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Verräter und Betrüger

von Martina Strobelt

Kapitel 1


„Ich bin nicht einsam, ich habe meine
Arbeit für ein besseres Cardassia!“
(Natima Lang zu Quark in der
Episode „Profit und Verlust“)



Während der Cardassianischen Besatzung

Natima Lang musterte prüfend ihr Spiegelbild. Es zeigte ihr eine hübsche junge Frau, die viel zu ernst für ihr Alter war. Sie versuchte ein Lächeln. Es misslang, und sie spürte, wie ihr stattdessen Tränen in die Augen stiegen.

Noch niemals hatte sie sich so allein gefühlt. So einsam.

Vielleicht hatten ihre Eltern recht gehabt, ihr ihren Entschluß, das Studium abzubrechen und die ihr angebotene Arbeit auf Terok Nor anzu¬nehmen, ausreden zu wollen. Aber Natima kam zu sehr nach ihrer Großmutter, die bis zu ihrem Tod für ihren Eigensinn bekannt gewesen war. Natima vermisste die unbeugsame alte Frau mit ihrem scharfen Verstand. Wenn sie noch am Le¬ben gewesen wäre, hätte ihre Enkelin bei ihr den nötigen seelischen Rückhalt gefunden. Dann wäre sie vermutlich nicht an diesen Ort geflüch¬tet. Wäre nicht vor der Erinnerung geflohen, vor dem Schmerz, der ihr das Herz zerreißen wollte. Einmal mehr wünschte die Cardassianerin sich, sie hätte neben Ragor im Gleiter gesessen und wäre gemeinsam mit ihm in jener Nacht gestor¬ben, die alles verändert hatte. Es hieß, die Zeit würde alle Wunden heilen. Natima hoffte, dass es so war. Bis dahin konnte sie lediglich versuchen, die Leere in ihrem Innern mit Arbeit auszufüllen und irgendwie weiterzuleben.

Energisch wischte die Cardassianerin die Tränen fort. Ihr Dienst begann in wenigen Minuten, und ihre Kollegen sollten nicht sehen, dass sie ge¬weint hatte.

* * *



Die Bar war gut besucht. Trotzdem saß Natima Lang allein an ihrem Tisch. Eine Woche auf Terok Nor hatte genügt, um ihr bei ihren neuen Kollegen vom Informationsdienst den Ruf einzu¬bringen, hochmütig zu sein. Natima gab sich zurückhaltend. Sie wollte keinen Kontakt zu den anderen Frauen und schon gar nicht zu den Män¬nern, und nichts verzieh eine Gruppe weniger, als wenn jemand sich weigerte, ein Teil von ihr zu werden.

„Darf ich Ihnen noch etwas bringen?“, drang eine Stimme in Natimas Gedanken.

Die Cardassianerin sah auf.

Der Ferengi, der das Kasino führte, stand neben dem Tisch.

Natima schüttelte den Kopf. „Nein, danke.“

„Ihr Glas ist leer!“

„Nun in diesem Fall“, die Cardassianerin nahm das Glas und stellte es auf das Tablett, das der Wirt in seinen Händen hielt, „können Sie es ab¬räumen.“

„Sie möchten wirklich nichts mehr?“, vergewis¬serte der Ferengi sich. „Kanar? Oder vielleicht etwas zu essen? Taspa-Eier mit Yamoksoße, eine spezielle Empfehlung des Hauses?“

„Nein, danke!“ wiederholte sie kühl. „Ich will nichts weiter als in Ruhe hier sitzen!“

Der Ferengi zögerte. Es schien, als würde er sei¬nen ganzen Mut sammeln. Sein Blick huschte über Natimas Zivilkleidung. Im Gegensatz zu den meisten anderen cardassianischen Gästen trug sie keine Uniform. Dies gab den Ausschlag. Der Ferengi reckte sich, vermutlich um größer zu wirken.

„Das ist eine Bar und kein Aufenthaltsraum!“

Verblüfft starrte Natima Lang ihn an. Als Car¬dassianerin war sie gewöhnt, von Angehörigen minderer Rassen mit unterwürfigem Respekt behandelt zu werden. Sie hatte diese Ehrerbie-tung nie verlangt. Sie wurde ihr so selbstver¬ständlich entgegengebracht, wie Natima sie als selbstverständlich akzeptierte. Sie benötigte ei¬nige Sekunden, um zu begreifen, dass der Ferengi es tatsächlich gewagt hatte, sie zum Gehen auf¬zufordern. Wie sollte sie darauf reagieren? Zu Hause auf Cardassia hatten sie immer bajorani¬sche Dienstboten gehabt. Nie hatte einer von ihnen sich erdreistet, mit ihren Eltern oder mit ihr wie mit Gleichgestellten zu sprechen. Es war nie nötig gewesen, einen dieser Bajoraner in seine Schranken zu weisen, sie hatten ihren Platz gekannt. Natimas Eltern waren stolz darauf, ihre Dienstboten streng aber gerecht zu behandeln. Das gemeine Volk mochte gewalttätig sein, Na¬timas Eltern jedoch entstammten beide dem al¬ten Adel und waren über primitive Gewalt weit erhaben. Und in diesem Sinn hatten sie ihre Tochter erzogen. Niemals hatte Natima auch nur ihre Stimme gegen einen Dienstboten erhoben. Sie war es nicht gewöhnt, sich in irgendeiner Weise durchsetzen zu müssen. Daher fühlte sie sich angesichts der Frechheit dieses Ferengis hilflos.

Während Natima noch überlegte, welche Reak¬tion angebracht war, erschien eine Hand in ihrem Blickfeld, die sich hart auf die Schulter des Fe¬rengis legte.

„Werden Sie von diesem Mann belästigt?“

Die Hand gehörte einem uniformierten Cardas¬sianer, der Natima bekannt vorkam, auch wenn sie Schwierigkeiten hatte, sein Gesicht richtig einzuordnen. Schon wollte sie seine Frage beja-hen, erleichtert, sich aus dieser Situation befreien zu können, indem sie einen anderen an ihrer Stelle tun ließ, wozu sie nicht imstande war. Doch da war ein grausamer Zug um seinen lä-chelnden Mund, der Natima nicht gefiel. Dies, gepaart mit dem Ausdruck nackter Angst, der in den Augen des Ferengis aufflackerte, bewog die junge Cardassianerin, stattdessen ihren Kopf zu schütteln.

„Nein“, sagte sie, „er hat mir nur angeboten, mir einen Drink zu bringen.“

„Gut“, der Uniformierte gab den Ferengi frei. „Für ihn! Verschwinden Sie, Quark, und holen Sie mir eine Flasche Kanar!“

„Eine Flasche Kanar“, bestätigte der Ferengi, „kommt sofort, Gul Dukat!“ Er entfernte sich hastig, als befürchtete er, der Cardassianer könnte es sich sonst anders überlegen.

Dukat griff nach einem Stuhl. „Darf ich?“

Natima schluckte die Ablehnung herunter, die ihr auf der Zunge lag. Sie wollte weder seine noch die Gesellschaft eines anderen. Aber er war nicht irgendwer, sondern Gul Dukat, der Kom¬mandant von Terok Nor. Jetzt erinnerte sie sich auch, woher sie sein Gesicht kannte. Sie war ihm bei ihrer Ankunft kurz begegnet. Er hatte die Neuankömmlinge persönlich begrüßt. Weniger, um ihnen dadurch Ehre zu erweisen, als viel¬mehr, wie Natima vermutete, um von Anfang an keinen Zweifel daran zu lassen, wer Herr der Station war. Als Zivilistin war sie Gul Dukat zwar nicht unmittelbar unterstellt. Trotzdem war es ratsam, den Präfekten nicht wegen einer sol¬chen Banalität zu verärgern.

Also nickte die Cardassianerin.

Dukat setzte sich und platzierte seine Hand neben Natimas auf der Tischplatte. Zu dicht für ihren Geschmack. Doch sie widerstand dem spontanen Impuls, ihre Hand zurückzuziehen.



Eine Weile musterte er sie schweigend. „Sie sind noch nicht lange auf Terok Nor“, begann er das Gespräch, nachdem Quark eine Flasche Kanar und zwei Gläser gebracht hatte.

„Das ist richtig“, sagte sie zurückhaltend.

„Und wie gefällt Ihnen die Station?“

„Ich habe noch nicht genug davon gesehen, um mir ein Urteil bilden zu können.“ Bereits wäh-rend sie diese Worte aussprach, bereute Natima sie schon. Ehrlichkeit war gefährlich, wenn sie, wie in diesem Fall, gründlich missverstanden werden konnte.

Wie erwartet fasste Gul Dukat ihre Antwort als Aufforderung auf, ihr eine private Führung durch die Station anzubieten.

Das Piepen seines Kommunikators rettete sie. Ein gewisser Damar bat den Präfekten, zu ihm zu kommen, da es in Bezug auf einen Sabotageakt bajoranischer Terroristen neue Erkenntnisse gäbe. Mit einem Seufzen erhob Dukat sich. „Zu mei¬nem Bedauern muß ich die Besichtigungstour auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Die Pflicht ruft. Ich hoffe“, er ergriff Natimas Hand und zog sie an seine Lippen, „Sie verzeihen mir?“

„Natürlich.“ Die Cardassianerin verbarg ihre Erleichterung hinter einem neutralen Lächeln. Es würde schwierig werden. Doch sie würde Gul Dukat ab sofort aus dem Weg gehen, bis er hof-fentlich von selbst das Interesse an ihr verlor.

Verstohlen sah Natima Lang dem Präfekten nach und fragte sich dabei insgeheim, woher er die Überzeugung nahm, jede Frau müsse angesichts seines männlichen Charmes schwach werden.

Gerade als die Cardassianerin aufstehen wollte, um das Kasino zu verlassen, trat der Ferengi-Wirt wieder an den Tisch. In den Händen hielt er ein Tablett mit zwei gefüllten Gläsern, von de-nen er eines vor Natima auf die Tischplatte stellte.

„Ich habe nichts bestellt!“ sagte sie ablehnend.

„Der Drink geht auf das Haus!“ erklärte Quark. „Als kleines Zeichen meines Dankes!“

„Wofür?“

„Nun ja, vorhin, Sie wissen schon...“

„Sie meinen, weil ich Gul Dukat versichert habe, dass Sie mich nicht belästigt hätten?“

Der Ferengi nickte.

„Das habe ich nur...“, Natima brach ab, als Quark mit einem Finger leicht an das Glas klopfte, worauf der trübe Inhalt sich in ein Ge¬misch schillernder Farben verwandelte, das die Cardassianerin gegen ihren Willen fasziniert anstarrte. „Was ist das?“

„Das“, der Ferengi lächelte, „ist ein Samarian Sunset!“
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