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Ehre für das Haus

von Martina Strobelt

Kapitel 1

Weyoun stand kurz davor, seine Beherrschung zu verlieren und Omet’iklan den Befehl zu geben, Damar auf der Stelle zu töten. War dieser Cardassianer sich überhaupt bewusst, was der Verlust des Ketracel-White-Lagers auf Cardassia-IV für das Dominion bedeutete?
»Sie hatten kein Recht, sich zurückzuziehen!«
»Kein Recht?!« Damar starrte den Vorta fassungslos an. »Was hätten wir Ihrer Meinung nach tun sollen? Die Gegner waren in der Übermacht.«
»Es wäre Ihre Pflicht gewesen, unseren Stützpunkt auf Cardassia-IV bis zum Eintreffen der Verstärkung zu verteidigen.«
»Wir sind Cardassianer! Keine Jem’Hadar! Wir kämpfen um zu siegen. Wir sterben nicht für eine verlorene Sache!«
»Nein«, bestätigte der Botschafter des Dominions. »Sie sind kein Jem’Hadar. Kein Jem’Hadar hätte es gewagt, diese Niederlage zu überleben und mir unter die Augen zu treten.«
»Mag sein«, Damar lächelte boshaft. »Dafür geraten wir ohne Ketracel-White nicht außer Kontrolle. Ich an Ihrer Stelle wäre für jeden Cardassianer dankbar, der im Ernstfall zwischen mir und einem tollwütigen Jem’Hadar steht. Daran sollten Sie vielleicht denken, bevor Sie mich und meine Entscheidungen in dieser Weise kritisieren.«
Angesichts der unverhohlenen Drohung fuhr Omet’iklans Hand zum Griff seiner Waffe.
Seit er denken konnte, hatte Weyoun niemals seine Hand gegen einen anderen erhoben. Vorta befahlen zwar die Anwendung körperlicher Gewalt, wenn es nötig war, doch persönlich wendeten sie keine an.
In diesem Sinne war Weyouns Waffe stets das Wort gewesen. Aber hier und jetzt musste der Vorta mit aller Kraft das spontane Bedürfnis unterdrücken, den Cardassianer zu schlagen.
»Aus meinen Augen!« Weyouns Stimme klang gefährlich leise.
In der Miene des Vortas las Damar seinen Tod für den Fall, dass er dieser Aufforderung nicht unverzüglich nachkam.
Das Lächeln des Cardassianers gefror. Mit einem Ruck drehte Damar sich um und verließ den Raum.
»Was werden Sie jetzt tun?«, fragte Weyouns Assistent Kyle, der bisher geschwiegen hatte.
»Ich wünschte, ich wüsste es«, antwortete der Botschafter. Nun, da Damar gegangen war, gab es für Weyoun keinen Grund mehr, seine Sorge hinter vorgetäuschter Zuversicht zu verbergen. Kyle und der Erste Omet’iklan genossen sein uneingeschränktes Vertrauen. In ihrer Gegenwart konnte er seine Befürchtungen offen zeigen. »Dies war unser vorletztes Ketracel-White-Lager. Sollten wir das letzte auch noch verlieren ...«
Weyoun beendete seinen Satz nicht.
Es war nicht nötig.
Kyle wusste selbst, was geschehen würde, wenn die restlichen Vorräte an Ketracel-White aufgebraucht waren. Das Dominion wäre gezwungen, alle Jem’Hadar zu töten, bevor sie Cardassia und die besetzten Welten und danach den gesamten Alpha-Quadranten in ein Meer von Blut tauchten. Die namenlose Gründerin würde sich in der Gestalt eines Solids verbergen und auf den Tag warten, da das Wurmloch wieder passierbar war. Weyoun, Kyle, Kilana und alle anderen Vorta, die sich mit ihnen auf der falschen Seite befanden, würden sich den strengen Gesetzen des Dominion beugen, die einem Vorta verboten, lebend in Gefangenschaft zu geraten.
Weyouns Augen spiegelten Kyles Gedanken wider. Doch in ihren Tiefen funkelte zugleich auch jene Entschlossenheit, die der jüngere Vorta so gut kannte.
»Grämen Sie sich nicht«, sagte der Botschafter mit einem aufmunternden Lächeln. »Noch sind wir nicht am Ende.«

***

Kilana mied Weyouns Blick. Der Botschafter hatte ihr gegenüber mit keinem einzigen Wort je den Absturz auf jenem Wüstenplaneten erwähnt, der ihn beinahe das Leben gekostet hatte. Doch instinktiv ahnte die Vorta, dass sie von Weyoun niemals wieder Unterstützung zu erwarten hatte.
Der Botschafter hatte einst den Zorn der Gründer herausgefordert, um Kilana vor ihrer Bestrafung zu retten. Ein zweites Mal würde dies nicht geschehen, dessen war die Vorta sich sicher.
Kilana hatte versagt, als Weyoun ihre Hilfe dringend gebraucht hatte.
Es spielte keine Rolle, dass sie sich bei der Gründerin für ihn verwendet hatte. Sie beide wussten, dass der Einsatz der Vorta dort geendet hatte, wo sie Gefahr lief, sich den Unwillen der Gründerin zuzuziehen. Hätte sie sich einen Schritt weiter vorgewagt, wie Weyoun es im umgekehrten Fall getan hatte, wäre es Kilana vielleicht gelungen, die Gründerin von einer Rettungsmission zu überzeugen.
Natürlich stand nicht fest, ob Kilana am Ende tatsächlich Erfolg gehabt hätte. Doch es blieb eine Tatsache, dass der Vorta, als es darauf ankam, der erforderliche Mut gefehlt hatte, sich ohne Rücksicht auf ihre Person für Weyoun, dem sie so viel verdankte, einzusetzen.
Der Botschafter würde das nicht vergessen, und noch weniger verzeihen.
Kilana blieb an der Tür des Raumes stehen, hinter der Weyoun erwartet wurde.
Kein Vorta näherte sich unaufgefordert einem seiner Götter.
Indessen, Kilana vermutete, dass der Botschafter auch dann gekommen wäre, wenn die Gründerin nicht nach ihm geschickt hätte. Zwar ließ die Gründerin sich nicht dazu herab, ihren Unmut über Weyouns Verhalten in Kilanas Gegenwart zu äußern. Aber die Vorta war sicher, dass lediglich seine Fähigkeiten als Diplomat den Botschafter bisher noch davor bewahrten, für jene kleinen Respektlosigkeiten zu büßen, die er sich in den vergangenen Monaten zunehmend erlaubt hatte.
Der Krieg verlief schlecht für das Dominion. In dieser Situation brauchte die Gründerin jeden Vorta, der in der Lage war, strategisch und taktisch kluge Entscheidungen zu treffen.
Kilana betätigte den Melder.
Die Türhälften glitten auseinander.
Weyoun trat ein, ohne die Vorta, die zurückblieb, eines weiteren Blickes zu würdigen.
»Gründerin.« Der Vorta verneigte sich.
Die Formwandlerin wandte ihm den Rücken zu.
»Wie konnten Sie das zulassen?«, fragte sie.
Ihre Stimme klang neutral. Allein sie wusste, wie viel es sie kostete, hier zu stehen und mit Weyoun zu sprechen. Als Gründerin war ihr Platz in der großen Verbindung. Während der Monate, da sie in diesem Quadranten isoliert war, hatte sie gelernt, die humanoide Form zu hassen, derer sie sich im Umgang mit Solids bedienen musste. Jede Faser ihrer Existenz sehnte sich zurück zu dem, was für sie Heimat bedeutete. Sie verabscheute es, sich mit den Details des Krieges zu befassen. Das war Aufgabe der Vorta. Doch sie hatte keine Wahl. Die Situation verlangte Entscheidungen, die nur sie treffen konnte.
Sie war die Gründerin.
Ihr Wort war Gesetz.
Doch trotz dieser Macht fühlte sie sich schwach. Noch niemals war sie so lange fern von der großen Verbindung gewesen. Sie vermisste den geistigen Austausch.
Sie war allein. Einsam.
Sie war daran gewöhnt, als Teil des Ganzen Dinge in Abstimmung mit den anderen zu beurteilen und zu entscheiden. Wie sollte ein einzelner Tropfen für den Ozean sprechen?
Odo hätte ihr helfen können, wenn er gewollt hätte. Stattdessen hatte er sich geweigert und eine unwürdige Solid der Gesellschaft seiner eigenen Art vorgezogen. Seine Ablehnung schmerzte die Gründerin, auch wenn sie es niemals offen zugegeben hätte.
Cardassianer, Bajoraner, Romulaner, Klingonen, die Föderation. Sie war ihrer so überdrüssig. Wäre das Wurmloch passierbar, hätte sie den Rückzug in den Gamma-Quadranten befohlen, nur um sich mit all diesen Solids nicht mehr beschäftigen zu müssen. Sollte der Alpha-Quadrant von ihr aus ruhig im Chaos versinken.
Sie hatte genug davon, sich mit Jem’Hadar-Zahlen, Truppenbewegungen, Angriffs-plänen und Verteidigungsmaßnahmen auseinanderzusetzen. Sie hatte genug von Meldungen über Niederlagen und davon, sich um den Verlust von Schiffen und die Verknappung von Ketracel-White zu sorgen.
Und sie hatte mehr als genug von Weyoun und seinen Berichten über den Verlauf dieses Krieges.
Nichts in ihrer Stimme und Haltung verriet ihre Gedanken.
Doch instinktiv ahnte Weyoun, dass die Gründerin seine Gegenwart kaum ertrug.
Es erstaunte den Vorta, dass diese Erkenntnis in ihm keine Gefühle auslöste. Außer einem leisen Hauch Bitterkeit. Weyoun hatte diesen Krieg nicht begonnen. Er befand sich im Alpha-Quadranten, weil die Gründer es gewollt hatten. Er tat sein Bestes, um zu verhindern, dass die Truppen des Dominions von ihren Feinden besiegt wurden. Damar war gegen Weyouns Rat zum Führer von Cardassia ernannt worden. Trotzdem wurde ihm jeder Fehler Damars von der Gründerin wie ein eigener zur Last gelegt.
Ihre Vorwürfe waren ungerecht.
Und sie war ohne zu zögern bereit gewesen, ihn auf jener fernen Wüstenwelt einem schrecklichen Tod zu überlassen.
»Es war leichtsinnig von Ihnen, die Verteidigung des Ketracel-White-Lagers Cardassianern anzuvertrauen«, sagte die Formwandlerin ohne sich zu Weyoun umzudrehen.
Er hätte sie gerne daran erinnert, von wem die Idee stammte, so viele Jem’Hadar an die drei Frontlinien zu beordern, dass ihm letztlich nur die Wahl geblieben war, den Stützpunkt auf Cardassia-IV entweder von Damar schützen zu lassen, oder gar nicht. Stattdessen zwang er sich zu der Reaktion, die von einem Diener des Domimions erwartet wurde.
»Vergeben Sie mir, Gründerin«, bat Weyoun.
In seiner Stimme schwang gerade ausreichend Demut, um seine Entschuldigung nicht respektlos erscheinen zu lassen.
Der Tonfall des Vortas bewog die Formwandlerin, sich zu ihm umzudrehen und ihn scharf zu mustern.
Weyoun hielt den Blick gesenkt.
Die Gründerin sollte nicht in seinen Augen lesen, was er wirklich dachte.
»Sie wissen, was geschehen wird, sollte unser letztes Ketracel-Lager zerstört werden«, meinte die Formwandlerin nach einer kleinen Pause.
Weyoun hob seinen Blick und sah die Gründerin direkt an. »Ja«, antwortete er schlicht.
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