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Was bleibt ist Sehnsucht

von Gabi

Spiegelungen

IIISpiegelungen

„Das sind eindeutige Zeichen wie bei einer Entzugserscheinung“, bemerkte eine der bajoranischen Assistentinnen, sie sah ebenso müde aus, wie er sich fühlte. Die halbe Nacht hatten sie versucht herauszubekommen, was mit dem Ensign los war. Das Offensichtliche nicht wahrhaben wollend, hatte Bashir eine Testreihe nach der anderen angelegt. Doch die Realität holte ihn nun ein.

„Ja, das sehe ich auch so.“ Sein Blick flog gehetzt über die auf dem Monitor ablaufenden Datenreihen. Trotz der einsetzenden Müdigkeit erlaubte ihm seine genetische Verbesserung alles aufzunehmen. Die Blutwerte waren unverändert gut. Das Virus schien nicht nur zurückgedrängt, sondern endgültig bekämpft zu sein. Die leise Hoffnung, dass Ensign Wus Zustand nichts mit der Behandlung zu tun hatte, schwand gegen Null.

„In Ordnung … geben Sie ihm ein wenig von dem antiviralen Mittel“, ordnete er schließlich an, „nur einen Hub, nicht mehr.“

Seine Assistentin tat wie geheißen. Beinahe augenblicklich beruhigte sich die Atmung des Patienten und die Transpiration ging zurück.

„Verdammt!“ Bashir schlug mit der Faust gegen den Überwachungs-Monitor, nicht allzu heftig, um nicht das teure Instrument zu beschädigen, doch stark genug, um seiner Frustration Ausdruck zu verleihen. Warum hatte er nicht länger gewartet, bevor er das Mittel an Patienten ausprobiert hatte? Er war so begeistert von der Wirkung gewesen, dass er jede wissenschaftliche Vorsicht in den Wind geschossen hatte.

„Bestellen Sie alle Patienten ein, die wir gestern antiviral behandelt haben. Wir müssen zusehen, dass wir die Nebenwirkungen in den Griff bekommen.“

Während seine Assistentin der Anweisung nachkam, glitten die Türen zur Krankenstation auseinander. Bashir machte sich nicht einmal die Mühe, den Kopf zu heben. Sollten sich andere um den frühen Gast kümmern.

„Dr. Bashir. Wie ich sehe, geht es Ihrem Patienten dank unseres Mittels gut.“

Nun sah sich der Arzt doch um. Vranrör schwebte im Raum. Der Gesichtsausdruck des Emppu war unleserlich.

„Gut?“ fauchte Bashir. „Ihr Mittel macht abhängig.“

„Das hatte ich auch erwähnt, als ich es Ihnen zur Verfügung stellte“, behauptete Vranrör.

Bashir kniff die Augen zusammen. Wenn er sich auf etwas verlassen konnte, dann auf sein Gedächtnis. „Oh nein, das hatten Sie nicht.“

Der Emppu ging nicht weiter darauf ein. Er glitt zur Diagnoseliege, wo er sich die Werte des Überwachungsmonitors ansah. „Kein Zeichen eines viralen Infekts mehr.“

„Das ist korrekt.“ Bashir trat neben ihn. „Doch dafür hat er nun Entzugserscheinungen“, fügte er verbittert hinzu.

„Was sich durch eine minimale tägliche Gabe aus der Welt schaffen lässt.“

Bashir betrachtete den Fremden von der Seite. Das dunkel glänzende Gesicht erinnerte in seiner glatten Strukturlosigkeit an einen Helm. „Und was hat ihm dann die Behandlung gebracht? Er hat mit einer täglichen Injektion zuvor auch mit dem Blutfieber gut leben können.“

„Dieser Patient, ja.“ Nun wandte auch Vranrör ihm das Gesicht zu. Die kleinen perlenartigen Augen leuchteten wie ein miniaturisiertes Sternenmeer. „Doch was ist mit Patienten, die an lebensbedrohlichen Infektionen leiden? Denken Sie doch nur daran, wie viele Leben Sie hiermit retten können. Wie vielen Personen Sie ein nahezu normales Dasein schenken können. Zu dem minimalen Preis einer täglichen Einnahme unseres Mittels.“

„Wir können es nicht synthetisieren“, stellte Bashir verärgert fest.

„Das macht gar nichts.“ Der Arzt glaubte in der computerübersetzten Stimme ein Lächeln zu vernehmen. Dem Gesicht war jedoch keine Gefühlsregung anzusehen. „Ich bin mir sicher, dass wir eine für beide Seiten lukrative Handelsvereinbarung treffen werden können …“

* * *


Sechs Köpfe betrachteten andächtig die Geräte auf der Tischplatte. Ein schlanker Zeigefinger schob sich in die Mitte und stupste einen der kleinen Sender an. „Ich würde zu gerne wissen, wie sie funktionieren“, bemerkte Jadzia Dax ehrfürchtig.

„Ich auch“, seufzte Charles Tucker. Auch er begann nun damit, einen der temporalen Sender wie einen Go-Stein zu bewegen, bis er den von der Trill geschubsten Sender touchierte. Beide grinsten sich daraufhin verschwörerisch an.

„Könnten wir vielleicht einen von ihnen …“, Dax schenkte Archer einen schrägen Blick.

Der Captain der Enterprise schüttelte entschieden den Kopf. „Nein. Einmal haben wir wahrscheinlich nicht wirklich die Zeit für tiefergreifende Untersuchungen. Dann wissen wir nicht, ob es nicht ein Sender zu wenig ist, wenn wir einen zerlegen. Und ganz davon abgesehen“, er bedachte die Trill mit einem entschuldigenden Lächeln, „werden nur wir uns nicht mehr an die Dinge erinnern, die wir hier erfahren, Sie jedoch schon. Jedes überflüssige Wissen würde Ihre Zeitlinie durcheinander bringen.“

„Das Risiko würde ich gerne eingehen“, bekannte die Trill schelmisch.

T’Pol hob die Augenbrauen. „Ihre Zeitlinie jedoch nicht.“

„Spielverderberin“, murmelte Tucker, so dass nur die neben ihm sitzende Dax ihn hören konnte.

„Also gut“, Kiras Hand fuhr einmal über den Tisch und schob die temporalen Baken in der Mitte zu einem kleinen Haufen zusammen, bevor eine von ihnen versehentlich bei der Wissenschaftlerin oder dem Ingenieur verschwinden konnte. „Wie gehen wir vor?“

Archer deutete auf den Scanner. „Daniels meinte, dass wir hiermit herausfinden können, wer nicht in die gegenwärtige Zeitlinie gehört.“

Dax und Tucker griffen gleichzeitig nach dem Instrument. Der Terraner machte eine Nach-Ihnen-Geste, woraufhin die Trill sich das kleine Gerät von allen Seiten betrachtete und schließlich ein fingerkuppengroßes Feld berührte. Der Monitor, der die gesamte Vorderseite ausmachte, erwachte zum Leben. Sie legte den Scanner auf den Tisch zurück und erneut betrachteten sechs Köpfe andächtig die Kolonnen von Ziffern und Zeichen, die sich in hoher Geschwindigkeit ablösten.

„Ich schätze, das Teil eicht sich jetzt“, mutmaßte Tucker.

„Stört unsere Nähe dann nicht die korrekte Ermittlung der Zeit?“ gab Sato zu bedenken.

Vier der sechs Köpfe nahmen augenblicklich etwas Abstand zu dem Gerät.

Nach einer Weile gab es einen kurzen Ton von sich, dann erschien die Angabe „ca. 2370“ auf dem Display.

„Gar nicht schlecht“, bemerkte Dax.

„Welches Jahr schreiben wir denn?“ fragte T’Pol.

„2372.“

Archer bedachte seine Wissenschaftsoffizierin mit einem durchdringenden Blick. „Sie haben die Frage gestellt, Subcommander, und Sie haben die Antwort erhalten. Können Sie sich dann wenigstens bis zum Löschen unserer Erinnerungen durchringen einzugestehen, dass Zeitreisen möglich sind?“

Die Vulkanierin machte eine Geste, die frappierend an ein Schulterzucken erinnerte. Zwar bewegten sich ihre Gesichtszüge nicht, doch das Funkeln in ihren Augen verriet das Brodeln unter der gefassten Oberfäche. „Ich bin geneigt, Ihnen zuzustimmen, Captain.“

Archer seufzte vernehmbar. „Mehr kann ich mir doch gar nicht erträumen, T’Pol.“

„Es scheint zu funktionieren“, bemerkte Major Kira und brachte die Aufmerksamkeit der beiden leitenden Offiziere der Enterprise wieder auf ihr eigentliches Thema zurück. Der kleine Monitor zeigte ein eng beieinanderliegendes Cluster von vier grünen Punkten im Zentrum eines Kreiskoordinatensystems an. „Das dürften Sie sein.“

„Ich würde zu gerne wissen, wie das Teil das macht“, bemerkte Dax noch einmal mit einem leichten Anflug von Trotz.

Kira knuffte sie freundschaftlich in die Schulter. „Vielleicht hast du dazu noch Zeit, wenn die Mission vorbei ist?“

Diese Bemerkung brachte der Bajoranerin einen rügenden Blick von Captain Archer ein, den sie mit einem zuckersüßen Lächeln erwiderte. „Okay, die Frage bleibt: Wie gehen wir jetzt vor? Wir haben nur diesen einen Scanner hier, oder?“

„Richtig“, Archer nahm das besagte Instrument auf. „Was heißt, dass es keinen Sinn hat, uns in Gruppen aufzuteilen und die Station zu durchsuchen.“

„Was ebenfalls keinen Sinn macht, ist, zu sechst durch die Gegend zu laufen“, stimmte Kira ihm zu. Sie wandte sich an ihre Freundin. „Jadzia, ich würde vorschlagen, dass du mit Subcommander T’Pol, Commander Tucker und Ensign Sato eine kleine Besichtigungstour unternimmst, während ich mich mit Captain Archer auf die Suche mache. Sobald wir ein Signal bekommen, treffen wir uns wieder und besprechen das weitere Vorgehen.“

Im ersten Moment wollte Dax etwas entgegnen, doch im Prinzip hatte Kira recht. Der einzige Nutzen, den es hatte, wenn sie wie aufgescheuchte Hühner hinter einer Person mit Scanner her über die Promenade liefen, war es, die potentiellen Ziele ihrer Suche vorzuwarnen. Daher stimmte sie zu. „Okay, wir bleiben in ständigem Kontakt.“

Archer nickte. „Einverstanden.“ Bevor er aufstand, beugte er sich noch einmal über die Tischplatte und sammelte die temporalen Baken ein. „Die nehmen wir mit.“ Er warf seinem Chefingenieur einen schelmischen Blick zu. „Wir wollen doch nicht, dass nachher eine fehlt.“

Tucker bedachte ihn mit einer Grimasse. „Sehr witzig.“

Der Captain schenkte seinem Freund noch einmal ein kurzes Grinsen, dann wandte er sich Kira zu, die sich ebenfalls erhoben hatte. „Zeigen Sie den Weg, Major, ich scanne.“

Auf Kiras Anraten hin bewegten sie sich erst einmal in einem Kreis durch Quarks Bar. Als der Scanner hier lediglich die Enterprise-Crew anzeigte, traten sie auf die Promenade hinaus.

„Welche Reichweite hat das Instrument, Captain?“ Kira verfolgte den kleinen Monitor, während Archer ihn in einem langsamen Halbkreis vor ihnen schwenkte.

„Ich weiß es nicht“, gestand er. „Und nennen Sie mich bitte Jon, wir stehen in keiner gemeinsamen Befehlskette.“

„Gerne.“ Ihr Blick wanderte vom Scanner hinauf zu Archers Gesicht mit der prägnanten Nase, die einem Bajoraner alle Ehre getan hätte. Er wirkte so anders auf sie als all die hochrangigen Sternenflottenoffiziere, denen sie bisher begegnet war. Die Aura der leicht überheblichen Autorität, welche diese oft umgab, fehlte beim Captain der Enterprise völlig. Stattdessen strahlte er eine sympathische Neugierde aus. Sie probierte den Klang aus: „Jon …“, sie nickte, „Ich bin Nerys.“

Sie sahen sich beide an und aus dem kurzen Blick wurde ein unangenehmer Moment. Kira räusperte sich, sie deutete auf den Scanner, um die Aufmerksamkeit wieder auf eine professionelle Basis zurück zu bringen, auf der sie sich wohler fühlte. „Richten Sie ihn auf Quark’s. Wir wissen, dass er dort reagieren muss.“

Archer zwang seinen Blick fort von diesen anziehenden nahezu schwarzen Augen. Er schwenkte das Instrument in Richtung Zentrum der Station. Leicht pulsierende grüne Punkte lösten sich vom Rand des Displays und wanderten mit dem Weiterschwenken des Scanners in die obere Bildmitte. „Gute Idee, M… , Nerys. Hier sind meine Leute. Okay“, machte er gedehnt und bewegte das Instrument ein wenig in verschiedenen Richtungen. „Dann dürfte die Reichweite etwa von hier bis über die Hälfte der Bar hinaus betragen.“

Kira betrachtete ebenfalls das Display und nickte. „Nicht sehr weit also. Gut, das heißt, wir müssen die Promenade einmal umrunden.“

* * *


Dax‘ Tour durch die Station war noch nicht weiter als bis zu den Daborädern gediehen, als Bashir ins Quark’s gestürmt kam. Er hielt nur so lange inne, wie er brauchte, um die Trill zu lokalisieren, dann eilte er weiter.

„Jadzia, wir haben ein Problem“, erklärte er atemlos.

Dax, Sato und Tucker blickten vom Tisch auf, auf welchem sich die Kugel gerade in einem wilden Wirbel zwischen den Fächern drehte. Normalerweise waren die Glücksspielräder so früh am Morgen noch nicht in Betrieb, doch Leeta hatte mit Quarks Erlaubnis für Dax eine Ausnahme gemacht. Für die Trill gehörten die Unterhaltungsmöglichkeiten in der Bar mit zu den wichtigsten Einrichtungen der Station. Eine Einschätzung, welche Quark voll und ganz teilte. Und auf diese Weise ließ sich gut die Zeit totschlagen, während sie auf eine Nachricht ihrer vorgesetzten Offiziere warteten.

T’Pol stand etwas abseits und beäugte das unlogische Vergnügen missbilligend.

„Hi Julian!“, begrüßte das Dabomädchen den Arzt, „machst du mit?“

Bashir küsste sie ein wenig abwesend auf die Wange. Seine Aufmerksamkeit galt Dax. „Wir haben ein Problem“, wiederholte er seine vorherigen Worte.

Die Trill ließ vom bunten Treiben ab. Sie musterte den Arzt. Auch die Vulkanierin war näher getreten. Eine ernsthafte Diskussion lag ihr mehr als eitles Vergnügen um des Vergnügens Willen.

„Das Wundermittel …“

„… funktioniert nicht.“ Dax seufzte. „Ich wusste doch, dass es nicht so einfach sein kann.“

„Nein“, Bashir schüttelte den Kopf. „Die Krankheitssymptome sind geheilt. Das ist keine Frage.“ Seine Augen spiegelten Frustration und Enttäuschung wider. „Nur leider haben unsere Freunde vergessen uns einen unwichtigen Nebeneffekt mitzuteilen.“ Er hielt das kleine Röhrchen, welches er seit Verlassen der Krankenstation in der Hand gehalten hatte, anklagend in die Leuchten über dem Dabotisch. „Es macht hochgradig abhängig.“

„Sie haben einem Patienten eine süchtig machende Droge verabreicht?“ fasste T’Pol die Situation akkurat zusammen.

Bashir schenkte ihr einen irritierten Blick. Doch er konnte keinen Vorwurf in der Miene der Vulkanierin ausmachen – wie meist konnte er gar nichts in dem ebenmäßigen Gesicht erkennen.

„Wie es aussieht … ja“, gestand er daher ein.

„Sie haben das Mittel vorher nicht getestet?“ wollte T’Pol wissen.

„Doch, er hat natürlich zuvor mit Gewebe- und Blutproben gearbeitet“, warf Dax wenig hilfreich ein. Bashir bedachte sie mit einer säuerlichen Grimasse. „Die Emppu haben uns versichert, dass sie dieses Mittel schon lange im Einsatz haben.“

„Und die Emppu sind eine Rasse, die der Physiologe Ihrer Patienten entspricht?“

„Nein … sie …“

„Sie kennen die Emppu lange genug, um ihnen vertrauen zu können?“

„Äh … nein …“

T’Pol vermittelte ihm mit einer hochgezogenen Augenbraue in ihrem überlegenen Gesicht, was sie momentan von seiner wissenschaftlichen Herangehensweise hielt. Geduld war offensichtlich eine Eigenschaft, welche die Terraner auch 200 Jahre in der Zukunft nicht gemeistert hatten.

„Vranrör möchte uns ein Handelsabkommen vorschlagen“, gestand er schließlich. „Offensichtlich ist mit einer täglichen Einnahme ein normales Leben möglich …“

„Wofür Du nur sein Wort hast“, bemerkte Dax kopfschüttelnd.

„Wofür ich nur sein Wort habe.“

* * *


“Okay, das war recht erfolglos”, seufzte Archer, als derjenige Laden wieder in Sichtweite kam, an dem sie ihre Runde begonnen hatten.

Kira blickte sich ein wenig frustriert um. „Das Dumme ist, dass die Personen auf der Promenade immer in Bewegung sind. Vielleicht sähe ein Scan jetzt bereits ganz anders aus. Haben Sie denn überhaupt keinen Anhaltspunkt, nach wem oder was wir eigentlich suchen?“

„Leider nein.“ Der Blick unter den dichten Brauen, den er ihr schenkte, war nicht weniger frustriert. „Zu diesem unwichtigen Detail ist Daniels leider nicht gekommen.“ Er schwenkte den Scanner noch einmal ins Zentrum der Station. Die kleinen grünen Punkte, die anzeigten, dass seine Crew sich immer noch dort befand, gerieten abermals in die Mitte des Displays und versicherten ihm, dass zumindest mit dem Gerät alles in Ordnung war.

Kira stützte die Hände in die Hüften. Ihr Blick wanderte über die Außenseite der Promenade. Mit einem tiefen Seufzen erklärte sie: „dann werden wir uns jetzt wohl auf den langen Weg durch den Habitatring aufmachen dürf…“

„Einen Moment!“

Die Aufregung in Archers Stimme ließ sie herumfahren. Sie lehnte sich neben den Captain, um ebenfalls einen Blick auf den Monitor werfen zu können. „Es sind vier Punkte!“ stieß sie aufgeregt hervor. Sie sahen sich an, ihre Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Dieses Mal erfolgte kein peinliches Schweigen, sondern ein entschlossenes Nicken.

„Wir haben sie.“ Archer hielt den Scanner so, dass sie beide die Anzeige verfolgen konnten, während sie sich dem Eingang zu Quark’s näherten.

Kiras Hand schwebte über ihrem Insignienkommunikator, doch sie ließ den Arm wieder sinken. Der vierte Punkt befand sich so dicht beim Rest ihres Teams, dass jede Information die entsprechende Person gewarnt hätte. Am Eingang der Bar packte sie Archer am Oberarm und hielt ihn zurück. Der Captain sah vom Scanner auf. Nach wie vor war das Etablissement nicht besonders gut besucht. Es war viel zu früh am Tag für die üblichen Gäste. Einzig der einsam blinkende Dabotisch, an welchem die immer fröhlich wirkende Leeta stand, zeugte von den abendlichen Aktivitäten. „Da ist niemand bei ihnen“, hauchte Kira, so als ob ein lautes Wort ihr Ziel verscheuchen könnte.

Archer vergewisserte sich noch einmal. Der vierte Punkt blinkte unbeirrt von den augenscheinlichen Tatsachen vor sich hin. „Es muss.“

Kira und Archer näherten sich in einer Weise dem Rest des Teams, die so auffällig unauffällig wirkte, dass die Wissenschaftlerinnen ihr Gespräch mit Dr. Bashir unterbrachen und ihre Vorgesetzten fragend anblickten.

„Sieht ja aus, als hätten Sie eine vergnügliche Zeit gehabt“, bemerkte Tucker jovial, als die beiden Seite an Seite näher kamen. Die Grimassen, welche Archer mit seinen Augenbrauen vollführte, störten jedoch das Bild eines Pärchens beim Sonntagsspaziergang empfindlich. Endlich begriff der Chefingenieur. Er blickte sich suchend um. Auch die Frauen ahnten, was los war. Dax formte ein lautloses „Wo?“ in Kiras Richtung.

Die Bajoranerin blickte entschuldigend drein und nickte zu ihrer Freundin hin. Die Trill deutete mit einem Finger vor sich auf den Boden. Kira nickte abermals. Verdutzt sah Dax sich in ihrer kleinen Runde um.

„Übt ihr für eine Pantomimenvorführung?“ Bashir kratzte sich am Kopf. Es irritierte ihn ungemein, dass sein extrem ernstes Gespräch von scheinbar sinnlosen Gebärden unterbrochen worden war. „Falls das der Fall ist, muss ich euch sagen, dass ihr grottenschlecht seid.“

„Hier ist niemand“, machte T’Pol der Privatvorführung ein Ende. Sie sah keinen Sinn in Heimlichtuerei, wenn offensichtlich kein anderes Wesen außer ihnen in der Nähe stand. Die einzigen anderen frühen Gäste saßen an der Theke, welche etliche Meter von ihnen entfernt war.

Archer schwenkte den Scanner versuchsweise einmal durch die Bar. Es blieb bei dem gleichen Ergebnis. Das Display zeigte die vier Punkte nur wenn der Captain das Instrument auf die kleine Gruppe richtete. „Was ist mit ihr?“ Er zeigte auf Leeta, weil sie die einzige Person war, die er nicht kannte.

„Eher unwahrscheinlich“, grinste Dax.

„Was soll mit mir sein?“ wollte die Bajoranerin wissen. Bashir beugte sich zu ihr hinüber und flüsterte: „Sie suchen jemanden aus der Zukunft.“

Leetas Augen wurden groß. „Oh!“

„Dann muss es sich um einen Gegenstand handeln“, beschloss Kira. „Los, alle da rüber an die andere Wand“, forderte sie die Gruppe auf. „Jon, scannen Sie den Tisch.“

Jon? formulierten Dax‘ Lippen, während sie sich hinüber scheuchen ließ.

„Was machen Sie eigentlich da?“ Quark hatte beschlossen, dass es an der Zeit sei, sein Eigentum gegebenenfalls zu verteidigen. „Was ist mit meinem Dabo-Tisch? Alles wird regelmäßig kontrolliert und hat seine Ordnung, das kann ich Ihnen versichern, Major.“

Die Bajoranerin winkte dem näherkommenden Ferengi ungeduldig ab. „Uns interessieren Ihre Machenschaften nicht, Quark – zumindest nicht im Moment“, bemerkte sie, während ihr Blick weiterhin auf dem Scanner ruhte.

„Nichts“, bemerkten sie und Archer gleichzeitig.

Die Bajoranerin fuhr hoch, wobei sie beinahe den nähergekommenen Quark an der Nase getroffen hätte. Der Barbesitzer tat einen sicheren Sprung nach hinten. „Das ist doch zum Verrücktwerden“, bestimmte sie mit einem Anflug von Ärger. „Ensign Sato, Subcommander T’Pol, Commander Tucker, gehen Sie bitte an den Tresen“, entschied sie.

Die drei Angesprochenen warfen einen fragenden Blick zu ihrem eigentlichen Vorgesetzten. Als dieser nickte, taten sie wie Kira ihnen geheißen hatte.

„Jadzia, Julian, Leeta, ihr verteilt euch jetzt so im Raum, dass wir euch einzeln scannen können.“ Es juckte sie in den Fingern, den Scanner selbst an sich zu nehmen, um diese entnervende Situation endlich zu klären. Doch Archer trat bereits vor die einzelnen Stationsbewohner. Schließlich hob er überrascht die Augenbrauen. „Dr. Bashir, der Scanner schlägt bei Ihnen aus.“

„Du kommst aus der Zukunft, Julian?“ hauchte Leeta ungläubig.

Bashir verzog das Gesicht. „Das wäre mir neu.“ Er trat an den nächsten Tisch heran, legte seinen medizinischen Tricorder ab, seine Notfalltasche und das …

„Das hätte ich mir ja denken können“, stöhnte er, als die Scanneranzeige sich mit dem kleinen Reagenzfläschchen mit bewegte. „Kein Wunder bekommt mein Computer die Zusammensetzung nicht heraus.“

T’Pol hob die Augenbrauen. „Sie legen in dieser Zeit den Grundstein für eine süchtigmachende Substanz, die nur von ihnen aus der Zukunft hergestellt werden kann. Wenn sie es geschickt anstellen, dann liegt ihnen in ihrer eigenen Zeit ein Universum zu Füßen, das weitgehend abhängig von ihrer Monopolstellung ist. Das ist …“

„Abscheulich!“ ereiferte sich Kira.

„Ja“, T’Pol nickt. „Jedoch auch ausgesprochen effizient.“

„Sie klingen ja beinahe, als würden Sie sie dafür bewundern“, bemerkte Tucker überrascht.

„Sehen wir es von der positiven Seite“, Dax legte beide Hände auf die Tischplatte. „Jetzt wissen wir endlich, nach wem wir Ausschau halten müssen.“

„Und wer wäre das?“ wollte Archer wissen. Seine Crew war ebenfalls wieder an den Tisch herangetreten.

„Sie nennen sich Emppu …“ Dax erklärte den Offizieren der Enterprise, was sie bisher über die neue Rasse herausgefunden hatten, wie sie aussahen und sich bewegten.

„Wir müssen sichergehen, dass sie die Station nicht verlassen können.“ Archer blickte Kira an. Diese nickte. Sie aktivierte ihren Kommunikator. „Kira an Sisko ... Sir, wir benötigen ein sofortiges Startverbot für alle angedockten Schiffe. Ich erkläre Ihnen die Einzelheiten später.“

Nach einem knappen Gespräch wandte sie sich wieder an die anderen: „Das wäre erledigt. Wenn sie nicht eine spezielle Technologie zum Entkommen an Bord haben, wären sie hier festgesetzt.“

Dax und Tucker tauschten einen Blick aus. „Das wäre jedoch durchaus möglich. Aus welchem Jahrhundert sagten Sie noch einmal, dass sie stammen?“

Archer hob die Schultern. „Wir haben gar nichts gesagt, weil wir das auch nicht wissen. Okay“, er legte eine Hand zur Bekräftigung auf die Tischplatte, mit der anderen holte er die temporalen Baken hervor, „wir teilen uns in zwei Trupps. Jeder erhält die Hälfte der Baken. Ich möchte als erstes das Schiff zurückschicken. Damit nehmen wir ihnen die Rückzugsmöglichkeit und eventuelle technische Spielereien.“ Er wandte den Kopf zu Kira. „Nerys, können Sie mir die Andockbucht zeigen?“

„Selbstverständlich.“

„Hoshi, Sie kommen mit uns.“ Er reichte den Scanner an Dax. „Lieutenant, wenn ich Sie bitten dürfte, Trip und T’Pol im Habitatring beizustehen.“

„Aber immer. Wir machen uns gleich zu den Quartieren der Emppu auf.“ Die Trill wandte Kira das Gesicht zu und formte unter anzüglicher Mimik mit den Lippen das Wort Nerys.

Das brachte ihr einen empfindlichen Rippenstoß von der Bajoranerin ein. „Lassen Sie uns sofort an die Arbeit gehen, bevor es manchen Personen zu wohl wird.“

* * *


„Hier wären wir.“ Kira blieb vor einer Schleusentür stehen. „B7.“ Sie berührte die Kontrolleinheit und wartete, bis sich das massive Zahnrad in die Wandverkleidung rollte. Der kurze düstere Bereich dahinter war leer.

„Okay“, sie blickte Archer fragend an. „Ich öffne jetzt die äußere Schleuse, Sie bringen ihr kleines Spielzeug am Schott des Schiffs an – und dann?“

Der Captain der Enterprise schenkte ihr ein entwaffnendes Lächeln. „Dann lassen wir uns überraschen.“

Kira hob die Augenbrauen. „Ich werde nicht so unheimlich gerne überrascht, wenn es sich um die Sicherheit meiner Station handelt.“

Ihrer Station?“

Nun war es an der Bajoranerin dem Mann süßlich zuzulächeln. „Die Sternenflotte hat hier nur das Protektorat inne. Diese Station ist und bleibt bajoranisch.“

„In Ordnung“, Archer neigte den Kopf ein wenig, um anzuzeigen, dass er ihre Worte verstanden hatte. „Wir werden zusehen, dass Ihrer Station nichts passiert.“ Er wandte sich an seine Linguistin. „Hoshi, halten Sie bitte den Korridor im Auge, damit wir keine unliebsame Überraschung erleben.“

Die Japanerin hatte gerade erst die innere Schleusentür hinter sich geschlossen, als die unliebsame Überraschung von der nicht bewachten Seite eintraf. Ohne Zutun von Kira glitt das äußere Schott beiseite und gab den Blick auf einen Vertreter der Emppu frei, der just in diesem Moment das Schiff verlassen wollte.

Archer und Kira starrten ihn an, der Emppu starrte sie an – zumindest machte er diesen Eindruck – dann ruckte sein Kopf nach unten, wo der Captain der Enterprise die temporale Bake in der Hand hielt. Augenblicklich ruckte der Kopf des Wesens wieder nach oben, es gab einen schrillen Laut von sich, welcher den Universalübersetzer überforderte und hob sich etliche Fuß vom Boden ab.

Kira fasste sich als Erste wieder: „Jon, die Bake!“

Archer tat einen Schritt nach vorne, doch bevor er das kleine Gerät an der Außenhülle des Emppu befestigen konnte, blickte er in seine eigenen Augen. „Was zur Hölle …?!“

Er starrte noch den Fleck an, an welchem er sich gerade eben selbst begegnet war, als Kira bereits auf ihren Kommunikator schlug: „Kira an Ops. Einen Start an B7 auf alle Fälle verhindern!“

Das Schott des Emppu-Schiffs hatte sich bereits wieder geschlossen, nachdem das Wesen den kurzen Moment der Verwirrung zum Rückzug genutzt hatte. „Verdammt“, fluchte Archer, „jetzt wissen sie, was wir vorhaben. Er hat die Bake eindeutig erkannt.“

Die Schleuse begann zu erzittern, als die Maschinen des Raumschiffs gestartet wurden. Kira und Archer stützten sich an der Wand ab, um nicht den Halt zu verlieren.

„Er versucht sich aus den Andockklemmen frei zu reißen. Jetzt wäre ein guter Moment um herauszufinden, ob diese Dinger da etwas taugen“, bemerkte Kira mit einem Blick auf Archers Hand.

Der Captain stieß sich von der Wand ab, stolperte zum Schott hinüber, presste eine Bake dagegen, die sich augenblicklich selbst daran befestigte, und drückte den Aktivierungssensor.

Das Rütteln hörte auf, doch er und Kira hatten nur eine Millisekunde, um sich an diesem Umstand zu erfreuen. Wo zuvor noch die massive Sicherheit der äußeren Raumschiffhülle war, prangte nun leerer Raum. Zwar wussten sie jetzt, dass das Signal der Baken funktionierte, sie wussten auch, dass die Rückholung nahezu verzögerungsfrei erfolgte. Doch hilfreich war diese Erkenntnis momentan nicht.

„Halten Sie sich fest!“ brüllte Kira über das Rauschen der entweichenden Luft. Sie hatte sich noch rechtzeitig an der Wandverstrebung zur äußeren Schleuse festhalten können, bevor die Stationsatmosphäre ins Vakuum gesaugt wurde.

Archer, der in der Mitte der Öffnung gestanden hatte, hatte weit weniger Glück. Ein Bein ragte bereits über den Rand der Station hinaus. Geistesgegenwärtig hatte Kira seinen Arm gepackt, als der Sog einsetzte. Mit der anderen Hand versuchte er sich am Boden festzukrallen. Doch dieser bot keinen Rückhalt.

„Beide Hände!“ orderte Kira. „Ich bin stärker als ich aussehe.“

Archer starrte die Bajoranerin an. Wenn er ihren ausgestreckten Arm auch mit der zweiten Hand ergriff, dann war sie alles, was zwischen ihm und seinem Ende stand. Sorge flackerte in seinen grünen Augen auf. Er würde die junge Frau unweigerlich mit in den Tod reißen, wenn er ihr sein gesamtes Gewicht anvertraute. Panisch sah er sich nach einer anderen Möglichkeit um – es gab keine. Er nahm seine Kraft zusammen und schwang den freien Arm nach vorne. Als er zugriff spürte er einen kurzen Ruck, doch dann hatte Kira sich wieder stabilisiert.

Zwar stand die Bajoranerin direkt neben dem Schleusenmechanismus, doch sie hatte keine Möglichkeit ihn zu aktivieren, wenn sie Archer nicht loslassen wollte. Ihre einzige Chance war es, den Mann an sich heranzuziehen. Kira biss die Zähne zusammen, als sie unter Protest sämtlicher Schultermuskeln begann, ihren Arm näher an den eigenen Körper zu bringen.

Archer versuchte, sich so ruhig wie möglich zu verhalten, während er sich konzentriert an Kiras Arm nach oben zog. Der Sog ließ allmählich nach, so dass er es schaffte, ein Knie in den Schleusenbereich zu bringen, um sich zu stabilisieren. Leider hieß das aber auch, dass ihnen nur noch wenige Sekunden blieben, bevor die Luft ausging und ihr Blut zu kochen begann …

* * *


Als sich das Emppu-Schiff versuchte von den Andockklemmen loszumachen, spürte Sato die Vibration im Korridor nicht so stark wie im Inneren des Schleusenbereichs. Sie warf einen flüchtigen Blick durch die Plastahleinsätze der Tür, um sicher zu gehen, dass alles in Ordnung war. Als sie sah, dass Captain Archer dabei war, die Bake anzubringen, nickte sie zufrieden und nahm ihren Wachposten wieder auf. Das schien reibungsloser zu verlaufen als befürchtet. Während sie den leeren Korridor nach rechts und links beobachtete, gingen ihr immer wieder die Worte Daniels‘ durch den Kopf: Sie könnte wegen ihrer Fähigkeiten nützlich sein. Sie fragte sich, welche Fähigkeiten einer Xenolinguistin hier gebraucht werden könnten. In sämtlichen Wänden in sämtlichen Korridoren und Aufenthaltsbereichen der Station waren in regelmäßigen Abständen Übersetzungseinheiten eingelassen, so dass eine Kommunikation der zahlreichen unterschiedlichen Rassen nirgendwo in ein babylonisches Kauderwelsch führte. Selbst die Sprache neuer Völker erkannte die Übersetzungsmatrix in den meisten Fällen recht rasch. Das hatten sie gestern Abend mit dem Chefingenieur der Station und der Wissenschaftsoffizierin ausführlich diskutiert. Auf der einen Seite war Sato ein wenig traurig, dass der von ihr so geliebte Beruf in diesem Jahrhundert aufgrund der fortgeschrittenen Technik nur noch ein Nischendasein fristete. Auf der anderen Seite jedoch erfüllte es sie mit enormem Stolz, dass sie und diejenigen Xenolinguisten, die nach ihr kamen, diese technische Entwicklung überhaupt erst möglich gemacht hatten.

Während sie ihren Gedanken im Angesicht des humanoidleeren Korridors nachhing, nahm sie wahr, dass die Vibration geendet hatte. Offensichtlich war der Captain erfolgreich gewesen. Ohne Eile wandte sie den Kopf, um einen erneuten Blick durch das Sichtfenster der Schleusentür zu werfen. Die Szene, die sich nun vor ihren Augen abspielte, machte sie für gefährliche Sekunden erst einmal bewegungsunfähig. Dann hastete sie zur Kontrolleinheit. Sie wusste nicht genau, welches Feld welcher Funktion zugeordnet war. Die Beschriftung war in einer Sprache gehalten, die ihr nichts sagte. Sato kämpfte die aufkeimende Panik nieder und konzentrierte sich auf die fremden Buchstaben. Sie hatte bereits genügend Beschriftungen in ihr fremden Sprachen vor Augen gehabt und bereits genügend oft verschiedene Schleusenmechanismen erlebt, um Querverbindungen zu erstellen. Die Grundfunktionen waren stets dieselben …

Entschlossen berührte sie ein Sensorfeld und sprang zum Sichtfenster zurück. Ähnlich der ausgesaugten Atmosphäre des Schleusenbereichs entwich ihre angehaltene Luft. Das äußere Zahnrad begann sich zu schließen.

Die Zeit bis sich das Schott endlich schloss und der Druckausgleich wieder hergestellt wurde, wurde zur längsten ihres bisherigen Lebens.

* * *


Als Kira bemerkte, dass sich das äußere Tor zu bewegen begann, wagte sie wieder Hoffnung zu schöpfen. Sie hatte alle Luft ausgeatmet, um ein Platzen der Lungen im entstehenden Vakuum zu verhindern, die Sicht vor ihren Augen war bereits verschwommen und ihr Kopf fühlte sich leicht und unbrauchbar an. Alles, worauf sie sich konzentrierte, war der feste Griff um den Unterarm des Terraners, dessen Leben sie ihm wahrsten Sinn des Wortes in Händen hielt. Die mit der fortschreitenden Temperaturabsenkung einhergehende Gefühllosigkeit in ihren Gliedern erschwerte diese Aufgabe zusehends.

Das schwere Zahnrad bedeckte nun die Hälfte des Ausgangs. Entschlossen ließ Kira die Wandverstrebung los, an der sie sich bisher gehalten hatte. Sie brach augenblicklich auf die Knie. Doch nun konnte sie mit beiden Armen nach Archer greifen. Kira verstärkte ihren Zug und auch er verspürte den kleinen Funken der Hoffnung auflodern. Indem sie ihre letzten Kräfte mobilisierten, gelang es ihnen gemeinsam, den Mann ins Schleuseninnere zu ziehen, bevor das zufallende Tor ein Bein einklemmte. Keuchend lagen sie nebeneinander auf dem Boden. Das leise Zischen der wieder einströmenden artifiziellen Luft war das wunderbarste Geräusch, das sie jemals gehört hatten.

Als das Drehen in seinem Kopf nachließ, zog sich Archer in eine sitzende Position hoch. Er half Kira dabei sich ebenfalls aufzurichten. Einen Moment lang blickten sie sich nur schweigend an, das Grauen der letzten Sekunden zog noch einmal an ihnen vorüber.

„Ich danke Ihnen für mein Leben, Nerys“, flüsterte Archer schließlich ernst.

Kira lächelte erschöpft. Sie legte ihm eine Hand auf den Oberschenkel. „Immer wieder gerne.“

Flüchtig berührten Archers Finger ihre Hand wie eine zögernde Frage. Das Lächeln der Bajoranerin vertiefte sich, als sie zupackte und kräftig drückte. „Wir haben es geschafft!“

„Wir haben es geschafft“, bestätigte er.

Als der Druckausgleich geschaffen war, glitt die innere Schleusentür beiseite und Sato zwängte sich hindurch, sobald der Spalt breit genug war. Mit besorgtem Gesicht eilte sie zu ihrem Captain hinüber. „Captain Archer, sind Sie in Ordnung?“ Sie kniete sich neben ihn. „Und Sie, Major?“

„Danke, dass Sie die Schleuse verriegelt haben. Noch einen Augenblick länger und diese Mission wäre eine recht kurze für den Captain und mich gewesen“, bemerkte Kira statt einer Antwort.

„Es tut mir leid, dass es gedauert hat“, entschuldigte sich Sato. „Ich musste erst herausbekommen, wie die Kontrollen funktionieren.“

Archer legte ihr die freie Hand auf die Schulter. „Sie waren rechtzeitig, Hoshi, und das ist alles was zählt. Danke!“

Kira lehnte den Kopf gegen die Schleusenwand zurück. Sie aktivierte den Kommunikator: „Kira an Dax. Jadzia, seid mit den Baken vorsichtig. Sie werden sofort nach der Aktivierung erfasst – nicht dass einer von Euch aus Versehen in der Zukunft landet. Das Schiff ist schon mal weg. Die Emppu sitzen hier fest. Und …“, sie wandte ihren Kopf zu Archer, bevor sie nachdenklich fortfuhr. „Es sieht so aus, dass sie das Aussehen ihres Gegenübers spiegeln können. Das ist ziemlich verwirrend.“

Interessant! Ich kann mir gut vorstellen, dass sie dafür ihre Schuppen verwenden, eine ausgesprochen …

Kira stöhnte laut auf: „Verdammt! Du sollst das nicht interessant finden, sondern dich darauf vorbereiten.“

Aye aye, Major“, Dax‘ Grinsen war deutlich in ihren Worten zu vernehmen.

„Verdammte Wissenschaftler! Sie können einem manches Mal den letzten Nerv rauben“, fluchte Kira, nachdem sie die Verbindung beendet hatte.

Archer hob verwundert die Augenbrauen. „Sind Sie denn keine Wissenschaftlerin?“

Die Bajoraner starrte ihn irritiert an, bis ihr klar wurde, dass der Terraner aus der Vergangenheit nichts über das Schicksal ihrer Rasse und ihres eigenen insbesondere wissen konnte. „Ich? Ich habe nichts anderes gelernt als zu kämpfen.“

„Wie kommt das?“

Sie lächelte müde. „Das ist eine lange Geschichte.“

Der Captain der Enterprise warf ihr einen neugierigen Blick zu. „Ich würde sie gerne einmal hören…“

* * *


„Wir haben es gehört.“ Dax wandte sich den anderen beiden zu. Die drei Offiziere waren auf die Promenade zurückgekehrt. An den Quartieren der Emppu hatte der Scanner nicht reagiert, so dass sie davon ausgehen konnten, dass die Gesuchten nicht dort waren. „Wenn wir nicht selbst die Zukunft besuchen wollen, sollten wir Abstand von den aktivierten Baken nehmen. Obwohl …“ Die Trill gönnte sich ein verschmitztes Lächeln.

„… es eine verlockende Idee wäre“, vervollständigte Tucker ihren Satz nickend.

„Denken Sie nicht einmal daran, Commander“, versetzte T’Pol knapp. „Wir werden hier unsere Aufgabe erledigen und dann hoffentlich wieder dorthin zurückkehren, wo wir hingehören.“

Er schenkte ihr ein herausforderndes Lächeln. „Geben Sie es zu, die Situation hier macht Sie nervös.“

T’Pol musterte ihn von oben bis unten. „Nervosität ist eine Emotion, welche logischen Handlungsweisen entgegensteht“, belehrte sie ihn, „Ich bin nur … irritiert.“

„Wortglauberei.“ Tucker winkte ab. „Ich finde es hier faszinierend.“

„Wir haben einen Ausschlag!“ Augenblicklich hatte Dax die ungeteilte Aufmerksamkeit der anderen. Auf dem kleinen Monitor blinkte der sehnsuchtsvoll erwartete grüne Punkt. „Okay, jetzt ganz unauffällig verhalten.“ Die Trill schwenkte das Detektionsgerät ein wenig hin und her.

„Eindeutig dort in Richtung der Schmuckauslage“, bestimmte Tucker, „aber ich kann dort niemanden erkennen, der so aussieht, wie Sie die Emppu beschrieben haben.“

„Er wird sich im Inneren befinden“, schloss T’Pol. Sie streckte ihre Hand aus. „Geben Sie mir eine Bake, ich gehe hinein.“

Dax und Tucker beobachteten, wie die Vulkanierin durch den Ladeneingang verschwand.

„In dem Anzug ist sie aber auch nicht wirklich hilfreich für die Konzentration auf der Enterprise, oder?“ bemerkte Dax mit schräggelegtem Kopf.

Tucker seufzte zustimmend. „Beim besten Willen nicht.“

Kurz darauf erschien die Vulkanierin wieder. Sie schüttelte den Kopf. Dax und Tucker blickten erneut auf den Scanner. Der grüne Punkt war die Promenade hinunter gewandert.

„Verflixt“, fluchte die Trill. „Sie sind gewarnt. Jetzt müssen wir nach Spiegelungen Ausschau halten. Nichts leichter als das bei dem Treiben hier!“

T’Pol sah nachdenklich in die angezeigte Richtung. Auf den ersten Blick war nicht ausmachen, welche der zahlreichen Lebensformen, die dort schlenderten, diskutierten, eilten oder die Auslagen betrachteten, nicht diejenige war, die sie vorgab. „Können Sie die Promenade evakuieren?“ fragte sie.

„Ohne eine Panik auszulösen?“, Dax hob die Augenbrauen, „höchst unwahrscheinlich.“

„Ich habe ihn!“ zischte Tucker aufgeregt. „Da drüben der, der … der Typ mit der hohen Stirn und der breiten Nase …“

„Ein Karemma“, informierte die Trill ihn.

„… den gibt es zweimal.“

Dax nickte. Sie sah, was der Chefingenieur der Enterprise meinte. Ein einzelner Karemma schritt offensichtlich mit einem bestimmten Ziel vor Augen etwa in der Mitte des Besucherstroms. Ein wenig weiter am Rand und ein paar Schritt dahinter ging er noch einmal.

„Das wird mein Versuch“, bestimmte Tucker. Er nahm Dax den Scanner aus der Hand. „Ich tippe auf den hinteren, denn dadurch schöpft der Echte keinen Verdacht.“ Mit langen Schritten reihte er sich in den Strom der Besucher auf der Promenade ein. So unauffällig wie möglich näherte er sich seinem anvisierten Opfer, den Detektor in der einen und eine temporale Bake in der anderen Hand. Kurz bevor er dem Karemma den Sender an die Schulter heften konnte, musste er feststellen, dass die grüne Anzeige sich leicht links von der Mitte befand. Der blonde Mann konnte ein leises Fluchen nicht unterdrücken, was den vor ihm gehenden Karemma zum Anhalten und Umdrehen veranlasste. Der kurze Moment, den Tucker dazu verwendete, dem irritierten Besucher einen entschuldigenden Blick zuzuwerfen, war alles, was sein eigentliches Ziel zur Warnung benötigte.

Als der Chefingenieur der Enterprise wieder aufsah, gab es von dem gespiegelten Karemma keine Spur mehr, obwohl der grüne Punkt auf der Anzeige weiterhin munter vor sich hin blinkte.

„Verdammt!“ fluchte er aus tiefstem Herzen. Diese Aufgabe hatte sich so einfach angelassen: finde verdächtige Person, hefte Bake an selbige, aktiviere und Auf Nimmerwiedersehen.

Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass T’Pol und Dax nun ebenfalls ihr Tempo beschleunigten. In der Menge vor sich nahmen die Schritte eines Ferengi an Geschwindigkeit zu.

Der Emppu wusste nun, dass sie hinter ihm her waren und so war es logisch, dass er seine Gedanken weniger auf Heimlichkeit sondern eher auf Flucht lenkte. Dennoch drückte Tucker einem verwirrten identischen Ferengi im Vorbeieilen den Scanner auf die Brust. Der Ausschlag deutete weiterhin auf die fliehende Gestalt. Unter den empörten Rufen des so Misshandelten hetzte er weiter. Die beiden Frauen fielen neben ihm in Schritt.

„Nehmen Sie bloß nicht Ihre Augen von dem Typ“, warnte Tucker sie.

Den lauten Protest derjenigen Personen missachtend, die sie dabei anrempelten, setzten die drei Offiziere dem Fliehenden nach. Er entwickelte dabei eine Geschwindigkeit, die ein reales Exemplar dieser Rasse niemals zustande gebracht hätte. Kurzzeitig flackerte die Ferengigestalt auf, dann sahen sie sich in der Verfolgung von T’Pol wieder – und zwar einer rückwärts rennenden T’Pol, die ihnen das Gesicht zugewandt hatte und dabei ununterbrochen die Augenbrauen bewegte.

„Das nervt!“ rief Tucker aus und sprang. Als er den Verfolgten mit den Händen berührte, flackerte die Erscheinung ein weiteres Mal. Nun endlich kam die wahre Gestalt des Emppu zum Vorschein, dessen glitzernde, glattgeschuppte Oberfläche wenig Halt für die zugreifenden Finger des Mannes bot. Das Wesen entglitt dem Griff und erhob sich auf seinem Standfuß in die Höhe. Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, aktivierte Tucker die Bake und schleuderte sie im Vorwärtsschnellen gegen den Emppu.

T’Pol und Dax stürzten sich ihrerseits auf den Chefingenieur, um zu verhindern, dass er mit dem Wesen in Kontakt kam, wenn die Rückholaktion einsetzte. Knapp an dem unter einem hohen Schrei sich schimmernd auflösenden Emppu vorbei stürzten die drei Offiziere in einem Knäuel zu Boden.

Um sie herum bildete sich ein wild diskutierender, immer größer werdender Kreis von Schaulustigen. T’Pol bemühte sich im Angesicht der etwas unangenehmen Situation Haltung zu bewahren, als sie sich so unberührt wie möglich wieder aufrichtete. Dax und Tucker blieben noch einen Moment auf dem Boden sitzen und versuchten die Menge mit entschuldigend jugendhaftem Lächeln von ihrer Harmlosigkeit zu überzeugen.

„Das war nun also der unauffällige Teil unserer Mission.“
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