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Blinder Hass

von Nerys

Kapitel 1

Blinder Hass


Angespannt duckte Kira sich im Schatten der niedrigen Hecke. Es erschien ihr, als beobachtete sie bereits Stunden lang das wenige Kerripates vor ihr liegende Gebäude. Um sie herum erstreckte sich gepflegter sattgrüner Rasen, welcher der sommerlichen Hitze trotzte. In dieser Gegend war nur ein Bruchteil jener Trockenheit zu spüren, unter der die Bevölkerung im Süden so litt. Gewitterstürme, die auf die Dürreperioden folgten, hatten den Bauern große Ernteeinbußen beschert. Jüngst war es zu blutigen Aufständen gekommen, weil sie die geforderten Abgaben an die cardassianischen Besatzer nicht leisten wollten, solange sie nicht einmal die eigenen Familien zu versorgen vermochten. Wieder gab es zu viele unschuldige Opfer zu beklagen und genau darum hockte sie nun vor dem unauffälligen niedrigen Bauwerk und wartete auf das Signal Eldans, der den Eingangsbereich ausspähte. Der drahtige dunkelhaarige Bajoraner hatte es geschafft, Shakaar davon zu überzeuen, dass die einzige Chance, an den verantwortlichen Gul, einen Mann namens Ordret, heranzukommen, darin lag, ihn unvorbereitet außer Dienst zu überraschen. Er würde für das Blut der Farmer und ihrer Familien bitter bezahlen. Obwohl sie ebenfalls wollte, dass er zur Rechenschaft gezogen wurde, behagte ihr dieser Einsatz nicht. Sie waren zu zweit, weil Shakaar sich geweigert hatte, den hitzköpfigen Eldan allein losziehen zu lassen und ihm stattdessen eine Gefährtin aufgedrückt hatte, welche dieser für zu jung und unbedarft hielt. Trotz ihrer erst sechzehn Jahre konnte Kira bereits auf die Erfahrung einiger Kampfeinsätze zurückblicken und es missfiel ihr, von Eldan, der erst vor rund einem halben Jahr zur Zelle gestoßen war, wie ein Kind behandelt zu werden.

Ein hohes Pfeifen wie das einer Golddrossel erklang. Das verabredete Signal ließ ihren Adrenalinspiegel sofort in die Höhe schnellen. Sie setzte sich in Bewegung und schlich auf allen Vieren über den kurzen Rasen bis zum Gebäude. Direkt unterhalb eines der offen stehenden Fenster presste sie sich an die Mauer. Drinnen sprach ein Mann, doch da die Worte Cardassianisch waren, konnte sie nur Bruchstücke davon verstehen. Wie in Zeitlupe streckte sie sich empor und befestigte die winzige aber sehr starke Rauchgranate in der Ecke des Fensterbretts. In unmittelbarer Nähe erklang eine helle Stimme, deren Urheber sich direkt über ihr befinden musste und es durchzuckte sie siedend heiß. Vorsichtig schob sie sich wieder nach oben, um einen Blick ins Innere des Gebäudes zu riskieren. Was sie sah, ließ ihr das Herz in die Hose rutschen. In dem geräumigen Zimmer hielten sich mehrere Kinder auf. Die kleine kugelförmige Granate war nicht mehr an Ort und Stelle. Sie nahm an, dass der Junge, der ans Fenster getreten war, sie gefunden und mitgenommen hatte. Eldan musste sofort davon erfahren! Den Plan konnten sie nun nicht mehr verwirklichen. So schnell es Kira möglich war, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, hastete sie auf allen Vieren an der Hauswand entlang, um zum verabredeten Treffpunkt in Sichtweite des Haupteingangs zu gelangen. Der dunkelhaarige Bajoraner erwartete sie dort bereits.

„Eldan“, flüsterte sie gehetzt, als sie sich neben ihn in Deckung sinken ließ. „Da drinnen sind Kinder! Wir müssen die Mission abbrechen.“

Er zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. „Und wenn schon. Wir haben Krieg und das sind nur ein paar weitere Cardassianer. Wie viele unschuldige bajoranische Jungen und Mädchen sind durch deren Hände gestorben?“

„Aber wir sind nicht wie sie! Shakaar würde so etwas auf keinen Fall dulden.“ Sie blickte nervös auf die Fernsteuerung in seinen Händen hinab.

„Der edle Shakaar ist nicht hier. Er hat das Fleckfieber, wie du weißt, und mir diesen Einsatz anvertraut. Jetzt sei still, es geht jeden Moment los“, wies er sie zurecht.

Ehe sie zu einem erneuten Protest ansetzen konnte, zerriss ein kurzer heftiger Knall die Ruhe des Vormittags. Dicker dunkler Qualm und erschrockene Rufe drangen aus den offenen Fenstern ins Freie. Die Rauchgranate schien ihren Zweck erfüllt zu haben. Momente später wurde der Haupteingang aufgerissen und eine weibliche um Fassung ringende Stimme erklang. Kira musste die Worte nicht verstehen, um zu wissen was gesagt wurde. Eine junge Cardassianerin in Zivilkleidung scheuchte mehrere verängstige Kinder ins Freie. Sie trug ein kleines Mädchen auf dem Arm und ein weiteres klammerte sich hilfesuchend an ihren Rock. Kira blieb nicht einmal Zeit, erschrocken nach Luft zu schnappen, denn dahinter tauchte Gul Ordret mit einem Jungen und einer zweiten Frau auf, die sich furchtsam an seinem Arm festhielt. Ihre freie Hand lag schützend über ihrem runden Bauch. Eldan betätigte triumphierend den Auslöser.

Die Explosion war markerschütternd. Der vordere Teil des Gebäudes versank in Feuer und Rauch. Trümmer flogen mehrere Kerripates weit und die Hitze versengte alles im Umkreis. In ihrem Versteck presste Kira sich verzweifelt die Hände auf die Ohren. Der ekelhaft süßliche Geruch von verbranntem Fleisch stieg ihr in die Nase und sie wagte es nicht, die Augen zu öffnen. Erst eine Berührung an der Schulter brachte sie dazu, den Kopf aus der verkrümmten Haltung zu heben. Eldan taxierte sie skeptisch, doch sie blickte starr an ihm vorbei. Die Druckwelle hatte nicht nur Mauerwerk und Erde umher geschleudert, sondern auch die Toten. Sie konnte die von Blut und Asche bedeckten Überreste mehrerer kleiner Körper erkennen, die auf dem verkohlten Gras lagen. Ein Stoffstück, das zum Kleid der Cardassianerin gehört haben mochte, flatterte in der von beißendem Staub erfüllten Luft. Ein zerfetzter roter Kinderschuh und etwas, das wie der abgerissene Kopf einer Puppe aussah, ragten aus dem Schutt.

„Was haben wir getan“, keuchte Kira zutiefst erschüttert.

Eldan packte sie eisern am Arm, um sie wie einen nassen Sack mit sich zu ziehen. „Fass dich wieder! Wir müssen sofort verschwinden!“

Sie wollte ihm folgen, doch ein Wimmern erregte ihre Aufmerksamkeit. Der russgeschwärzte Körper der Frau bewegte sich. Sie stutzte, denn es erschien ihr vollkommen unmöglich, dass die Cardassianerin den Anschlag überlebt hatte. Dann sah sie das Kind, das versuchte, unter dem schweren Leib hervor zu kriechen, der es vor der Druckwelle der Explosion abgeschirmt hatte. Es war ein kleines Mädchen, kaum älter als vier Jahre. Seine trüben glasigen Augen erfassten Kira, die unschlüssig da stand, und sein Mund bewegte sich stumm, als wollte es um Hilfe bitten.

„Komm schon, Kira!“, schnauzte der dunkelhaarige Bajoraner sie unwirsch an. „Die erwischen uns sonst. Willst du das?“

Immer noch völlig fassungslos wies sie auf das verwundete Kind. „Eldan, die Kleine dort lebt noch! Sie muss versorgt werden.“

„Das ist cardassianische Brut, die überhaupt nicht hier sein sollte! Keiner von ihnen sollte das. Diese Welt gehört uns!“ Er wollte die junge Frau mit sich zerren, als er aufgeregte sich nähernde Stimmen hörte, doch sie war wie versteinert. Entnervt verpasste er ihr eine Ohrfeige, die sie ruckartig aus ihrer tranceartigen Starre löste.

Die beiden Bajoraner flohen durch das Gassenlabyrinth, bis Hathon hinter ihnen zurück fiel und sie den Schutz der Wälder erreichten. Ein Bach plätscherte neben dem steinigen Weg entlang. Außer Atem ließ Kira sich am Ufer niedersinken, um Hände und Gesicht in dem kühlen Wasser zu waschen. Vor ihrem inneren Auge sah sie die toten Kinder und den stumpfen Blick des überlebenden Mädchens. Und immer noch glaubte sie den Geruch des Todes einzuatmen, obwohl es im Wald angenehm nach Holz und Moos roch.

„Das war ein Kindergarten“, murmelte sie verstört. Ihr Blick traf auf Eldans, dessen Mundwinkel ein triumphierendes Lächeln umspielte. „Wir haben einen verdammten Kindergarten in die Luft gesprengt!“

Der drahtige Bajoraner zuckte gleichmütig mit den Schultern. „Es war die einzige Möglichkeit, Ordret kalt zu erwischen. Genau dann, als er am wenigsten damit rechnete. Der Bastard wird keine wehrlosen Leute mehr in den Tod schicken.“

Kira zwang sich, ihm fest in die Augen zu starren, in denen nichts als Verbitterung lag. „Diese Kinder waren genauso unschuldig!“

„Keiner von denen ist schuldlos! Zu viele Bajoraner sind durch ihre verfluchten schuppigen Hände gestorben. Sie hatten kein Mitleid mit meiner Frau und meinen Töchtern, warum sollte ich also welches zeigen?“ Eldans Miene verzerrte sich zu einer wütenden Maske und er packte Kira hart an den Schultern, als wollte er sie wach rütteln.

Die junge Bajoranerin versuchte sich aus seinem Griff zu entwinden. Ihre aufgerissenen dunklen Augen offenbarten Entsetzen und Verständnislosigkeit. „Du weißt, dass ich Shakaar Bericht darüber erstatten werde.“

„Shakaar... Shakaar! Er ist viel zu weich. Als Führer einer Widerstandszelle kann man es sich nicht leisten, sein Gewissen im Nacken sitzen zu haben. Wir können die Cardassianer nur schlagen, wenn wir all die Grausamkeiten mit gleicher Münze vergelten.“ Eldan ließ sie so abrupt los, dass sie zurück stolperte und beinahe auf dem Hosenboden landete. „Hast du nicht deine Mutter und deine Brüder an die Löffelköpfe verloren? Warum bist du im Widerstand, wenn nicht, um sie dafür büßen zu lassen?“

Kira trat ein paar Schritte zurück, ehe sie den Kopf hob, um ihn wieder anzusehen. Zweige und Nadeln knirschten unter ihren Schuhen. Sie atmete tief durch, damit sie wieder zur Ruhe kam. „Rache bringt mir meine Familie nicht zurück. Shakaar kämpft für Bajor, dafür dass wir eines Tages frei sind, und ich werde ihm bis zum Ende folgen.“

Der dunkelhaarige Bajoraner machte Anstalten ihr harsche Widerworte entgegen zu schleudern, doch sie reagierte nicht mehr darauf und ließ ihn verdutzt am Ufer des Baches stehen. Mit seinen langen Beinen konnte er rasch wieder zu ihr aufschließen. Sie gab ihm mit einem warnenden Blick zu verstehen, dass sie keine weitere Kritik an Shakaar dulden würde. Nicht von ihm. In den drei Jahren, die sie der Zelle angehörte, hatte sie manche Dinge über den Anführer erfahren, die kaum ein anderer wusste. Shakaar war ein verschlossener Mann, der Nähe nur schwer zulassen konnte. Sie bewunderte ihn für die Hingabe, mit der er seinen großen Traum von einem freien Bajor verfolgte, und für die Stärke, die ihn davon abhielt, selbst in die Dunkelheit zu stürzen, die er erbittert bekämpfte. Kira wollte nichts mehr, als diesen Weg mit ihm zu gehen, doch sie hatte Angst davor, sich irgendwann zu verlieren und zu werden wie Eldan. Wut, Trauer und Hass lebten auch in ihr und vergifteten langsam schleichend ihr pagh. Wenn dieses innere Licht verlöschte, das sie erst zu einer Bajoranerin machte, würde sie nichts mehr von den grausamen Löffelköpfen unterscheiden. Eldan war in seinem Inneren längst zu einem von ihnen geworden. Krampfhaft versuchte sie an das Sprichwort zu denken, das Shakaar so gerne benutzte, und das ihr stets half, sich zu besinnen. Auf dem Weg zurück zum Lager der Zelle memorierte sie die Worte in Gedanken wieder und wieder.

Wenn man Feuer mit Feuer bekämpft, bleibt für gewöhnlich nur Asche übrig!
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