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Veränderung

von Gabi

I-1 - Die Tochter des Vedeks

TEIL I - FLUCHT



„resisting temptation to unlock your heart
living all of the time you could borrow
afraid to be free in a world without freedom
a life spend from shadow to shadow“

(Marc Almond „The Frost comes tomorrow“)



I-1 Die Tochter des Vedeks

Sie fluchte abermals laut. Zu der Anstrengung gesellte sich langsam aber sicher Ungeduld und Zorn. Zorn auf den Vedek, in dessen Schoß sie lag, der ihre Hand hielt und sie unermüdlich beruhigte, den Schweiß von ihrer Stirne wischte. Weder er noch die Mönche, die zu ihren Füßen standen, schienen sich an ihrer vulgären Ausdrucksweise zu stören - was ihren Zorn nur noch mehr verstärkte. Es hätte eine kleine Genugtuung für sie darin gelegen, wenn sie die Geistlichen hätte schockieren können. Doch nicht einmal diesen Triumph gönnten sie ihr.

Die Hand des dunkelhaarigen Mannes fuhr wieder über ihre Stirne und sie überlegte sich, ob sie es wagen konnte, den Kopf in den Nacken zu legen, um ihn zu beißen. Alles war seine Schuld, alles! Es war sein Kind, oder nicht? Wenigstens hatten sie mit dem leidigen Gong und der Musik aufgehört, nachdem sie die Prylaren wiederholt angefaucht hatte. Alle hatten auf sie eingeredet, dass sie sich entspannen musste. Doch sie wollte es nicht. Ihre Wut war alles, was ihr momentan noch an Selbstbestimmung blieb.

Kira Nerys machte sich eine mentale Notiz, sich später bei den Propheten, bei den Prylaren, bei Vedek Bareil und wen auch immer sie in diesem letzten Monat beleidigt hatte, zu entschuldigen. Aber das entscheidende Wort war später. Im Moment fühlte sie sich zu gedemütigt, um irgendjemandem etwas Gutes zu wünschen. Sie konnte augenblicklich nicht einmal Dankbarkeit für die Geburtshelfer empfinden, die sich ruhig und gewandt um sie kümmerten. Sie hatten kein Recht, sie nackt zu sehen. Niemand hatte das! Niemand hatte sie überhaupt zu berühren!

Sie konzentrierte sich wieder stärker auf den Druck in ihrem Unterbauch, immer versucht, nach einer Pause zu rufen. Warum machte ihr Körper nicht, was sie wollte? Sie hörte undeutlich der Mönche freudige Rufe, aber sie war viel zu beschäftigt damit, den Propheten und der Welt Schuldzuweisungen anzueignen, um darauf zu achten. Nur langsam spürte sie, dass der Druck nachgelassen hatte. Als sie das erzürnte Schreien des Kindes hörte, ließ sie ihren schweißnassen Kopf in Bareils Schoß zurückfallen und wollte nur noch schlafen. Mochten sich die Geistlichen über das Kind freuen, ihr war alles egal.

Sie widerstand der Versuchung, die Beine anzuziehen und sich in eine Fötusstellung zu rollen. Es ekelte sie davor, mit ihrem schleimigen Auswurf in Berührung zu kommen. Aber schon spürte sie, wie ihre Schenkel angehoben und die Tücher durch frische ersetzt wurden. Jemand wischte ihre Geschlechtsorgane mit warmem Wasser ab, was sie nur noch wütender machte. Sie wollte auffahren, aber ihre Bewegung wurde von Vedek Bareils Arm gehindert. Wenn sie nicht so geschwächt wäre, hätte sie ihn mit Leichtigkeit fortstoßen können, aber jetzt fühlte sie sich nicht dazu im Stande.

„Shhh, Nerys“, hörte sie seine ruhige Stimme - sie hasste diese ruhige Stimme! -, „Du hast es geschafft, ich bin stolz auf dich. Ruh' dich erst einmal aus.“

Sie hörte die freudigen Stimmen der Prylaren jetzt näher kommen. Bareil nahm die Hände von ihren Schultern und bewegte seinen Oberkörper. Sie spürte, wie er kurz die Luft anhielt, dann strich das Ende eines Tuches über ihre Stirne und die Helligkeit hinter ihren Lidern wurde etwas abgedunkelt.

„Nerys, mach die Augen auf“, Bareil beugte sich vor. Er legte etwas Warmes, in Tücher Gehülltes an ihre Schulter. „Es ist ein gesundes Mädchen.“

Kira hatte weder vor, die Augen zu öffnen, noch das Kind in den Arm zu nehmen. Sie befürchtete, dass sie es mögen würde, wenn sie es erst einmal betrachtet hatte - und im Augenblick fühlte sie sich in ihrem Zorn gegen alles und jeden eigentlich recht sicher. So schüttelte sie kurz trotzig den Kopf.

Sie spürte Bareils Hände wieder an ihren Schultern, als dieser ihren Oberkörper von seinem Schoß hob und sich neben sie kniete.

„Nerys, auch wenn du auf mich einen Zorn hast, sie hat das nicht verdient!“

Schwang da ein wenig Ärger in seiner Stimme mit? Sie registrierte die leichte Nuance mit innerer Genugtuung. Warum sollte nur sie leiden? Bareil sollte ...

„Antos!“ ihre Lider flogen auf und ihr Kopf schoss in die Höhe. Es war so typisch für ihn, so typisch! Er hatte ihr das Baby an die Brust gelegt. Entgeistert starrte sie auf das kleine Wesen, dessen Mund nun ihre Brustwarze berührte. Sie hatte das Baby wegstoßen wollen, aber es sah so verletzlich aus, so zerbrechlich, so ... Der Zorn löste sich in Tränen auf. Kira umfasste ihre Tochter behutsam, zuckte kurz zusammen, als diese zu saugen begann und lehnte sich dann heulend an den Vedek.

Warum musste sie das alles durchmachen? Warum musste sie sein Kind haben? Warum musste Bareil so verständnisvoll sein?

Sie bemerkte nicht mehr, wie das Baby wieder von ihrer Brust genommen wurde, wie Bareil sie in die Kissen zurücklegte und zudeckte, wie die Prylaren das Quartier des Vedek verließen. Die Anstrengungen der Geburt und die Emotionsduschen hatten sie dermaßen erschöpft, dass sie schluchzend in einen tiefen Schlaf fiel.

* * *


Sie war verletzt. Eine Detonation hatte ihren Rücken aufgerissen. Sie wachte erst nach Tagen in einem Kloster wieder auf. Wie sie später erfuhr, hatten ihre Freunde aus der Shakaar sie zu Kai Opaka gebracht. Die Klöster waren relativ sicher vor den Cardassianern. Sie sahen die Geistlichkeit nicht als Bedrohung ihrer Besatzung, solange sich diese an das öffentliche Versammlungsverbot hielt, und ließen sie daher gewähren. Als sie aufgewacht war, hatte sie sich in einer Halle wiedergefunden, die als Krankenlager hergerichtet worden war. Sie lag auf dem Bauch, ihr Rücken schmerzte immer noch. Ein Vedek trat an ihr Bett, offenbar froh darüber, sie wieder bei Bewusstsein zu sehen. Kira mochte ihn vom ersten Augenblick an. Sie unterhielt sich in der Folgezeit oft mit ihm, und als sie aufstehen konnte, führte er sie ein wenig durch die Klosterhallen. In die Gärten durften sie sich nicht wagen, da Cardassianer dort des Öfteren patrouillierten.

Eines Tages nahm er sie in sein Quartier mit. Es war so selbstverständlich gewesen, ihn zu lieben - vorsichtig wegen ihres verletzten Rückens. Sie beide wussten, dass ihre Beziehung keine Dauer würde haben können, umso intensiver nutzten sie die Zeit, die ihnen blieb. Kiras Rücken verbesserte sich soweit, dass sie zu ihrer Widerstandszelle zurückkehren konnte. Sie verabschiedete sich am letzten Tag von dem Vedek, sicher, ihn nicht mehr wiederzusehen.

Kurz darauf entdeckte sie, dass sie schwanger war...


Kira öffnete die Augen. Sie fühlte den Luxus einer sauberen Decke über sich und wusste, dass es kein Traum gewesen war. Instinktiv kauerte sie sich in Fötusstellung zusammen und starrte in die Dunkelheit des Zimmers. Sie konnte schwach die Umrisse der Fensterrahmen gegen den sternenklaren Himmel ausmachen. Eine schwache Brise wehte durch das auf den Innenhof geöffnete Fenster und trug den süßlichen Duft eines Nachtschattengewächses mit sich. Kira konnte sich noch lebhaft an den Schock erinnern, als sie ihren Zustand entdeckt hatte. Zuerst hatte sie es sich nicht erklären können. Alle Bajoranerinnen nahmen Verhütungsmittel, wenn sie an welche herankommen konnten. Keine wollte es riskieren durch eine der oft vorkommenden Vergewaltigungen durch die Cardassianer geschwängert zu werden. Eines der Medikamente, die sie zur Behandlung im Kloster verabreicht bekommen hatte, musste die Wirkung aufgehoben haben. Ihr erster Impuls war eine Abtreibung gewesen. Der Gedanke daran, schwanger und damit verletzlich zu sein, versetzte sie in Panik. Sie war vollkommen unfähig, für ein Kind zu sorgen, ein Kind hatte keinen Platz in der Shakaar und sie wollte um nichts auf Bajor in Abhängigkeit von irgendjemandem geraten. Denn war man erst abhängig, hatten die Cardassianer etwas gegen einen in der Hand.

Aber dann war ihr bewusst geworden, dass sich das Kind eines Vedeks in ihr entwickelte. Kira war trotz all der Gräueltaten, die sie täglich sah und auch selbst beging, tief religiös. Der Gedanke, das Kind eines Vedek abzutreiben, verursachte ihr Gewissensbisse. Sie hatte lange mit sich gerungen und auch ihre Mitkämpfer in der Organisation in die Schwangerschaft eingeweiht, jedoch nicht in die zugrundeliegende Vaterschaft. Aber je mehr diese ihr zur Abtreibung geraten hatten, desto mehr setzte sich in ihr die Entscheidung fest, das Kind zur Welt zu bringen. Dass sie es auf keinen Fall behalten würde, stand außer Frage. Aber sie wollte ihm die Chance auf Leben geben. Sie würde es dann ins Kloster bringen.

Mit diesem Vorsatz griff sie cardassianische Stützpunkte und Patrouillen drei Monate lang weiter an. Jedes Mal, wenn sie aus dem Hinterhalt tötete, ertappte sie sich bei dem Wunsch, dass ihr Kind niemals erfahren würde, wer seine Mutter gewesen war.

Gegen Ende wurde es schwieriger für sie. Nicht nur, dass sie nicht mehr gut aktiv an Einsätzen teilnehmen konnte, weil ihre unkontrollierbaren Niesattacken ihre Stellung verrieten. Auch ihre Laune schwankte dermaßen, dass es sie selbst erschreckte. Immer öfter wünschte sie sich, dass die Tortur endlich vorüber wäre. Und dann hatten sie einen Einsatz gegen einen kleinen Außenposten gestartet, bei dem sie nur knapp der Gefangennahme entgangen war. Sie beschloss, dass es für alle Beteiligten besser wäre, wenn sie sich ein wenig von der Bildfläche zurückziehen würde. Die Cardassianer suchten sie im Augenblick, aber in einem Monat wären so viele weitere Überfälle geschehen, dass sich niemand mehr an ihr Gesicht erinnern würde. In einem Monat hätte sie das Kind zur Welt gebracht und könnte wieder zu ihrem normalen Leben zurückkehren.

Vedek Bareil war besorgt und erfreut zugleich gewesen, als sie eines Morgens hochschwanger wieder vor den Klostertüren gestanden hatte. In den kommenden Wochen hatte er sich mit Opakas Einverständnis rührend um sie gekümmert - und sie hatte ihn terrorisiert. Die Trennung von ihrer vertrauten Umgebung und ihren Freunden, der plumpe ungewohnte Zustand, in dem sie sich befand, die Niesanfälle, die geschwollenen Knöchel, die Schmerzen im Rücken, die sie plagten, all das stürzte vehement auf sie ein, als sie keine richtige Aufgabe mehr hatte. Sie begann Leute anzufauchen, die ihr helfen wollten. Und sie begann den sanften Vedek und das ungeborene Kind zu hassen.

Kira rollte sich im Bett herum, sie war vollständig unausstehlich gewesen und im Nachhinein betrachtet grenzte es eigentlich an ein Wunder, dass Bareil sich dadurch nicht einmal zu einem bösen Wort hatte hinreißen lassen. Sie glaubte gerne, dass hier im Kloster viele schwangere Frauen Zuflucht suchten, aber sie war sich sicher, dass keine von ihnen auch nur halb so entsetzlich sein konnte wie sie es gewesen war.

Schließlich hob sie den Kopf. Es dauerte eine Weile, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Sie konnte schwache Schemen wahrnehmen, den kleinen Schreibtisch am Fenster, an dem Bareil immer so gerne saß, wenn er arbeitete, die schwere Kommode, an deren Ende in der völligen Dunkelheit sich die Zimmertür befinden musste. Wo das Baby jetzt wohl war? Sie hatte dem Vedek von vorne herein erklärt, dass sie nur so lange im Kloster bleiben würde, bis sie es zur Welt gebracht hatte. Er hatte nichts dazu gesagt und das hatte sie als Zustimmung genommen. In Gedanken rief Kira sich das ungewohnte Gefühl zurück, als das Baby gesaugt hatte. Es war so seltsam gewesen, aber dennoch hatte sie dabei eine gewisse Bindung zu dem Kind gespürt. Ob es ihm wohl jetzt gut ging?

Ein leises Rascheln erregte ihre Aufmerksamkeit. Kira war sofort alarmiert. Ein kaum vernehmbares Rascheln in der Dunkelheit brachte so oft Vernichtung mit sich. Dann setzte das Schreien ein. Im ersten Moment erschrak sie sich entsetzlich, bevor ihr langsam klar wurde, dass sich das Baby ebenfalls im Zimmer befinden musste. Hastig tastete sie nach der Konsole neben dem Bett, um das Licht anzuschalten.

Auf dem Schreibtisch in einem Korb sah sie es liegen. Sie schwang ihre Beine aus dem Bett, verharrte einen Moment, in welchem sie sich auf das Ziehen in ihrem Unterleib konzentrierte, und erhob sich dann. Nur für einen Moment wankte sie, dann hatte sie ihr Gleichgewicht gefunden. Auf Zehenspitzen schlich sie sich hinüber zum Tisch. Der Korb war so auf der Oberfläche platziert, dass der Zug der Nachtluft ihn nicht streifte. Kira wollte vor sich selbst nicht zugeben, dass sie das Baby mehr interessierte, als sie vorgehabt hatte. Sie hob den in Tüchern gewickelten Winzling aus dem Korb und ging ihn im Arm wiegend zum Bett zurück.

„Hoffentlich hast du nur Hunger, meine Kleine“, flüsterte sie. „Ich glaube nicht, dass ich im Stande bin, Windeln zu wechseln.“ Sie steckte ihre Nase versuchsweise in die Tücher, doch sie roch nichts übermäßig Abstoßendes. Sie hockte sich auf das Bett und legte das Baby an ihre Brust. Auf der Stelle verstummte das Schreien. Ein Lächeln huschte über ihre müden Züge, als sie ihre Tochter beim Saugen betrachtete.

Die Tür öffnete sich. Kira hob den Kopf und sah Bareil im Türrahmen stehen. Sein fragender Gesichtsausdruck erhellte sich augenblicklich, als er das kleine Lächeln auf ihrem Gesicht erblickte. Mit zwei Schritten war der Vedek beim Bett und ging davor in die Knie. Er legte eine Hand auf den Kopf des Babys, die andere an Kiras Schläfe, so als ob er sie beide segnen wollte. In seinen Augen konnte sie das Wunder sehen, das dieser Moment für ihn bedeutete.

„Ihr beide seid der schönste Anblick, den ich mir nur vorstellen kann.“

Sie strich ihm mit der freien Hand durch die dichten, dunkelbraunen Haare und murmelte, „Es tut mir so schrecklich leid.“

„Schon gut, Nerys. Du bist nicht die erste Entbindung, die wir hier hatten.“

„Aber so entsetzlich wie ich...“

„Es gab schlimmere.“

„Schlimmere?“

„Nun ja, um deinen Stolz nicht zu sehr zu treffen, kann ich dir sagen, dass du auf jeden Fall in der obersten Reihe rangierst“, er lächelte ihr aufmunternd zu. „Ich kann nur immer wieder betonen, welche Ehrfurcht mich davor befällt, wenn ihr Leben schenkt. Aber bei keiner Geburt war ich so stolz wie bei dir, Nerys.“

Versuchsweise zog Kira das Kind von ihrer Brust fort. Es protestierte nicht. „Es wird ja wohl bisher auch bei keiner der Geburten um ein Kind von dir gegangen sein“, stellte sie fest, als sie ihm das Baby überreichte.

Bareil sorgte dafür, dass die Kleine die überflüssige Luft wieder ausstieß, und legte dabei die Stirn nachdenklich in Falten.

„Nicht bei allen, nein...“, er drückte die Kleine an sich. „... nein, im Ernst. Es ist das erste Mal, dass eine Frau mir ein Kind schenkt. Ich kann dir gar nicht sagen, wie glücklich ich bin.“

„Und es bleibt dabei, dass du sie nimmst?“ wollte Kira wissen.

„Wenn das immer noch dein Wunsch ist, ja, natürlich. Es ist meine Tochter.“ Bareil war wieder in den Anblick des Babys vertieft.

Kira war sich nicht sicher, ob sie hätte sagen können, wer im Augenblick zufriedener aussah, die Tochter oder der Vater. Ja, hier würde ihr Kind auf jeden Fall gut aufgehoben sein. Das Kloster und seine Bewohner schienen von der Besatzung irgendwie nicht berührt zu werden. Natürlich litten auch sie unter der Nahrungsmittelknappheit und dem Engpass an Medikamenten, aber da die Klostergärten nur bedingt zerstört worden waren, waren sie im Stande sich in gewissem Maß selbst zu versorgen. Das war mehr als neunzig Prozent der bajoranischen Bevölkerung konnte. Die Ruhe und Sanftheit, die sie hier auf den Gesichtern der Frauen und Männer sah, wäre außerhalb des Klosters nicht möglich gewesen. Sie fragte sich, ob das nur gut einstudierte Masken waren und sich auch die Geistlichen nachts in den Schlaf weinten, oder ob sie durch ihre Nähe zu den Propheten so viel ausgeglichener waren.

Während sie im Lager aufgewachsen war, hatte sie gelernt, dass Bajor nicht immer im Kriegszustand gewesen war. Sie hatte Geschichten einer friedfertigen und gläubigen Rasse gehört, die sie aber nie wirklich für echt gehalten hatte. Man konnte sich keine Gefühlsduseleien leisten und erst recht keine Schwächen. Jeder, den sie im Widerstand kennengelernt hatte, war ein trainierter Kämpfer und Killer gewesen - sie selbst eingeschlossen. Sie war keinem begegnet, der ihr gezeigt hätte, wie ihr Volk einmal war. Vielleicht war dieses Kloster das, was am meisten an die Seele Bajors heranreichte. Ja, sie wünschte sich, dass ihre Tochter im Bewusstsein dieser Seele aufwuchs, die ihr so fehlte.

Ihre Gedanken konzentrierten sich wieder auf ihre direkte Umgebung. Bareil hatte begonnen, das Baby sanft zu wiegen, und es schien eingeschlafen zu sein. Vorsichtig erhob sich der Vedek von den Knien und trug es zum Tisch hinüber. Er bettete das Baby behutsam in die Decken und schlug die Enden über ihm zu, jede Bewegung eine kleine Andacht. Als die Kleine wieder friedlich in ihrem Korb lag, betrachtete er sie noch eine geraume Weile, bevor er sich zu Kira umdrehte.

Kira hatte sich in die Kissen zurückgelegt. Sie spürte die Erschöpfung immer noch auf ihren Gliedern lasten. Sie hatte gehofft, dass sie stark genug wäre, um durch einen tiefen Schlaf wieder in Form zu kommen. Aber dieses Mal ließ sie es nicht zu, dass der Zustand sie ärgerte. Sie beschloss, die letzten paar Tage, die sie im Kloster bleiben würde, eines der liebenswürdigsten Wesen zu sein, das sie erschaffen konnte.

Bareil setzte sich auf den Bettrand. „Geht es dir besser?“

„Ein wenig.“

„Hast du Hunger?“

Sie starrte kurz zur Decke, während sie in sich hineinhorchte, dann schüttelte sie leicht den Kopf. „Nein, eigentlich nicht. Ich glaube, ich bin zu erledigt, um etwas zu essen.“

Er beugte sich über sie und küsste ihre Stirne. „Es tut mir leid, dass ich dich in diese Situation gebracht habe“, murmelte er. „Ich habe das nicht gewollt.“

„Ich habe es überlebt“, erwiderte sie müde. Dann huschte ein großzügiges Lächeln über ihre Züge. „Nun ja, in gewissem Sinn ist es wohl eine Ehre für das einfache Volk, die Tochter eines Vedek zur Welt zu bringen...“

Bareil zerzauste lachend ihre Haare. „Jetzt klingst du langsam wieder nach der Nerys, die ich damals kennengelernt habe.“ Er zog die Decke über ihre Schultern hinauf. „Schlaf jetzt.“

Der Vedek war kaum aufgestanden, als Kira sich wieder auf ihre Ellbogen erhob. „Wo schläfst du?“

Er wandte sich noch einmal um. „Nebenan. Ich werde sie mitnehmen, damit sie dich nicht noch einmal aufweckt.“

„Nein, bitte bleib hier“, sie klopfte mit der Hand auf das Bett. „Ich möchte neben dir liegen, wenn ich aufwache.“ Sie lächelte unsicher. „Wenn ich das Kloster dieses Mal verlasse, werde ich sicherlich nicht noch einmal zurückkehren, aber ich möchte mit der Erinnerung an deinen Körper neben mir gehen.“

Bareil kehrte zum Bett zurück. „Aber ich werde aufstehen, wenn sie zu schreien beginnt. Ich habe nebenan Flaschen vorbereitet.“

„Liebend gerne“, versicherte Kira.

Der Vedek löste den Verschluss seiner Robe, um sie sich von den Schultern zu streifen. Dann entledigte er sich seiner Stiefel und öffnete den Gürtel. Kira hatte sich anfangs überhaupt nicht mit dem Gedanken anfreunden können, nackt zu schlafen. Die meiste Zeit ihres Lebens hatte sie die Nächte in Schuhen zugebracht, die Waffe griffbereit neben ihrem Kopf. Ohne Kleidung zu schlafen hätte für sie alle eine Verwundbarkeit bedeutet, die sie sich nicht leisten konnten. Bald würde sie ihre Kleidung wieder Tag und Nacht tragen.

Sie seufzte, als Bareil sich neben ihr unter die Decke legte. Ein Teil von ihr wollte hier bleiben, aber der andere Teil, der patriotische, der kämpferische, der stolze, würde sie wieder hinaus in die geheimen Lager treiben, das wusste sie. Sie könnte niemals in dem Bewusstsein leben, dass andere um ihre Befreiung kämpften und sie nicht dabei war. Die Geistlichen mochten ihren Teil zum Wohl Bajors beitragen, aber Kira wusste, dass es nicht sie waren, die eines Tages ihr Volk befreien konnten.

Bareil nahm sie in die Arme, so dass ihr Kopf an seiner Brust zu liegen kam. Sie bewegte sich ein wenig, um eine bequeme Lage zu finden und um so nah wie möglich an seine warme Haut zu kommen. Auch wenn sie es nicht zugeben wollte, hatte sie diese intime Nähe vermisst. Den letzten Monat hatte sie keine Berührung geduldet und Bareil hatte das akzeptiert. Er hatte tags wie nachts einen höflichen Abstand von ihr gewahrt. Erst bei der Geburt hatte er sie in seinem Schoß gehalten - das zwar auch gegen Kiras Protest, aber Kira hatte zu diesem Zeitpunkt gegen alles protestiert.

Jetzt wollte sie jede Berührung nachholen. Sein Oberschenkel legte sich über ihr Bein, und Kira schlief schließlich mit einem zufriedenen Seufzen ein.

* * *


„Was soll dieser Lärm am frühen Morgen?“

Die Soldaten und der Prylar fuhren herum. Die Stimme war ruhig, besaß aber einen Unterton, der Respekt forderte - auch von den Cardassianern.

„Kai Opaka“, der Hauptmann des Trupps erkannte die kleine Gestalt, die sich aus den morgendlichen Schatten des Klostergangs löste. Die Bajoranerin hielt die Hände vor ihrem in lange Roben gehüllten Körper und näherte sich ihnen auf dem hellen Pflaster, aus welchem sowohl Boden als auch Säulen des Bogengangs bestanden. Auf einer Seite des Gangs reihten sich Türen an Türen, die andere Seite war abgetrennt durch eine niedrige Mauer offen in den großzügigen inneren Gartenbereich des Klosters. Die ersten goldenen Strahlen der Morgensonne tasteten sich über den hellen Stein.

„Es tut uns leid, aber wir haben Hinweise, dass sich eine Terroristin hier im Kloster versteckt hält.“ Seine Stimme klang nicht im Mindesten so, als ob es ihm leid täte.

Die Kai trat vor sie und gestikulierte dem Prylar, der sich bisher um den Besuch gekümmert hatte, sich zu entfernen. „Wer soll diese Person sein?“ fragte sie betont langsam, während sich der Mönch in den inneren Teil des Klosters zurückzog.

Der Hauptmann blickte ihm misstrauisch nach, beschloss aber, die Fragen der Kai nicht zu übergehen, jedenfalls noch nicht im Moment. „Eine Rothaarige. Das letzte Mal, als wir sie gesehen haben, war sie hochschwanger“, er lächelte süßlich, „sie kann also nicht einfach so untergetaucht sein.“

Opaka schien angestrengt nachzudenken, dann, als der Soldat davor stand, die Beherrschung zu verlieren, gab sie zu bedenken: „Viele Frauen kommen zu uns, wenn sie entbinden. Es mag euch vielleicht entgangen sein, aber das Kloster ist die einzige noch einigermaßen intakte medizinische Einrichtung in dieser Umgebung.“

„Nicht mehr lange, wenn es nach mir geht“, knurrte der Cardassianer. „Geh mir jetzt aus dem Weg, Frau. Wenn du nicht damit herausrückst, nehmen wir das Kloster Stein für Stein auseinander!“

Die Kai baute sich vor dem Trupp auf. Ein zweckloses Unterfangen für jeden anderen Bajoraner ihrer Körpergröße, aber der Cardassianer zögerte einen Augenblick. Dann schob er sie jedoch beiseite. „Durchsucht jeden Winkel“, befahl er seinen Männern, „bringt mir jede Schwangere und jede Mutter mit Baby - wenn sich wirklich so viele hier befinden sollten“, bemerkte er mit einem misstrauischen Blick zu Opaka hinüber.

Die Soldaten packten ihre Waffen fester, während sie ausschwärmten. Die Kai sah ihnen entsetzt nach. „Wenn diesem Kloster und seinen Bewohnern etwas geschieht...“

„Das liegt völlig an dir“, bemerkte der Hauptmann gönnerhaft. „Geh voraus und zeig' mir eure Krankenlager oder wo immer ihr die Frauen habt. Los!“

Opaka setzte sich langsam in Bewegung, in der Hoffnung, dass der Prylar genügend mitbekommen hatte, um Bareil zu warnen.
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