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Beinahe Menschlich

von Heidi Peake

Kapitel 1

Es war präzise 17.00, als Counselor Deanna Troi beschloss, dass sie verrückt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie gerade das Ende eines vollkommen entsetzlichen Arbeitstages erreicht. Als sie die Tür zu ihren Quartieren öffnete, wollte sie nur etwas Frieden finden.

Stattdessen fand sie eine beinahe dreieckige Figur von einem eindrucksvoll tiefen und wunderschönen Violett, welche etwa fünf Fuß über dem Boden in der wie üblich frischen und gut balancierten Luft ihres Raumes hing. Sie blieb stehen und starrte für einen Augenblick, dann schloss sie ihre Augen und schüttelte den Kopf, in der Hoffnung, dass dies die Vision verschwinden lassen würde.

Es funktionierte.

Aber genau um jenen Bruchteil zu langsam, der alle Hoffnung zerstörte, dass die Müdigkeit ihr einen Streich gespielt haben könne.

„Computer!“ Etwas sagte ihr, dass alles in Ordnung wäre, solange der Computer keine Veränderungen bemerkte. „Ist hier … ist hier irgendetwas in diesem Raum außer mir und dem üblichen Mobiliar?“

„Präzisieren Sie ihre Frage“, antwortete die wunderbar beruhigende, warme Stimme des Schiffscomputers.

Troi seufzte und beschloss, dass nichts am Ende eines durch und durch lausigen Tages passieren würde, was nicht durch einen tiefen Schlaf und vielleicht eine schöne Dusche zu beheben war. Das Schicksal war einfach nicht derart grausam.

„Vergiss die Anfrage“, sagte sie, „Ich werde nur verrückt.“

Sie durchquerte den Raum und – obwohl sie sich selbst beruhigt hatte – vermied dabei den Fleck, an welchem das Dreieck gehangen hatte.

Nachdem sie ihren Tricorder mit dem Computer verbunden hatte, um die Informationen, welche sie heute unter den Mannschaftsmitgliedern gesammelt hatte, zu überspielen, begann sie sich aus ihrer Uniform zu schälen. Trotz der exzellenten Qualität der Starfleet-Kleidung, die sich sogar nach einem langen Tag kaum auf der Haut bemerkbar machte, lag etwas Befreiendes darin, die eigene Haut der Luft auszusetzen; auch wenn es sich dabei um die computergenerierte und kontrollierte Luft eines Raumschiffes handelte.

‚Computerluft‘, dachte sie müde, ‚wir sind so jämmerlich abhängig vom Funktionieren einer Maschine. ‘

Ein erschreckender Gedanke, auch wenn es sich bei der Maschine, von der man abhängig war, um den komplexesten und bestgesicherten Zentralcomputer eines Galaxis-Klasse Raumschiffes handelte. Diese Computer hatten einfach keine Fehlfunktionen – oder zumindest hatten sie keine gehabt.

Bis gestern.

Seit diesem Zeitpunkt entdeckte der Maschinenraum immer wieder unerklärbare Energiefluktuationen in allen Systemen. Zuerst harmlos zwar, aber sie nahmen stündlich an Intensität und Häufigkeit zu.

„Nichts Ernstes“, hatte Geordi LaForge gesagt, als er das Problem den Senioroffizieren erklärt hatte, „es ist nur einfach so, dass wir ohne Energie dastehen können, wenn wir fliehen müssen – oder ohne Luft, wenn wir atmen müssen.“

Der Energiefluss nahm nicht einfach ab, er hörte für Sekundenbruchteile ganz auf. Es lag etwas sehr Beunruhigendes in einem stotternden Computer. Mittlerweile war das Stottern so deutlich geworden, dass es nicht mehr länger vor der Mannschaft verborgen werden konnte. Langsam aber sicher breitete sich Nervosität aus. Es gab nichts, was Troi ihnen hätte sagen können, außer dass LaForge eine Lösung finden würde. Er fand immer eine. Es war nur eine Frage der Zeit.

Sie versicherte sich mit einem kurzen Blick zu ihrem Terminal, dass zumindest im Moment niemand am Stottern war und fuhr dann mit ihrem Plan fort, eine Dusche zu nehmen. Es war eine gute Idee; nicht nur, weil es ihr wirklich half, sich zu entspannen, sondern auch, weil sie den Raum verließ – genau eine Sekunde bevor sich eine beinahe dreieckig geformte Gestalt aus der vollkommen computerkontrollierten Luft schälte. Sie schimmerte in einem wunderschönen tiefen Violett.

* * *


Es gab, philosophierte LaForge, nur eines, was schlimmer war, als geschlagen zu sein – und das war, es offen zugeben zu müssen. „Ich weiß es einfach nicht!“ sagte er, während er seine Schultern hob und eine hilflose Geste andeutete. „Mit dem Computer an sich scheint nichts falsch zu sein, es ist einfach nur … nun, er hört immer mal wieder auf zu arbeiten.“

„Ich würde das allerdings ‚etwas ist falsch‘ nennen“, entgegnete Will Riker, „besonders, wenn wir über den Zentralcomputer der Enterprise sprechen.“

LaForge seufzte und strengte sich an, optimistisch zu klingen. Es erwies sich als unmöglich, also entschloss er sich wenigstens so zu tun, als ob er wüsste, wovon er sprach.

„Wir haben natürlich noch Mr. Worfs Vorschlag …“, begann er in der richtigen Annahme, dass das die Aufmerksamkeit für einen Moment ablenken würde.

Ermutigt durch Will Rikers fragend erhobene Augenbraue, erklärte der klingonische Sicherheitsoffizier: „Ich habe auf die Möglichkeit einer externen Quelle hingewiesen.“

„In welcher Weise?“

„Jemand könnte unsere Energie abziehen.“

Riker runzelte die Stirn und blickte wieder zu LaForge.

„Es ist möglich“, gab der Chefingenieur zu, „wegen der Unregelmäßigkeit des Phänomens ist es nur schwer zu überprüfen. Aber ich arbeite daran. Es klingt plausibel, denn, wie ich schon gesagt habe, der Computer selbst scheint in Ordnung zu sein.“

Captain Picard, der bisher schweigend zugehört hatte, nickte. „Verfolgen Sie diese Richtung. Vermuten Sie eine Sabotage, Mr. Worf?“

Die Augen des Klingonen blitzten für einen Moment auf. „Ich schließe es nicht aus“, brummte er.

Picard nickte wieder. „Nehmen Sie jede Unterstützung, die Sie benötigen, Mr. LaForge. Ich möchte, dass dieses Problem so bald wie möglich gelöst wird. Wie ist die Stimmung auf dem Schiff, Counselor?“

„Die Mannschaft ist unsicher … verwirrt“, erklärte Troi, während sie ihre Hände über der Tischplatte vor sich faltete, „einige neigen dazu, nervös zu werden, aber im Allgemeinen fühle ich, dass sie keine ernsthaften Konsequenzen befürchten.“ Sie schenkte LaForge eines ihrer vollen, warmen Lächeln. „Sie vertrauen vollständig auf die Fähigkeiten des Maschinenraums.“

LaForge erwiderte ihr Lächeln, aber ihre ermutigenden Worte hatten den entgegengesetzten Effekt auf ihn. ‚Ja, macht nur Druck. Ich arbeite ja auch so viel besser, wenn ich weiß, dass 1000 Leute mir zuschauen.‘

Falls Troi seine Frustration spüren konnte, zeigte sie es nicht.

„Berichten Sie der Brücke jeden kleinsten Erfolg oder jede Idee, Mr. LaForge“, sagte er. „Wir werden unseren Kurs auf Basis 19 beibehalten, in der Hoffnung, dass nichts Drastisches geschehen wird, bevor wir dort ankommen.“ Mit einer kurzen Geste verabschiedete Picard seine Offiziere.

Einer nach dem anderen verließen die Offiziere den Bereitschaftsraum.

LaForge deutete Data an, dass er mit ihm sprechen wolle, aber Troi hielt ihn zurück.

„Geordi“, sie schien sich nicht sicher, wie sie es sagen sollte, „diese Energiefluktuationen … könnten sie sichtbare Phänomene produzieren?“

LaForge runzelte die Stirn. „Ja“, er seufzte, „die Lichter könnten ausgehen.“

Troi schüttelte den Kopf und lächelte. „Da ist nicht das, was ich meine. Ich meine … wie Farben, Formen, irgendwas, das in der Luft hängt …?“

„Ich habe von keinem Computerfehler gehört, der so etwas hervorbringen würde, aber ich kenne ein paar Drinks, die das garantiert können. Ist mit Ihnen alles in Ordnung, Counselor?“

Troi nickte, während sie immer noch bestimmt lächelte. „Ja, ich … ich habe mich nur gefragt, ob so etwas möglich wäre.“ Sie wandte sich um und ging, bevor er antworten konnte.

„Die Counselor scheint verwirrt.“ Datas Bemerkung erinnerte LaForge daran, dass er immer noch vor dem Turbolift wartete, um zu einem Computer zurückzukehren, der sich einfach weigerte das zu tun, was man von ihm verlangte, nämlich fehlerfrei zu arbeiten.

„Ja, das sieht so aus. Richtig, Data. Lass uns gehen und diesen Computer dort treten, wo es ihm weh tut … nein, erzählen Sie mir nicht, eine Maschine könne keinen Schmerz empfinden. Ich weiß!“

Data hob seine Augenbrauen und neigte seinen Kopf leicht. „Natürlich nicht, Geordi“, antwortete er, „es ist nur eine Redewendung, wie ‚auf den Busch klopfen‘, ‚Katzen und Hunde regnen‘, ‚Perlen vor die …‘“

LaForge legte sanft einen Finger auf Datas Lippen und zeigte damit an, dass er einfach die Klappe halten solle.

„Haben Sie irgendwelche Vorschläge in Verbindung mit unserem Problem?“ fragte er.

Data nickte kurz. „Ich glaube, das wäre ein interessantes Problem für Wesley, um …“

LaForge stöhnte. „Ich wusste, dass sie das sagen würden. Soweit ich weiß ist unser Wunderkind im Moment damit beschäftigt, irgendeine hitzeresistente Krankheit auszubrüten, und ich wäre nicht zu überrascht, wenn wir herausfänden, dass er die Quelle von all‘ dem hier ist … mal wieder.“

„… das Experiment, welches Wesley durchführt, ist eine Studie von hitzesensitiven Bakterien, welche auf Temperaturveränderungen mit einem Farbwechsel reagieren. Sie könnten verwendet werden, Spuren zu verfolgen, wenn man sie sensitiv genug züchten kann – beinahe wie in einem Infrarotprozess. Und er benutzt eine vollkommen sichere und gewöhnliche Ausrüstung, die von der Sicherheit genehmigt wurde.“ Mit einem freundlichen, aber scharfen Nicken rauschte Dr. Beverly Crusher an ihnen vorbei zum anderen Turbolift.

LaForge zuckte überrascht zusammen.

„Es war sicher und gewöhnlich, bevor er mit seinem Experiment angefangen hat, richtig?“ rief er gerade, als sich die Türen hinter Beverly Crusher schlossen. „Wie macht sie das? Wie schafft sie es immer genau hinter mir zu stehen, wenn ich etwas über ihren Sohn sage, was nicht allzu schmeichelhaft ist? Nein, antworten Sie mir nicht. Es ist eine rhetorische Frage.“

Data, der seinen Mund gerade zu einer Erwiderung geöffnet hatte, schloss ihn wie geheißen, schien für einen Augenblick nachzudenken und öffnete ihn wieder: „Geordi, ist irgendetwas nicht in Ordnung mit Ihnen und Wesley? Mein Vorschlag scheint Ihnen eher missfallen zu haben?“

LaForge schüttelte den Kopf. „Nein, Data. Ich mag Wes. Er ist ein Genie, aber ein nettes. Es ist nur einfach … nun, ich soll verdammt sein, wenn ich nicht im Stande bin ein Problem auf diesem Schiff ohne seine Hilfe zu lösen. Nennen Sie es professionellen Stolz.“ Er grinste und schlug die Hand auf die Schulter des Androiden. „Oder nennen Sie es Sturheit. Aber dieses Baby gehört mir.“

Der verwirrte Ausdruck auf Datas Gesicht ließ ihn sofort wünschen, er hätte einen anderen Ausdruck verwendet. Für die Dauer ihrer Fahrt im Turbolift durfte er erklären, was genau er ‚Baby‘ genannt hatte.

* * *


Ein Anflug von Traurigkeit mischte sich mit ihrem Lächeln, als Beverly Crusher in der offenen Tür des kleinen Labors stand, welches Wesley mit Apparaten belegt hatte, die so sehr an den Keller eines mittelalterlichen Alchemisten erinnerten. Wesley selbst kniete am unteren Ende des Raumes und des Experimentes und schien einem mit gelber Flüssigkeit gefüllten Glasröhrchen zu winken. Er bemerkte die Gegenwart seiner Mutter nicht.

‚Wie eingenommen er von seiner Arbeit ist‘, dachte sie, ‚als ob er die reale Welt für einen Augenblick verlassen hätte. ‘

Seine Konzentration und sein Enthusiasmus waren bewundernswert, aber manchmal kam ihr der nagende Gedanke, dass es noch andere Dinge im Leben gab als zu beobachten, wie temperatursensitive Bakterien auf das Winken einer Hand reagierten – oder nicht reagierten, wie es schien.

‚Vielleicht‘, fuhren ihre Gedanken fort und schlugen die Richtung ein, die sie immer an diesem Punkt einzuschlagen pflegten, ‚vielleicht habe ich einen Fehler gemacht, als ich den Captain eines Galaxis-Klasse-Raumschiffes dazu überredet habe, der Neugierde und den wilden Träumen eines sechzehnjährigen Jungen nachzugeben.‘

Jugendliche träumten in diesem Alter davon, mit der Welt der Erwachsenen zu konkurrieren, und diese Träume gingen meist nie in Erfüllung. Sie selbst hatte davon geträumt, ein Crash Test Pilot zu sein als sie fünfzehn war, und soweit sie das beurteilen konnte, hatte sich aus dem strikten ‚Nein‘ ihrer Großmutter kein Nachteil für sie entwickelt.

‚Aber damals war ich auf festem Boden auf einem soliden Planeten, mit einer liebenden Großmutter – und wir alle so viel jünger damals. ‘

Sie kicherte leise, als ihr ein Bild aus einem alten Buch in den Sinn kam über die noch viel älteren Tage, als Mütter zur Verzweiflung getrieben wurden durch die Faszination ihrer Söhne mit dem neuen Spielzeug ‚Computer‘, von dem sie selbst so gar nichts wussten … Und hier stand sie, beinahe 400 Jahre später, wusste darüber mehr als irgendeine Frau oder irgendein Mann damals zu träumen gewagt hätten, und sie kämpfte immer noch mit den gleichen Problemen. ‚Nichts ändert sich jemals!‘

„Dr. Crusher?“ Die leise Stimme ihres Assistenten holte sie sofort wieder in die Realität der Arbeit zurück. „Alles ist für die Operation vorbereitet.“

Crusher nickte, warf einen letzten Blick auf Wesley, der jetzt dazu übergegangen war, den Kopf zum Winken zu benutzen, was etwas dämlich aussah und immer noch kein Resultat erbrachte. „Gut, lassen Sie uns dieses kleine Problem lösen.“

Das Problem war nicht wirklich klein, denn durch die Art und Tiefe des Schnittes, den sie durchführen musste, würde es einen gefährlichen Moment für das Herz des Patienten geben, aber es war eine Routine-Operation und sie schenkte ihr nicht mehr Gedanken als notwendig. Solange, bis etwa zehn Minuten später der Monitor vor ihren Augen plötzlich schwarz wurde, just in dem Moment, in welchem sie das Phaserskalpell an der oberen rechten Herzkammer entlangführte. Sie schaltete sofort das Skalpell aus und riss sich das nutzlose Gerät von den Augen. „Was um Himmels willen…!“ begann sie.

Die Lichter um sie herum vollführten einen virtuellen Tanz an Intensitäten; ebenso die Monitoranzeigen an den Wänden der Krankenstation. Ärzte, die zwischen den Betten umher rannten, wurden in beinahe stroboskopischer Weise beleuchtet. Es sah grotesk aus.

„Lebenserhaltung!“ schrie Crusher.

„Funktioniert nicht“, erklang die ungläubige Stimme ihres Assistenten.

„Notgenerator?“

„Nichts! Es scheint kein Generatorproblem zu sein …“

‚Nein‘, dachte Crusher verbittert, ‚es ist der Computer. ‘

„Bringt mir eine Fackel, ich muss diese Operation beenden!“

Sie schaltete ihr Skalpell wieder an und fuhr mit dem Schnitt fort, während sie mit einer beinahe unmenschlichen Anstrengung das Chaos um sich herum ignorierte.

‚Nur noch ein paar Sekunden‘, betete sie für sich, ‚nur noch ein bisschen weiter, und bitte, Hände, hört auf zu zittern. ‘

Und dann war alles vorbei, so plötzlich wie es begonnen hatte. Aber Crusher bemerkte es nicht. Sie starrte in völligem Unglauben in die Luft ein paar Fuß über der Brust des Patienten, bei welchem ihre Assistenten nun rasch die Wunde schlossen. Ihr aufgeregtes Gespräch erreichte nicht wirklich ihr Gehirn. Sie verstand nur vage, dass der Mann in Ordnung war und dass ihre Hände in der Tat aufgehört hatten zu zittern. Langsam wandte sie sich vom Operationstisch ab und berührte ihren Communicator.

„Crusher an Picard“, sagte sie, „ich glaube, ich muss Sie sehen – jetzt!“

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