deltanische Frühstück anbieten, oder wollen Sie etwas anderes?“

Statt einer Antwort, musterte sie ihn von oben bis unten. „Sie sind Quark?“

„In voller Schönheit.“ Er lächelte charmant – oder zumindest in einer Weise, die ein Ferengi als charmant erachtete.

Sie blickte sich demonstrativ in der Bar um. Ein überheblicher Zug ließ ihre Augen noch größer und ihre hohen Wangenknochen noch prägnanter erscheinen. Quark konnte nicht anders: Trotz ihrer deutlich zur Schau gestellten Missbilligung faszinierte sie ihn.

„Ich frage mich gerade, wie Sie mit einem Hintergrund wie diesem in das Rennen um die Schürflizenzen treten können?“

„Jetzt verstehe ich.“ Quark lehnte sich über die Bar vor, seine Züge nahmen nun ihrerseits einen streitbaren Ausdruck an. „Sie fragen sich, woher ich das Geld für meine Gebote nehme? Lassen Sie sich überraschen, Madame ...?“ Er hob fragend seine Augenwulste.

„Tigan. Mrs. Yanas Tigan, Konsortium Sappora VII, Entwicklerin der ersten transsonischen Bohrer.“ Sie lächelte siegessicher. „Und ich statte Ihnen diesen Besuch nur ab, um Ihnen eine Chance zu geben, rechtzeitig aus dem Rennen auszusteigen.“

Quarks Lächeln änderte sich nicht für einen Augenblick. „Wie schön. Wenn die Konkurrenz gut genug ist, macht der Wettstreit doch gleich noch mehr Spaß.“



Bashir saß an einem Ecktisch im Quark’s in guter Sichtlinie auf die Statue der deltanischen Tänzerin. Seit Quark seine Thementage veranstaltete, hatte auch er sich des Öfteren bei dem Ferengi eingefunden.

Und heute Morgen war ihm nicht danach zumute, allein in seinem Quartier zu frühstücken. Er wurde nicht schlau aus Ezri. So unkompliziert Jadzia sich immer erwiesen hatte, so kompliziert gestaltete sich Ezri. Die junge Frau war so unsicher über alles, was mit ihren vergangenen Leben zu tun hatte, dass er sich manchmal fragte, ob nicht sie diejenige war, die eine Counselor brauchte. Warum konnte die Trill nicht annehmen, dass sie ein wunderbarer Freund war und eine Frau, die problemlos um ihrer selbst willen geliebt werden konnte?

Gut, Bashir musste sich eingestehen, dass er manchmal an Jadzia dachte, wenn er mit Ezri zusammen war, doch das war etwas, das tief in seinem Inneren geschah und nichts mit seinen Gefühlen für die junge Trill zu tun hatte. Er würde sie niemals mit Erinnerungen an Jadzia verletzen – zumindest nicht absichtlich. Während er seine Kaffeetasse anhob, grübelte er zum wiederholten Mal darüber nach, ober er gestern Nacht tatsächlich Jadzias Namen genannt hatte ...

„Prost“, grüßte er die Tänzerin.

Aus den Augenwinkeln sah er Dax die Bar betreten. Sie blickte sich kurz um, sah ihn mit erhobener Kaffeetasse und steuerte dann auf seinen Tisch zu. Noch bevor sie ihn erreicht hatte, begannen ihre Arme zu sprechen: „Julian, es tut mir leid. Ich habe mich gestern Nacht wirklich blöd benommen. Ich meine ...“, mittlerweile hatte sie den Tisch erreicht und unterbrach den Redefluss der Arme, indem sie sich einen Stuhl zurecht zog, „es ist mir vollkommen klar, was du für Jadzia empfunden hast. Ich meine ... ein Teil von mir ist Jadzia, und ich bin eifersüchtig auf eine Erinnerung meines Symbionten. Es ist ja nicht so, dass du mich verlassen würdest, um mit dem, was ich einmal war, zu gehen. Ich weiß doch genau, dass du nicht mit Absicht ihren Namen nennst. Du bist viel zu anständig und zu lieb, um mich in irgendeiner Weise verletzen zu wollen. Wir haben ja auch im Vorfeld gründlich darüber nachgedacht, was wir hier tun. Es ist ja nicht so, dass wir uns in ein Abenteuer gestürzt haben ohne die Konsequenzen zu bedenken. Ich weiß auch nicht, warum ich immer und immer wieder so reagieren muss. Ich meine ... gerade ich sollte mich doch wirklich im Griff haben. Gerade ich sollte doch die Aspekte von Beziehungen – zumindest theoretisch – gut kennen. Ich meine ...“ Zu Bashirs Erleichterung hielt sie endlich inne, um Luft zu holen. „ ... kannst du mir noch mal verzeihen?“

Lachend beugte sich Bashir zu einem Nachbartisch, griff sich eine Tasse von dessen noch unbenutztem Frühstücksgedeck, schenkte Kaffee ein und reichte sie Dax hinüber. „Trink erst einmal. Dein Hals muss ausgetrocknet sein.“

Sie nahm die Tasse entgegen.

„Natürlich verzeihe ich dir. Wie kannst du da nur fragen? Ich verstehe ja im Prinzip, was du durchmachst. Und ich möchte mich auch dafür entschuldigen, wenn ich unbedachte Äußerungen tätige. Ich mache das nicht mit Absicht.“

Sie sah ihn über den Tassenrand hinweg an. Ihre Augen lächelten. „Du bist süß.“

„Ich weiß.“

„ ... und überheblich.“

„Auch das weiß ich ...“

„EZRI TIGAN!“

Mit einem lauten Klirren rutschte die Tasse aus Dax‘ Hand und hinterließ eine Lache heißen braunen Kaffees auf dem Tisch. Mit weit aufgerissenen Augen wandte sich die Counselor um.

„Mutter? ... Mutter, was tust du hier?“

Yanas Tigan hatte ihr Gespräch mit Quark ohne Vorwarnung beendet, als sie ihre Tochter in der Bar bemerkt hatte. Nun näherte sie sich zielstrebig dem Tisch der beiden Sternenflottenoffiziere.

Das freudige Lächeln der Mutter fand im entsetzten Ausdruck der Tochter keinerlei Entsprechung.

„Ich hatte ganz vergessen gehabt, dass du hier auf dieser ...“, sie hielt kurz inne, besann sich eines Besseren und endete: „Station arbeitest.“

Dax stöhnte innerlich auf. So viel dazu, wie sehr sich ihre Mutter für das Leben ihrer Tochter interessierte.

„Ich freue mich so sehr, dich zu sehen.“

„Das kann ich nicht behaupten. Wie geht es Norvo?“

Tigan blieb wie von einer Faust getroffen vor dem Tisch stehen.

„Den Umständen entsprechend gut“, entgegnete sie nun sichtlich kühler. „Er hat im Gefängnis seine Malerei wieder aufgenommen.“

„Das freut mich zu hören.“

„Du wirfst mir nicht immer noch vor, dass ich Schuld daran habe, dass Norvo zum ...“ Sie konnte das Wort nicht über die Lippen bringen. „dass Norvo diesen Fehltritt begangen hat.“

Dax ignorierte den Kaffee, der langsam auf ihr Hosenbein tropfte. „Natürlich tue ich das.“

„Ich habe ihn nicht zu so etwas erzogen. Mich trifft keine Schuld.“

„Wer, wenn nicht du?“ Dax‘ Augen funkelten. „Er hatte keine Chance gegen dich, gegen deinen Anspruch von Perfektion.“

„Niemand konnte ahnen, dass er labil war!“

„Niemand hat jemals danach gefragt!“

Bashir hatte mittlerweile eine Serviette organisiert und gebot dem Kaffeerinnsal damit Einhalt. „Ich möchte mich nicht in Familienangelegenheiten einmischen, aber die halbe Bar hört zu.“ Er zeigte auf einen freien Stuhl. „Wollen Sie sich nicht zu uns setzen, Mrs. Tigan? Ich bin sicher, dass wir die Schuldzuweisungen auch in einem ruhigeren Tonfall über die Bühne bringen können.“

Sie schien den Arzt nun zum ersten Mal zu bemerken. Froh, dem Bombardement ihrer Tochter entgehen zu können, nahm sie sein Angebot an und ließ sich nieder. Bedacht darauf, ihre eleganten Schuhe weit genug von der Kaffeelache auf dem Boden zu halten.

„Danke. Sie scheinen ein Mann mit Vernunft zu sein. Mr. ...?“

„Dr. Julian Bashir, Stationsarzt“, stellte er sich vor. „... und Ezris Freund.“

Sie streckte ihm die Hand entgegen. „Es freut mich, einen von Ezris Freunden kennenzulernen.“

„Nicht einen, Mutter.“ Dax schien ein wenig ungehalten darüber, dass Bashir ihrer Mutter einen Fluchtweg eröffnet hatte. Sie hatte nicht vorgehabt, jemals wieder mit ihrer Mutter an einem Tisch zu sitzen. „Der Freund. Julian und ich sind zusammen.“

„A – ha“, machte sie gedehnt. Es war ihr anzusehen, dass ihr noch mehr auf der Zunge lag, doch in Anbetracht der Tatsache, dass sich ihre Tochter feindselig ihr gegenüber verhielt, und der junge Mann, der – sie beugte sich ein wenig vor, um Bashirs Abzeichen besser sehen zu können – lediglich den Rang eines Lieutenant bekleidete, offensichtlich für ein erträgliches Gleichgewicht am Tisch sorgte, schluckte sie es hinunter. „Wie schön.“

„Was führt Sie nach DS9, Mrs. Tigan?“ Bashir hatte nicht vor, Dax die Konversation zu überlassen. Er hatte von ihr die Geschichte ihrer Familie gehört, und auch wenn sie sicherlich in ihrer Einschätzung der Schuldfrage nicht weit von der Wahrheit entfernt war, wusste Bashir, dass nicht alles so einfach war wie die Eltern zu verdammen. Sie handelten oft nach bestem Wissen und Gewissen und waren mehr als gestraft genug, wenn sie durch zu viel des Guten ihre Kinder von sich entfremdeten. Er hatte diese Wahrheit schmerzlich am eigenen Leib erfahren müssen. Mrs. Tigan würde ihr Leben lang genug an dem durch ihren jüngsten Sohn begangenen Mord zu tragen haben, auch ohne dass Dax sie fortwährend daran erinnerte.

„Bajor vergibt Schürfrechte für ein Peronium-Vorkommen. Ich möchte sie haben.“

Dax stöhnte theatralisch auf und verdrehte die Augen. Es war immer das Gleiche. Ihre Mutter wollte alles haben.

Bashir nickte. „Ich habe gehört, dass auch Quark als Mittelsmann für einen Anbieter ins Rennen gegangen ist.“

Tigan nickte. „Dachte ich es mir doch! Er hat niemals genug Latinum, um sich selbst an wirtschaftlichen Unternehmungen zu beteiligen.“ Sie beugte sich ein wenig über den Tisch zu Bashir vor. „Wissen Sie, wen er vertritt?“

Der Arzt schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe nicht die leiseste Ahnung.“

* * *


Colonel Kira Nerys musterte die überhebliche Miene ihres Gegenübers und fragte sich, ob dieser arrogante Gesichtsausdruck bei Cardassianern angeboren war. Zumindest bei einigen von ihnen. Ghemor hatte sie nie so angesehen. Andererseits hatte er sie anfangs für seine Tochter gehalten, und später hatte die Wahrheit nichts mehr an den Gefühlen ändern können, die er für sie entwickelt hatte. Doch abgesehen von Ghemor kannte sie keinen Cardassianer, der sich nicht für überlegen hielt, und es mehr oder weniger deutlich zur Schau stellte, ganz gleich in welcher Lage er sich befand. Madred schien es nicht zu kümmern, dass Cardassia sowohl wirtschaftlich als auch politisch am Ende war. Er benahm sich, als ob DS9 immer noch eine cardassianische Station wäre und sie in ihrem Büro kaum mehr als ein geduldeter Gast seiner Regierung.

Zu ihrer Überraschung stellte Kira fest, dass Madreds Gebaren weder Zorn noch Hass in ihr weckte. Stattdessen empfand sie mitleidige Verachtung, und sie machte sich nicht die Mühe, dieses Gefühl vor ihrem Besucher zu verbergen. Wer sich aufführte, als würde ihm die Station gehören, der verdiente keine diplomatische Rücksicht.

Den ganzen Morgen hatten Kira Weyouns Worte nicht mehr aus dem Sinn gehen wollen. Sie hatten sie auf ihrem Weg in ihr Büro begleitet und hatten sich durch keinen der zahlreichen Berichte, die sie seitdem gelesen hatte, verscheuchen lassen. Wie ein leises, doch stetiges Hintergrundrauschen, das sie störte, weil es ihr nicht gelang, es abzuschalten.

„Scheinbar optische Perfektion kann täuschen - so wie eine scheinbar logische Erklärung.“

Was bezweckte Weyoun mit diesem Hinweis? Seine Anspielung galt Cardassias Motiven, und seit er diese, mehr oder weniger versteckt in Frage gestellt hatte, hatte Kira sich mehr als einmal das Gespräch mit Shakaar ins Gedächtnis gerufen, versucht, sich an den genauen Wortlaut zu erinnern, mit dem er ihr von seiner Unterredung mit Gul Madred erzählt hatte. Sie hätte Shakaar kontaktieren können, aber sie kam sich lächerlich vor. Die Zeiten, in denen cardassianische Schreckgespenster die bajoranische Sonne verdunkelt hatten, waren vorbei. Trotzdem hatte Kira sich in ihrer Mittagspause dabei ertappt, auf ein Mittagessen im Replimat zu verzichten und stattdessen die Datenbanken nach Anhaltspunkten dafür zu durchforsten, dass Cardassias Interesse an der ilvianischen Nordküste einen anderen Grund hatte, als denjenigen, den Shakaar und sie annahmen. Sie hatte nichts gefunden, das Weyouns Andeutung stützte. Wie überall auf Bajor hatte Cardassia während der Besatzung auch die ilvianische Nordküste auf das Vorhandensein von Bodenschätzen untersucht. Ohne Erfolg. Damals war die orbitale Scan-Technik noch nicht so hoch entwickelt gewesen. War es möglich, dass Madred einfach nur den Gedanken nicht ertragen konnte, dass Bajor ein reiches Vorkommen an Peronium an einer Stelle entdeckt hatte, an welcher Cardassia vergeblich gesucht hatte? Ärgerte ihn die Erkenntnis, dass Cardassia bei der Ausbeutung bajoranischer Bodenschätze etwas derart Wertvolles übersehen hatte? Fast bereute Kira ihren Entschluss, Madred in ihr Büro zu bitten. Sie hatte gedacht, dass es ihn daran erinnern würde, wem die Station unterstand. Ein kleiner, gehässiger Teil von ihr hatte gehofft, dass er sich dadurch gedemütigt fühlen würde, zu ihr zitiert zu werden und auf der anderen Seite des Tisches zu stehen. Sie hatte beinahe damit gerechnet, dass er nicht kommen würde. Immerhin war er ein Botschafter und konnte erwarten, dass sie diese Tatsache würdigte, indem sie ihn aufsuchte, wenn sie ihn sprechen wollte, und nicht umgekehrt. Doch Madred war gekommen, und die Art, wie er im Besucherstuhl saß und sie überheblich musterte, veranlasste Kira, sich ernsthaft zu fragen, wieso sie ihre Zeit an ihn verschwendete.

„Wie ich gehört habe, interessieren Sie sich für die ilvianische Nordküste“, kam sie nach einer knappen Begrüßung ohne Umschweife zur Sache. Sie wollte das hier so schnell wie möglich beenden und sich wichtigeren Dingen zuwenden.

„Mein Gespräch mit Shakaar war vertraulich“, bemerkte Madred abweisend. „Andererseits, angesichts Ihrer gemeinsamen Vergangenheit, hätte ich wohl damit rechnen müssen, dass Sie davon erfahren.“

Premierminister Shakaar hatte keinen Grund, eine Bitte um Informationen, die nicht geheim sind, als ein Staatsgeheimnis zu betrachten“, sagte Kira, um sich im nächsten Moment auf die Zunge zu beißen, weil sie Madred gerade bestätigt hatte, dass ihre Kenntnis von Shakaar stammte. Er hatte das bisher wahrscheinlich lediglich vermutet und sie mit der provokativen Bemerkung nur aus der Reserve locken wollen. Was ihm sehr leicht gelungen war, wie sie sich verärgert eingestand. „Warum interessieren Sie sich für das Peronium-Vorkommen vor der ilvianische Nordküste?“ fragte sie.

„Ich denke nicht, dass Sie das irgendetwas angeht, Colonel.“

„Mag sein. Doch ich bin von Natur aus ziemlich neugierig. Eine der zahllosen Schwächen von uns Bajoranern, aber das wissen Sie natürlich. Schließlich waren Sie ja lange genug selbst auf Bajor stationiert.“

Touchez, dachte Kira, als Gul Madred nicht widersprach. Bisher war sich der bajoranische Informationsdienst diesbezüglich nicht völlig sicher gewesen, doch Madreds Schweigen war Bestätigung genug. Und dieser Mann beanspruchte die Position eines Botschafters für sich. Kira freute sich schon jetzt auf Madreds Gesicht, wenn sie ihm mitteilte, dass ihre Regierung bei der seinen offiziellen Protest deswegen erhoben hatte. Dass sie es sein würde, die ihm die Nachricht als erste überbrachte, ließ sich gewiss einrichten.

„Cardassia beabsichtigt doch nicht, sich bei der bajoranischen Regierung um die Schürfrechte zu bewerben, oder?“ hakte Kira seidenweich nach. „Bitte verstehen Sie mich nicht miss, Botschafter, aber potenzielle Bewerber sind gehalten, einige Voraussetzungen nachzuweisen, um überhaupt zum Auswahlverfahren zugelassen zu werden. Spezielle Fachkenntnisse, ausreichend finanzielle Mittel ...“

Madreds Wangenmuskeln versteiften sich. „Nein“, erklärte er.

„Nein, was?“

„Cardassia beabsichtigt nicht, sich um die Schürfrechte zu bewerben“, presste Madred hervor.

„Womit wir wieder am Anfang unserer Unterhaltung angelangt sind“, meinte Kira süffisant. „Warum interessieren Sie sich für die ilvianische Nordküste, Botschafter, wenn Cardassia sich nicht um die Schürfrechte bewerben möchte?“ fuhr sie eine Spur schärfer fort. „Was erhoffen Sie sich?“

„Wie Sie selbst erwähnten, Colonel Kira, galt meine Anfrage lediglich einigen allgemeinen Informationen, keinen Staatsgeheimnissen. Ich bin nicht verpflichtet, mich Ihnen gegenüber dafür zu rechtfertigen. Jedoch, um Ihre Neugier zu befriedigen: Die Tatsache, dass Cardassia sich entschlossen hat, sich nicht um die Schürfrechte zu bewerben, heißt nicht, dass eine Bewerbung nicht in Erwägung gezogen wurde.“

„Bis Ihnen klar wurde, dass Cardassia die nötigen Voraussetzungen nicht erfüllt?“

Madred glaubte, jeden Moment an dem Hass auf diese Bajoranerin, die vor ihm auf dem Stuhl saß, der einem Cardassianer gebührte, und ihn offen verspottete, zu ersticken.

* * *


Das Quartier war spartanisch eingerichtet. Als Vorta hatte Weyoun keinen Sinn für Ästhetik, und in Momenten wie diesem empfand er das als Vorteil. Sein Blick und damit seine Konzentration wurden nicht von der Betrachtung unnützen Zierrats abgelenkt.

Immer und immer wieder hatte Weyoun in den vergangenen Stunden die wenigen Daten und Informationen überprüft, die ihm zur Verfügung standen. Offenbar hatte Kira seine Warnung wider Erwarten doch nicht ernst genommen. Zumindest nicht ernst genug, um der Sache mehr als lediglich oberflächlich nachzugehen. Kira hatte Gul Madred zu einem Gespräch in ihr Büro gebeten. Aber anscheinend war es dem Cardassianer gelungen, ihr eine Erklärung zu liefern, die sie zufriedengestellt hatte. Er hatte Madred unterschätzt, doch das würde ihm gewiss kein zweites Mal passieren.

Weyoun berührte den schmalen goldenen Anhänger, der an einer dünnen Kette um seinen Hals hing. Gedankenverloren ließ er den Schmuck durch seine Finger gleiten. Es war eine unbewusste Geste, die er sich angewöhnt hatte, ohne es zu merken. Das goldene Röhrchen enthielt den einzigen Besitz, der ihm je etwas bedeutet hatte.

Kyles Blick folgte der liebevollen, fast zärtlichen Bewegung, mit der die Finger des anderen Vorta, feingliedrig wie seine eigenen, den Anhänger streichelten. Er selbst war Charis nie persönlich begegnet, was er aufrichtig bedauerte. Die Gründerin, deren Asche sein Vorgesetzter Tag und Nacht über dem Herzen trug, musste etwas Besonderes gewesen sein.

„Was werden Sie jetzt tun?“ fragte der junge Vorta.

„Ich möchte, dass Sie Madred beschatten“, erwiderte Weyoun. „Folgen Sie ihm auf Schritt und Tritt. Wo er auch hingeht, was er auch tut, ich will es sofort erfahren.“
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