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Durch die Wüste

von Nerys

Legenden

Kapitel 2. Legenden

Im Silbergrau der Morgendämmerung war die Luft klar und kalt. Sie roch feucht nach Tau. Erste Sonnenstrahlen blinzelten bereits über die fernen Berge, als die beiden Frauen nach einem einfachen Frühstück aus Brot und Tee ihre Rucksäcke schulterten. Vor ihnen lag eine weite wilde Landschaft aus bizarren Gesteinsformationen, deren rötliche Farbe vom ersten Licht des Tages noch unterstrichen wurde. Zwischen den Felsen sprossen vereinzelte grüne Pflanzen, die genügsam genug waren, um dem rauen Wüstenklima eine Weile zu trotzen. Die Regenzeit war längst zu Ende, doch bis zu den heißesten Tagen im Hochsommer würden noch Wochen vergehen. Der Weg, welcher schon seit vielen Jahrhunderten von Nomaden und Pilgern benutzt wurde, führte die meiste Zeit ebenmäßig über trockenen steinigen Untergrund. Je höher die Sonne am Himmel stieg, desto rascher heizte sich die Luft auf. Nur wenige Wolkenfetzen durchzogen das endlose Blau.
Nachdem Kira und Dax eine Weile schweigend nebeneinander marschiert waren, blieb die Trill stehen, um einen Schluck aus ihrer Feldflasche zu trinken. Schweiß glänzte auf ihrem Gesicht und sie wischte sich mit dem Handrücken darüber. Sie blickte fragend zu ihrer Reisegefährtin, die ebenfalls ihren Durst stillte. „Woher weißt du eigentlich, dass wir richtig sind? Der Boden ist so hart, dass man kaum erkennen kann, ob das überhaupt ein Weg ist.“
„Die Berge liegen genau vor uns, also sind wir richtig“, erwiderte die Bajoranerin, deren Stirn und Wangen genauso schweißfeucht waren.
„Mir wäre wohler, wenn wir genauere Navigationshilfen hätten, als diese ziemlich ausladende Bergkette vor uns. Was ist mit der Karte?“ Am liebsten hätte Jadzia sich mit ihrem Tricorder vergewissert, dass sie noch richtig waren, verkniff sich jedoch einen diesbezüglichen Kommentar. Stattdessen angelte sie nach der Sonnencreme in ihrem Rucksack, um sich erneut den Nacken und die Arme einzuschmieren.
Nerys zog sich ihre Kappe vom Kopf und fächelte sich damit ein bisschen Luft zu, ohne dass es merklich Kühlung gebracht hätte. „Wir sind auf dem Weg. Es gibt genug Möglichkeiten, sich hier draußen in der Wildnis zu orientieren. Eine wären die Markierungen.“ Sie wies auf einen kleinen Turm aus aufgeschichteten Steinen, der ein Stück weit vor ihnen gut sichtbar auf einem Felsen thronte. „Gehen wir weiter, wir haben heute noch eine beachtliche Strecke vor uns.“
Die andere Frau nickte und verstaute Feldflasche und Sonnencreme wieder im Rucksack. Für vielleicht eine halbe Stunde verfielen sie erneut in Schweigen, bis der kommunikativen Trill zu langweilig wurde. Sie warf einen Seitenblick auf ihre Freundin, die ihre Augen fest auf den Pfad vor sich geheftet hielt. „Also wenn wir schon zu diesem Heiligtum von Kaandingsbums gehen, könntest du mir zumindest erklären, was daran so besonders ist. Zu einem Bad kommt man ja wohl auch einfacher.“
„Hast du das denn vor dem Aufbruch nicht in deinem geheiligten Computer nachgelesen?“, erkundigte sich Kira belustigt.
„Das hätte ich fast, aber ich wollte dich nicht um das Vergnügen bringen, es mir zu erzählen.“ Ein schalkhaftes Grinsen umspielte ihre Mundwinkel.
Die Bajoranerin rollte gespielt mit den Augen, doch es gelang ihr nicht ganz, ernst zu bleiben. „Nun ja, das Heiligtum von Kanaan geht zurück auf die Zeit, als diese Gegend von Familienclans bewohnt wurde, die als Nomaden durch die Wüste zogen. Manchmal verbündeten sich diese Sippen und trieben Handel, aber es gab genauso Feindschaften und Kämpfe. Das Leben in einer solch unwirtlichen Gegend ist schließlich nicht leicht, die Ressourcen sind knapp. Während einer Trockenzeit kam es vermehrt zu Plündereien, weil es einfacher ist, sich Nahrung und Wasser einfach von anderen zu nehmen, wenn man selbst nichts hat. Der Jor, das Oberhaupt einer Familie, die überfallen und beraubt wurde, sann auf Rache an dem verantwortlichen Clan. Sein Sohn, der eines Tages der Jor werden würde, wollte es ihm ausreden, weil man in Zeiten großer Not seine Mittel und Kräfte sparen sollte, anstatt sie an dumme Streitereien zu verschwenden. Das Oberhaupt wollte nicht hören. Beide Familien löschten sich gegenseitig fast völlig aus und auch der Jor wurde getötet. Der junge Mann, der seinen Vater sterben sah, traf für sich die Entscheidung, dass es wichtiger war, die Kinder und die Frauen zu schützen, als sich in dem sinnlosen blutigen Kampf töten zu lassen. Nach ihm würde es keinen Jor mehr geben, weil er nur Schwestern hatte und auch selbst noch keine Söhne. Da die Überlebenden ohne Wasser und Nahrung in der Wüste bald verloren sein würden, betete er zu den Propheten, dass sie seine Familie verschonen mögen. Sie erhörten ihn und sandten ihm in einer mondhellen Nacht einen ith’ildin. Auf lautlosen Schwingen führte der Geistervogel die Gruppe durch die Wüste, bis sie bei Morgengrauen auf den anderen Clan stieß. Diese Frauen und Kinder waren ebenso ausgezehrt und der junge Mann hatte Mitleid. Er nahm sie in seine eigene Familie auf. Der ith’ildin leitete die Wanderer zum Fuß der Berge, wo sie endlich Wasser fanden. Dank dieser Quelle musste niemand mehr sterben und das war der Beginn eines neuen starken Clans mit dem klugen Mann als Jor, der die Tochter des anderen Oberhauptes zur Frau nahm. Er errichtete an dieser Stelle einen Tempel zu Ehren der Propheten.“
„Eine hübsche Geschichte. Ich wusste gar nicht, dass du so gut erzählen kannst“, kommentierte Dax, die die Worte schweigend verfolgt hatte. „Was ist ein ith’ildin?“
Kira befeuchtete ihre Lippen, ehe sie zu einer Antwort ansetzte. Das Sprechen hatte in der heißen Luft ihre Kehle spürbar ausgetrocknet. „Die ith’ildin sind Geschöpfe des Mondlichts. Es heißt, es sind die pagh derer, die weder im Leben noch im Tode Frieden finden. Es sind Boten der Propheten, die den pagh der frisch Verstorbenen den rechten Weg zeigen. Manchmal erscheinen sie auch, um die Lebenden zu führen. Die alten Texte beschreiben sie als große silberweiße Eulen mit Augen wie flüssiges Gold, tief und unergründlich. Aus ihren hellen Gesichtern leuchtet Mondlicht und sie gleiten auf lautlosen Schwingen durch die Dunkelheit.“
„Glaubst du denn, dass es diese Wesen wirklich gibt?“ In der Stimme der Trill lag der Skeptizismus der Wissenschaftlerin.
Die rothaarige Frau zuckte mit den Schultern. „Für gewöhnlich enthält jede Legende im Kern einen Funken Wahrheit. Lupaza, eine Freundin von mir, ist felsenfest davon überzeugt, einem ith’ildin begegnet zu sein, als sie während unserer Zeit im Widerstand schwer verletzt worden war. Niemand glaubte mehr daran, dass sie die Nacht überstehen würde, aber glücklicherweise hatten wir ihre Zähigkeit gehörig unterschätzt. Als es ihr besser ging, erzählte sie mir, dass sie im Fieberdelirium einen unglaublich realen Traum von einem ith’ildin erlebt hatte, der gekommen war, um ihr pagh weiter zu führen.“
„Fieber kann schon irrwitzige Fantasien verursachen“, sinnierte Dax. „Ich erinnere mich dunkel, als sich Curzon mit der Denobulanischen Grippe infizierte. Das ist nicht sehr empfehlenswert, wenn man ein Trill ist.“
Weil die Bajoranerin, die das Gespräch über die alten Legenden nachdenklich gemacht hatte, nicht reagierte, richteten beide ihre Konzentration wieder auf die Strecke, welche vor ihnen lag. Die Sonne stand mittlerweile hoch am Himmel, sodass die aufgeheizte Luft flimmerte. Je weiter sie in dieses raue wilde Land vordrangen, desto stärker spürte Kira die uralte Kraft, die es in sich barg. Nur wenige Tiere, hauptsächlich Insekten und kleine Reptilien, waren robust genug, um unter den harten Bedingungen zu bestehen. Ab und zu verriet ein huschender Schemen eine Eidechse, die sich in ihrem Sonnenbad auf den heißen Steinen gestört fühlte und hastig Deckung suchte.

„Ich fühle mich fast ins Überlebenstraining an der Akademie zurückversetzt“, stöhnte Dax, als sie sich müde neben Kira in den Schatten einer Gruppe hoher Felsen fallen ließ, die sie zum geeigneten Mittagsrastplatz erkoren hatten. Sie nahm ein paar große Schlucke aus ihrer Feldflasche, in der das Wasser bereits schal schmeckte. „Damals war es nur nicht so trocken, weil der Ausbilder ein Faible für dschungelartiges Terrain hatte. Ich bin nicht sicher, was mir lieber ist. Zumindest gibt es in der Wüste wohl keine giftigen Frösche.“
Die Bajoranerin hielt ihr mit erhobener Braue einen Beutel mit Trockenfleisch hin, den sie soeben geöffnet hatte. „Das nicht, aber dafür Turonkos. Diese heimtückischen kleinen Biester haben die Farbe von Sand und Stein, man sieht sie meistens erst, wenn man schon Bekanntschaft mit ihrem Kiefer gemacht hat. Ihr Gift ist schmerzhaft, doch nur bei den wenigsten Arten lebensgefährlich.“
„Wie beruhigend.“ Jadzia biss ein Stück von ihrem Fleischstreifen ab und begann langsam daran zu kauen. Wider Erwarten schmeckte es angenehm würzig. Ihr Magen gab ein tiefes Grummeln von sich. „So lange wir die Viecher nicht essen müssen. Alejo Nunez hatte damals versucht einen dieser Frösche zu fangen, um ihn zu verspeisen. Seine Hand schwoll auf das Dreifache der ursprünglichen Größe an, ehe er auch nur daran denken konnte.“
Nerys verschluckte sich prompt an ihrem Bissen und lief rot an, ehe sie es schaffte, ihn hinunter zu würgen. „Einmal fand Shakaar auf seinem Rückweg zu unserem Versteck ein paar große Pilze im Wald und präsentierte sie ganz stolz als Festmahl. Unser Kräuterkundler Gemeni erkundigte sich daraufhin, ob er den Cardassianern die Arbeit abnehmen wollte. Shakaars verständnisloser Blick war unbeschreiblich, aber danach hat er nie wieder auch nur den winzigsten Pilz angerührt.“
„Kann ich mir vorstellen“, die Trill grinste breit. Obwohl noch der größte Teil der Strecke vor ihnen lag, fing sie an, diesen Urlaub zu genießen. Vielleicht gelang es ihrer sonst so verschlossenen Vorgesetzten im Angesicht der einsamen Gegend sich endlich doch ein wenig zu öffnen.
Die Bajoranerin zog die Karte aus dem Deckelfach ihres Rucksacks und studierte sie aufmerksam, indem sie der Route mit ihrer Fingerspitze folgte. „Wir sollten wieder aufbrechen. Bevor es dunkel wird, haben wir noch ein beachtliches Stück Weg vor uns.“
„Wie schaffst du es, auf diesem Ding überhaupt irgendetwas zu erkennen?“ Dax zog ihre hübsche fleckengesäumte Stirn kraus.
„Siehst du die Hügel dort?“ Sie wies auf mehrere Erhebungen aus rotbraunen Steinen, die nordwestlich von ihrer aktuellen Position auf dem ansonsten recht ebenmäßigen Untergrund aufragten. „Das sind die höchsten Punkte in dieser Gegend und sie sind auf der Karte verzeichnet - hier. Das heißt, dass wir ungefähr hier sein müssen.“ Mit dem Finger tippte sie auf das verknitterte Papier. Die kleine Oase, die sie bis zum Abend zu erreichen gedachten, war darauf farblich gekennzeichnet.
Die dunkelhaarige Frau stieß ein resigniertes Seufzen aus. „Wir haben noch nicht einmal die Hälfte hinter uns, meinst du das ernst? Das wird morgen definitiv einen Muskelkater geben.“
Kira nickte leicht, darum bemüht ihr Grinsen zu unterdrücken. Um nichts auf Bajors Rücken hätte sie zugegeben, dass sie die gleiche Ahnung hegte. Sie musste sich jedoch selbst eingestehen, dass ihr Körper das Marschieren nicht mehr so gewohnt war, wie noch vor ein paar Jahren beim Widerstand, auch wenn sie sehr darauf bedacht war, sich fit zu halten.

Am Nachthimmel leuchteten die Sterne wie man sie sonst nur vom Fenster eines Raumschiffes oder einer Station aus sah. Es gab keine Lichter, die sie überstrahlen konnten, weil die nächste größere Stadt weit entfernt lag. Nur ein kleines Lagerfeuer warf seinen flackernden Schein auf die Gesichter der beiden Frauen, die sich mittlerweile ihre warmen Jacken übergezogen hatten. Mit dem Sonnenuntergang war auch die Hitze restlos verschwunden. Die Luft war so klirrend kalt, dass der Atem zu weißen Wölkchen kondensierte. Da Kira und Dax so müde waren, dass ihnen bereits beim Essen fast die Augen zufielen, ließen sie die knisternden wärmenden Flammen langsam verlöschen, bevor sie sich schlafen legten. Die kleine Oase war mehr ein Garten, den die wandernden Stämme angelegt hatten, um zu rasten und Vorräte zu ergänzen. Es gab einen Brunnen, der das Grundwasser zur Oberfläche beförderte, mit dem sie ihre Feldflaschen aufgefüllt hatten. Das Nachtlager bereiteten sie unter einigen Bäumen, wo der Boden weich und von Büscheln dünnen kurzen Grases bewachsen war. Bis zu den Ohren in die Schlafsäcke gehüllt, lagen sie nebeneinander und blickten zum Himmel empor. Obwohl beide den Anblick der Sterne gut kannten, spürten sie in diesem Moment die Erhabenheit, in deren Angesicht sie nur klein und unbedeutend waren.
„Hörst du das?“, fragte die Trill unvermittelt.
Kira lauschte angestrengt, doch nach kurzer Zeit musste sie resignieren. „Was denn? Es ist ganz still.“
„Das meine ich“, erwiderte Dax in sich hinein lächelnd. „Das konstante Hintergrundgeräusch der Stationssysteme bemerkt man erst, wenn es auf einmal nicht mehr da ist.“
Umständlich befreite die Bajoranerin eine Hand aus dem Schlafsack, was sie fast sofort bereute, weil die Kälte unter die Haut kroch und wies in Richtung des Himmels. „Siehst du die beiden hellen Sterne dort oben? Wir nennen sie Helaen und Deraen. Licht und Schatten. Einst hat man geglaubt, dass sie für die guten und die bösen Kräfte stehen, die immer auf uns wirken. In den alten Geschichten heißt es, dass beide nach dem Himmlischen Tempel streben und die Macht übernehmen wird, wer ihn zuerst erreicht. Inzwischen wissen wir natürlich, dass es die Propheten waren, die die Pah-Geister aus dem Tempel verbannt haben. Doch solange das Licht strahlt, wird es auch Schatten werfen. Helaen ist der erste Stern, der abends aufgeht und Deraen der letzte, der morgens untergeht. Schon die alten Seefahrer konnten mit ihrer Hilfe weit draußen auf dem Meer navigieren. Wir können uns nicht verlaufen, wenn wir ihnen folgen.“
Jadzia gab keine Antwort und nach einem Augenblick begriff Nerys auch den Grund. Sie hörte die tiefen entspannten Atemzüge der Trill und fragte sich, wie viel diese wohl noch mitbekommen hatte. Mit einem letzten Blick auf den Himmel drehte sie sich zur Seite und war eingeschlafen, kaum dass ihr Kopf den Stoff des Schlafsacks berührte. Sie wachte nur einmal mitten in der Nacht auf, als die Monde bereits aufgegangen waren und den Garten mit seinen knorrigen Bäumen in fahles Licht und geisterhafte Schatten tauchten.
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