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Asche 13 - ... und Staub zu Staub

von Gabi

Kapitel 3

Shakaar saß auf einem Stuhl neben dem Bett seiner Frau. Die Operation war beendet und Serina befand sich im Aufwachraum. Die Ärzte hatten nicht mit Sicherheit sagen können, ob sich der Embryo gesund weiter entwickeln würde. Zusammen mit Dr. Bashirs und Dr. Gantts Fernhilfen hatten sie alles getan, was sie konnten. Die Verletzungen waren soweit versorgt, die Ernährung über die Plazenta schien wieder hergestellt. Doch erst in ein paar Wochen oder Monaten würden sie mit Sicherheit sagen können, ob das Kind einen Schaden davontragen würde oder nicht.

Shakaar hatte Serinas Krankenhaushemd bis unter ihre Brüste hochgeschoben und die Decke wieder über ihren Körper hinaufgezogen, damit er nicht in Verruf kam, anzügliche Dinge mit sedierten Patientinnen anzustellen. Nun ruhte seine Hand flach auf ihrem nackten Bauch. Er vermied jede Bewegung, um die frische OP-Narbe nicht zu reizen. Nie zuvor war es ihm so deutlich bewusst geworden, dass der Bauch derjenige Bereich bei Serina – und wahrscheinlich bei jeder Cardassianerin – war, der die größte zusammenhängende Hautfläche ohne Schuppen oder Verknorpelungen darstellte. Es war der einzige Bereich an ihrem Körper, an dem sie so weich war wie eine Bajoranerin. Die glatte Haut ließ sich viel besser dehnen und schenkte dem heranwachsenden Baby den Raum, den es benötigte.

Er konzentrierte sich vollkommen auf das Gefühl unter seiner Handfläche. Natürlich spürte er nichts. Laut Aussagen der Ärzte, war Serina im dritten Monat schwanger, was er jedoch nicht mit einer bajoranischen Schwangerschaft vergleichen konnte. Cardassianische Babys blieben die doppelte Zeit im Leib ihrer Mutter. Er bildete sich ein, eine leichte Wölbung zu spüren, aber das konnte auch auf sein Wunschdenken zurückzuführen sein.

Während er auf das Ende der Operation und nun auf das Aufwachen seiner jungen Frau wartete, hatte Shakaar viel Zeit gehabt, sich über das Geschehene zu informieren. Es war ihm dabei zugutegekommen, dass nicht nur er sich erst allmählich an den Gedanken gewöhnen musste, dass er zurückgetreten war. Auch die Dienststellen, mit denen er gesprochen hatte, hatten ihn so behandelt, als wäre er immer noch in seinem Posten. So hatte er rasch erfahren, dass Serina bei ihrem Einkaufsbummel von einer Gruppe junger Bajoraner überfallen worden war. Offensichtlich hatten sie sie in eine verlassene Seitengasse getrieben und dann versucht sie zu missbrauchen. Nur dem Umstand, dass in genau diesem Augenblick die Bewohner eines der Gebäude in der Nähe ihr Haus verließen, hatte sie immerhin vor diesem Schicksal bewahrt. Nach den Zeugenaussagen wären die jungen Männer in Panik verfallen. Das Messer, welches der eine bei sich trug, war anscheinend nur zur Drohung vorgesehen gewesen, dass es Serina im Bauch verletzte, ein Versehen. Doch das war Shakaar gleichgültig. Wenn er herausbekommen sollte, wer diese Männer waren und wo er sie finden konnte, würde er sie umbringen – oder zumindest kastrieren. Es war ihm gleichgültig gegen wie viele Gesetze Bajors er damit verstieß. Die einzige Hoffnung, die jene Kerle hatten, war, dass die Polizei sie zuerst fand.

Auch mit Gantt hatte er gesprochen und dabei feststellen müssen, dass der jüngere Mann sich nicht mehr so leicht einschüchtern ließ wie zu den Zeiten im Widerstand, als Shakaar sein Kommandant gewesen war. Trotz der offensichtlichen Wut Shakaars hatte der Arzt darauf bestanden, dass Serinas Wunsch nach Schweigen sein oberstes Gebot sei. Immerhin hatte der Arzt ihm bestätigen können, dass es tatsächlich sein Kind war, das in ihr heranwuchs. Für einen panischen Moment war Shakaar die Befürchtung gekommen, dass Serina ihre Schwangerschaft verschwiegen hatte, weil er nicht der Vater war. Nach Gantts Aussage hatten sie Glück gehabt, dass es beim ersten Mal funktionierte. Statistisch gesehen entwickelte sich zwischen ihren Rassen offensichtlich nur jede sechste eingenistete Eizelle zu einem gesunden Embryo, über 80 Prozent führten zu Fehlbildungen und schweren Komplikationen, welche Gentherapie unerlässlich machten.

Mit seiner freien Hand strich Shakaar der Cardassianerin über die Wange. Ihre Haut hatte einen weißlichen Ton angenommen, was in starkem Kontrast zu ihrem blauschwarzen Haar stand. Er hoffte inbrünstig, dass sie bald wieder die Augen öffnete und ein wenig Farbe annahm. Er betrachtete sie zärtlich und versuchte sich vorzustellen, wie das Baby wohl aussehen würde, wenn es bis zur Geburt durchhielt.

Der innige Kontakt zu ihrem Bauch schenkte ihm eine Ruhe, an die er in dieser Situation nicht geglaubt hätte. Für den Moment wollte auch er es sich gönnen, die Augen zu schließen …

„Edon?“

Sein Kopf fuhr hoch. Offensichtlich war er entgegen seines Vorhabens eingedöst. Jetzt starrte er in die hellen Augen seiner Frau, die genauso verwirrt blickten wie die seinen. Shakaar schüttelte als erster die Benommenheit ab, als er sich wieder daran erinnerte, wo und warum sie hier waren.

„Serina, yaani, wie fühlst du dich?“ Seine Handfläche lag immer noch auf ihrem Bauch.

„Ich …“, die Cardassianerin wandte den Kopf und nahm ihre Umgebung wahr – immer noch verwirrt. „Was ist passiert? Wo sind wir?“

Ohne den Kontakt von Hand zu Haut zu lösen, beugte Shakaar sich vor und platzierte einen zarten Kuss auf ihren Lippen. „Du bist in Sicherheit, und du bist bei mir.“

Ihre Mundwinkel hoben sich zu einem schwachen Lächeln bei dieser Versicherung.

„Du bist überfallen worden“, erklärte er leise, „du hast ein Messer in den Bauch bekommen. Doch die Ärzte haben dich wieder gut zusammengeflickt.“ Er zögerte einen Moment. Nachdenklichkeit schlich sich in seinen liebevollen Blick. „Das Baby ist soweit auch in Ordnung, ob die Entwicklung gestört ist, wird sich erst in der folgenden Zeit zeigen.“

„Das …?!“ Serina riss die Augen auf. Die Traurigkeit in Shakaars Zügen war nicht zu übersehen.

„Die Ärzte gingen fälschlicherweise davon aus, dass meine Frau mir mitgeteilt hätte, dass wir ein Kind erwarten. Ein leicht zu begehender Fehler, meinst du nicht auch?“ Er sah sie an, dann senkte er die Lider. „Es hat weh getan, es von anderen zu erfahren.“

„Edon, nicht …“ Sie bewegte ihre Hand unter der leichten Decke und legte sie auf diejenige ihres Mannes auf ihrem Bauch. „Du warst gegen gemeinsame Kinder … ich hatte einfach noch nicht den Mut, es dir zu sagen…“

„Und wie lange wolltest du warten? Bis du die Wölbung nicht mehr verbergen könntest?“

„Ich …“, ihr Blick traf den seinen, als er die Lider wieder hob. Er konnte Scham darin lesen, jedoch auch ihre tiefe Liebe zu ihm – und sie hielt seinem Blick stand. „Es war ein Fehler“, gestand sie leise.

„Ja, das war es.“ Er beugte sich erneut vor, um ihr einen Kuss auf den Mund zu hauchen. „Ich stehe zu dir, das sollte ich mittlerweile zur Genüge bewiesen haben.“

Sie nickte. Das hatte er.

„Ich dachte mir, er würde als Mischling nicht so isoliert stehen, wenn er nicht alleine ist …“

Shakaars Brauen zogen sich zusammen, während er versuchte, diesen letzten Satz seiner Frau in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen.

„Edon, ich bin Cardassianerin, ich will eine große Familie. Eine, die zusammenhält, ganz gleich, welche Anfeindungen uns begegnen sollten. Und ich will sie mit dir.“ Sie drückte seine Finger.

„Serina, ich … lass uns erst einmal zusehen, dass dieses Baby hier durchkommt.“ Er starrte sie ein wenig fassungslos an. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll …“

Ein Räuspern hinter ihnen ließ sie beide zusammenzucken wie Kinder, die etwas getan hatten, von dem sie genau wussten, dass es verboten war. „Was Sie sagen sollen, kann ich zwar auch nicht wissen“, hörten sie die Stimme eines der bajoranischen Ärzte, welche die Operation durchgeführt hatten. Er klang nicht unfreundlich, „aber ich weiß, was ich sagen möchte: Shakaar Serina hat eine heftige Operation hinter sich und benötigt unbedingt Ruhe, damit ihr Körper sich erholen und den Heilungsprozess unterstützen kann.“ Er warf Shakaar einen bedeutungsvollen Blick zu. „Alle Diskussionen, die sie aufregen, haben zu warten.“ Dann wandte er sich dem Überwachungsmonitor zu, der sich über Serinas Bett befand. Er nickte. „Sieht gut aus. Wir werden Sie jetzt in ein Patientenzimmer bringen. Ich möchte Sie noch ein paar Tage zur Überwachung hier behalten, vor allem wegen des Embryos.“ Er sah zu Serina hinunter und zwinkerte ihr zu. „Wenn Sie bereits dabei sind, weitere zu planen, müssen wir doch sichergehen, dass dieser hier optimal versorgt wird. Wie Sie selbst wissen, ist eine bajoranisch-cardassianische Schwangerschaft auch ohne Messer im Bauch keine komplikationsfreie Angelegenheit.“

Die Hautfarbe der jungen Cardassianerin nahm einen entzückenden altrosa Ton an, als das in den Kopf schießende braunrote Blut durch die graue Haut schien.

Der Arzt winkte zwei Pfleger heran, welche die Arretierung des Betts lösten und damit begannen, es aus dem Raum heraus zu schieben.

„Ich möchte bei ihr bleiben.“ Shakaar erhob sich.

Der Arzt schenkte ihm einen Blick, der deutlich machte, dass er nicht daran glaubte, dass Serina die nötige Ruhe bekam, wenn ihr Mann bei ihr war.

„Das habe ich befürchtet.“ Mit einer resignierten Armbewegung wies er den Weg.

* * *


„So, das ist alles, was ich an Persönlichem in deinem Quartier gefunden habe“, Sito wuchtete die große Reisetasche auf das kleine Tischchen, auf dem normalerweise diagnostische Instrumente bereit gelegt wurden. Vash befand sich als einzige Person auf der Intensivstation. Zwar war ihr Zustand mittlerweile stabil, doch da momentan keine anderen Patienten diese Einheit benötigten, hatte Bashir beschlossen, die Terranerin noch dort zu lassen, damit sie ihre Ruhe hatte. „Viel war es nicht … und ich habe mir auch nichts davon genauer angesehen“, fügte Sito sofort zu ihrer eigenen Verteidigung hinzu. Sie ließ sich auf den Bettrand fallen und betrachtete die wenigen Habseligkeiten der Archäologin, die nun vor ihnen ausgebreitet waren. Es war ein Seesack mit Kleidung und die große Reisetasche, die nahezu leer war. Sito hatte die Kleinigkeiten, die sie auf der Kommode und in den Schubladen gefunden hatte, hinein getan.

Vash winkte ab. Ihre Krankenliege war hochgekippt, so dass sie bequem sitzen konnte. Die Suppe, die Bashir ihr hatte replizieren lassen, hatte ihr gut getan. Auch wenn es noch ein wenig schmerzte, spürte sie, wie ihre Lebensgeister wieder zurückkehrten.

Während sie gegessen und später darauf gewartet hatte, dass ihre frühere Geschäftspartnerin ihre persönlichen Sachen holte, hatte sie weiterhin ihr Gehirn zermartert, warum die Erwähnung der bajoranischen Propheten eine solche Reaktion bei ihr ausgelöst hatte. Doch je fester sie die Erinnerung ergreifen wollte, desto elastischer entwand diese sich ihren Fingern. Es machte sie beinahe verrückt, doch sie wusste aus Erfahrung, dass sich eine Erinnerung nicht erzwingen ließ. Sie würde dann zurückkommen, wenn sie überhaupt nicht mehr daran dachte. Doch an etwas nicht zu denken, erwies sich als undurchführbar.

Zweifelnd betrachtete sie die wenigen Gegenstände, die ihr derzeitiges Leben darstellten.

„Wie soll ich merken, ob etwas fehlt, wenn ich mich gar nicht daran erinnern kann, was da sein sollte?“ Sie nahm den Seesack mit ihrer Kleidung auf und wühlte ziellos darin herum. Sie versuchte es mit einem Scherz: „es fehlt etwas Geschmackvolles …“

Sito schenkte ihr ein halbherziges Lächeln. Sie merkte, wie die Unfähigkeit zur Erinnerung an ihrer früheren Partnerin nagte. Sie hätte ihr zu gern geholfen, doch sie wusste nicht, wo sie ansetzen sollte. „Hattest du irgendwas bei dir, was du verkaufen wolltest? Irgendein Artefakt, wegen dem es vielleicht zum Streit kam?“

„Ich … warte“, Vashs Stirn umwölkte sich, dann griff sie hastig nach der großen Reisetasche. Eine Ahnung begann in ihr aufzusteigen, das Gefühl der namenlosen Bedrohung war wieder da. Mit aufgerissenen Augen starrte sie den leeren Behälter an, dann löste sich die Anspannung in einem Schrei.

Sito sprang vor Schreck vom Bett auf.

Mit hastigen Schritten eilte Dr. Bashir aus dem Nebenraum herbei, er warf der Sicherheitsoffizierin einen tadelnden Blick zu, doch diese schüttelte nur den Kopf.

„Vash, Sie sind in Sicherheit.“ Er berührte die aufgebrachte Frau an der Schulter, doch erreichte dadurch lediglich, dass sie begann um sich zu schlagen. Der Schrei brach ab und ging in ein Keuchen über. Die Archäologin starrte weiterhin in die leere Tasche hinein.

„Halten Sie sie fest.“ Bashir griff sich einen Injektor von der Wandablage. Mit Sitos Hilfe schaffte er es, ihn in Vashs Halsschlagader zu entleeren.

Ein paar Augenblicke später hörte die Terranern auf um sich zu schlagen, ihr heftiges Atmen beruhigte sich wieder und ihr Blick löste sich.

„Es ist alles in Ordnung, Vash, Sie sind in Sicherheit“, wiederholte er noch einmal.

Sito stützte sich mit den Händen auf dem Bettrand ab, um ihr in die Augen sehen zu können. „Vash, was war los, an was hast du dich erinnert?“

Die Archäologin starrte die blonde Bajoranerin an. Der Schreck der letzten Sekunden vor ihrer Ohnmacht stand darin geschrieben. Die Blockade, welche ihre Erinnerung als Schutzmechanismus errichtet hatte, brach. „Der Priester!“ stieß sie hervor, „er hat das Buch!“

Sito und Bashir warfen sich einen unverständigen Blick zu.

„Welcher Priester?“

„Was für ein Buch?“

„Das … das … ich hatte ein altes Buch dabei, das ich verkaufen wollte.“ Selbst in ihrem aufgewühlten Zustand übernahm Vashs Überlebensinstinkt die Führung und sagte ihr, dass es nicht sehr ratsam war, zu viel über die wahre Natur des aus B’hala entwendeten Gegenstands verlauten zu lassen.

„Und das fehlt jetzt?“ hakte Sito nach.

Vash sah sie eindringlich an. Den gleichen Blick warf sie auch dem Arzt zu. „Er wollte es mir abkaufen, hatte aber nicht das nötige Geld … und … und …“

„… da hat er Sie angegriffen und das Buch an sich genommen“, half Bashir nach.

Vash nickte.

„Meine Güte, das ist aber ein bisschen extrem“, murmelte Sito. „Was war das für ein Buch? Gesammelte geheime Liebesbriefe?“

„Ich …“

„Ein Priester?“ wiederholte Bashir den in seinen Augen wichtigeren Teil der Aussage. „Ein bajoranischer Geistlicher?“

Vash nickte abermals. „Ja, einer von den hochrangigen … ein Vedek.“

„Einen Moment.“ Bashir wandte sich vom Bett ab und berührte seinen Kommunikator. „Bashir an Kira. Nerys, du solltest zur Krankenstation kommen. Die Patientin hat ihre Erinnerung wieder erlangt und ich fürchte, sie wird für dich mehr Sinn ergeben als für uns.“



Es dauerte nicht lange, bis Colonel Kira und Lieutenant Nog in der Krankenstation eintrafen. Vash wiederholte ihre Geschichte noch einmal, die Herkunft des Buchs ließ sie abermals im Vagen. Sie hoffte, dass sich das weitere Interesse mehr auf die Person des Priesters beschränkte.

Lieutenant Nog tat ihr diesen Gefallen, während Kira sie schweigend musterte: „Können Sie uns eine Beschreibung des Vedeks geben?“

Vash versuchte sich an die Gestalt zu erinnern, doch was sie vor allem vor sich sah, war das blitzende Messer, der fallende Blutstropfen und die Schrift, die schwarz aufflammte. Sie versuchte, das Auge der Erinnerung dazu zu zwingen, sich von dem vermaledeiten Buch zu erheben. „Eleganter Typ“, erklärte sie ein wenig unsicher, „dunkles Haar, rote Robe mit bunter Schärpe.“

Nog rümpfte ein wenig die Nase. „Geht es noch ein bisschen präziser? Jung, alt, dick, dünn, klein …“

„Warten Sie“, Bashir kratzte sich an der Stirn, „Sarius war vor zwei Tagen auf der Station …“

„Der Kai ist blond, trägt eine goldene Robe und würde niemals das Messer gegen eine lebende Person erheben“, unterbrach Kira ihn heftig. Ihre Augen blitzten angriffslustig. „So etwas möchte ich nicht einmal andeutungsweise hören.“

Der Arzt hob beschwichtigend die Hände. „Das wollte ich überhaupt nicht implizieren. Ich kenne den Kai selbst gut genug, dass ich ihm so etwas absolut nicht zutrauen würde. Aber auf seinen Assistenten würde diese Beschreibung zutreffen.“

Das Feuer in Kiras Augen loderte nun schwächer, Nachdenklichkeit begann die Flammen zu löschen. Die Verstrickung eines Vedek in den Mordanschlag auf Vash gefiel ihr gar nicht. Wenn es denn sein musste, war ihr jeder andere jedoch lieber als Kai Sarius. „Haben wir eine visuelle Aufzeichnung von Vedek Gawen?“ wandte sie sich an Lieutenant Nog.

Der Ferengi trat an eine der diagnostischen Konsolen heran. „Bekomme ich von hier aus Zugang zu den Dateien der Stationssicherheit, Doktor?“, fragte er, während er das Terminal aktivierte.

Bashir sah ihm zweifelnd über die Schulter. Er verfolgte die schmalen Finger mit den langen Nägeln, welche über die Eingabefelder huschten. „Da fragen Sie den Falschen. Ich habe keine Ahnung von…“

„Ich bin drin“, verkündete Nog, er ließ eine Suchfunktion laufen. Die Anwesenden mussten nicht lange warten, bis er verkündete, „und hier ist er: Vedek Gawen, Assistent des derzeitigen bajoranischen Kai. Wenn Sie mir bitte ein Padd reichen würden?“

Als er kurz darauf mit dem aktivierten Display an Vashs Krankenbett trat, wich die Archäologin augenblicklich zurück. Die Erinnerung an den traurig entschuldigenden Ausdruck in den Augen des eigentlich harmlos wirkenden Priesters schob sich wieder in den Vordergrund und verdrängte die aufflammende Schrift. „Das ist er“, keuchte sie, „der Hurensohn!“

Kira hatte sich gegen die Wand gelehnt und beobachtete nun mit vor der Brust gekreuzten Armen nachdenklich die Archäologin. Die Angst, die diese zeigte, schien echt, und doch konnte sich die Bajoranerin keinen Reim darauf machen, warum die rechte Hand des Kai die Frau angegriffen haben sollte. Ihr tiefverwurzelter Respekt vor der Religion ihres Volkes und vor allen ihren Vertretern stand einer neutralen Sicht der Situation im Weg. Sie hatte gehofft, dass Winn ein Ausrutscher war, was die Integrität des klerikalen Stands auf Bajor betraf. Einen weiteren korrupten hohen Geistlichen in so kurzer Zeit wollte Kira nicht wirklich wahrhaben.

Die Terranerin musste etwas getan haben, was die Reaktion des Vedek provoziert hatte …

„Kommen wir noch einmal auf das Buch zurück …“

* * *


Colonel Kira saß vor dem nun wieder dunklen Monitor in ihrem Büro und trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte. Ihr Blick wurde von der eigenständigen Bewegung ihrer Gliedmaße angezogen. Sie zwang sich dazu, die Hand ruhig zu halten. In letzter Zeit war es ihr des Öfteren an sich selbst aufgefallen, dass sie zu dieser Eigenart neigte, welche ihr Gegenüber nervös machte. Sie nahm sich vor, mehr Zeit auf ihre abendliche Meditation zu verwenden. Die Verantwortung, die auf ihren Schultern lag, war weit größer als noch vor einem Jahr, und das benötigte auch intensivere Zeit um aufgearbeitet zu werden.

Was sie soeben vom Kloster in Ashalla gehört hatte, gefiel ihr noch weniger als das, was sie zuvor auf der Krankenstation aus der Archäologin heraus bekommen hatte.

Ihre Bitte, mit dem Kai sprechen zu können, war mit fadenscheinigen Ausreden abgeschmettert worden. Der Ranjin, mit dem sie Kontakt hatte, war ihr dabei recht nervös erschienen. Etwas stimmte im Kloster nicht, das nicht an die Öffentlichkeit dringen sollte. Das war natürlich das gute Recht der Geistlichkeit, sie waren keiner säkularen Stelle zu Auskunft verpflichtet, schon gar nicht einer einfachen Stationskommandantin.

Kurzzeitig hatte Kira mit dem Gedanken gespielt, Bareil Antos ausfindig zu machen, und zu versuchen, ob er durch seine Ähnlichkeit mit dem verstorbenen Vedek dort Erfolg haben würde, wo es ihr versagt blieb. Doch sie befürchtete, dass auch der Lebenskünstler dieses Mal nicht weiter als bis zur Vermittlung durchkam.

Visionen von Anschlägen auf den Kai nisteten sich ungebeten in Kiras Gedanken ein. Sie hoffte, dass dem Kai nichts passiert war. Auf ihre Frage diesbezüglich hatte der Ranjin geantwortet, dass es dem geistlichen Oberhaupt gut ginge, er nur momentan überhaupt keine Zeit habe.

Den Gedanken, sich stattdessen an die Ministerialkammer zu wenden, hatte sie ebenfalls kurz nach Entstehen verworfen. Ohne Shakaar wusste sie nicht so recht, wen sie dort wegen eines Problems kontaktieren sollte, für das eindeutig der klerikale Stand zuständig war. Ihre Vorgesetzte würde wahrscheinlich mit dem Bericht über ein Buch mit blutiger Flammenschrift weniger anfangen können als sie selbst.

So hatte sie dem Ranjin in der Vermittlungsstelle alles berichtet, was sie von der Archäologin über Vedek Gawen und das Buch erfahren hatte, und konnte nun nur hoffen, dass dieser es an die richtigen Stellen weiterleitete.

Ihr Instinkt sagte ihr, dass irgendwo etwas Schreckliches geschah. Es machte sie beinahe verrückt, hier zu sitzen und absolut nichts tun zu können. Sollte sie sich selbst nach Bajor begeben? Doch was würde sie dort ausrichten können? Ihre Aufgabe war es, sich um die Belange von Deep Space Nine zu kümmern, so sehr es sie auch in den Fingern juckte, vor Ort mitzumischen. Sie hatte sogar versucht, Shakaar zu erreichen, einfach nur um jemanden ihres Volkes zu haben, mit dem sie sprechen konnte. Doch er war nicht zuhause und seit er nicht mehr im Dienst war, wusste sie nicht, wo sie ihn sonst erreichen konnte.

Jetzt wäre eigentlich der Erste Offizier der geeignete Ansprechpartner für die Sorgen der Kommandantin. Doch leider war Commander Benteen die unpassendste Person, wenn es um Themen ging, die den bajoranischen Glauben beinhalteten. Wahrscheinlich wäre selbst Quark hierfür geeigneter.

Colonel Kira starrte immer noch den leeren Bildschirm an, ihre Finger begannen erneut ihren nervösen Rhythmus auf der Tischplatte aufzunehmen.
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