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Asche 12 - Asche zu Asche ...

von Gabi

Kapitel 3

Als Shakaar am nächsten Morgen das Ministerium betrat, waren die Sorgen um seine Frau immer noch nicht ausgeräumt. Sie hatte ihn letzte Nacht mit einer solchen Inbrunst geliebt als ob es ihre letzte gemeinsame Nacht wäre. Normalerweise war sie viel ruhiger und sanfter beim Sex. Anstatt ihn dadurch zu beruhigen – wie es sicherlich ihre Absicht gewesen war – hatte sie ihn stärker alarmiert. Irgendetwas stimmte nicht, und das waren nicht die Frachterpläne. Obwohl sie cardassianischer Abstammung war, hatte Serina Tirek stets wenig charakterspezifische Züge ihrer Rasse gezeigt. Sie war weit anlehnungsbedürftiger und verletzlicher als dies im Allgemeinen ihrem Volk zugestanden wurde. Kira hatte ihm daher mehr als einmal vorgeworfen, dass er sie aus reinem Beschützerinstinkt bei sich aufgenommen hätte. Zum Teil hatte seine ehemalige Kampfgefährtin recht: Wann immer er Serina betrachtete, ihre zarte Gestalt, ihr langes, seidiges Haar, ihre hellen, oft so erwartungsvoll blickenden Augen, wollte er sie in den Arm nehmen, um sie von den Widrigkeiten der Welt fernzuhalten. Er leugnete nicht, dass es ihm guttat, jemanden an seiner Seite zu wissen, der seinen starken Arm brauchte, und der im Austausch ihm die Ruhe gab, nach der er sich sehnte.

Doch gestern Nacht ... sie war nicht wirklich distanziert gewesen, dazu war ihr Liebesspiel zu intensiv ausgefallen, doch in allem, was sie tat, hatte eine unterschwellige Entschlossenheit gelegen, die er nicht von ihr kannte. Sie war nicht gegen ihn gerichtet, doch sie war trennend.

Wenn er heute von der Arbeit zurückkam, würde er sich nicht noch einmal mit einem dahergesagten „es ist nichts“ abwimmeln lassen.

Der Premierminister durchquerte die Kontrolle zu den inneren Bereichen, ließ wie stets den Lift links liegen und nahm die Treppe in den vierten Stock. Seit er in die Politik eingebunden war, hatte er wenig Zeit, um sich ausgedehnt sportlich zu betätigen. Er vermisste das. Das tägliche Treppensteigen und die nächtliche Gymnastik waren nur ein kleiner Ausgleich dafür.

Die beiden Leibwächter folgten ihm wie jeden Morgen – und wie jeden Morgen wünschten sie sich, er würde endlich den Lift nehmen. Seit seiner eigenen und erst recht seit der Entführung Katalyas war kein Mitglied von Shakaars Familie ohne Leibwache unterwegs. Es war nicht unbedingt das, was er sich unter einem freien Leben vorstellte, doch General Ontkean hatte in diesem Punkt nicht mit sich reden lassen.

Vor der Tür zur Ratskammer nahmen die beiden Bajoraner links und rechts Aufstellung, während er hindurch trat. Jeder Arbeitstag im Ministerium begann mit einer kurzen Besprechung der Minister. Es war keine voll beschlussfähige Runde, da die Vertreter der Vedek-Versammlung nur an extra einberufenen Sitzungen teilnahmen, doch auf diese Weise waren Shakaar und seine Mitarbeiter stets auf dem Stand der Dinge.

Normalerweise war der Premierminister der erste in der Kammer. Er nutzte die halbe Stunde, bis alle Ratsmitglieder, die nicht anderweitig unterwegs waren, eintrafen, um sich mit dem von seinem Sekretär in den frühen Morgenstunden zusammengestellten Dossier über die wichtigsten Ereignisse des letzten Tages vertraut zu machen. Er genoss die Ruhe, bevor die manchmal lautstark geführten Diskussionen begannen.

Doch als er heute die Kammer betrat, sah Jaro Essa zu ihm auf. Er hatte am Tisch gesessen und seinerseits Berichte gelesen. Die Miene, mit welcher er den Premierminister begrüßte, ließ Shakaar die Augenbrauen zusammenziehen. Eine selten so vollständig beobachtete Zufriedenheit lag auf den Zügen des Kultusministers.

„Premierminister.“ Er trat hinter einen der Stühle am runden Tisch und legte seine Hände auf dessen Lehne. „Ich hatte gehofft, Sie vorher alleine sprechen zu können.“

Shakaar blieb ebenfalls stehen, er fühlte sich so in einer besseren Position. Was immer Jaro ihm mitzuteilen hatte, es konnte sich um nichts Gutes für den Premierminister handeln. „Um was geht es?“

„Ich will nicht lange um die Sache herumreden, da Sie es sicherlich selbst schon wissen,“ es war dem Gesicht des älteren Mannes anzusehen, dass er hoffte, dass genau dies nicht der Fall war, „Gul Tirek ist am Leben und befindet sich auf Bajor.“

Shakaar griff nun ebenfalls nach einer Stuhllehne. Er spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich und hoffte, dass dies äußerlich nicht sichtbar war. „Sie machen Scherze“, bemerkte er leise.

„Hat Ihre Frau es Ihnen nicht gesagt – oder soll ich besser sagen seine Frau?“ Jaro gab sich keine Mühe mehr, den Triumph zu verbergen. „Wie ich gehört habe, hat er sie gestern im Wirtschaftsministerium aufgesucht.“

Der Premierminister schwieg. Alles in ihm schrie danach, Jaro der Lüge zu bezichtigen, doch Serinas Verhalten machte plötzlich Sinn. Konnte es wirklich sein, dass sie ein Ereignis von solch immenser Bedeutung vor ihm verschwiegen hatte? Aus welchem Grund, wenn nicht ...

Shakaar zog den Stuhl vom Tisch und setzte sich. Es war ihm bewusst, dass er in der Gegenwart seines größten politischen Gegners Schwäche zeigte, doch im Augenblick war ihm dies gleichgültig. Wenn Serinas Mann noch lebte, dann war seine Ehe mit ihr nichts als eine Farce. Nichts als ...

„Ihnen ist bewusst, welches Licht das auf Sie und vor allem auf das Amt des Premierministers werfen wird, wenn bekannt wird, dass Ihre Frau eine Bigamistin ist.“ Jaro war neben ihn getreten. Er beugte sich zu ihm hinunter und raunte ihm ins Ohr. „Trennen Sie sich von Ihr, gestehen Sie öffentlich, dass Sie ihr zu sehr vertraut haben und jetzt eines besseren belehrt wurden – retten Sie sich und Ihr Amt, Premierminister.“

Shakaar blickte auf. Seine hellen, grauen Augen musterten den anderen Mann wie aus der Ferne. „Sie wissen genau, dass ich das nicht tun kann.“

Jaro richtete sich wieder auf. „Dann treten Sie zurück.“

* * *


Der Morgen hatte schon früh für Lieutenant Nog begonnen. Er und seine Leute hatten die Befragungen von gestern Nachmittag fortgesetzt, doch sie hatten nicht den geringsten Anhaltspunkt für einen Streit mit der Archäologin finden können – oder gar eine bajoranische Person, welche die Frau überhaupt zu kennen schien. Zwar hielt sich die Terranerin laut Stationsdaten – und laut Quarks Aussage – schon seit einigen Wochen auf Deep Space Nine auf, doch sie war offensichtlich stets für sich geblieben. Sein Onkel hatte ihm den Hinweis gegeben, dass sie meist in Gedanken versunken erschienen wäre, wenn sie in der Bar auftauchte. Doch auf eine Auseinandersetzung irgendeiner Art mit jemandem anderes konnte auch er nicht verweisen.

Einzig die bajoranische Sicherheitsoffizierin Sito Jaxa hatte ein paar Mal mit der Archäologin gesprochen. Sie hatte zu Protokoll gegeben, dass Vash wegen ihr zur Station zurückgekehrt sei, doch dass sich Sito dann entschieden hätte, beim Militär zu bleiben. Sie hatte sich danach noch zwei oder drei Mal mit der Terranerin in der Bar getroffen und Vash hätte jedes Mal betont, dass sie sich wieder auf den Rückflug ins rigelianische System machen wolle. Was sie davon abgehalten hatte, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen, wusste die Bajoranerin nicht zu berichten. Ebenfalls hatte auch sie keinerlei Kenntnis von Zwistigkeiten ihrer früheren Partnerin mit einer anderen Person gehabt.

Nog seufzte tief, als er die nutzlosen Aussagen auf dem Padd zum wiederholten Mal überflog. Der Gedanke, dass Odo sicherlich zu diesem Zeitpunkt mit seinen Ermittlungen weiter gewesen wäre, nagte ungebeten in seinem Unterbewusstsein. Er war noch so jung und er war ein Ferengi. Zwei Tatsachen, die ihn in jeder wachen Minute, die er sich im Dienst befand – und oft auch darüber hinaus – besonders korrekt nach Vorschrift handeln ließen. Er wusste, dass er dadurch für Außenstehende recht steif wirkte, doch das war ein Ruf, den er gerne in Kauf nahm, wenn er mit Attributen wie „gewissenhaft“ und „vertrauenswürdig“ einherging. Er wollte Ergebnisse vorzeigen können, und er wusste, dass Colonel Kira dies auch von ihm erwartete. Allmählich wurde er nervös. Es sah so aus, dass sie keinen Schritt weiterkamen, solange die Archäologin noch sediert war. Leider hatte Dr. Bashir unmissverständlich klar gemacht, dass er sie keine Sekunde eher als die von ihm als Minimum angesehenen 52 Stunden aufwecken würde. In der Zwischenzeit hatten bereits so viele Bajoraner die Station über die regulären Transporte verlassen, dass selbst ihre Aussage nichts mehr nützen würde.

„Chief“, richtete er seine Worte an den Cheftechniker, der auf der anderen Seite seines Schreibtischs saß. „Haben Sie gar nichts, mit dem ich arbeiten kann?“

O’Brien gab seinem eigenen Padd einen kleinen Schubs, so dass es auf Nogs Seite hinüber rutschte. „Ich konnte auch auf sensibelster Einstellung keine Evidenz für den Einsatz eines Personenschilds feststellen, keine Residualspuren einer Transportertechnik, lediglich eine leichte Erhöhung der Verteronstrahlung …“

„Verteronstrahlung?“ Durch die beiseite gleitende Tür betrat Colonel Kira das Büro. Ihr Gang war ungewohnt beschwingt, ebenso wie ihre Laune. Die beiden Männer warfen sich einen kurzen, verwunderten Blick zu. „Kann das von einer erhöhten Aktivität des Himmelstempels herrühren?“

„Es wäre möglich“, bestätigte O’Brien. „Dazu müsste ich die angrenzenden Quartiere ebenfalls nach ähnlichen Werten scannen.“

Kira nickte. „Gut, tun Sie das.“ Sie blickte Nog an. „Haben Sie etwas Neues?“

So angesprochen richtete sich der Ferengi augenblicklich in seinem Sessel auf. „Leider nein, Colonel, niemand hat beobachtet, dass das Opfer mit jemandem einen Streit oder auch nur eine Meinungsverschiedenheit gehabt hätte. Wir haben mittlerweile jeden vernommen, der sich auch nur in der Nähe des Korridors aufgehalten hat, und haben die Zeit auch etliche Stunden vor Ankunft der Terranerin in ihrem Quartier ausgedehnt, falls der Täter sie dort bereits erwartet hatte. Leider sind wir darauf angewiesen, dass die Frau wieder erwacht und vernommen werden kann.“

Die Bajoranerin nickte abermals. „Dann bleibt uns nichts anderes übrig als zu warten.“ Sie lächelte die beiden Männer an. „Halten Sie mich informiert, wenn Sie etwas Neues erfahren. Gute Arbeit.“ Dann wandte sie sich wieder den Türen zu und trat auf die Promenade hinaus.

Einen Augenblick sagte keiner etwas.

Dann räusperte sich O’Brien. „Hat Kira gerade gelächelt?“

„Ich habe es auch gesehen, Chief“, bestätigte Nog, der sich mental auf eine Ansprache in der Art von verstärken Sie Ihre Anstrengungen, schaffen Sie mir eine Lösung heran erwartet hatte. Die beiden Männer sahen sich verwundert an.

„Was ist denn mit der los?“

* * *


Shakaar rechnete es Jaro Essa hoch an, dass dieser die Angelegenheit bislang zwischen ihnen gelassen hatte. Der andere hatte ihm erklärt, dass es ihm nicht darum ginge, Shakaar öffentlich zu demütigen – was der Premierminister ihm natürlich nicht abnahm. Jaro würde das Thema in der Ratsversammlung zur Sprache bringen, wenn Shakaar sich entschieden hatte, wie er reagieren wollte. Das gab ihm die Möglichkeit, erst mit Serina zu sprechen, bevor Gerüchte oder Halbwahrheiten ausufern konnten.

Niemand außer Jaro schien vom angeblichen Auftauchen Gul Tireks etwas gehört haben. Die morgendliche Besprechung war ereignislos verlaufen, Shakaar war jedoch nur mit halber Aufmerksamkeit dabei gewesen. Es war ihm nicht möglich, den Tag so fortzuführen als wäre nichts geschehen. Gleich nach Ende der Sitzung hatte er seinen Sekretär angewiesen, alle für heute anstehenden Termine zu verschieben, und den Rest des Tages frei genommen. Sein erster Impuls war es gewesen, das Wirtschaftsministerium aufzusuchen. Doch falls es zu einer Auseinandersetzung kommen sollte, wollte er nicht, dass Angestellte des Komplexes diese mitbekamen. Er würde nach Hause zurückkehren und dort warten, bis Serina von der Arbeit kam. Er hoffte, dass Valsera mit Katalya spazieren gegangen war, er wollte alleine sein.

Vor den Toren des Ministeriums erwartete ihn eine unangenehme Überraschung. Shakaar und seine beiden Leibwächter wollten gerade zum Gleiterdeck abbiegen, welches sich neben dem Gebäude befand, als ein Cardassianer auf das Ministerium zuhielt.

Seit Bajor die Koordination der Hilfslieferungen übernommen hatte, gab es wieder das eine oder andere cardassianische Gesicht in der Hauptstadt. Selbst in Serinas Mitarbeiterstab war mittlerweile ein Cardassianer eingetreten, wenn aufgrund ihrer Verbindung mit einem Bajoraner auch eine gewisse Zurückhaltung herrschte. Dennoch war der Anblick der grauen, schuppenversehenen Gesichter und der meist tiefschwarzen Haare im alltäglichen Straßenbild eine Seltenheit.

Der große Mann, der nun die Stufen der breiten Freitreppe hinaufkam, trug außerdem die schwere Militäruniform, die Shakaar sich eigentlich auf seinem Planeten verbeten hatte. Obwohl er ihn noch nie gesehen hatte, wusste er, wen er vor sich hatte. Instinktiv zuckte seine Hand zur Hüfte, um nach der Waffe zu greifen, die er seit über sieben Jahren nicht mehr trug. Alte Gewohnheiten starben nur sehr langsam.

Der Cardassianer hatte gesehen, dass die kleine Gruppe stehengeblieben war und zu ihm hinüber sah. Er war es gewohnt, dass Bajoraner bei seinem Anblick stehen blieben. Auch sieben Jahre nach Ende der Besatzung war Bajor nicht unbedingt eine multikulturelle Gesellschaft geworden. Doch der Bajoraner, der von zwei bewaffneten Leibwächtern flankiert wurde, betrachtete ihn nicht mit der gewohnten zurückhaltenden Neugierde. Er schien zu wissen, wer er war. Gul Tirek änderte seine Richtung. Er hatte vorgehabt, das Ministerium aufzusuchen, um einen Termin beim Premierminister zu erhalten. Wie es aussah würde er sich den bürokratischen Weg ersparen können.

„Premierminister Shakaar?“ fragte er, als er in Hörweite der Gruppe kam.

Der unbewaffnete Bajoraner gab den anderen beiden Anweisungen, dann näherte er sich alleine dem Cardassianer. Die beiden Leibwächter traten ein paar Schritte zurück, aus der Hörweite heraus. „Ja, der bin ich.“

Shakaar blieb zwei Meter vor Tirek stehen. Automatisch suchten seine Augen sein Gegenüber nach sichtbaren Anzeichen von Waffen ab.

„Sie sind größer als ich vermutet hatte“, bemerkte der Gul, den Blick des Bajoraners ignorierend. „So sieht also der Mann aus, der sich unserer Fahndung entzogen und der sich unrechtmäßig meine Frau genommen hat.“

„Gul Tirek, wie ich vermute“, erwiderte Shakaar neutral. „Man hat mir bereits mitgeteilt, dass die cardassianischen Gefallenenlisten, die wir erhalten haben, unkorrekt waren.“ Er ließ aus, wer es war, der ihm diese Neuigkeit überbracht hatte.

„Gut, Sie sind informiert. Das gestaltet die Angelegenheit zügiger. Ich muss Ihnen sicherlich nicht erklären, warum ich Sie sprechen möchte.“

„Nein, das müssen Sie nicht.“ Shakaar hielt den Blickkontakt. Selbst wenn alles Recht auf der Seite des Cardassianers stehen sollte, er war nicht gewillt sich zu beugen.

„Geben Sie Ihren Anspruch auf Serina Tirek auf. Sie war nie frei, um Sie als ihren Mann zu wählen.“

„Das ist etwas, was Serina entscheiden muss, meinen Sie nicht auch?“ Shakaar wollte sich einer weiteren Diskussion entziehen. Er fühlte sich nicht wohl dabei, mit anderen darüber zu sprechen, bevor er nicht Serinas Ansicht der Dinge kannte. Warum hatte sie sich ihm gestern Abend nicht anvertraut? Es hätte für ihn vieles heute einfacher gemacht. Er wusste, dass er sich auf einer bestenfalls wackligen Position befand. Er konnte nichts versprechen, behaupten oder drohen, wenn er nicht wusste, was sie wollte.

„Eine einzelne Frau steht nicht über den Gesetzen Cardassias“, bemerkte Tirek. „Und ich nehme an, auch nicht über denen Bajors. Korrigieren Sie mich, wenn ich mich in dieser Ansicht irre.“

Shakaar blickte ihn schweigend an. Was sollte er sagen? Der Gul hatte recht. Schließlich schüttelte er sanft den Kopf. „Sie werden verstehen, dass ich erst mit Serina sprechen muss.“

Das Lächeln auf dem Gesicht des Guls machte ihm klar, dass er einen Fehler begangen hatte. „Sie hat es Ihnen also gar nicht gesagt.“

* * *


Als er das kleine Wohnzimmer betrat, in welchem immer ein Feuer im Kamin brannte, war sie schon da.

Beinahe erschrocken sah Serina auf, als Shakaars große Gestalt den Türrahmen ausfüllte. Es war noch nicht einmal Mittag, er hätte bis zum Abend im Ministerium sein sollen. Die Cardassianerin hatte sich im Sessel in eine Decke eingewickelt. Obwohl es im Zimmer dank des offenen Kamins warm war, schien sie zu frieren.

„Du bist schon da?“

„So wie du.“ Er ging vor dem Sessel in die Hocke und fischte eine ihrer Hände aus dem umhüllenden Stoff. Es war eine Haltung, die er oft einnahm, wenn er sie beruhigen oder trösten wollte. „Warum bist du nicht im Büro?“

„Ich ...“ Er konnte ihren Augen ansehen, wie ihre Gedanken panisch nach einer glaubhaften Erklärung suchten.

„Du konntest nicht arbeiten, weil dich das Zusammentreffen mit deinem ersten Mann zu sehr aufgewühlt hat. Du kannst keinen klaren Gedanken mehr fassen und hast dich daher krank gemeldet. Ich weiß, wie sich das anfühlt.“

Sie starrte ihn ungläubig an. Er hätte es nicht von einem anderen erfahren dürfen ...

„Warum hast du es mir nicht gesagt? Warum musste ich es von Jaro Essa erfahren – ausgerechnet Jaro!“

„Jaro wusste es ...?“ flüsterte sie.

„Und wenn nicht er, dann hätte ich es spätestens beim Verlassen des Gebäudes von Gul Tirek persönlich erfahren, der mir unmissverständlich klar gemacht hat, auf wessen Seite das Recht steht.“

„Ganor hat dich aufgesucht?!“ Sie wollte aufspringen, um möglichst viel Raum zwischen sich und den verletzten Ärger in seinen Augen zu bringen, doch er hielt ihre Hand fest umschlossen.

„So nicht, Serina. Ich will jetzt wissen, warum du mir nichts gesagt hast.“

„Edon, ich wollte dir nicht wehtun ... im Gegenteil, ich wollte, dass du davon überhaupt nicht belastet wirst. Ich habe dir schon so viele Probleme bereitet. Dieses hier wollte ich alleine lösen ... ich ahnte nicht, dass er zu dir gehen würde. Ich ...“ Sie war so nervös, dass sie unwillkürlich in ihre Muttersprache verfallen war. Shakaar musste sich anstrengen um zu verstehen, was sie sagte.

„Serina ... langsam.“ Er verstärkte den Druck seiner Hände und zog sie damit vom Sessel auf den Boden hinunter. Nach einigem Ziehen hatte er die Enden ihrer Decke gefunden, und legte sich eine Hälfte selbst um die Schulter. Als er spürte, wie Serinas Hände sich um seinen Rücken legten, seufzte er. „Serina, man drängt mich zurückzutreten.“

Sie blickte ihm nicht in die Augen, sondern lehnte ihren Kopf an seine Schulter. „Dann ist dies wohl der Moment, in welchem du dein Privatleben zum Wohle Bajors opferst, und ich mich aus Rücksicht auf dich und dein Amt zurückziehe.“

Er schlang seine Arme nun ebenfalls um ihren Körper. „Ja, das ist er.“

* * *


Das Zeichen des bajoranischen Glaubens machte zum zweiten Mal einem Gesicht mit dem kostbaren Ohrgehänge der Geistlichkeit Platz. Der Ranjen in der Kommunikationszentrale des Ordens in Ashalla, den er zuerst auf dem Monitor hatte, hatte ihn ohne weitere Fragen durchgestellt. Bareil Antos vermutete, dass er der einzige bajoranische Zivilist war, der ohne Begründung mit dem Kai sprechen durfte. Noch immer sah er das verräterische Zucken in den Zügen der Geistlichen, wenn sie seiner gewahr wurden. Er genehmigte sich ein kleines selbstzufriedenes Lächeln. Seit gestern Nacht hatte er nicht nur das Aussehen des Vedeks, sondern auch dessen Freundin. Vielleicht sollte er sich doch einer geistlichen Laufbahn zuwenden und auch noch dessen Stellung übernehmen. Der Weg schien geebnet. Doch er wusste, dass es nur vorgetäuscht wäre. Ihm fehlte die gesamte innere Einstellung für ein religiöses Leben.

Höchstwahrscheinlich sollten geistliche Anwärter auch nicht ungefragt im Quartier der Stationskommandantin sitzen und deren privates Kommunikationsterminal knacken, um ungestört mit dem Kai sprechen zu können …

„Antos“, Kai Sarius wirkte überrascht, als er erkannte, wer ihn sprechen wollte. „Was kann ich für Sie tun?“

„Ich hatte gestern doch gesagt, dass ich heute mit Ihnen sprechen wollte.“

Der Kai nickte.

„Nun, es hat sich einiges ereignet, zu dem ich Ihre Meinung bräuchte.“ Bareil fuhr sich unbewusst durch das dichte dunkle Haar. Er kam sich ein wenig linkisch vor, die nächste Frage zu stellen: „Sie haben nicht zufällig Captain Yates davon erzählt, was mit Jerry los ist?“

Die Augen des blonden Mannes weiteten sich. „Wie käme ich dazu?

„Nein, natürlich nicht“, Bareil atmete tief durch. „Es ist nur so, dass ich nur Ihnen und Nerys davon erzählt habe, und Kasidy hat mich gestern Abend nach unserer Rückkehr aus dem Tempel aus dem Quartier geschmissen, weil sie wusste, dass ich es wusste. Nerys hat auch nichts gesagt. Und sonst weiß doch niemand davon …“

Da bin ich mir nicht so ganz sicher …“, gab Sarius mit ernster Miene zu bedenken.

„Haben Sie anderen …“

Antos!“, die Miene des Kai schwankte zwischen Belustigung und Empörung, „können Sie für einen Moment einmal annehmen, dass ich hier im Kloster keine öffentlichen Ansprachen zu einem solch heiklen Thema halte, bevor ich nicht die Betroffenen informiere? Haben Sie ein wenig Vertrauen in den Kai von Bajor.

„Entschuldigung, Eminenz.“ Bareil senkte den Kopf vor dem Monitor, was den geistlichen Würdenträger zu einem stummen Schmunzeln veranlasste.

Vedek Gawen vermutet schon seit geraumer Zeit, dass der Junge außergewöhnliche Kräfte hat“, erklärte er schließlich seine Annahme. „Er war gestern mit mir zusammen auf der Station. Es kann gut sein, dass er mit der Mutter gesprochen hat. Ich werde ihn später aufsuchen und um eine Erklärung bitten“, Sein Blick wurde wieder nachdenklich, „dass er dies tut ohne mich zu informieren, gefällt mir nicht.

„Da ist noch etwas.“ Bareil überlegte, wie er das wiedergeben konnte, was Kira ihm anvertraut hatte. Doch er vermutete, dass der bajoranische Kai von diesen Dingen ohnehin mehr Ahnung hatte als er. „Nerys ist gestern Abend von etwas überfallen worden, was sie pah wraith nennt …“

Augenblicklich hatte er die ungeteilte Aufmerksamkeit des blonden Mannes. „Das ist gar nicht gut.

„Der Meinung war Nerys auch …“

Der Kai blickte zur Seite, als ob er sich außerhalb des Transmissionsbereichs Notizen machte. Als er wieder aufblickte, waren seine Augen hart. „Antos, du musst auf jeden Fall verhindern, dass sich diese Geister dem Jungen nähern können. Das Leben des Kindes hängt davon ab – und vielleicht nicht nur das.“

„So etwas hatte ich schon befürchtet“, erwiderte der Taschendieb resigniert. „Wie soll ich das machen, nachdem mich Kasidy rausgeworfen hat?“

Du musst Dir etwas einfallen lassen“, der Kai lehnte sich näher an den Monitor und sah ihn eindringlich an. „Die Propheten haben Dir diese Aufgabe auferlegt, weil sie dir zutrauen, dass du sie erfüllen kannst. Mögen die Propheten mit dir sein.

Nachdem die Transmission geendet hatte, lehnte sich Bareil im Sessel zurück. Die Propheten hatten so viele Geistliche, auf Bajor wimmelte es davon. Warum konnten sie nicht einen von denen nehmen? Alles, was er wollte, war ein warmer Platz in Nerys‘ Bett und ihrem Herzen.

* * *


„Edon, du wolltest mich sprechen?“ General Ontkean Amira, Oberbefehlshaberin der bajoranischen Streitkräfte, betrat sein Büro. Der Premierminister saß nicht wie üblich hinter seinem Schreibtisch und kämpfte mit Notizen, Protokollen, Berichten oder Anträgen, sondern stand am Fenster. Er schien sie nicht einmal gehört zu haben. Die Arme hatte er hinter seinem Rücken verschränkt, seine ganze Gestalt wirkte extrem angespannt. Leise trat sie hinter ihn. Sein Ministerium befand sich im obersten Stock des Regierungsgebäudes mit einem fantastischen Blick über Ashalla. Von hier oben konnte man sehen, wie der Aufbau voranschritt. Nachdem endlich die Grundbedürfnisse auf Bajor gesichert waren, konnte man sich wieder dem zuwenden, was den Planeten über Jahrtausende ausgemacht hatte: seiner Kultur. In gerader Linie von Shakaars Büro aus wurde die Fassade der berühmten Meridorn-Akademie restauriert. Wenn sie in den geplanten eineinhalb Standardjahren fertig sein würde, würde die Kunstakademie wie einst das Wahrzeichen der Stadt bilden. Ontkean konnte den Tag kaum abwarten. Wie die meisten anderen auch kannte sie das Gebäude in seiner vollendeten Schönheit nur aus Aufzeichnungen. Es war über 40 Jahre her, dass die Cardassianer es als ein Zeichen ihrer Herrschaft über Bajor zerstört hatten. Es hatte damals zur Demoralisierung einer Bevölkerung gedient, die sich nicht mehr mit Müßiggang zu beschäftigen hatte. Wie sie aus Erzählungen ihrer Eltern wusste, hatte dieser Zug den gewünschten Effekt gehabt.

Shakaars Blick schien ebenfalls auf dem eingerüsteten Gebäude zu ruhen.

„Sie wird Bajors Ruf wieder in die Galaxis hinaustragen.“ Ontkean legte ihre Hand auf seine Schulter.

Er zuckte zusammen. Ganz offensichtlich war er tatsächlich so sehr in Gedanken versunken, dass er ihre Gegenwart nicht mitbekommen hatte.

„Wer?“ fragte er verwundert.

„Meridorn.“ Sie zeigte mit dem Kinn auf den Ausblick. „Ich dachte, du hättest sie angesehen.“

Er wandte sich kopfschüttelnd vom Fenster ab. „Nein, ich fürchte, ich war so sehr in Gedanken, dass ich überhaupt nichts wahrgenommen habe.“

Sie ging zum Tisch zurück, setzte sich auf dessen Ecke und verschränkte herausfordernd die Arme vor der Brust. „Was ist los mit dir? Um was geht es?“

Shakaar seufzte als wolle er die Last der Welt von seinen Schultern schütteln. „Es könnte sein, dass es um meinen Rücktritt geht.“

„Wenn das ein Scherz sein sollte, um meine ungeteilte Aufmerksamkeit zu erhalten, dann lass dir versichert sein, du hast sie.“

„Nein, es ist kein Scherz.“

„Du willst wirklich zurücktreten?“

„Von wollen kann nicht die Rede sein.“

Sie sprang vom Tisch, ging zum Wasserspender hinüber und füllte zwei Gläser. Sie reichte ihm eines davon. „Jetzt erzähl mir der Reihe nach, was dich zu dieser Meinung gebracht hat – damit ich sie dir wieder ausreden kann.“

„Danke.“ Er trank einen Schluck. „Serinas Mann lebt noch.“

Sie hob die Augenbrauen. „So?“

„So?“ Shakaar sah sie an, als ob sie Probleme mit den Ohren hatte. „Auf der einen Seite droht mir Jaro, bekannt zu machen, dass meine Frau eine Bigamistin ist, und auf der anderen Seite wird Gul Tirek gerichtlich gegen uns vorgehen, sollte Serina nicht zu ihm zurückkehren. Das ist mehr als ich diesem Amt hier zumuten kann. Als Premierminister muss ich in erster Linie für die Belange meines Volkes da sein, nicht mit meinem zwielichtigen Privatleben in der Öffentlichkeit stehen. Meine Beziehung zu Serina ist von vielen bestenfalls geduldet worden. Jetzt wird sie mir das Genick brechen.“

„Nicht, wenn sie zu ihrem ersten Mann zurückkehrt. Dich trifft keine Schuld. Die Gefallenenlisten sind eine Tatsache. Es könnte dir sogar zusätzliche Sympathien einbringen, wenn wir es geschickt anstellen.“

Seine Hand fuhr heftiger als beabsichtigt auf die Tischplatte. Ein Teil des Wassers ergoss sich über den Arbeitsplatz. „Das ist keine Option!“

Abermals hob General Ontkean die Augenbrauen. „Wie ich hast du dein Leben lang für das Bajor gestritten, das wir nun endlich haben, dem du verdientermaßen vorstehst. Du erklärst mir jetzt nicht, dass du das für eine Frau wegwerfen willst – ich will gar nicht erst darauf eingehen, dass es nicht einmal eine Bajoranerin ist, sondern eine Angehörige der Rasse, gegen die du so lange und so erbarmungslos gekämpft hast.“

„Es hört sich lachhaft an, nicht wahr?“ Im Kontrast zum Thema schlich sich ein kleines Lächeln auf seine Züge. „Doch genau das ist es, was ich wahrscheinlich tun werde.“

Ontkean hob ihre Hand und täuschte einen spielerischen Kinnhaken an. „Dann wirst du einiges zu hören bekommen, und nicht nur von mir.“

* * *


„Bist du vollkommen wahnsinnig geworden?!“ Colonel Kira schrie das Terminal an, auch wenn ihr klar war, dass das wenig Nutzen hatte. „Du unternimmst nichts, bevor ich nicht bei dir bin, hast du das verstanden?“

Das Gesicht ihres früheren Kommandanten lächelte sie nur vom Bildschirm aus an, so als ob er über ihre Reaktion nicht im Mindesten überrascht wäre. „Meine geliebte Nerys, auch wenn ich mich freue, dich zu sehen, wirst du mich nicht umstimmen können. Glaub mir, das haben schon andere versucht.“

„Bei den Propheten, Edon!“ Sie ließ sich in den Sessel zurückfallen. Sie kannte das Lächeln auf dem Gesicht ihres Freundes. Es war diese Mischung aus Resignation und Entschlossenheit, die stets jeden gewarnt hatte, sich ihm in den Weg zu stellen. „Hast du dir wirklich überlegt, was du da tust? Du bist gleichermaßen geachtet wie geliebt auf Bajor. Deine Regierung ist die erste stabile Phase, die wir seit dem Ende der Besatzung haben. Du hast Projekte durchgeboxt, die niemand sonst hätte erreichen können. Du hast dir und Bajor einen guten Namen nach außen gemacht.“ Sie senkte ihre Stimme, auch wenn die Türen zur Ops das Gespräch in ihrem Büro nicht hindurch ließen. „Bajor braucht dich als seinen Führer. Ich brauche dich als unseren Führer. Du hast mir stets den Glauben gegeben, dass wir alles schaffen können. Du kannst nicht zurücktreten.“

Der Blick des Bajoraners senkte sich. Einen Moment betrachtete sie die langen Wimpern, die auf seinen Wangen ruhten, die sechs Rippen auf seinem Nasenrücken und den markanten Kiefer. Sie versuchte, ihn über den Bildschirm hinweg durch ihr Starren zu einer Willensänderung zu bewegen. Dann hoben sich seine Lider erneut. Es lag Schmerz in den hellen Augen – doch der reichte nicht aus.

Ich kann, und du weißt es.“

Als Colonel Kira Sekunden später auf die Ops hinaustrat, ruhten die Augen aller diensthabenden Offiziere auf ihr. Schalldicht oder nicht, ihre heftige Reaktion auf den Anruf des Premierministers war niemandem entgangen. Sie blieb einen kurzen Moment stehen, straffte ihre Haltung und hob das Kinn, um ihre Leute davor zu warnen, irgendwelche Fragen an sie zu stellen.

Wie erwartet verfehlte diese Haltung ihre Wirkung bei Commander Benteen. „Alles in Ordnung, Colonel?“

„Alles in Ordnung“, log Kira. „Lassen Sie ein Runabout startklar machen, ich muss nach Bajor.“

„Was ist passiert?“ Benteen aktivierte eine Verbindung zu Hangardeck B, ließ jedoch ihre Vorgesetzte nicht aus den Augen.

Kira befand sich bereits mit langen Schritten auf dem Weg zum Turbolift. „Nichts, was Sie ...“ Sie biss sich auf die Zunge, blieb stehen und drehte sich um. „Ich werde Sie über alles unterrichten, wenn ich zurück bin, Commander.“

Die Terranerin nickte mit einem knappen Lächeln. Dann wandte sie sich zu ihrer Konsole um und erteilte dem diensthabenden Wartungs-Personal der Rubicon die entsprechenden Anweisungen.
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