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Im Namen des Vaters

von Martina Bernsdorf

Prolog

Von der untergehenden Sonne rosa- und fliederfarben gefärbte Nebelfetzen wogten über die Berghänge und tanzten in dem lauen Wind, der über die schroffen Felsgrate strich.
Kathryn Janeway schloß die Augen und atme tief ein. Sie fühlte sich ruhig, sie fühlte sich sicher. All der Ärger unzähliger Stunden fiel von ihren Schultern, die schmale Falte auf ihrer Stirn, die von Anspannung und Stress kündete, glättete sich.
Janeway atmete ein und ließ mit dem Ausatmen den Delta-Quadranten hinter sich. Sie öffnete wieder die Augen und war auf dem Mount Reysan auf Trill. Sie hatte einen wunderbaren Landurlaub auf Trill verbracht, kurz bevor die Voyager nach Deep Space Nine aufgebrochen war, um von dort aus in die Badlands zu fliegen, auf der Jagd nach dem Maquis.
Die schroffe Bergwelt von Trill faszinierte sie. In ihrer Jugend war Janeway gerne auf Gipfel geklettert, hatte sich allein dem schroffen Felsen gestellt. Dort, wo kein Vater über ihre Schulter schauen konnte, dort, wo sie nicht in seinen Augen bestehen musste, dort, wo er kein Vorbild war, das manchmal unerreichbar schien.
Es waren ihre Felsen gewesen, es war ihr stiller Kampf gegen die Müdigkeit in ihrem Körper, gegen die Schmerzen in ihren Fingerspitzen, die sich einen Halt in dem Felsen suchten. Es waren Momente gewesen, die ihr allein gehörten.
Janeway hatte diese Momente immer hoch geschätzt. Es war die Einfachheit und doch Komplexität der Herausforderung. Es gab nur den Felsen und den Menschen. Keine Ränge, keine Titel, keine Erste Direktive. Kein Vater, dessen Fußstapfen so groß waren und keine Mutter, die nicht noch ein Familienmitglied bei der Sternenflotte mit all ihren Gefahren sehen wollte.
Nur die Natur, die Kraft und der Wille ihres Körpers, diesen Felsen zu bezwingen.
Wenn sie dann den Fels bezwungen hatte, oben auf dem Gipfel saß und hinabsah, auf diese ganze Welt unter ihr, dann fühlte sie sich frei. Frei von allen Zwängen, von allen Aufgaben, die sie sich auflastete, sogar frei von dem Willen und Ehrgeiz, der sie sonst so heftig antrieb.
Sie genoss die Stille und das Gefühl des Sieges über sich selbst, über die Müdigkeit, über den Schmerz, ja selbst über das Wollen, das sonst ihren Geist so sehr erfüllte.
Es gab nur einen Augenblick, den sie noch mehr genoss und noch mehr schätzte, wenn sie sich von dem Felsen abstieß mit aller Kraft und dem Boden entgegenstürzte.
Es war ein Gefühl der Schwerelosigkeit, es war ein Gefühl, als könne sie fliegen. Für die wenigen Sekunden des freien Falls, ehe sie die Reißleine des Flugschirmes zog, und dann sanft in die Täler hinabschwebte.
Über Janeways Lippen wanderte ein Lächeln, sie blickte sich noch einmal auf dem schmalen Felsgipfel um, auf den sie geklettert war. Sie schloss noch einmal die Augen, während der Wind an ihren Haaren zerrte, an ihrer Kleidung riss, und öffnete sie wieder. Mit einem kleinen Schrei, nicht der Angst, sondern der Freude, stieß sie sich ab, streckte die Arme aus und stürzte in den Abgrund.
Wind zerrte heftiger an ihr, aber für ein paar Sekunden war sie schwerelos, für ein paar Sekunden flog sie, auch wenn dies nur eine Illusion war, denn im Grunde stürzte sie nur ab.
Ein Vorteil der Berge auf Trill war ihre Höhe. Die Sauerstoffhülle reichte wesentlich höher in die Atmosphäre als auf der Erde. Es bot einem die Möglichkeit eines ausgedehnten freien Falls.
Janeway blickte mehr aus Pflichtbewußtsein als aus Notwendigkeit auf ihren Höhenmesser, sie wusste genau, wann sie die Reißleine ziehen musste.
Sie genoss das Gefühl des Sturzes, ehe sie die Leine zog.
Ein Ruck ging durch ihren Körper, als der Gleitschirm sich öffnete und ihren rasanten Sturz in ein sanftes Gleiten verwandelte. Es war ein schönes Gefühl zu gleiten, wenn auch nicht so ein befriedigendes, wie den Fels zu bezwingen, und nicht so ein ekstatisches, wie zu springen.
Sie glitt langsam in das Tal, durchstieß buntgefärbte Wolkenschleier und blickte sich mit einem zufriedenen Lächeln um. Kleine Bergrosen wuchsen in schroffen Felshängen, zähe Farne streckten ihre grünen Arme dem Licht entgegen, eisblaue Augen musterten sie fragend.
Eisblaue Augen?
Janeway wurde aus ihrem wunderbaren Gefühl des Wohlbehagens so heftig gerissen, das es einem Sprung in eiskaltes Wasser gleichkam. Während sie weiter den Eindruck hatte, sanft im Wind zu gleiten, stand eine Armeslänge von ihr entfernt Seven of Nine und beobachtete sie mit leicht erhobenem Borgimplantat über dem linken Auge.
Die ehemalige Borg stand mitten in der Luft, was sie nicht zu beunruhigen schien, sie war anscheinend von der Simulation des Holodecks nicht so zu beeindrucken wie Janeway.
„Computer, beende Holoprogramm Janeway 3.“
Der Captain der Voyager federte unwillkürlich in den Knien ab, als sie urplötzlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, obwohl es nicht nötig gewesen wäre. Der Gleitschirm war ebenso verschwunden wie die Berge, einzig Seven of Nine war noch anwesend und blickte Janeway mit einem seltsamen undefinierbaren Ausdruck in den Augen an.
Viele hätten diesen Blick als Arroganz definiert, aber Janeway wusste, dass es sich mehr um einen Blick handelte, in dem sich das Unverständnis für menschliche Handlungen widerspiegelte. Inzwischen kannte sie Seven gut genug, um den Unterschied zu wissen, wann sie arrogant war und wann es einfach nur Unverständnis war.
Dennoch war Janeway wütend. Sie hatte ein Recht auf ihre Privatsphäre, und Seven war einfach so in ihr Holoprogramm eingedrungen und hatte sie beobachtet. Es war Janeway auch ein wenig peinlich, sie fragte sich, seit wann Seven sie beobachtet hatte.
Die ehemalige Borg machte keine Anstalten, sich für die Störung zu entschuldigen, auch wenn selbst ihr bewusst sein musste, dass sie störte. Obwohl, Janeway hob eine Augenbraue, bei Seven wusste man nie so genau.
„Soweit ich weiß, ist mein Holoprogramm eigentlich gegen fremden Zugriff geschützt, die Türe hätte sich nicht öffnen dürfen, und Sie dürften nicht hier stehen, Seven.“
„Sie wollten die Neukalibrierung der astrometrischen Sensorenphalanx begutachten, Captain.“ Seven streckte ihr das Computerpadd entgegen.
Janeway nahm das Padd in die Hand und blickte die Borg an. „Sie hätten mir den Bericht während meiner Dienstzeit bringen sollen. Besser gesagt, ich hatte ihn morgen früh erwartet, nach Antritt meiner Schicht.“
Seven hob das geschwungene Borgimplantat über ihrem linken Auge noch ein Stückchen höher, wie immer, wenn sie eine Aussage störte, sie deren Inhalt nicht akzeptierte oder in Frage stellte.
„Es wäre ineffizient gewesen, solange damit zu warten. Ich hatte den Bericht beendet.“
Janeway stöhnte innerlich auf, sie ahnte, welchen Verlauf dieses Gespräch nehmen würde, und sie mochte diese Gespräche nicht sonderlich. Nein, das war nicht wahr, manchmal schätzte sie diese Art von Gedankenaustausch sogar, aber momentan war sie noch zu wütend. Zudem hatte sie dienstfrei. Seven hatte ihre wertvolle Holodeckzeit unterbrochen und ihren Genuss an dem Szenario empfindlich gestört. Nein, momentan war ihr wirklich nicht nach so einem Gespräch.
„Soweit ich informiert bin, hatten Sie ebenfalls dienstfrei, Seven.“
Die Borg schüttelte nur leicht den Kopf, so als traue sie dieser menschlichen Gestik noch immer nicht vollständig über den Weg.
„Es gibt zu viele freie Stunden in meinem Arbeitsplan, das ist im höchsten Maße ...“
„Lassen Sie mich raten, ineffizient?“ Janeway war versucht, die Augen zu verdrehen.
Seven musterte Janeway kühl. „Korrekt, Captain.“
„Es hat seinen Sinn, Freizeit zu haben, Seven. Es ist für uns Menschen wichtig, und Sie sind ein Mensch.“ Janeway wusste zwar, dass ihre Aussage nicht vollständig richtig war, weil Seven noch immer zum Teil Borg war, aber es war nahe an der Wahrheit.
Seven runzelte die Stirn. „Ich ... ich bin mit diesem Konzept noch immer unvertraut, Captain.“ Sie hob die Hand mit dem noch immer existierenden Exoskelett einer Borg und machte eine vage Geste, die das Holodeck einschloss.
„Warum dies alles? Warum auf einen nicht existierenden Felsen klettern, nur um dann von diesem Felsen in eine nicht existierende Leere zu stürzen, um dann von einem nicht existierenden Gleitschirm aufgefangen zu werden?“
Diesmal seufzte Janeway wirklich. Sie legte vorsichtig und langsam, um Seven Zeit zu geben, diese Gestik einzuordnen, ihre Hand auf die Schulter der Borg.
„Weil es Spaß macht.“
Seven blickte Janeway so perplex an, dass ein Lächeln über die Lippen des Captains zuckte.
„Es macht Spaß, von einem Felsen zu springen?“
„Zuweilen, man kann alles loslassen, es ist sehr befreiend. Sie sollten es einmal versuchen, Seven.“
Die ehemalige Borg blickte sie zweifelnd an. „Ich kann nichts Befreiendes an der Vorstellung finden, von einem existierenden oder nicht existierenden Felsen zu springen.“
Janeway klopfte ihr leicht auf die Schultern. „Das wird schon noch, Seven.“
Die ehemalige Borg runzelte die Stirn. „Nicht, wenn ich es verhindern kann, Captain.“
Wieder zuckte ein Lächeln um Janeways Lippen. Ihre Wut war inzwischen verraucht, und Sevens trockene Antwort hätte man fast als Humor bewerten können. Nur wusste man bei Seven nie, ob es Humor war oder sie es wirklich ernst meinte.
„Es gibt da allerdings etwas anderes, über das wir uns dringender zu unterhalten haben, als die Philosophie des Springens.“
Seven erahnte an dem leicht tadelnden Unterton Janeways, dass es etwas nicht Angenehmes sein würde. Ob es falsch gewesen war, den persönlichen Code des Captains einfach mit einem Borgcode zu überschreiben und sich auf diese Weise Zutritt zum Holodeck zu verschaffen?
„Es geht um die Bedeutung zweier Wörter, Seven.“ Janeway lächelte honigsüß, und Seven war lange genug an Bord der Voyager, um zu wissen, dass dies nichts Gutes bedeutete.
„Das eine Wort ist Privatsphäre – womit Sie als ehemalige Borg vielleicht wirklich noch Probleme haben. Das andere Wort lautet Sicherheitsprotokoll, und dafür gibt es keine Ausreden.“
Seven öffnete den Mund, um einzuwerfen, dass sie keine Verwendung für Ausreden hatte, als Janeways Kommunikator piepte.
Der Captain tippte auf das Gerät. „Janeway, was gibt es?“ In ihrer Stimme schwang mit, dass es besser etwas Wichtiges war, mit dem man sie während ihrer Freizeit störte.
„Wir haben die Trümmer eines Raumschiffes gefunden, Captain.“ Chakotays Stimme klang eine Spur aufgeregt. Was immer sie gefunden hatten, es war zumindest ungewöhnlich.
„Und, gibt es Überlebende?“
„Wir haben nur eine Lebensanzeige ausmachen können und die betreffende Person direkt in die Krankenstation gebeamt. Sie sollten besser dorthin kommen, und vielleicht sollten Sie Seven of Nine ebenfalls rufen.“
Janeway warf einen Blick zu der Borg, die ihn kühl erwiderte.
„Weshalb, Commander?“
„Sie könnten Sevens Fachwissen benötigen, Captain.“ Chakotay machte unwillkürlich eine dramatische Pause.
„Der Überlebende ist ein Borg.“
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