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Der Jäger ist die Beute

von Martina Bernsdorf

Kapitel 1

Während der cardassianischen Besatzung:

Ein eisiger Wind pfiff über den Berghang und blies Eissplitter gegen die einsame Gestalt, die sich, gegen den Sturm gestemmt einen Weg durch den dichten Wald kämpfte.

Der Tag neigte sich schon dem Ende zu, die Schatten unter den Bäumen wurden länger. Es schien, als würde jeder Winter früher beginnen und das Land immer länger und heftiger in seinen kalten Klauen halten. Es war keine Seltenheit mehr, dass die Ernten auf den Feldern von Eis und Schnee verschlungen wurden.

Kira Nerys blinzelte und vertrieb damit die Schneeflocken, die sich in ihren dichten Wimpern gefangen hatten. In anderen Jahren hätte man sich bereits auf das Frühjahrsfest vorbereitet, doch was sollten sie noch feiern? Der Schnee, das Eis und die Nahrungsmittelvorräte, die stetig abnahmen, hatten jeden Bajoraner das Feiern verlernen lassen.

Kira war sich sicher, dass die Cardassianer an diesen veränderten, härteren Umweltbedingungen schuld waren. Mit ihren Maschinen und Bergbaugeräten schlugen sie tiefe Wunden mitten in das Herz Bajors. Kein Wunder, wenn die Natur sich dagegen erhob.

Die Propheten zürnten über diese Blasphemie, aber warum traf ihre Strafe nicht die Cardassianer, sondern ihr eigenes Volk? Kira vergrub ihre behandschuhten Hände tiefer in den Taschen der dicken Jacke. Vielleicht war die Strafe gerechtfertigt, es gab viel zu wenige, die für die Freiheit kämpften. Wie konnten sie die Unterstützung der Propheten erwarten, solange es Bajoraner gab, die mit den Cardassianern gemeinsame Sache machten?

Verräter an ihrem eigenen Volk oder auch nur ängstliche Dulder der herrschenden Macht. Kira fiel es zunehmend schwerer, noch einen Unterschied zwischen ihnen zu ziehen, Verräter waren in ihren Augen alle, die nicht kämpften.

So wie die Leute in dem Dorf, in dem sie versucht hatte, Unterstützung für die Shakaar zu finden. Wenn man das ganze Jahr für die Freiheit Bajors kämpfte, konnte man keine Felder bestellen. Sie waren auf die Hilfe der Dörfer angewiesen, auf Kleidung und Nahrungsmittel.

Kira empfand die Ablehnung, die sie in dem Dorf erfahren hatte, als Verrat. Sie hatte kein Verständnis für deren Furcht vor den Strafen der Cardassianer. Sie hoffte, dass Shakaar mehr Glück gehabt hatte, doch seit die Cardassianer immer härter bei Sympathisanten des Widerstandes durchgriffen, wurde es zunehmend schwieriger. Ihre Zeit und Energie auf die Beschaffung von Nahrungsmitteln zu verschwenden, entsprach nicht Kiras Wunsch nach Vergeltung. Sie wollte gegen die Cardassianer kämpfen, ihr Blut vergießen, sie sterben sehen - nicht um Essen betteln!

Ein lautes Heulen veranlasste Kira, im Schritt innezuhalten. Sie kniff die Augen zusammen und lauschte. Vielleicht war es nur das Heulen des Windes in den Baumwipfeln? Der Laut wiederholte sich, ein hohes, lautes Heulen voller Schmerz und Wut. Ein Ton, den Kira kannte, das Heulen eines Nachtwolfes. Ihre Nackenhaare sträubten sich unter der dunklen Strickmütze, die sie bis zu den Augenbrauen hinuntergezogen hatte.

Die Nachtwölfe waren unheimlich, es rankten sich Legenden und Geschichten um sie, deren Wahrheitsgehalt Kira nicht zu überprüfen gedachte.

Sie lauschte dem verzweifelt wirkenden Ton, der auf- und abschwoll und von Leid und Zorn zugleich kündete. Irgendwie konnte sie das dem Wolf nachfühlen, ihr eigenes Herz war selbst übervoll von diesen Gefühlen. Vielleicht war es dieses Gefühl der Verbundenheit, welches Kira davon abhielt, auf einen Baum zu steigen, um dort die Nacht in Sicherheit zu verbringen. Es gab genug Geschichten, in denen die Nachtwölfe unvorsichtige Wanderer mit in das Reich des Vergessens nahmen. Ein prosaischer Ausdruck für die Tatsache, dass so manch einer von Nachtwölfen gefressen worden war.

Der Wolf kauerte auf einer kleinen Lichtung, neben ihm die blutigen Reste eines kleinen Nagetiers. Sein schwarzes Fell war gesträubt, die längeren Haare auf dem Rückenkamm standen wie Stacheln ab, in denen sich Eiskristalle gefangen hatten. Einige Streifen helleren Fells zogen sich durch seinen dichten Pelz wie ein Hauch Sternenlicht.

Kira erinnerte sich an die Nacht vor einiger Zeit, als sie zusammen mit einem Cardassianer, gejagt von einem Nachtwolfrudel, Zuflucht in einem verfallenen Kloster gefunden hatte. Sie war mit dem Feind im Angesicht der Gefahr ein Bündnis der Vernunft eingegangen. Es war eine seltsam, mysteriöse Nacht gewesen, voller Dinge, die sie noch immer nicht verstehen konnte - am allerwenigsten, warum sie den Cardassianer am Leben gelassen hatte. Kira verbannte diese unwillkommenen Gedanken mit einem zornigen Kopfschütteln ins Reich des Unterbewussten. Tief in sich verborgen würde sie sich vielleicht immer fragen, was wirklich in dieser Nacht geschehen war.

Kira zog das Messer, welches sie im Stiefelschaft verborgen trug, und trat auf die Lichtung. Der Wolf knurrte tief in der Kehle und präsentierte dabei seine langen, schneeweißen Raubtierzähne. Kira blieb stehen, ihre Augen huschten über die Schatten am Rande der Lichtung. Nirgendwo war das Leuchten von Raubtieraugen auszumachen, der Nachtwolf war allein. Fast hätte Kira erwartet, dem mysteriösen Vedek zu begegnen, von dem sie immer noch nicht sicher war, ob er ein Geist gewesen war oder nicht. Doch sie hatte nach dieser Nacht im Kloster den Eindruck gehabt, er hätte eine seltsame, für sie nicht zu begreifende Bindung zu den Wölfen.

Kira stieß verächtlich die Luft zwischen den Lippen aus, nichts als Hirngespinste. Der Nachtwolf war nichts als ein Tier, welches in einer Falle steckte. Einer cardassianischen Falle! Der Vorderlauf des Nachtwolfes war in der Energiefalle gefangen, und die aufgewühlte Erde bewies, wie verzweifelt er versucht hatte, sich zu befreien. Kira steckte das Messer zurück in den Stiefelschaft und wollte sich schon zurückziehen, als der Nachtwolf wieder sein Geheul anstimmte. Seine in der aufziehenden Dämmerung fluoreszierenden Augen glühten wie geschmolzenes Gold. Es war ein wunderschönes Tier, so voller Kraft, Stärke und Leben.

Kira biss die Zähne zusammen. Der Nachtwolf war ein Teil Bajors, sein Fell sollte nicht die Trophäe eines Cardassianers werden. Sie trat langsam über die dünne, verharschte Schneedecke näher an den Wolf heran. „Ich will Dir nichts tun“, ihre Stimme klang seltsam in dieser Einsamkeit, und der Wind riss ihr die Worte fast aus dem Mund.

Der Nachtwolf wich so weit zurück, wie es seine gefangene Pfote zuließ. Kira blieb dicht vor ihm stehen, aber noch außerhalb seiner Reichweite. Sie hatte kein Verlangen danach, gebissen zu werden, nicht einmal von einem bajoranischen Wolf. Sie ging in die Hocke, um sich auf dieselbe Höhe wie der kapitale Wolf zu bringen.

„Ich will Dir nur helfen“, sie blickte in die Augen, die sich leicht verengten und sie voller Misstrauen zu mustern schienen. Es war ein durchdringender Blick, unter dem sich Kira bis auf ihre Seele entblößt vorkam. Es war eine Intelligenz in diesen goldenen Augen, die Kira ans Herz griff. Es gab so viele Legenden, in manchen waren sie Bestien, in anderen die Schatten und die Begleiter der Seelen auf ihrem Weg zwischen den Welten. Es hieß, die Nachtwölfe könnten in beide Welten blicken, in die der Lebenden und der Toten.

Kira starrte in diese Augen und in diesem Moment glaubte sie an diese Legende. „Du wirst mich doch nicht beißen, wenn ich jetzt nach der Energiefalle greife?“ Der Nachtwolf gab ein kurzes, bellendes Geräusch von sich, das fast ein wenig verächtlich klang.

„Ich fasse es nicht, ich rede mit einem Nachtwolf!“ Kira schüttelte über sich selbst den Kopf und beugte sich vorsichtig vor, um mit der Hand nach der Energiefalle zu tasten. Sie begab sich damit in die Reichweite der gewaltigen Fänge des Tieres, das war ihr nur zu bewusst, doch gleichzeitig war sie sich sicher, dass es sie nicht angreifen würde. Woher dieses seltsame Wissen stammte, konnte Kira nicht benennen, vielleicht aus irgendeinem Winkel ihrer Seele, der glauben wollte?

Kira zog die Hand zurück und schlüpfte aus dem Handschuh. Um diese Falle zu knacken, brauchte sie Fingerspitzengefühl. Mutiger geworden rückte sie auf den Knien ein wenig näher an den Wolf heran, der sie aufmerksam beobachtete.

Kiras Fingerspitzen blieben beinahe an dem eiskalten Metall der Falle kleben. Die Pfote des Wolfes war blutig, nicht von der Energiefalle - wer sie auch aufgestellt hatte, wollte das Fell ohne Beschädigungen - sondern von den Versuchen, sich loszubeißen. Kira schluckte trocken. Ob der Wolf seine eigene Pfote abgebissen hätte, um sich zu befreien? Sie fragte sich unwillkürlich, was sie zu tun bereit wäre, wenn sie in einer cardassianischen Falle festsitzen würde.

Das seltsame Gefühl der Verbundenheit wuchs noch ein wenig an, sie bewunderte den Mut des Nachtwolfes - seine Seele, die sich sicher ebenso sehr wie die ihre nach Freiheit sehnte.

Der heiße Raubtieratem blies Kira in den Nacken, als sie die Energieleitung der Falle unterbrach. Der Wolf zog seinen Lauf zurück, etwas wie Erstaunen war in seinen goldfarbenen Augen zu lesen.

„Du bist frei!“ Kira schleuderte die deaktivierte Energiefalle mit einer verächtlichen Geste fort und lächelte. Der Nachtwolf knurrte tief in der Kehle, er sträubte seinen Rückenkamm und kniff die Augen zusammen. Seine Schultermuskulatur spannte sich an, leicht geduckt für einen Angriff.

Kira entglitt ihr Lächeln, sie verfluchte ihre Dummheit, diesem Tier geholfen zu haben! Als Dank wollte der Wolf wohl sein Abendessen aus ihr machen. Ihre Hand zuckte nach dem Messer, doch in diesem Moment sprang der Wolf. Seine mächtigen Muskeln katapultierten ihn mit einem Satz voran, doch sie war nicht sein Ziel.

Das Geräusch einer Phaserentladung drang an Kiras Ohr, während sie immer noch am Boden kauernd herumwirbelte. Sie konnte gerade noch sehen, wie der Wolf von der Phaserentladung getroffen wurde. Lautlos stürzte er in den Schnee, was ein Lächeln auf die Lippen seines Mörders legte.

Kira starrte in das Gesicht des Jägers, seine Haut war in dieser Kälte noch grauer, als es bei seiner Rasse ohnehin üblich war. Der Wind zerrte an seinen schwarzen Haaren und einige Schneeflocken hatten Halt auf den hervorspringenden Schuppenwülsten über seinen Augen gefunden.

Seinen Phaser hielt der Cardassianer mit einer nachlässig wirkenden Geste in der behandschuhten Hand. Doch diese Haltung täuschte, der Lauf der Waffe deutete auf Kira und sie war sicher, dass er nur auf einen Angriff wartete. In seinen Augen leuchtete noch immer Jagdfieber, er hätte vermutlich nichts gegen eine weitere bajoranische Trophäe gehabt. „Wolltest Du mir die Beute streitig machen, Frau?“ Sein Tonfall war lauernd.

„Nein“, Kira senkte den Blick, vielleicht würde der Cardassianer sie laufen lassen, wenn sie sich dumm stellte? Doch das funktionierte nur, wenn er dabei nicht das Feuer der Wut und des Hasses in ihren Augen sehen konnte.

„Das nächste Dorf ist mehr als ein Stundenmarsch von hier entfernt. Bis zur Ausgangssperre mit Einbruch der Nacht kannst Du es nicht mehr zurück schaffen, damit hast Du Dich bereits strafbar gemacht.“ Der Stimme des cardassianischen Offiziers war nicht zu entnehmen, ob er dies nur allgemein sagte, um ihr ein wenig Angst zu machen, oder Verdacht geschöpft hatte.

Was sagte Shakaar immer von solchen Situationen? Lieber ein paar Sekunden der Erniedrigung als einige Tage der cardassianischen Folter.

„Tut mir leid, es wird nicht wieder vorkommen, Sir!“ Kira hatte das Gefühl, sie müsste ihre Zunge mit Gewalt zu diesen demütigen Worten zwingen. Ihr Tonfall stimmte irgendwie nicht, es klang einfach nicht echt.

Der cardassianische Offizier betrachtete den Wolf, an seiner Brust war eine versengte Stelle, dort, wo der tödliche Phaserstrahl getroffen hatte. „Du hast mich um ein makelloses Fell gebracht, Bajoranerin“, in seiner Stimme grollte er. Kiras Hand zuckte unwillkürlich, sie fragte sich, ob sie eine Chance hatte, das Messer zu ziehen? „Zudem erscheint es mir seltsam, dass ein Farmermädchen so leicht eine cardassianische Energiefalle deaktivieren konnte.“

Kira wusste, dass sie verloren hatte. Sie eignete sich nicht dafür, sich unterwürfig zu geben, es entsprach nicht ihrem Charakter. Du könntest nicht mal dann vor einem Cardassianer buckeln, wenn Dein Leben davon abhängen würde. Die Erinnerung an Shakaars samtenen Bariton schlich sich in ihr Denken. Er hatte dies an einem herrlichen Sommertag, an dem man fast hätte glauben können, es gäbe keine Cardassianer, keinen Krieg, halb im Spaß zu ihr gesagt. Jetzt bewahrheiteten sich seine Worte.

Kira riss das Messer aus ihrem Stiefelschaft, sie wollte lieber wie der Nachtwolf sterben, im Kampf, als sich gefangen nehmen zu lassen.

Der Cardassianer hatte mit dieser Reaktion gerechnet, er war ein guter Jäger, er wusste, wann er einer Raubkatze gegenüberstand und wann nicht. Er schoss nicht, es war schlimm genug, das Fell des Wolfes ruiniert zu haben. Mit einem raschen Tritt gegen den Unterarm entwaffnete er Kira. Im Rückschwung der Hand hieb er seinen Phaser über ihren Schädel, fest, aber nicht zu hart, um sie nicht ernsthaft zu verletzen. Er brummte zufrieden, als sie besinnungslos zusammensackte und begutachtete sie mit einem Lächeln um seine Lippen.

Die Frau war keine dieser schwachen, katzbuckelnden Dorfbewohner, die er, seit er Außendienst leistete, so sehr zu verachten gelernt hatte. Diese Farmer hatten keinen Sinn für die Jagd, keinen Mut und waren damit auch keine lohnende Beute. Dieses unerwartete Wild war viel seltener und viel mehr nach seinem Geschmack.

Sein Transporter stand nicht weit entfernt, er packte die Frau auf seine Schultern, den Wolf würde er holen, sobald er diese Beute gut verschnürt hatte. Seine Schritte waren selbst im verharschten Schnee kaum zu hören, er war ein guter Jäger, Lautlosigkeit lag ihm im Blut.
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